Der letzte Abend
Kara blickte auf und sah den jungen Mann, der an der Bar stand und sie mit einem auffordernden Lächeln betrachtete. Sie erinnerte sich dunkel an ihn, er hatte schon einmal versucht, sie abzuschleppen. Major irgendwas...
Er war groß, mit kantigem Gesicht und normalerweise wäre er der perfekte Kandidat für eine Nacht unbekümmerten Sex gewesen. Heute jedoch wandte Kara die Augen ab, ohne auf seine offensichtliche Einladung zu reagieren.
Stattdessen packte sie die fast leere Ambrosiaflasche und füllte Lees Glas nach. Um sie herum herrschte ausgelassene Stimmung, es war der letzte Abend an der Akademie und nach dem Prüfungsstress der letzten Wochen gab es heute kein Halten mehr.
Lee kippte den Alkohol hinunter und für einen kurzen Augenblick sah sie ihn wieder vor sich wie bei der Abschlusszeremonie. Sie hatte beinahe fühlen können wie die Spannung von ihm abfiel, als er endlich sein heißersehntes Abzeichen erhalten hatte.
Lee „Apollo" Adama, Viperpilot der kolonialen Flotte... mittlerweile wusste sie, dass er darauf hingearbeitet hatte, seit sein Vater damals die Familie verlassen hatte.
Lee lehnte sich zurück und warf seinen Arm über die Lehne der Couch. Dabei streifte er wie unabsichtlich ihre Schulter und Kara musste sich bemühen die leichte Nervosität nicht zu beachten, die sie plötzlich überfiel.
Er war in einer merkwürdigen Stimmung, sie konnte es nicht genau beschreiben, aber irgendwie verhielt er sich anders und es rührte nicht nur vom Alkohol her.
„Ehrlich Kara, wie du in Geschichte durchgekommen bist, ist mir echt ein Rätsel."
Auf einmal spürte sie seine Finger ganz leicht über ihren Nacken streichen und eine angenehme Gänsehaut breitete sich auf ihrer Haut aus.
Fast unmerklich beugte sie sich ein wenig vor, um seiner Berührung zu entkommen und in einem Versuch sein unübliches Verhalten wieder in gewohnte Bahnen zu lenken, grinste sie ihn spöttisch an: „Hey, eine Nacht mit mir und ich musste Lieutenant Kramer praktisch dazu zwingen mir keine römische Eins zu geben."
Sie hatte zumindest einen kleinen Lacher erwartet, doch offensichtlich hatte ihr ironischer Kommentar seine Gedanken auf das Thema gebracht, dass sie vermeiden wollte, denn als sie zu ihm aufsah betrachtete er sie mit einem Gesichtsausdruck, den sie nicht deuten konnte, nicht deuten wollte.
Seine Augen waren auf ihr Gesicht fixiert, so dunkel, so konzentriert, so ... hungrig. Es fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag und sie musste sich zwingen von ihm wegzusehen.
Er beugte sich weiter zu ihr und die Herausforderung in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Bist du so gut?"
Kara wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte und auf der Suche nach Ablenkung griff sie mit zitternden Fingern nach ihrem Glas.
Lee lehnte sich ein wenig gegen sie und sie fühlte wie sein Atem die empfindliche Stelle unter ihrem Ohr streifte.
Sie zuckte zusammen und konnte nicht verhindern, dass ihr das Glas entglitt und mit einem dumpfen Geräusch über den Boden rollte.
Ambrosia ergoss sich über ihre Beine und Kara sprang auf, froh über die Möglichkeit seiner Nähe zu entkommen.
„Frak, Lee!"
Er grinste ohne Reue zu ihr auf und als seine Worte leicht verwischt heraus kamen, erkannte sie, dass er betrunkener sein musste, als sie geglaubt hatte. „Frak. Das war die Richtung in die ich gedacht habe."
Kara, die bereits dabei war ihre Hose notdürftig abzuwischen, erstarrte und blickte ihn geschockt an. Es war nicht mißzuverstehen, was er andeutete und sie fühlte wie Panik in ihr aufstieg. Er wollte Sex mit ihr?
