Hiho, ihr lieben Zwergenfreunde:)
Nun ist es wieder soweit. Ich geb zu, dass ich derzeit kaum Schlaf habe, weil ich so viel arbeite und mache und tue. Ich weiß daher nicht, wie es mit dem nächsten Kap aussieht, aber dieses hier habe ich ja pünktlich geschafft, nicht wahr:)
ANKÜNDIGUNG:
Silia hat mir eine SEHR amüsante und lustig zu lesende (jaja! Lest sie euch selbst mal LAUT vor) Geschichte darüber geschrieben, wie sich Milia und Gimli kennen lernen. (grins)
Den Link findet ihr hier: http/fanfiktion.de/s/42c24ec60000140906700fa0/5
oder gleich bei ff.de unter "Fanfictions zur Fanfiction Agarmaethor"
Ich habe mich sehr, sehr, sehr gefreut und DANKE! DANKE! DANKE! (knuddel)
Viel Freude beim Lesen:)
Alles Liebe
Euer Kampfzwerg
StupidMouth: Huch! Da ist mir heute noch ein Review ins Haus geflattert. Vielen, lieben Dank! (freu)
Ich gebe mir Mühe, Agarmaethor nicht noch mehr leiden zu lassen. Ich denke, dass sie schon viel genug gelitten hat, und jetzt einfach mal jemanden wie Legolas verdient, der ihr die Schönheit des Lebens zeigt und sie mit ihr erlebt. Aber natürlich muss es da auch ein wenig spannend bleiben. Es gibt deshalb auch noch das Problem und die Ängste von Legolas, ob Agarmaethor ihre alten Erinnerungen zurück haben will. (zwinker)
Hm... und Araf und Amlugûr... die beiden sind derzeit wohl am spannendsten, denke ich. (g) Lass dich überraschen. Ein wenig kommt jetzt schon rüber, und ein wenig in späteren Kapiteln. (zwinker)
Liebe Grüße, Vypox
°
°
°
Schwarz, weiß, grau
Das Sonnenlicht auf der mit Schnee bedeckten Ebene hatte die Augen Amlugûrs geblendet, und doch war es ihm gelungen einen Hasen zu erlegen - frisches Fleisch, welches es während seiner Reise mit Araf recht selten gab, weil er seinen Gefangenen nur ungern für längere Zeit allein zurück ließ, um auf der nahezu leeren und kalten Ebene mühselig nach Wild zu suchen.
"Ich spüre den Tod unter meinen Füßen. Mir scheint, als liefe ich über alte Gräber", sagte Amlugûr beinahe täglich während seiner Wanderung über den Schnee und suchte auch an diesem Abend eine Senke zum Rasten - eine Senke, die ihm unberührt erschien und ihm nicht das Gefühl vermittelte, dass man vor einigen hundert Jahren auch hier im Blut hätte baden können. Geschickt entzündete er ein Feuer und bereitete darüber den Hasen zu, doch seine Gedanken waren bei Songel und seinen Berichten über die Flucht vieler Menschen aus dem Osten. "Ihr seid für die Ausrottung der Menschen hier verantwortlich, nicht wahr? Saubere Arbeit habt ihr geleistet. Selbst unser Lagerfeuer besitzt mehr Leben als diese Ödnis!", fügte er verbittert hinzu.
Tatsächlich loderten die Flammen des Feuers aufgeregt, passten sich jedem unangenehmen Windhauch über der Ebene an und boten dabei ein packendes Lichtspiel im rot erleuchteten Schnee. Das Flackern erreichte sogar die am Rande des Lagers abgelegte Rüstung Arafs und schenkte den grünen Augen des in das Leder geprägten Wolfes ein faszinierend lebendiges Funkeln.
"Ja, das war unsere Arbeit", sagte Araf schlicht. "Auch wenn ich das Wort 'unsere' ungern für mich beanspruche, denn ich war schon sehr, sehr lange nicht mehr hier."
"So? Wo warst du dann?", fragte Amlugûr wenig interessiert und sah Araf nicht einmal an. Stattdessen starrte er in die grünen Augen des Wolfes.
"Weg!", erwiderte Araf frech. "Ich habe grob die Richtung nach Valinor eingeschlagen und dann leider die Abfahrt des Schiffes verpasst."
"Bedauerlich!", murmelte Amlugûr, ohne genau zugehört zu haben. Die Augen des Wolfes schienen ihn anzusehen, mit ihm in Kontakt treten zu wollen, und so streckte er seine Hand aus und wollte sie berühren. Doch seine Aufmerksamkeit richtete sich sehr schnell wieder auf Araf, als dieser plötzlich hinzufügte:
"Ich habe jemanden gesucht. Fainrhiw hieß er, und die Suche nach ihm hat sehr, sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Sein Versteck war außerordentlich... interessant, und der Krieger außergewöhnlich!"
Vergessen war die Rüstung! Wie gelähmt sah Amlugûr Araf an. "Du kanntest Fainrhiw?"
"Natürlich!" Araf lächelte spöttisch. "Glaubst du, ich hätte Silamîriel erst nach ihrer Umwandlung gesucht?"
"Gesucht hast du sie sicherlich bereits zuvor!" Amlugûr konnte es noch immer kaum fassen. "Aber wie hast du sie finden können?"
Araf sah sich um, als wolle er ein Geheimnis offenbaren und fürchte belauscht zu werden.
"Du willst es wirklich wissen?", flüsterte er übertrieben verschwörerisch. "Dir allein werde ich es offenbaren: Ein gut gewähltes Versteck ist unauffällig, und Berührungsschmerzen wie die Fainrhiws sind wie eine schwarze Rauchsäule am blauen Himmel."
Amlugûr zürnte nicht wegen des Spotts. Natürlich hatte er selbst die Bedeutung der Berührungsschmerzen erkannt, doch er hatte seine Frage absichtlich nicht konkretisieren wollen, denn konkrete Fragen gaben auch Wissen Preis, welches er Araf nicht hatte vermitteln wollen. Wenn Araf ihn deshalb für blind oder dumm hielt, dann sollte er das tun! Ihn störte das nicht, denn er hatte Araf mit seinem Verhalten keine Blöße gegeben.
"Gerüchte also...! Du hast ihn über Gerüchte gefunden! Mehr Leistung deinerseits steckt nicht dahinter", murmelte Amlugûr abfällig und versuchte Araf damit zu einem ausführlicheren Bericht zu provozieren.
"Vielleicht hätte ich doch nicht an deinem Verstand zweifeln sollen", erwiderte Araf gespielt entschuldigend. "Gerüchte sind etwas Wunderbares, und dass Celebrimbor sich keine Gedanken zu ihrer Entstehung und Verbreitung gemacht hat, macht ihn zu meinem persönlichen Lieblingsnarren!" Er lächelte spottend. "Was hat er sich bei der Erschaffung der Schmerzen nur gedacht? Dass ihn die Valar bestrafen würden, weil nach Fainrhiws Umwandlung vielleicht zwei Frauen aneinander gebunden wären? Na und? Wem hätte das denn geschadet? Niemandem! Nach einigen Jahren Bindung vergesst ihr Elben doch ohnehin den Reiz der körperlichen Liebe, die ihr euch noch Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zuvor ersehnt hattet, und Fainrhiw und seiner Frau wäre es ebenso ergangen! Oder Silamîriel und ihrer Frau... oder wie auch immer. Und selbst wenn ihm die Valar gezürnt hätten: Wäre diese eine Tat nicht nur ein winziger Tropfen in einem Meer von Taten gewesen, die Probleme und Ärger nach sich gezogen haben? Ich erinnere nur an die Erschaffung der Ringe!"
