Kurs auf Vulkan

Das Meditieren gelang ihm noch immer nicht. Seit drei Tagen, seit er diesen Planeten betreten hatte. Er sollte den Doktor aufsuchen, vielleicht. Warum hatte er es nicht schon längst getan? Vielleicht atmete er etwas ein, das seine Gehirnfunktionen beeinträchtigte, das ihm die Konzentration raubte...das sein Blut von innen erhitzte. Er stellte sich vor, wie er auf die Krankenstation ginge und Dr. Crusher von seinen Symptomen berichtete, wie sie ihn fürsorglich mit einem Tricorder scannen würde...Es wäre besser nachts zu gehen, wenn Dr. Selar Dienst hatte. Unlogisch. Der vulkanische Arzt wusste wahrscheinlich nicht besser über vulkanische Anatomie bescheid als der menschliche, oder über vulkanische Biochemie und die heiße Atmosphäre dieses Planeten...die Gase, die ihm den Verstand raubten, während sie alle anderen unangetastet ließen, die in seinem Blut brannten, es erhitzten, bis zum Siedepunkt. Nur ein Vulkan war hier kurz vor dem Ausbruch. Die anderen waren schneebedeckte Gebirge, die kalt und verständnislos dastehen würden, wenn seine Lava ungebändigt herausspritzte. Fürchten würden sie sich vor den Flammen und mit Ekel würden sie wegsehen.

Er erhob sich aus dem Staub des Planeten und versuchte diese irrationalen Gedanken zu verdrängen. Der Vulkanier kehrte langsam zu den vielfältigen Geräten zurück, die sich mühten, Halascium V herzustellen.


„Taurik!"

„Entschuldigen Sie Commander, Magnetfeldkompensator Sieben funktioniert innerhalb normaler Parameter!"

„Ist alles in Ordnung mit ihnen?" Cmdr. La Forge schaute ihn besorgt an.

„Ja...ich vermute, dass die Atmosphäre des Planeten mein Konzentrationsvermögen etwas beeinträchtigt...Ich werde das kompensieren."

„Verstehe, diese Hitze brät einen schon ordentlich durch. Gehen sie sich mal kurz unter 'ner kalten Dusche abkühlen...Man sieht schon, wie ihnen ihr grünes Blut in den Kopf steigt." La Forge lächelte scherzhaft, „fragen Sie einen unsrer Avaler Freunde, die werden Ihnen zeigen, wo man sich hier frisch machen kann." Er klopfte seinem Fähnrich verständnisvoll auf die Schulter. Taurik zuckte leicht. Der Chefingenieur schaute ihn wieder besorgt an. „Sie zittern ja, Taurik!" bemerkte er erstaunt. „Sie begeben sich vielleicht doch lieber auf die Krankenstation, bevor Sie mir noch in den nächsten Krater fallen...Und ich dachte immer, ihr Vulkanier wärt an dieses Klima gewöhnt!"

„Ich denke...ich werde in der Lage sein...die Mission fortzusetzen...nachdem ich mich...etwas ausgeruht habe."

„Ihr Fleiß in Ehren, Fähnrich, aber bringen Sie mich nicht dazu, Ihnen den Besuch der Krankenstation zu befehlen!"

„Ja, Commander." Er holte tief Luft. „Taurik an Enterprise, eine Person zum Beamen."

Es war wie damals, als er Vulkan verlassen hatte, um in die Sternenflotte einzutreten. Der Transporterstrahl verpflanzte ihn plötzlich in die kühle Atmosphäre des Schiffes und er nahm die Gerüche der Menschen wahr. Nur dieses Mal war sein Bruder Vorik nicht bei ihm. Er glaubte jedoch immer noch nicht an dessen Tod. Aber er war allein. Er ging in sein Quartier und war froh, dass wenigstens der Andorianer abwesend war. Er bemerkte seine Erleichterung, alleine zu sein. Irgendetwas ist mit mir nicht in Ordnung, dachte er. Er legte sich auf sein Bett um eine einfache Atemübung zu machen. Warum suche ich keinen Arzt auf? Ich verhalte mich irrational. Seine Eltern waren gegen den Eintritt ihrer beiden Söhne in die Sternenflotte gewesen. Sie würden es später bereuen, ihre Zeit mit dem Erstreben militärischer Ränge vergeudet zu haben. Man solle das Studium der Logik möglichst früh vertiefen. Dieses Interesse für die menschliche Kultur sei eine Modeerscheinung unter unerfahrenen jungen Leuten, die wieder vorüber ginge. Valery war sein Tor zu dieser fremdartigen Kultur gewesen. Valery, die ihn plötzlich geküsst hatte, nachdem er sie davor bewahren wollte, von einem glitschigen Stein in den See zu stürzen. Er war gescheitert und mit ihr in den See gestürzt. Das Wasser war warm gewesen. Er konnte jedoch nicht schwimmen. Als sie ihn festhielt, spürte er den sandigen Boden unter seinen Füßen. Sie lachte. Er hielt sie immer noch fest. Später hatte er seinen Fehler erkannt. Er hatte Vorik nichts von dem Kuss erzählt, ihm aber zu verstehen gegeben, dass er Valery Alba nicht mehr sehen können. Die arme Valery hatte wahrscheinlich nicht gewusst, dass er verlobt ist. Verlobt mit einem siebenjährigen Mädchen, das jetzt eine Frau sein musste. Eine Vulkanierin hätte seinen Rückzug verstanden, aber Valery musste es verletzt haben. Möglicherweise hatte sie ihn auch schon längst vergessen. Er fragte sich, wo sie jetzt wohl sei, auf einer Sternenbasis, auf einem Raumschiff, auf der Erde? Er sah ihr Gesicht vor sich. Nasse Haare hingen ihr in die Stirn. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Lippen waren tiefrot. Sie hatte gerundete Augenbrauen und leuchtend blaue Augen. Er fühlte ihre Hände auf seiner Brust, spürte ihren Atem in seinem Gesicht. Er sah das nasses T-Shirt an ihrem Körper kleben. Sie war ihm so nahe. Er spürte, wie ein Teil seines Körpers brennend heiß wurde und sein Herz raste. Das Wissen, was mit ihm passierte, erschlug ihn wie ein schweres altes Buch, das aus einem hohen Regal auf den Kopf fällt.


„Treten Sie ein." Picard blickte von seinem Bildschirm auf. „Fähnrich..?"

„Taurik, Sir."

„Was gibt es Fähnrich?"

„Ich ersuche Sie um Urlaub auf meinem Heimatplaneten, Captain." Der Captain schwieg und blickte ihn nachdenklich an. „Ich bitte darum, mit einem Shuttle nach Vulkan fliegen zu dürfen." Taurik reichte ihm ein Pad. Picard nahm es entgegen und blickte ihn weiterhin an.

„Sie wissen, dass wir in drei Wochen viel näher an Ihren Heimatplaneten herankommen werden und Sie dann nicht zwei Tage allein für den Hinflug verschwenden müssen?"

„Ja, Sir...es ist...jedoch dringend." Taurik schwitzte.

„Ich verstehe," antwortete Picard abrupt, „Erlaubnis erteilt." Picard signierte das Pad und gab es Taurik zurück. Er würde bald in Sicherheit sein und keine Fehler mehr begehen.