Einen Augenblick stand sie einfach nur da, mit einem Gefühl, als würde sie sich im freien Fall befinden und während der ganzen Zeit verließ sein Blick ihre Augen nicht eine Sekunde.
Dann schüttelte sie sich und fast mit Erleichterung ließ sie zu, dass Ärger sie überrollte und ihre Angst verdrängte. Wenigstens war das ein Gefühl, das sie kannte und es fiel ihr nicht schwer auf ihn wütend zu werden. Er hatte einfach so die Grenze überschritten und damit riskierte er ihre Freundschaft.
„Lee, was soll ..."
Aber er ließ sie nicht ausreden, sondern umschloss ihre Arme. Sein Daumen streichelte über die Innenseite ihrer Handgelenke und kleine Schockwellen schossen durch ihren Körper. Sanft zog er sie wieder zurück, diesmal auf seinen Schoss.
Sie wusste, sie musste sich wehren, musste einfach aufstehen und gehen, aber es fühlte sich so gut an, seine Hände auf ihrer Hüfte, in ihren Haaren.
Eine langsame Wärme breitete sich in ihr aus und da war dieser Ausdruck in seinem Gesicht, fast wie...Sehnsucht.
Mit einem Mal vergaß sie die Leute um sich herum, sie vergaß all die guten Gründe, warum sie das hier verhindern sollte, verhindern musste, alles worauf sie sich konzentrieren konnte war sein Körper, der sich gegen ihren presste, seine blauen Augen, die sich verdunkelten, als er immer näher kam.
Und dann senkten sich seine Lippen auf ihre und ihre Gedanken setzten aus. Er schmeckte wundervoll, genauso wie sie sich vorgestellt hatte, dass er schmecken würde und sie glaubte sie könnte nie genug von ihm bekommen.
Seine Finger wanderten zu der nackten Haut zwischen Hose und T-Shirt und als er sie dort streichelte, konnte sie ein Stöhnen nicht unterdrücken.
Sie war wie im Fieber, sein Geruch, seine Hände auf ihr, alles andere war vergessen und sie krallte ihre Fäuste in seine Haare, küsste ihn und gab jede Zurückhaltung auf. Die Art wie er reagierte machte sie glauben, dass er genauso verzweifelt nach ihr war wie sie nach ihm, aber sie wusste, dass musste sie sich einbilden.
Es dauerte eine Weile bis sie sich endlich von ihm zurückziehen konnte und als sie ihn ansah, lächelte er sie fast liebevoll an und mit einem Mal war die Furcht wieder da.
Kara löste sich von ihm und schlug seine Hand weg, als er nach ihr greifen wollte. Er sah so selbstbewusst, so ... glücklich aus und sein schwerer Atem verriet, dass ihr Gerangel auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen war.
Sie konnte seinem Blick nicht stand halten. Sie drehte sich von ihm weg, auch wenn sie nichts lieber getan hätte, als sich wieder in seine Arme zu werfen, aber da war dieses Gefühl als würde sie keine Luft bekommen, es schnürte ihr geradezu den Hals ab.
„Kara..."
„Lee, hör auf. Ich kann das nicht. Du machst alles kaputt. Wenn, wenn wir das zulassen, dann wird es nie mehr wie vorher sein..."
Er griff wieder nach ihr, offensichtlich verstand er nicht, wovon sie redete und auf einmal überkam sie echte Panik und sie fauchte ihn an: „Lass die Finger von mir und such dir einen anderen One Night Stand!"
Sein Arm erstarrte auf halber Höhe und einen kurzen Moment lang dachte sie, er würde sie schlagen, doch dann ließ er nur seine Hand fallen.
„One Night Stand", flüsterte er und seine Kiefermuskeln krampften sich zusammen, als könnte er nicht glauben was er da hörte. Sie schluckte und wünschte sich er würde sie in den Arm nehmen und ihr sagen, dass sie mehr für ihn war. Wünschte sich er würde ihr versichern, dass er sie, Kara wollte und nicht nur irgendjemanden. Wünschte sich er könnte ihre Angst und ihre Zweifel vertreiben.