Sittlichkeit und Anstand waren sicherlich eine Frage der Erziehung und der Kultur, und vielleicht war Arafs Verhalten ja bei den Sangwa äußerst höflich? Das jedenfalls versuchte sich Amlugûr einzureden um seinen Ärger darüber zu unterdrücken, dass Araf elbische Werte mit Füßen trat.
"Die Seelenverwandtschaft mit seiner... ihrer Partnerin wäre dahin gewesen", sagte er deshalb gezwungen ruhig.
"Ich bitte dich!" Araf sah ihn kopfschüttelnd an. "Wahre Seelenverwandtschaft gibt es doch gar nicht. Ihr Elben redet euch ihre Existenz nur ein, weil ihr etwas braucht, woran ihr glauben könnt, um einen Grund zu haben, die Valar nicht auf erniedrigende Weise beknien zu müssen, euch die Auflösung eurer Verbindungen zu gestatten. Stattdessen lebt ihr lieber mehrere hundert Jahre lang voneinander getrennt und hofft, euch dann neu kennen und lieben zu lernen... oder euch auch dieses einzureden!" Er grinste. "Eine wahrlich große Heldentat wäre das für einen Elben, den Valar endlich einmal all die Nachteile dieser unendlich langen Verbindungen zu erklären: selten wechselnde Freuden im nächtlichen Gemach, eingeschränktes Ausleben eurer Phantasien, wenige Kinder und mangelnde Vielfalt eurer ach-so-guten Eigenschaften durch unzureichende Vermischung." Araf spottete nicht mehr. Ernst und nachdenklich sah er Amlugûr an und deutete dann auf seine Stichverletzung, die noch immer gelegentlich aufbrach und ihn zum Rasten zwang. "Ihr Elben könnt wirklich froh sein, dass ihr keine Krankheiten kennt, die ihr an eure Kinder übertragen könntet!"
Amlugûr überhörte die Erwähnung der Heldentat keineswegs und fühlte den Stich in seinem Herzen, weil ihm ihre Erwähnung vor Augen führte, dass es ihm noch immer nicht gelungen war, etwas Besonderes zu vollbringen. Doch bald schon... Er durfte sich von Araf nur nicht ärgern lassen - obwohl... Araf hatte gar nicht geklungen, als habe er ihn ärgern wollen. Traurig waren seine Worte gewesen, und Amlugûr fühlte sich auf befremdliche Weise erleichtert darüber, dass Elben tatsächlich keine Krankheiten kannten - Krankheiten wie sich schlecht schließende Wunden. Aber musste er deshalb jetzt Taktgefühl beweisen? Bei Araf? NIE! Sich selbst nicht ärgern zu lassen bedeutete noch lange nicht, dass er deshalb Araf nicht ärgern durfte! Schließlich hatte der Sangwa sich endlich einmal eine Blöße gegeben!
"Mit Inzucht kennst du dich also aus", stellte er fest und strich über den Verband. "Du bist sozusagen ein Teil der Inzucht! Sind deine Eltern Geschwister? Hast du es schon einmal mit deiner eigenen Schwester getan?" Betont sachlich schien er zu fragen, doch der Hohn stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Ich bin die Quintessenz des Besten vom Besten", erwiderte Araf ruhig und ließ sich nicht reizen. "Und deshalb bin ich nahezu vollkommen!" Ein selbstbewusstes Lächeln huschte über sein Gesicht.
"Nahezu vollkommen! Du sagst es! Elben sind nämlich wirklich vollkommen, und deshalb müssen sie auch nicht auf die Vermischung ihrer Eigenschaften achten!", knurrte Amlugûr und ärgerte sich darüber, dass er nicht bissiger kontern konnte. Ihm fehlte die Übung!
"Mein Held! Mein Lebensretter! Du hast ja so Recht. Man muss dich nur ansehen und fühlt die wahre Vollkommenheit!", schmachtete Araf affektiert.
Amlugûr biss sich auf die Zunge. Araf war wirklich nur als Führer zu ertragen. Ernsthafte Gespräche waren mit ihm nicht zu führen.
"Leiden wenigstens alle deiner Art unter diesem Wundheilungsproblem? Darf ich hoffen, sie alle verbluten zu sehen, wenn ich ihnen kleine Schnittverletzungen zufüge?", fragte er hämisch.
"Einige", erwiderte Araf bitter. "Aus diesem Grunde hat mein Herr auch immer wieder auf die Avari hier im Wald zurückgegriffen und sie regelmäßig überfallen lassen. Neues Blut hatte er gebraucht! Aber es hat ihm nicht viel genutzt, denn die Anzahl der Avari-Familien war zu klein, um das Problem langfristig beheben zu können. Totgeburten, verkrüppelte Gliedmaßen oder Fallsucht sind nicht selten, und oft sterben unsere Kinder an Infektionen, die wir nicht kennen. Wir sind eben vergiftet worden - so jedenfalls hast du unsere Umwandlung einst nicht ganz unzutreffend beschrieben."
Erstaunen erfasste Amlugûr. Hatte Araf soeben ganz offen von Schwächen und Nachteilen seiner Art gesprochen? War er wirklich gerade so redselig gewesen? Einfach so, und obwohl sie sich gerade gegenseitig provoziert hatten? Oder hatte er gelogen, um falsche Hoffnung zu verbreiten? Er sah auf die blutende Stichverletzung und je länger er darauf schaute, desto mehr hielt er sie für einen Beweis für die Existenz derartiger Mängel unter den Sangwa.
Oder wollte Araf Mitgefühl? Für sich selbst sicherlich nicht, aber für sein Volk? NIE! Nie würde er Mitgefühl für die Sangwa empfinden! Für Orks hatte er doch aber auch noch nie Mitleid empfunden, und obwohl die Sangwa den Elben sehr viel ähnlicher sahen, so waren sie doch letztlich nichts anderes als Orks! ... Oder etwa nicht?
Schweigend drehte er deshalb den Hasen am Spieß und beobachtete dabei, wie etwas Wasser und Fett tropften und die Flammen das Tanzen lehrten. Erneut erreichte das flackernde Licht des Feuers die Rüstung Arafs, und wieder konnte Amlugûr seinen Blick nicht von ihr reißen und streckte seine Hand nach ihr aus.
"Zweihundert Jahre vor ihrer Umwandlung habe ich sie gefunden", hörte er Araf sagen, "und sie beobachtet - als Fainrhiw. Und dich damit auch."
