Apollo

„Frühstück! Los, Kinder, kommt runter."

Lee versuchte gerade Kara aus dem Bett zu scheuchen, indem er ihre Fußsohlen kitzelte, aber als er die Stimme seiner Mutter hörte hielt er inne und zog eine Grimasse.

„Sie wird mich noch ein Kind nennen, wenn ich sechzig bin." Er klang ein wenig vorwurfsvoll, aber der warme Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Kara schwang ihre Beine über die Bettkante und blinzelte in das Morgenlicht.

„Mir die Füße zu kitzeln ist ja auch sooo erwachsen", grummelte sie und stand auf. Mit einem Gähnen hob sie ihre Arme über den Kopf und streckte sich.

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Lee schnell den Kopf abwandte und ein gewisses Gefühl der Enttäuschung machte sich in ihr breit.

Auch, wenn sie es nicht zugeben wollte, dass er nicht einmal einen Blick riskierte, wenn sie in Unterwäsche vor ihm stand, nagte an ihrem Selbstbewusstsein.

Sie hörte ein lautes Poltern auf der Treppe und im nächsten Moment steckte Zak den Kopf zur Tür herein. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder hielt er es nicht für nötig sich die Sicht auf ihren Busen vorzuenthalten.

Kara zog sich schnell ein T-Shirt über den Kopf und funkelte die beiden Brüder an. „Schon mal was von Privatsphäre gehört?"

Zak riss seine Augen von ihr los und lachte fröhlich: „Guten Morgen! Ich wollte euch nur sagen, dass ihr euch beeilen sollt, sonst wird's zu heiß zum Laufen." Er drehte sich um und marschierte in Richtung Küche.

Lee blickte seinem Bruder mit einem Kopfschütteln hinterher. „Dir ist klar, dass Zak schwer in dich verliebt ist, oder Kara?"

Kara zuckte mit den Schultern. „Das hat nichts mit mir zu tun, das sind die Hormone. Er ist achtzehn. "

Lee setzte an ihr zu widersprechen, doch dann rollte er nur mit den Augen. „Los, gehen wir frühstücken."

Sie gingen die Treppe hinab in die gemütliche Küche und Kara setzte sich zu Caroline und Zak an den Esstisch, während Lee sich daran machte Kaffee einzuschenken.

Kara liebte es Caroline mit ihren Söhnen zu beobachten. Zak und Lee neckten sie zwar oft genug, aber es war nicht zu übersehen, wie sehr sie ihre Mutter bewunderten. Die liebevolle Art wie sie miteinander umgingen brachte Kara einige Male zum Schlucken und Erinnerungen daran, wie es in ihrem Elternhaus zugegangen war, kamen in ihr hoch. Lee war zu beneiden um diese Familie.

Caroline hatte sie als Freundin ihres Sohnes mit offenen Armen aufgenommen und Kara fiel nicht ein, wann sie sich das letzte Mal so wohl gefühlt hatte wie in diesem Haus, mit diesen Menschen.

„Also, Kinder was habt ihr heute vor?" Caroline legte scheinbar mit Absicht die Betonung auf „Kinder" und Kara versteckte ein Lächeln hinter ihrer Kaffeetasse, als Lee ein wenig die Stirn runzelte.

„Strandlauf", murmelte Zak und schob sich den letzten Bissen Eierspeise in den Mund.

Seine Mutter begann den Tisch abzuräumen und zwinkerte Kara zu: „Na dann bring die beiden mal auf Trab."

Die Sonne stand noch tief am Himmel, aber es war bereits drückend heiß, als die drei aus dem Haus kamen.

Lee rannte voran, seine Schritte waren gleichmäßig und zügig und Kara konnte nicht umhin ab und zu seine Rückseite zu beobachten, als sie ihm den gewundenen Pfad zum Meer folgte.

Die drei liefen in einträchtigem Schweigen hintereinander her und Kara fühlte wie jegliche Spannung von ihr abfiel bis nichts mehr übrig blieb, als das rhythmische Klopfen von Lees Füssen vor ihr und Zaks Atem hinter ihr.

