Da war sie endlich, die Enterprise. Taurik schaltete das Kommsystem ein. „Taurik an Enterprise." Er krallte sich an der Konsole fest und hoffte, seinen Zustand nicht preiszugeben. „Ersuche Erlaubnis, an Board kommen zu dürfen."
Schwer zu sagen, ob der Captain irritiert war. Er hatte bereits einen etwas erstaunten Gesichtsausdruck gezeigt, als Taurik ihm von seiner unverhofft frühen Rückkehr unterrichtet hatte. Jetzt hatte er wieder seine übliche disziplinierte Miene aufgesetzt. Picards Verhalten unterschied sich weniger als das der meisten Menschen von dem, was man als rational akzeptieren könnte. Taurik hätte einem vulkanischen Captain kaum mehr Respekt und Vertrauen entgegen gebracht.
„Erlaubnis erteilt, Fähnrich," erwiderte Picard in seiner bestimmten, nichts preisgebenden Stimme.
„Danke Captain, leite Landeprozeduren ein," berichtete Taurik und beendete die visuelle Verbindung. Erleichtert ließ er die Konsole los. Langsam öffnete sich die Shuttlerampe und bildete einen Eingang ins Schiffinnere, zu Valery. Picard durfte von der Sache nichts erfahren. Taurik bereitete die Landung vor. Wie aber sollte er es Valery erklären? Das Shuttle bewegte sich vorwärts und das Schiff nahm ihn auf. Es wird ihn für eine Weile schützen, aber bald wird es Vulkan erreichen.Unpraktisch, dass gerade jetzt die Enterprise wegen irgendeines Notfalls zu seinem Heimatplaneten fliegen musste. Das Shuttle setzte auf. Taurik wusste nicht, wie seine Familie reagieren wird. Ob sie ihn fragen werden, warum er nicht gekommen ist? Oder werden sie die Schlussfolgerung ziehen, es sei nicht seine Schuld gewesen und die äußeren Umstände hätten sein Kommen verhindert? Ob seine Verlobte bereits einen anderen genommen hatte? Wenn nicht, brachte er sie in Gefahr mit seinen, seinen unlogischen...Gefühlen. Er verletzte seine Pflicht. Er musste sie wenigstens informieren, damit sie sich rechtzeitig nach einer Alternative umsehen konnte. Wenn sie stirbt, ist es seine Schuld. Die Konsole meldete den Ausgleich der Atmosphäre. Er öffnete die Luke und betrat wieder den Boden der Enterprise.
Fähnrich Heisenberg hatte Dienst. „Willkommen zurück, Taurik!" grüßte ihn der rothaarige und großgewachsene Mensch gutgelaunt.
„Guten Tag, Fähnrich," antwortete Taurik trocken.
Heisenberg schien etwas verwundert zu sein, sagte jedoch nichts. Man konnte es vermutlich längst in Tauriks Augen sehen. Hoffentlich begegnete er auf dem Weg keinem Vulkanier. Er betrat den Turbolift. Wird Valery ihn akzeptieren? Oder hatte sie sich mit einem Menschen verbunden, während er ihr aus dem Weg gegangen war? Er betrat sein Quartier. Mit einem Menschen, der sie besser verstand und ihre menschlichen Emotionen ohne Probleme befriedigen konnte? Shrinal war nicht da. Taurik musste schnell den Brief an seine Verlobte schreiben, bevor er zu Valery gehen konnte.
Valery stand unter der Schalldusche und wurde von Unsichtbarem gereinigt. Sie war froh, T'Pkara wieder für ein paar Minuten alleine lassen zu können. Es war peinlich in dieser Situation mit ihr zusammen zu wohnen. Valery konnte spüren, wie sehr sie die Vulkanierin störte. Sie kannte hier noch keinen, bei dem sie ein paar Tage hätte übernachten können. Charlie war ein zu großer Ordnungsliebhaber und würde sie an den für die Zimmerzuteilungen zuständigen Offizier verweisen. Und Shrinal wohnte mit Taurik zusammen. Die Zeit hatte sie den Zwischenfall mit Taurik vergessen lassen. Zumindest hatte sie das gedacht. Sie hatte sich mit ihrem Studium beschäftigt. Jetzt war er hier, sie kannte die Lage seines Quartiers genau. Es hatte jedoch immer eine Ausrede gegeben, nicht in seine Nähe kommen zu müssen. Shrinal hatte das schnell gemerkt und sie jedes Mal geneckt, wenn sie sich von ihm etwas hatte ausleihen wollen. Statt ihr dieses oder jenes Pad zu bringen, hatte er es Charlie zur Weiterleitung übergeben. Der Witzbold hatte ihr abstruse Nachrichten per Subraumfunk mit der Bitte um Ausleihe aller möglichen Dinge geschickt, dazu mit haarsträubenden Begründungen, wieso sie diese persönlich vorbeibringen müsse. Zum Glück hatte er vor kurzem damit aufgehört. Vielleicht weil sie nach diesem idiotischen fingierten Notruf wütend auf ihn gewesen war. Taurik sei ohnmächtig und brauche Mund-zu-Mund-Beatmung... Wann wird Shrinal endlich erwachsen?