Entrüstet schnappte Amlugûr nach Atem und ließ dabei wieder von der Rüstung ab. Vor zweihundert Jahren schon! Deshalb also hatte Araf seine Schwächen durchschauen und das Spiel zu Beginn ihrer Reise gewinnen können! Deshalb also hatte er auch die Heldentat vor wenigen Augenblicken erwähnt!
Amlugûrs Hände ballten sich zu Fäusten, so als wollten sie den schier ins Unermessliche wachsenden Ärger niederprügeln - den Ärger über Araf und dessen ständige Überwachung, aber auch den Ärger über sich selbst, weil er als erfahrener Krieger den Sangwa nie wirklich bemerkt hatte. Ein Prickeln im Nacken hatte sie gelegentlich begleitet - ein Prickeln, wie man es manchmal spürt, wenn man sich beobachtet glaubt. Aber nie war eine Suche nach der Ursache erfolgreich verlaufen! Nie hatte eine Waffe im Sonnenlicht geblitzt oder eine Fußspur ihn verraten.
Ein winziger Hauch Bewunderung verdrängte den Ärger. Wenn er, Amlugûr, ein erfahrener und ausgezeichneter Krieger und der hoffentlich zukünftige Retter Mittelerdes Araf nicht bemerkt hatte, wie geschickt musste der Sangwa dann gewesen sein? Äußerst gewandt und durchtrieben! Womöglich hatte er dabei sogar gespielt, indem er hier und da einen kleinen Hinweis auf seine Anwesenheit hinterlassen hatte?
Amlugûr erinnerte sich noch genau an ein gestohlenes Stück Brot, welches am nächsten Tag in seiner Tasche wieder aufgetaucht war und den Eindruck erweckt hatte, er selbst habe es sich heimlich genommen! Was wäre, wenn Araf das gewesen war...? Seine diebische Freude darüber, dass man ihn trotzdem nicht bemerkt hatte, konnte sich Amlugûr lebhaft vorstellen und ließ ihn die Zähne knirschen.
Und jetzt spielte der Sangwa erneut! Oder warum sonst nahm er das Gespräch trotz der bestehenden Spannungen wieder auf? Worin lag der Gewinn des Spiels? Was wollte er erreichen? Wollte der Sangwa ihn zur Preisgabe eines Geheimnisses verleiten? Oder erzählte er Lügen, um ihn zu falschen Schlussfolgerungen zu führen?
Nervös stieß Amlugûr einen Zweig in die Flammen. Er hasste solche Spiele! Sie waren geeignet für Diplomaten, aber nicht für echte Krieger! Doch er wollte nicht der Verlierer sein, indem er abbrach, was Araf begonnen hatte.
"Warum hast du solange gewartet?", fragte er und unterdrückte das Gefühl von Gereiztheit. "Du hättest Fainrhiw doch beinahe jederzeit entführen oder fortlocken können."
"Meine Herrin braucht Celebrimbors Tochter erst jetzt - nach Saurons Fall." Araf lächelte sanft.
"Wozu? Warum ist Agarmaethor so wichtig?" Amlugûr wollte es wissen, wollte es endlich wissen!
Trotz seiner Fesseln setzte sich Araf mit einer schnellen Bewegung aufrecht hin und sah Amlugûr mit glühendem Blick an.
"Sie braucht Silamîriel, um sich der Welt zu bemächtigen! Sie will Melkors Plan vollenden und nicht nur selber Dinge ins Sein rufen, wie es Melkor für sich gewünscht hat, sondern auch die geschaffenen Dinge und den Willen anderer dabei beherrschen." Arafs Augen funkelten ihn an. "Wie Sauron! Der wollte auch nichts anderes, doch Sauron hat versagt."
"Und obwohl Sauron, der mächtigste Diener Morgoth's, versagt hat, glaubt deine Herrin, dass sie es besser kann? Mit Agarmaethors Hilfe?" Amlugûr wusste nicht ob er lachen sollte. "Deine Herrin ist nichts anderes als eine Fledermaus ohne Fell und Flügel und Agarmaethor eine Kriegerin, die keine mehr sein möchte!"
"Silamîriel ist mehr als das. Sie ist die Tochter des Ringschmiedes!", erklärte Araf mit einem Augenzwinkern.
Amlugûr verstand die Regeln des Spiels tatsächlich nicht. Augenzwinkern? Glühender Blick? Und worauf wollte Araf hinaus?
"Na und? Sie kann sich daran nicht erinnern, und selbst wenn sie es könnte... sie war damals nur ein dummes Mädchen!", knurrte Amlugûr nervös.
"Wer sagt denn, dass sie IHRE Erinnerungen finden wird?" Araf sah ihn herausfordernd an.
"Wessen denn dann?" Entsetzen packte Amlugûr und es nahm kaum ab, als Araf mit einem wissenden Lächeln erwiderte:
"Die ihres Vaters gemischt mit ihren eigenen. Und dann wird sie beherrschen, was ihr Vater beherrscht hat. Sie wird schmieden können, verstehst du?"
"Es geht darum, dass sie schmieden kann wie ihr Vater?", fragte Amlugûr ungläubig und rümpfte die Nase. "Ringe? Neue Ringe der Macht? Unsinn! Selbst dafür bedarf es noch eines mächtigen Maia und keiner Fledermaus!"
"Narr!", herrschte Araf ihn an. "Glaubst du etwa, dass Thuringwethil dumm ist, weil sie keine mächtigen Magien wirken kann? Meinst du, sie würde den Fehler Saurons wiederholen? Eigene Pläne verfolgt sie!"
"Was soll Agarmaethor denn dann schmieden?", herrschte Amlugûr zurück. "Magische Waffen? Für das Böse? Agarmaethor würde NIE etwas für das Böse tun! NIE! NIE!"
"Nie?" Araf war wieder ganz ruhig. "Sicher? Hat sie denn Grund dazu, sich nicht von dieser Welt abzuwenden und sie zu hassen?"
Amlugûr erstarrte einen Moment lang. Jetzt endlich begriff er, worauf Araf hinaus wollte. Er wollte
Agarmaethors Schwachstelle erfahren, wollte wissen, mit welcher Person man sie verletzen könnte, um sie zu Taten zu treiben, die sie sonst nie begehen würde! Doch von ihm würde Araf nichts über Legolas erfahren. Gar nichts! Lieber sollte er glauben, Thuringwethil könne Erfolg haben!
"Ich weiß es nicht", log er, sah Araf traurig an und versuchte dabei zu wirken wie ein kleines Häufchen Unglück. "Ich weiß es wirklich nicht. Sie hat dem Abgrund bereits sehr nahe gestanden, aber wie es mit ihr weitergehen wird..." Hilflos zuckte er mit den Schultern. "Und gerade deshalb erscheint es mir umso sinnvoller, dass ich einen eigenen Weg suche, um gegen Thuringwethil vorzugehen. Gerade deshalb suche ich nach einem Verhandlungspartner unter euch Sangwa."
Er beließ es dabei, wollte nicht weiter reden und zog sich zurück. Jedes weitere Wort würde sonst zu viel sein, vielleicht seine Lüge aufdecken oder ihn Dinge sagen lassen, die er nicht beabsichtigte. Doch diesen Triumph wollte er Araf nicht gönnen - nicht in dem Spiel, welches der Sangwa begonnen hatte.