Doch als sie den Blick hob, hatte er einen eisigen Ausdruck im Gesicht und sie wusste, was auch immer sie sich wünschte, es würde nicht passieren.
„Du bist doch sonst auch nicht so wählerisch!"
Kara taumelte einen Schritt zurück, es war, als hätte er ihr einen Schlag in den Magen versetzt. Sie spürte wie sich Kälte in ihr ausbreitete und wie Tränen in ihren Augen aufstiegen aber sie konnte es nicht ertragen vor ihm zu weinen.
Abrupt drehte sie sich um und ohne die neugierigen Blicke der Umstehenden zu beachten, flüchtete sie aus der Bar.
Die eiskalte Luft traf sie unvorbereitet, aber sie fühlte es nicht, sie fühlte nur diesen Schmerz in ihrem Inneren, der immer mehr wurde und sie wollte ihn betäuben, aber sie wusste nicht wie.
Kara taumelte und ihre Knie wollten unter ihr nachgeben, doch bevor sie auf den Boden fiel spürte sie zwei kräftige Hände, die sie stützten.
Die Erleichterung ließ ihren Körper beben, sie drehte sich um und schmiegte sich an seine Brust. Sie wollte ihm erklären, dass ihr die Angst seine Freundschaft zu verlieren beinahe die Kehle abschnürte.
Dass sie noch nie eine Beziehung gehabt hatte, die länger als drei Wochen gedauert hatte, dass sie sich nicht so auf jemand anderen einlassen konnte. Dass sie wertlos war und dass sie das Ganze verfraken würde, es war nur eine Frage der Zeit. Und dann wäre gar nichts mehr zwischen ihnen und das würde sie nicht ertragen.
Sie öffnete den Mund, um ihm das zu sagen, doch als sie zu ihm aufblickte war es nicht Lees Gesicht, dass auf sie herabschaute, sondern das Gesicht des Majors, der sie den ganzen Abend angelächelt hatte.
Sie blickte über seine Schulter zum Eingang der Bar, doch Lee war nicht herausgekommen und sie erkannte, dass er ihr nicht folgen würde.
Kara starrte den jungen Mann an, der sie immer noch umfasst hielt und dann riss sie seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn.
Es war nicht unangenehm, aber sein Geruch, die Art wie er seine Zunge in ihrem Mund bewegte, das Gefühl seiner Haare unter ihren Händen, es war alles so falsch.
Und trotzdem, es half ihr den Schmerz zu betäuben, sie wollte nichts mehr fühlen, nicht darüber nachdenken, sie wollte einfach nur vergessen und so ließ sie zu, dass der Major seine Hand unter ihr T-Shirt bewegte.
Einfach nur vergessen...
Ein erstickter Laut ließ sie aufmerken und als sie den Kopf drehte erstarrte sie. Kara hatte geglaubt der Abend könnte nicht mehr schlimmer werden, aber sie hatte sich geirrt.
Lee stand in der Tür, er beobachtete sie und einen ganz kurzen Moment sah sie den gleichen Schmerz in seinem Gesicht, der in ihrem Inneren tobte, doch dann fiel es wie eine Maske über sein Gesicht. Alles was sie noch sehen konnte war so nahe an Hass, dass etwas in ihr zerbrach.
Kara wollte einen Schritt auf Lee zu machen, doch seine Miene war starr, eiskalt und bevor sie noch die Arme des Majors abgeschüttelt hatte, hatte er sich umgedreht und lief mit langen Schritten in die Dunkelheit.
Kara ließ sich auf den Boden fallen und schloss verzweifelt die Augen.
Sie hatte es geschafft. Sie hatte den Menschen vertrieben, der ihr am meisten bedeutete.
Lee war fort und jetzt war sie wieder allein.
FIN
bunny: danke für deine weiteren Reviews, freut mich, dass ich wenigstens 1 Leser hab :-)