Es dauerte beinahe eine Stunde bis sie den Strand erreichten und bis dahin war Kara völlig durchgeschwitzt und ziemlich außer Atem. Die schwüle Hitze und das ungewohnte Laufen auf dem Sand forderten ihren Tribut.

Wenn es nach ihr ginge, dann wäre es Zeit für eine kleine Abkühlung im Meer, aber sie kannte sich und wusste, sie würde nicht die erste sein, die eine Pause vorschlug. Sie stöhnte über sich selbst, manchmal war sie wirklich ehrgeiziger, als ihr gut tat.

Glücklicherweise stoppte Lee keine drei Minuten später und Kara ließ sich erleichtert in den heißen Sand plumpsen.

Zak fiel neben ihr auf den muschelübersäten Strand und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, während Lee sich sein T-Shirt über den Kopf zog.

„Los Leute, ab ins Wasser!"

Kara kämpfte noch mit ihren Schuhbändern, als Lee sich bereits ins Meer warf.

Er tauchte unter, kam prustend wieder hoch und Kara, die ihn beobachtete fühlte sich plötzlich, als hätte ihr jemand einen Schlag in den Magen versetzt.

Er stand bis zum Bauch im Wasser, den Kopf hatte er zurückgeworfen und er hatte ein Lachen im Gesicht.

Kara ballte ihre Hände zu Fäusten und versuchte wegzuschauen, aber es gelang ihr nicht.

Wie gebannt sah sie zu wie Wassertropfen in seinen Haaren glänzten und die Sonnenstrahlen auf seinem muskulösen Körper tanzten.

Sein Anblick löste etwas in ihr aus, eine Erinnerung bewegte sich am Rand ihres Bewusstseins, aber sie konnte nicht danach greifen.

Lee hob die Arme, um sich die nassen Haare aus dem Gesicht zu streichen und mit einem Mal wusste sie es.

Der Besuch im Museum von Caprica, die griechischen Statuen...

„Apollo!" platzte sie heraus. Zak drehte sich mit einem Grinsen zu ihr um und erschrocken erkannte sie, dass sie laut gedacht hatte. Frak!

„Hey Lee!" Kara stieß Zak den Ellbogen in die Rippen, aber natürlich ließ er sich davon nicht abhalten, sondern lächelte sie nur übermütig an.

„Hey Lee! Sieht aus als hätte sich die Zeit beim Trainieren gelohnt. Sie denkt du siehst wie Apollo aus!"

Lee kam langsam aus dem Wasser auf die beiden zu und Kara krümmte sich innerlich. Sie konnte nicht verhindern, dass sich eine langsame Röte auf ihren Wangen ausbreitete.

„Apollo, hmm?"

Sie sah, dass ihm die Idee gefiel und dass es ihm Spaß machte wie peinlich berührt sie war. Sie fühlte immer noch die Hitze in ihrem Gesicht, aber sie war Kara Thrace und sie weigerte sich, den Blick zu senken.

Stattdessen schlüpfte sie aus ihrer Laufhose und ging ihm entgegen. Er grinste sie herausfordernd an. „Dir gefällt also was du siehst?"

Auch, wenn es Mühe kostete, sie erwiderte seinen Blick, aber dieses eine Mal war sie um Worte verlegen. Schließlich murmelte sie: „Lass dir das bloß nicht zu Kopf steigen, das muss die Hitze sein. Wahrscheinlich ein Sonnenstich."

Damit wandte sie sich ab und rannte ins Wasser. Sie fühlte seinen Blick, der sich in ihren Rücken bohrte und sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Lee immer noch grinste.

Kara tauchte unter und sie war dankbar für die Abkühlung ihrer heißen Haut und für die Möglichkeit ihre Verwirrung zu verbergen.

Natürlich blieb es ihr nicht erspart.

Die beiden Brüder neckten sie noch tagelang mit der Geschichte.

FIN

Wie immer freu ich mich über jedes Feedback :-)