Schweigend bereitete er das Essen zu, schob einen Teil davon auch in Arafs Mund und legte sich dann zur Ruhe. Doch schlafen wollte er nicht. Er beobachtete seinen Gefangenen, ließ seinen Blick immer wieder über das Lager schweifen und starrte zum dritten Mal an diesem Abend auf die grünen Augen des Wolfes auf der Lederrüstung. Lautlos erhob er sich, glaubte Araf schlafen zu sehen und ergriff die Rüstung ein weiteres Mal.
"Schade", hörte er Araf sagen und wunderte sich über den neuen Versuch Arafs, das Gespräch wieder aufzunehmen. "Wirklich schade. Deine Worte gehen mir nicht aus dem Kopf. Es ist so traurig, dass Silamîriel keine Lebensfreude hat finden können. Und dabei habe ich so sehr gehofft, dass Amdir ihr dabei helfen würde. Ich sah damals das Fohlen und wusste sofort, dass es Fainrhiws sein musste!"
Langsam drehte er sich um und sah Araf verträumt in die Sterne schauen.
"Wie bitte?" Amlugûr glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. "Amdir stammte von dir? Warum schenkst du Fainrhiw ein Pferd? Was hast du dir davon versprochen?"
Irgendwie erschien ihm seine eigene Frage bereits beantwortet, denn hatte er nicht noch vor kurzer Zeit selber angenommen, dass Araf kleine Hinweise auf seine Anwesenheit hinterlassen hatte, um seinem Spieltrieb nachzugehen?
"Nichts habe ich mir versprochen", erwidere Araf jedoch leise und vollkommen unverspielt. "Gar nichts. Ich wollte nur, dass es Fainrhiw besser geht, dass er wenigstens ein bisschen Liebe und Wärme erfährt, die Hoffnung nicht verliert und vielleicht... vielleicht nach seiner Umwandlung in Silamîriel einem interessierten Elben gegenüber offener und weniger ängstlich ist. Nichts weiter." Weich klang seine Stimme, und beinahe ein wenig traurig. "Gar nichts weiter."
"Du lügst!", fauchte Amlugûr verärgert. "Wie kannst du nur so etwas behaupten? Willst du mich ärgern, weil du weißt, dass Amdir mich gehasst hat?"
"Warum sollte ich lügen? Ich, der ich die körperliche Liebe doch so hoch halte, empfindet doch wohl am ehesten Bedauern darüber, dass ein anderer sie überhaupt nicht genießen kann", erwiderte Araf noch immer weich und traurig. "Beinahe zweihundert Jahre lang habe ich Fainrhiw leiden sehen! Was hätte ich denn anderes tun können, als ihm etwas zu geben wie Amdir? Ich hatte gehofft, dass er - wenn er erst einmal die Liebe kennen gelernt hat - sie sich auch nach seiner Umwandlung ersehnt und sucht... und sich dann vielleicht keine Boshaftigkeiten Thuringwethils ins Ohr flüstern lässt."
°
°
Ein erschrockener und panischer Schrei Lútholwens ließ Alatar hastig die Stufen zu seiner Höhle hinaufeilen.
"Tot ist er! Tot!", hörte er sie schreien.
"Wer ist tot?" Atemlos erreichte er Lútholwens Schlafgemach und sah sie mit den Fäusten wütend gegen eine Wand hämmern. Ihr Rücken war ihm zugewandt, sodass er sich nicht sicher war, ob sie nicht auch weinte. "Wer ist tot?", wiederholte er seine Frage besorgt, stürzte zu ihr und wollte sie sanft in den Arm nehmen. Doch kaum hatte er einen Blick in ihr Gesicht geworfen, ließ er geschockt von ihr ab und zog sich einige Schritte zurück.
"Wer bist du?", presste er hervor. "Wo ist Lútholwen? Warum trägst du ihr Kleid?" Misstrauisch glitt seine Hand zu seinem Dolch.
Einen Moment lang starrte die dunkelhaarige Frau ihn leer an, schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen und bewegte sich beinahe stolpernd und orientierungslos auf das Bett Lútholwens zu, um sich auf dessen Kante zu setzen und mehrmals tief ein und auszuatmen. Erst einige Atemzüge später schien jede Verlorenheit von ihr zu weichen, als sie mit einer entschlossenen Bewegung einen Ring von ihrem Finger abstreifte und ihn Altar reichte.
"Sauron ist vernichtet worden. Er ist tot, und Lútholwen ist es auch, denn ihr Schicksal war an seines gebunden. Hier! Nimm den Ring als Andenken an sie." Ihre Stimme klang leise aber doch gefasst.
"Ich verstehe nicht ganz..." Zögernd nahm Alatar den Ring entgegen und musterte ihn. "Dieser Ring gehörte ihr. Ihre Eltern hatten ihn ihr..."
"Ach was!", unterbrach ihn die Frau. "Dieser Ring gehörte Sauron. Ein Elbenschmied hat ihn unter seiner Anleitung geschaffen und ihm die Fähigkeit gegeben, das wahre Aussehen seines Trägers zu verbergen."
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und verriet Alatar, dass sie ihre Gefühle über die Vernichtung Saurons unter Kontrolle gebracht hatte - überraschend schnell, wie Alatar fand, denn er vermochte seine Gefühle nicht zu ordnen. Wild und verknüpft mit unzähligen Fragen schlugen sie über ihn herein und ließen ihn sprachlos auf die ihm unbekannte Frau auf Lútholwens Bett starren.
Unbekannt? Je länger er sie anstarrte, desto mehr glaubte er sie doch zu kennen - ihr Gesicht, ihre bläulich-schwarzen Haare, ihre Stimme.
"Thuringwethil!", flüsterte er heiser. "Ich dachte, du wärst in die Schatten gefallen, als Sauron Tol-in-Gaurhoth verlor." Mit einem Mal fühlte er sich schlecht. Voller Abscheu wandte er sich deshalb ab und rang nach Atem.
"Ich bin besiegt worden, aber nicht vernichtet - etwas, das Sauron auch bereits einmal gelungen ist - nur leider kein zweites Mal." Sie lächelte stolz.
"Das wird auch dir kein zweites Mal gelingen!", murmelte Alatar.
Seine Hand umschloss den Griff seines Dolches fester, doch noch bevor er seinen Entschluss umsetzen konnte, hatte sich Thuringwethil erhoben und sah ihm ernst in die Augen.
"Willst du gar nichts Genaueres zum Tod Saurons wissen?", fragte sie mit funkelndem Blick. "Ich weiß nicht alles, aber ich weiß einiges!"
Alatar schwieg, sah sie nur auffordernd an und machte dabei keinen Hehl daraus, dass ihr Bericht sie nicht schützen würde. Trotzdem sah er sie sanft und selbstbewusst lächeln.