Sie könnte Taurik treffen... Ihm alles erklären. Sich bei ihm entschuldigen und ihm sagen, dass sie ihre Lektion gelernt hatte. Inzwischen wusste sie, wie man sich Vulkaniern gegenüber zu verhalten hatte. Sie würde diesen Fehler nicht noch mal begehen.
Taurik war, als ob er schweres Gepäck abgelegt hätte, nachdem er die Nachricht abgeschickt hatte. Er hatte die formelle Ausdrucksweise gewählt. Sie war nicht in dem Pon Farr-Ratgeber enthalten gewesen, er hatte sie in der historischen Datenbank heraussuchen müssen. Das letzte Mal war eine Braut auf diese Weise kurz nach Suraks Reformen abgelehnt worden. Er war nun ein pflichtmissachtender V'Tosh Katur, einer dessen Bindungen so unberechenbar sind wie seine Emotionen. Ein Vulkanier ohne Logik. Wenn seine Verlobte ihn nur gegen einen anderen kämpfen ließe... Der Gewinner der Herausforderung kann die Frau aus logischen Gründen ablehnen. Wer möchte schon eine, die die vernünftig ausgearbeiteten Pläne ihrer Familie missachten und so instabil ist, der Liebe zu verfallen und für ihre persönlichen Neigungen den Tod eines anderen sinnlos riskiert? Er war doch Surak in einem Punkt treu geblieben. Er hatte nicht unnötig Leben riskiert. Er würde Vulkan in Frieden verlassen. Aber er wird Vulkan verlassen...
Taurik bewegte sich den Flur hinunter, die Türen zählend. Da war schon die, hinter der sich Valery befand. Er spürte eine weibliche Präsenz. Wie könnte er es ihr sagen? Sie wird sich vielleicht sogar erschrecken. Zuerst sollte er sein Verhalten vor zwei Jahren erklären, warum er sie gemieden hatte, ihr die vulkanischen Traditionen schildern. Dann sollte er ihr den genaueren Grund seines Kommens nennen und sie einweihen. Der Menschenfrau vertrauliche Informationen offenbaren, die eine Fremde nicht besitzen darf. Das Geheimnis Vulkans. Aber er war doch nicht der erste: Der große Sarek hatte eine menschliche Frau geheiratet und sie musste wohl vom Pon Farr erfahren haben. Taurik hielt es allerdings für unwahrscheinlich, dass Botschafter Sarek je seine Pflicht gegenüber einer vulkanischen Frau vernachlässigt hatte. Er war bestimmt zu diesem Zeitpunkt unverbunden gewesen und hatte die menschliche Amanda aus logischen diplomatischen Gründen geheiratet. Aber Taurik konnte seine Pflicht nicht erfüllen, er war kein guter Schüler der Logik mehr, er war nicht mehr Herr seiner selbst und doch war ihm klar, was er wollte. Viel klarer als bei klarem Verstand. Aber es musste eine trügerische Klarheit sein, eine verführerische, eine unlogische, die ihn zu Pflichtvernachlässigung und Egoismus verleitete. Er würde jedoch niemals seine Pflichten gegenüber Valery vernachlässigen, auch wenn diese über das vulkanische Maß hinausgingen... Er holte tief Luft und betätigte die Türklingel. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Er hörte sein eigenes Blut in den Ohren rauschen. Die Tür gab den Weg frei. Langsam trat er ein. Das Quartier glich seinem eigenen. Es war abgedunkelt, vulkanische Meditationskerzen spendeten das einzige Licht. Valery war nicht da, nur ihre Mitbewohnerin. Sie blickte ihn an, sie war Vulkanierin. Ihr Gesicht sah ganz gewöhnlich aus, doch es kam ihm bekannt vor. Die Begegnung mit ihr musste lange her sein und er wusste nicht mehr, wer sie war oder hatte es vielleicht nie gewusst. Sie starrte ihn an, ihr Blick schien regelrecht in ihn hinein zu gehen. Er suchte nach einem Weg diesen Eindruck zu beseitigen.