"Ich weiß, dass Sauron ein Heer aufgestellt hat, wie Mittelerde es noch nie gesehen hat. Hunderttausende Orks, Ostlinge, Menschen des Südens und Trolle hat er in Mordor versammelt, um mit ihnen den gesamten Westen zu entvölkern oder zu versklaven. Genutzt hat ihm das Heer jedoch nicht. Er ist trotzdem vernichtet worden - leider - denn sein Heer hat ihn nicht davor schützen können, dass der Ring, in dem all seine Macht steckte, vernichtet werden konnte. Vielleicht lag das zu einem nicht ganz unerheblichen Teil daran, dass die Nachkommen deiner Opfer nicht am Krieg haben teilnehmen können, weil du ihre Vorfahren vernichtet hast? Bist du nicht stolz auf deine Arbeit?"
"Unsere Arbeit", korrigierte Alatar. "Du hast mir doch dabei geholfen! Nur verstehe ich nicht ganz warum? Warum bist du Sauron in den Rücken gefallen, indem du mit mir gemeinsam sein Heer geschwächt hast? Deine Trauer und Betroffenheit um seine Vernichtung ließ mich annehmen, er wäre dein Herr gewesen! Oder habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden?"
"Du hast alles richtig verstanden. Für einen kurzen Augenblick war ich zutiefst betroffen, weil Sauron erneut versagt und Melkor enttäuscht hat. Doch Sauron war nie mein einziger Herr. Immer diente ich Melkor - auch nach dessen Vernichtung. Nur um Melkor zu dienen, diente ich Sauron." Ein wissendes Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Und nur um Melkor zu dienen, diente ich auch... dir!"
Alatar war ehrlich bestürzt. "Wie darf ich das verstehen? Was hast du getan? Mit mir getan?" Panik ergriff ihn, und Thuringwethils sanfte Berührung auf seiner Wange beruhigte ihn keinesfalls.
"Ich?", fragte sie erstaunt. "Gar nichts habe ich getan! Nur du allein hast gehandelt! Du hast Menschen und Zwerge getötet, du hast einen großen Teil des Ostens zerstört, und du hast Hand an die Avari gelegt - an die Kinder Ilúvatars - um aus ihnen eine Züchtung zu machen, wie sie dunkler kaum sein kann. Sogar eine eiskalte Aura besitzen sie! Ist dir das etwa nie aufgefallen? Vermutlich nicht, denn dein Gewissen" - mit einer weichen Bewegung schob sie sich hinter ihn und umschlang seinen Körper mit ihren Armen; steif und starr stand Alatar da und nahm kaum wahr, wie ihr Atem sein Ohr streichelte als sie fortfuhr - "ist gemeinsam mit deinem besten Freund in den Abgrund gestürzt!"
Ihre Lippen berührten sein Ohrläppchen, doch Alatar schüttelte sich heftig und befreite sich aus ihrer Umarmung.
"Du willst wirklich behaupten, du hättest nichts getan?", fauchte er sie an.
"Eigentlich hatte Sauron mir jegliche größeren Aktivitäten verboten. Er trug mir auf, den Zwergen Ringe zu überbringen. Später sollte ich sie zurückfordern, weil sie nicht die von ihm gewünschte Wirkung besaßen. Ansonsten aber sollte ich mich verbergen, bis er meiner bedurfte." Erneut umschlang Thuringwethil Alatars Körper mit ihren Armen. "Doch dann kamst du, legtest all die Feuer des Zwistes, Hasses und des Todes. Wie konnte ich da kein Öl in die Flammen gießen? Dir habe ich damit geholfen, deine Ziele zu erreichen und zugleich Melkor damit gedient."
"Oh, Oromë, was habe ich verbrochen?", stöhnte Alatar leise. "Ich habe doch nur das Beste für diese Welt gewollt! Wie habe ich dabei vom Weg abkommen können?"
"Wäre ich Oromë, dann würde ich dir sagen, dass deine Einsicht reichlich spät kommt!", erwiderte Thuringwethil bissig.
Alatar löste sich erneut aus ihrer Umarmung und stieß sie grob von sich weg. "Aber sie ist gekommen, und ich bereue! Ich bereue so sehr, dass ich Buße tun werde... Und beginnen werde ich damit, Mittelerde von einer Krankheit wie dir zu befreien!" Blitzschnell wandte er sich ihr zu, packte er sie mit einer Hand am Hals und zerrte sie zur Höhlenwand, wo der sie gegen die den kalten Stein drückte. "In einem menschlichen Körper steckst du! Menschlich, und doch wird er nicht älter", sagte er eisig. "Sicherlich würdest du aber genau so verrecken wie ein Mensch, wenn ich dir die Kehle weiterhin zudrücke. Hast du bereits einmal Todesangst gefühlt? Oder freust du dich auf die ewige Dunkelheit außerhalb Ardas?"
Thuringwethils Augen weiteten sich, Panik ins Gesicht geschrieben, als sie um sich zu schlagen begann.
Erfolglos.
"Ach! Wie ich sehe, willst du doch noch nicht sterben! Zieht es dich also nicht zu deinen Herren?", fragte Alatar spöttisch.
Er empfand keinerlei Mitleid. Warum auch? Sie war nicht mehr die Lútholwen, die sein Herz zum Schmelzen bringen konnte. Mit all seiner Kraft wollte er deshalb ihr Leben beenden, doch noch bevor seine Finger ihre Kehle zerquetschen konnten, presste sie aus letzten Kräften hervor:
"Ich weiß, wie du Abbitte leisten kannst!"
Argwöhnisch blitzten seine Augen sie an. "Bei den Völkern Mittelerdes und den Valar?", fragte er und gab ihr ein wenig Atem.
"Ja." Ihre Stimme glich einem schwachen Flüstern.
"Und? Welchen Vorschlag kannst du mir unterbreiten?" Abrupt ließ er sie los, sodass sie kraftlos an der Wand entlang rutschte und zu Boden fiel.
"Schmiede die Ringe der Macht neu!" Sie krächzte, doch ihre Antwort klang schlicht und einfach.
Alatar wich einige Schritte von ihr zurück. "Wie kannst du mir nur so etwas vorschlagen? Haben die Ringe der Macht Saurons nicht bereits ausreichend Krieg und Zerstörung gebracht? Willst du mich noch weiter in dunkles Tun treiben? Nein!"
Seine Hand näherte sich bereits wieder ihrem Hals, doch Lútholwen ließ sich davon nicht beirren. Sie erhob sich vom Boden und sah Alatar direkt in die Augen.
"Die Ringe haben nur Tod und Verderben gebracht, weil Sauron sie berührt hat. Doch Celebrimbor hatte sie geschaffen, um den Völkern Mittelerdes zu helfen, um ihnen ein leichteres Leben zu ermöglichen und sie zu stärken. Den Elben ist dies auch gelungen. Sie haben die Ringe beinahe uneingeschränkt für sich genutzt und ihre Heimat und ihr Volk damit beschützen können. Auch die Zwerge sind mit der Hilfe der Ringe an Reichtümer gelangt, von denen sie zuvor nur geträumt hatten.
Doch ihre Macht war an die Existenz und Macht des EINEN RINGES Saurons gebunden, so wie auch der Ring, der mich in Lútholwen verwandelt hatte. Da aber mein Ring seine Macht verloren hat, kann das nur bedeuten, dass dieser EINE RING vernichtet wurde und auch die Ringe der Elben und Menschen ihre Wirkung verloren haben." Ihre Augen bekamen einen aufgeregt fiebrigen Glanz.
"Und?" Alatar wurde ungeduldig.
"Da nun die Ringe ihre Macht verloren haben oder nicht mehr existieren, sind die Völker Mittelerdes auf sich alleine gestellt. Ich war nicht dort, kenne auch noch keine Berichte, aber der Krieg gegen Sauron hat mit Sicherheit Tod und Zerstörung gebracht. Die Völker Mittelerdes sehen nun auf ein Schlachtfeld unbeschreiblich großen Ausmaßes. Viele Menschen, Elben und Zwerge sind gestorben, Orks haben den Boden verpestet, Wälder und Felder niedergebrannt und Siedlungen zerstört. Vielerorts gibt es nur noch Weiber und Kinder, denen es kaum alleine gelingen wird, alles wieder aufzubauen."
"Und du meinst, dass diese Ringe ihnen dabei helfen würden? Du meinst, dass ich damit mein Bedauern zum Ausdruck bringen und Abbitte leisten könnte? Auch bei den Menschen hier im Osten?", fragte Alatar. Seine Augen funkelten auf.
"Bei allen Völkern - vor allem bei denen im Osten. Du schenkst ihnen Reichtum, sodass sie den Westen nicht mehr beneiden und keine Kriege mehr gegen ihn führen müssen! Du schenkst auch dem Westen die Hilfe, die er heute braucht!"
Alatar sah sie nachdenklich an. "Aber ich kann diese Ringe nicht schmieden, und ich wüsste auch niemanden, der dazu in der Lage wäre", sagte er zweifelnd.
Thuringwethils Angst um ihr Leben schien verflogen zu sein. Sie lächelte wieder etwas sicherer. „Natürlich gibt es jemanden, der diese Ringe für dich schmieden könnte. Ich würde dir doch keinen vollkommen nutzlosen Vorschlag unterbreiten! Aber du musst das Mädchen für dich gewinnen! Darin liegt die Schwierigkeit."
"Das Mädchen? Um wen handelt es sich?" Alatar setzte sich auf den Boden und beobachtete, wie Lútholwen aufgeregt auf und ab ging.
"Um die Tochter des Schmiedes, der einst die Ringe der Macht erschuf!" Triumphierend blickte sie auf ihn herab, hockte sich dann aber verschwörerisch neben ihn. "Als ich Pallando und dich traf, da wusste ich noch nicht, dass es jemanden geben würde, der zum Schmieden solcher Ringe in der Lage sein könnte. Aber dann zeigte mir Pallando die kleine Phiole mit einer seltsamen Flüssigkeit darin."
"Die Phiole, die dich angeblich unsterblich machen konnte?", unterbrach Alatar sie.
"Ja, genau die. Ich sah sie, glaubte sogar Celebrimbors Kunstfertigkeit an ihrem Äußeren zu erkennen und erinnerte mich sofort daran, dass Sauron einst erwähnte, der Herr Eregions habe hinter seinem Rücken noch einen Gegenstand geschmiedet, den er geheim gehalten habe. Ich war mir nicht sicher, ob es sich bei dieser Phiole um den von Sauron vermuteten Gegenstand handeln könnte, aber ich schmeichelte mich bei Pallando ein und erfuhr auf diese Art sehr viele seiner Forschungsergebnisse. Dabei erzählte er mir, dass die Phiole Erinnerungen zweier Elben enthalte, und obwohl er gerade dieses Detail nicht weiter ausführte, begriff ich: Celebrimbor hatte das Wissen um seine Schmiedekünste für die Nachwelt in Mittelerde erhalten wollen und es deshalb in diese Phiole gebannt - gemeinsam mit den Erinnerungen einer weiteren Person: seiner Tochter."
"Warum gemischt mit den Erinnerungen seiner Tochter? Und sie hat sich einfach so dafür hergegeben?", fragte Alatar ungläubig. "Das war ein einschneidender Eingriff in ihre Persönlichkeit! Hat sie das nicht gewusst? Oder hat sie das etwa gewollt?"
"Woher soll ich das wissen?", erwiderte Thuringwethil ungeduldig. "Sie war ein dummes Ding, hat sich nur um Blumen und kleine, niedliche Tiere gekümmert! Vielleicht war sie einverstanden, vielleicht hat sie davon auch gar nichts gewusst. Aber eigentlich kommt es darauf auch gar nicht an! Wichtig ist, dass ich sie habe finden können. Mühselig war die Suche, und deshalb ich werde dich nicht mit Einzelheiten langweilen. Aber sie wird dir die Ringe schmieden, wenn sie ihre Erinnerungen und die Celebrimbors zurück erhält."
"Und davon hast du Sauron nichts erzählt? Hast ihm nicht geflüstert, dass sie so mächtig werden könnte?", fragte Alatar misstrauisch.
"Doch, aber es hat ihn nicht interessiert, denn er war von seinem Sieg überzeugt und fürchtete sich nicht vor ihr", erwiderte Thuringwethil kühl.
"Aha!" Alatar war sich sicher, dass sie in diesem Punkt log, und vielleicht noch an anderer Stelle, doch an dem Inhalt der Phiole und ihrer Bedeutung zweifelte er nicht. Sie war Thuringwethil wichtig gewesen - so wichtig, dass sie sie nicht zerstört hatte, um Sauron vor Gefahren wie denen durch die Ringe der Macht zu schützen, sondern sie noch immer an einem Lederband um den Hals trug. "Und wo ist der Haken? Es gibt doch sicherlich einen?", fragte er deshalb.
Thuringwethil sah ihm ernst in die Augen. "Du meinst außer der Herbeischaffung der Elbenfrau und ihrer freiwilligen Mitarbeit?" Sie zögerte, doch dann sagte sie leise. "Du brauchst einen Herrscherring."
"Nein! Niemals!", fuhr Alatar auf. "Wozu auch?"
"Um Neid, Missgunst und vor allem Missbrauch zu verhindern natürlich!", rief Thuringwethil aus. "Du kennst doch die Menschen! Hat sich deine Ansicht über sie etwa geändert?"
Alatar schüttelte heftig den Kopf. "Das nicht, aber wenn es überhaupt wahr ist, was du mir erzählst, wenn es überhaupt möglich ist, die Ringe neu zu schmieden, dann ohne Herrscherring! Dieses Mädchen wird so viele anfertigen, dass es keinen Neid geben wird!"
Aufgeregt lief er auf und ab. In diese Richtung also hatte Thuringwethil ihn verleiten wollen! Er hatte von Anfang an vermutet, dass sie ihren Vorschlag nicht ohne Hintergedanken gemacht hatte, aber DIESER Gedanke...
"Sie wird vielleicht ein wenig Übung brauchen, aber Zeit haben wir doch genug, nicht wahr?", fragte Thuringwethil, hielt ihn am Arm fest und schmiegte sich an. "Und wenn du mich am Leben lässt, dann helfe ich dir sie zu finden."