„Taurik", sprach die Vulkanierin mit deutlicher Stimme, „mein Verlobter."
Es war T'Pkara! Er erkannte nun ihre Geschichtszüge. Es war die, der er versprochen worden war; im Alter von sieben Jahren, nach der vulkanischen Tradition, nach der Logik. „T'Pkara," stammelte er. Taurik wollte nicht zu ihr, er wollte sich mit Valery verbinden.
„Ich habe die Symptome zu spät analysiert," sprach sie, „es ist meine Schuld, dass wir nicht schon längst auf Vulkan sind. Ich bitte um Vergebung."
Hatte sie den Brief noch nicht gelesen? Aber ein Teil von ihm schien ihr nicht abgeneigt zu sein. Er spürte ein prickelndes Verlangen sie anzufassen. Er musste sie informieren, dass er den Bund mit ihr nicht vervollständigen werde. „T'Pkara," sagte er langsam, sich auf Widerspruch vorbereitend, „ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihnen zu verbinden."
Sie nahm es mit Fassung auf. „Das ist logisch," erwiderte sie. „Wir werden in 40,3 Stunden Vulkan erreichen. Es wäre unangemessen, den Bund vor der Zeremonie zu vervollständigen. Wir werden Disziplin beweisen."
Taurik schluckte, dann zischte eine Tür links von ihm. Valery stand da. Sie war älter und ernster geworden, aber es war dieselbe Valery, die er auf der Erde getroffen hatte. Die Valery aus der medizinischen Klasse der Akademie, die Valery in seinen Gedanken. Sie trug ein türkisblaues bis zu den Knien reichendes Nachtgewandt. Es betonte die Farbe ihrer Augen. Ihre Backen und Lippen waren leicht gerötet. Ihr Gesicht drückte Überraschung aus. Sie blickte ihm in die Augen und dann zu T'Pkara. Dann veränderte sich der Ausdruck ihrer blauen Augen und wirkte plötzlich verschlossen.
„Valery," hörte Taurik sich selbst sagen.
Da zischte es wieder, diesmal war es die Eingangstür und Shrinal trat ein. Seine Fühler bewegten sich. Er blickte Taurik an und seine Augen verengten sich. Er schaute zu T'Pkara und dann zu Valery. Beide tauschten Blicke aus, von denen Taurik nicht wusste, was sie bedeuteten. Er wollte, dass der Andorianer wieder verschwinde und ließ ihn nicht aus den Augen. Sein blauhäutiger Rivale wandte sich ihm zu, seine Fühler bewegten sich. Sein Körper wirkte angespannt. Taurik stellte fest, dass der mit Fühlern Bewaffnete ihn um etwa 10 cm überragte. Mit diesen langen Antennen wirkte der Feind noch größer. Aber der Andorianer war nicht übermäßig kräftig, dafür jedoch athletisch und beweglich. Die Fühler richteten sich nun gespannt nach vorne, vielleicht waren diese Teile sogar seine schwächste Stelle.
„Was willst du hier, Andorianer?" Fauchte Taurik seinen Rivalen an.
„Wie's aussieht, dasselbe wie Du, Vulkanier," erwiderte der blaue Mund in respektlosem Tonfall.
„Du solltest jetzt besser gehen, Andorianer", sagte Taurik langsam in drohendem Tonfall, „du verstehst hiervon nichts!"
„Ha!" brüllte der blauhäutige Kerl, „ich verstehe sehr wohl: Du willst sie für Dich alleine haben, Logikscheißer!"
Taurik war lange genug rational gewesen, lange genug, er hatte auf Valery verzichtet. Zu lange. „Sie ist meine Partnerin," keuchte er und spürte, wie sich seine Fingerspitzen fest in die Handballen eingruben, als er Fäuste ballte. „Ich tue alles für sie!"
Sein andorianischer Rivale ging langsam zwei Schritte auf ihn zu. „Wenn wir auf Andor wären," flüsterte er provozierend, „würde ich dich zum Ushaan herausfordern." Dann sagte er laut: „Lass uns zusammen aufs Holodeck gehen, wenn sie es Dir wirklich Wert ist, Spitzohr!"
„Ich nehme die Herausforderung an!" brüllte ihm Taurik ins Gesicht.
...Fortsetzung folgt...
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