Sie lächelte gewinnend, doch Alatar erwiderte ihr Lächeln nur grimmig. Natürlich! Thuringwethil klammerte am Leben! Warum auch sonst sollte sie ihm von Macht dieser Art erzählen!
"Aber ohne dieses Ding!" Mit einem geschickten Griff riss er ihr die Phiole vom Hals. "Ich behalte sie ab jetzt. Und du wirst ab heute keinen Schritt mehr vor diese Höhle setzen. Du wirst jedem Befehl gehorchen und nichts mehr tun, wovon ich nichts weiß!" Er erwartete ohnehin nur Betrug, und vernahm ihr "Ja, Herr!" deshalb nicht wirklich mit Freude. "Du wirst mir jetzt sagen, wo ich sie finde, und ich werde mich in den Westen begeben, sie suchen und von meinem Plan überzeugen."
"Du willst dir die Schlachtfelder ansehen? Willst dich anderen Istari stellen und ihre Fragen beantworten? Willst Gefahr laufen, dabei zu sterben und deshalb ohne Erfolge bei deiner Wiedergutmachung von den Valar richten zu lassen?", fragte Thuringwethil erstaunt.
Alatar sah sie einen Moment lang nachdenklich an. "Nein! Du hast Recht. Sorge du dafür, dass die diese Tochter des Elbenschmiedes hierher kommt. Gesund und munter! Und nach Möglichkeit gut gelaunt! Wir sind schließlich auf ihre Mitarbeit angewiesen." Er sah Thuringwethil kurz an. "Ich begebe mich jetzt zu diesem Ohtamo-Mädchen, welches ich vorhin in der Küche gesehen habe. Lútholwens Körper gibt es ja leider nicht mehr!"
Ein bissiges Lächeln huschte über sein Gesicht als er zum Ausgang der Höhle ging. Nur einen Atemzug später war er verschwunden. Thuringwethil sah ihm mit gebeugtem Rücken hinterher, doch als auch seine Schritte verklungen waren richtete sie sich wieder stolz auf.
"Geh! Vergnüge dich nur mit Arafs Schwester. Ich bedaure sie für die Langeweile, die sie ertragen muss, während du sie zwingst, ihr Lager mit dir zu teilen. Und ich hoffe, dass sie dir den Verstand vollends raubt! Schwer sollte ihr das nicht fallen! Es ist ohnehin kaum noch etwas davon vorhanden." Sie spuckte auf den Boden. "Ringe der Macht! So ein Unsinn! Als ob die Völker sie überhaupt noch annehmen würden! Ich..."
Sie glaubte in der Ecke des Raumes die Bewegung eines Schattens wahrgenommen zu haben, doch als sie nachsah, glaubte sie sich getäuscht zu haben.
°
°
Überrascht und fassungslos starrte Amlugûr auf Araf und wiederholte dabei gedanklich immer wieder dessen Worte, weil er sich keinen Fehler in deren Auslegung erlauben und deshalb falsch handeln wollte. Doch wie Amlugûr Arafs Worte auch drehte und wendete, er kam nur zu einer Lösung: Araf hatte angedeutet, ein Gegner Thuringwethils oder zumindest ein Gegner ihrer Pläne zu sein. Araf! Der Sangwa! Der vergiftete Elb, dessen Volk die Menschen hier im Osten abgeschlachtet hatte und der kaum auch nur einen Atemzug lang nicht unverschämt oder herablassend auftrat.
"Habe ich etwa dein Weltbild erschüttert?", fragte Araf spottend. "Du schweigst seit einer Ewigkeit. Das Feuer ist bereits niedergebrannt."
"Weltbild?", wiederholte Amlugûr nachdenklich und schob dabei neue Zweige in die Glut.
In seinem Weltbild waren Orks verdorbene Kreaturen, hinter deren Erschaffung ein strategisch äußerst sinnvoller Gedanke Morgoths gesteckt hatte: Ihr überlebt nur, wenn ich überlebe!
Nicht, dass Amlugûr die Orks für unfähig hielt, ihr individuelles Überleben zu sichern! Ganz im Gegenteil! Er wusste genau, dass sie sich sehr wohl darauf verstanden, Nahrung zu beschaffen, Behausungen in Gestein zu schlagen und Nachkommen auszubrüten; und natürlich beherrschten sie auch das Schmieden von Waffen und Grundzüge der Heilung. Doch sie liebten den Tod und die Zerstörung, fraßen sich sogar gegenseitig und hassten Angehörige anderer Stämme, obwohl sie sich von ihnen kaum unterschieden.
Wer zerstört kann nicht aufbauen, und wer ständig im Streit und Krieg lebt, erfährt auch nur schwächende Zerstörung. Für die Entwicklung einer Art waren das schlechte Voraussetzungen, aber das Verhalten der Orks glich einem Trieb, den sie zwar als solchen wahrnahmen und vielleicht sogar zu unterdrücken suchten, dem jedoch allein durch Ausübung großer Macht beizukommen war - der Macht Morgoths oder eines seiner Diener.
Der Gedanke war klug: Schaffe Kreaturen, die sich ohne deine Hilfe selbst zerstören, lasse sie wissen, dass sie ohne deine Führung dem Tode geweiht sind, und sie werden dir gehorsam dienen weil sie überleben wollen.
Der Plan war aufgegangen. Getrieben von dem Wunsch nach Tod und Verderben hatten die Orks ihre Kräfte vereint und gegen jene gerichtet, die sie noch sehr viel mehr hassten als ihre eigenen Artgenossen: Menschen, Zwerge und Elben.
Das war Amlugûrs Bild von den Orks. So sah er sie und hatte vor einiger Zeit daraus geschlossen, dass es auch den Sangwa ähnlich erging.
Schon als Gimli den Begriff Ork-Elb geprägt hatte, war er sich fast sicher gewesen, dass die Sangwa - wenn auch gerissener und hinterhältiger - in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis lebten wie die Orks Saurons und Morgoths. Doch spätestens, seit der Name Thuringwethil gefallen war, hatten ihn in dieser Hinsicht keinerlei Zweifel mehr geplagt, denn Thuringwethil war Dienerin und deshalb letztlich auch Schülerin ihrer großen Herren gewesen. Warum sollte sie von einem solch genialen Plan wie dem Morgoths abweichen? Warum Kreaturen erschaffen, die nicht von ihrer Führung abhängig waren?
Das hatte sie mit Sicherheit nicht getan! Amlugûr musste nur einige Schritte gehen, um erneut den Tod unter seinen Füßen zu spüren, musste nur auf die Ebene sehen, um ihre erdrückende Leere zu fühlen. Die Sangwa liebten die Zerstörung genau so sehr wie die Orks, übertrugen sogar durch Inzucht Krankheiten und schienen dies als gegeben hinzunehmen. Sie waren ohne Führung Thuringwethils ebenso dem Tod geweiht und wussten dies... oder etwa nicht?
Amlugûrs Weltbild war tatsächlich ein wenig erschüttert, denn wie konnte ein zerstörerischer Sangwa die Liebe und ihre Folgen verstehen und einem Elben deshalb ein Pferd schenken? Wie hatte er hoffen können, dass Agarmaethor deshalb Thuringwethils Einflüsterungen widerstehen würde, ohne sich bewusst zu sein, dass das seine Herrin und damit auch sein Volk schwächte?
Oder begriff er etwa nicht, dass mit dem Ende Thuringwethils auch seinem Volk langfristig das Ende drohte? Oder musste er das nicht begreifen, weil die Sangwa gar nicht selbstzerstörerisch waren? Waren sie deshalb etwa gar nicht abhängig von einer starken Führungsperson?
Amlugûrs Kopf brummte. Doch! Sein Weltbild war erschüttert - zumindest hinsichtlich der Sangwa. Aber noch viel mehr war seine Überzeugung von seinem Plan erschüttert, der ihn von der Gemeinschaft getrennt und seinen eigenen Weg hatte gehen lassen.
"Du lügst!", presste er zwischen den Zähnen hervor. Er mochte Araf nicht, und gerade deshalb wollte und konnte er dessen Worten nicht glauben. "Du lügst, wie jeder Ork es tun würde, um seine Situation zu verbessern!"
"Ich bin aber kein Ork!", flüsterte Araf mit blitzenden Augen. "Und ich bin kein Elb. Ich bin... einzigartig! Schon vergessen?"
Amlugûrs Augen verwandelten sich in Schlitze. Sein Plan drohte vor seinen Augen in hunderte von Schneeflocken zu zerfallen, um zischend in der Flamme des Lagerfeuers zu verdunsten.
"Wenn du nicht lügst, warum solltest du dann ein Interesse an der Verhinderung von Thuringwethils Plänen haben? Welchen Vorteil bringt dir das?", fragte er zähneknirschend. Arafs Art war ihm einfach zuwider! "Willst DU etwa ihre Rolle übernehmen?"
Trotz der Fesseln richtete sich der Sangwa geschickt auf und sah Amlugûr auf gleicher Höhe in die Augen.
"Sag mir, worüber du mit meinem Volk verhandeln wolltest! Was erwartest du dort zu finden oder zu erreichen? Suchst du Verbündete? Wolltest du mein Volk gegen Thuringwethil aufhetzen? Oder wolltest du dich ihm eigentlich anschließen? Letzteres muss es sein, denn anders kann ich mir dein Verhalten nicht erklären.
Würdest du nämlich nach Verbündeten suchen, dann hätte ich von dir mehr Interesse für mein Volk erwartet. Doch stattdessen hast du meine Berichte nur als harmlose Plaudereien und Ärgernisse abgetan, mich als Lügner bezeichnet und dich sogar über die Krankheiten meiner Angehörigen gefreut, weil du hofftest, sie alle verbluten zu sehen."
Amlugûr biss sich kurz auf die Lippen. Arafs Worte enthielten viel Wahrheit, und er wusste, dass sich an seinem Verhalten etwas ändern musste, wenn sein Plan Erfolg haben sollte.
"Ich wollte mich mit Sicherheit nicht anschließen!", knurrte er abweisend und unterbrach dabei den Blickkontakt. "Und du kannst mir glauben, dass ich mich nicht über die Krankheiten deines Volkes freue. Doch ich kann dich nicht ertragen und wollte dich mit meinen Worten verletzen!"
Araf legte sich entspannt zurück in den Schnee. "Du kannst selten jemanden ertragen, der dir die Stirn zu bietet. Fainrhiw bist du gefolgt, und auch übergeordneten Elben im Heer. Aber sonst hast du es nie ertragen können, wenn man dir Unrecht gegeben hat - und du hast OFT Unrecht. Deshalb bist du auch ein solcher Einzelgänger", erwiderte er ruhig. "Kennst du das Problem, unter dem die meisten Einzelgänger leiden? Sie interessieren sich nicht wirklich für die Gedanken und Gefühle anderer und lernen sie deshalb weder zu verstehen noch zu erklären, um selber Verständnis zu erfahren. Feige entfliehen sie jedem Konflikt, der auf irgendeine Art und Weise mit tiefen Gefühlen verbunden ist, und werden dadurch zu noch größeren Einzelgängern. Aber das Leben allein ist ja SO viel einfacher! Niemandem ist man Rechenschaft schuldig, nicht wahr?" Araf lächelte Amlugûr bissig an. "Weiß deine Gemeinschaft eigentlich, warum du fortgegangen bist? War sie damit einverstanden? Oder hast du niemandem davon erzählt?"
Amlugûr schwieg, doch das genügte Araf.
"Nun ja. Dann verwundert es mich nicht, dass du mein Verhalten als Gefangener nicht hast deuten können. Du bist gar nicht fähig zu begreifen, dass ich nicht einfach nur unverschämt, sondern schlicht... ehrlich zu dir gewesen bin. Ich kann dich nämlich ebenfalls nicht ertragen, denn so einem überheblichen, selbst-bezogenen und engstirnigen Etwas wie dir bin ich noch nie zuvor begegnet! Wenn du wenigstens auf herausragende Erfolge im Leben verweisen könntest, aber ohne sie... woher nimmst du nur deine Arroganz?"
Amlugûr war durch Arafs Worte ehrlich geschockt. Obwohl er den Sangwa so sehr verabscheute, dass er ihn am liebsten in einen tiefen Abgrund geworfen hätte, nahm er dessen Worte ernst. Lag das daran, dass auch Fainrhiw ihm zu Beginn ihrer langjährigen Gemeinschaft mit ähnlichen Worten begegnet war und sich ihr Verhältnis seitdem so sehr gebessert hatte, dass er es heute tatsächlich als Freundschaft bezeichnen würde?
Vielleicht! Aber auf keinen Fall entsprach er in irgendeiner Weise Arafs Beschreibung eines Einzelgängers! Überhaupt nicht!
"Unser Gespräch ist beendet. Ich werde nicht weiter mit dir reden!", erwiderte Amlugûr abweisend und wandte sich seinem Lager zu.
"Nicht?", fragte Araf nicht wirklich erstaunt. "Nun ja... Wenn du meinst... Ich jedenfalls hätte mit dir gesprochen, denn ich bin stark und weise genug, um für eine große Sache auch über persönliche Differenzen hinweg zu sehen! Deshalb habe ich auch damit begonnen, dir so Vieles über mein Volk zu offenbaren, obwohl du nicht gefragt hast, und allein deshalb habe ich auch zugegeben, ein Gegner Thuringwethils zu sein - vor allem Letzteres bringt mich ungemein in Gefahr... gerade aufgrund der großen Sache..."
"Welcher großen Sache?", fragte Amlugûr argwöhnisch. "Was willst DU eigentlich von mir? Welche Rolle soll ich spielen?"
"Du willst doch nicht mit mir reden!", rief Araf empört aus. "Jetzt will ich auch nicht mehr. Gute Nacht!" Er wandte sich ab und legte sich schlafen.
Amlugûr fühlte sich erneut als Maus, doch er schwieg, fragte nicht nach und wandte sich wieder dem Feuer zu - und erneut fesselten ihn die grün funkelnden Augen des Wolfes auf Arafs Rüstung.
°
°
°
