Sommergeschichten TEIL 1:
5. Kapitel: Große Fische
Es war noch ziemlich früh am Morgen als Lt. Quinlan über den Bootssteg zu der schwimmenden Behausung der Detektive ging.
Er erwartete, alle vier aus dem Tiefschlaf zu wecken oder bestenfalls während des Frühstücks hereinzuplatzen, aber was er letztendlich sah, als er an Bord ging, verschlug ihm beinahe die Sprache.
Das Sonnendeck sah aus, als hätte es eine Horde Jugendlicher verwüstet.
Es war über und über bedeckt mit leeren Flaschen, leeren Snackpackungen und die Liegestühle standen kreuz und quer verteilt.
Erst danach entdeckte Quinlan die offen stehende Kajütentür.
Sofort schoss ihm der Gedanke an einen Einbruch in den Kopf und er bewegte sich langsam näher und landete schließlich in der Küche, die aber verlassen war.
Quinlan tastete sich vorsichtig weiter vor
- und atmete erleichtert aus, als er im Wohnzimmer vier schlafende Detektive entdeckte.
Ungläubig schüttelte er den Kopf und brüllte,,GUTEN MORGEN!''
Schlagartig ruckten alle von ihrem Schlafplatz hoch und sahen sich verständnislos und mit trüben Augen um.
„Ihr seht katastrophal aus'', begrüßte sie der Polizist. ,von eurem Boot ganz zu schweigen. Was habt ihr hier veranstaltet?''
„...gefeiert...'', murmelte Cody, der den Eindruck erweckte, als würde er gleich wieder einschlafen. „...den Fall... und so...''
„Ja, das wäre auch mein erster Tipp gewesen'', lautete die sarkastische Retourkutsche. „Los, aufstehen! Ich lad' euch zum Frühstück ein. Hab euch was zu erzählen.''
Kurze Zeit später saßen sie alle auf der Terrasse eines kleinen Bistros, bis auf Murray allesamt bewehrt mit Sonnenbrillen und bis auf Quinlan alle verkatert.
„Wie sich herausgestellt hat, habt ihr dieses Mal einen ganz schön großen Fang gemacht'', begann letzterer vertraulich, als sich die Kellnerin, die ihre Bestellung gebracht hatte, außer Hörweite war.
,Wir haben unsere mexikanischen Kollegen gestern noch zum Flughafen geschickt und die haben da tatsächlich noch zwei weitere Bandenmitglieder aufgegriffen, nämlich Benito Velazquez und Olessio Ortega.''
„Das waren noch mehr?'', hakte Nick ungläubig nach, wurde aber von Irina unterbrochen,,Haben sie inzwischen gestanden?''
„Haben gesungen, wie die Vögelchen'', grinste Quinlan und imitierte Flügelschläge mit den Händen.
,Alle. Die ursprüngliche Bande bestand nur aus Juan Eskalante und seinem Bruder Miguel und den beiden Handlangern. Sie wurden wegen Einbruchs und Diebstahls von Kunstgegenständen bereits gesucht. So sind sie schließlich an Da Silva geraten.''
„Sie sind bei ihm eingebrochen'', sagte Irina, die als Einzige gerade nicht mit Essen beschäftigt war und sich unterhalten konnte.
- ,Genau. Da Silva hat sie erwischt. Damit sie ihn nicht töteten, schlug er vor, ihnen zu helfen.''
„Und wurde ganz schnell zum Chef der Bande'', fuhr Murray aufgeregt dazwischen und sprühte Krümel über den gesamten Tisch.
Quinlan bürstete angewidert seine Jacke ab und fuhr fort:
,Er hat sie schließlich überzeugt, dass Einbrechen zu gefährlich ist. Stattdessen zettelte er diese Fälscher-Geschichte an. Es dauerte zwar einige Zeit, bis sie in der Schmuckherstellung und dem ganzen Zeug bewandert waren, aber es hat sich gelohnt. Da Silva begann bei seinen reichen Freunden herumzugehen und ihnen billige Schmuckreinigungen, Restaurationen oder dergleichen zu versprechen, weil er da angeblich jemanden kannte.''
Quinlan hob die Hände auf Kopfhöhe und formte Anführungszeichen mit den Fingern. „Dann nahm er das Kunstwerk mit, sie fälschten es und brachten die Fälschung anstelle des Originals zurück."
„Und das hat keiner gemerkt?'', beteiligte sich nun auch Nick an dem Gespräch.
,Spätestens wenn die texanische Polizei bei ihnen auftaucht, merken sie es'', feixte
Quinlan, bei dem der Bullenhumor durchbrach.
„Das mit dem Schmuck seiner Mutter war aber wohl eher eine Art Racheakt'', sagte Irina unvermittelt und lehnte sich zurück.
„Weil sie ihm Geld verweigert und ihn enterbt hat.''
„Ihr letzter großer Coup, bevor sie in neue Gewässer aufbrechen wollten'', erinnerte sich Cody.
Sie sahen sich an. In ihren Gesichtern war deutlich zu lesen, wie überrascht sie von dem tatsächlichen Ausmaß der Angelegenheit waren.
Der Fall war also erfolgreich abgeschlossen, was für Irina bedeutete, dass es an der Zeit war, nach Texas zurückzukehren.
Cody, Nick, Murray und sogar Quinlan fanden sich am Tag ihrer Abreise am Flughafen ein, um sie zu verabschieden. Es war übrigens derselbe, an dem sie wenige Tage zuvor Da Silva und seine Männer verfolgt hatten.
Dieses Mal war die Eingangshalle nicht ganz so voll gestopft mit Menschen, wie an besagtem Tag.
Irina, die für ihre Verhältnisse recht schweigsam war, ging zwischen Quinlan und Nick. Als vor ihnen ein großes grünes Check-In-Schild auftauchte, blieben sie alle stehen und schauten darauf, als erwarteten sie, dass es irgendetwas sagen würde. Schließlich löste sich Irina aus der Gruppe und sagte seufzend:
„Dann muss ich mich jetzt wohl verabschieden ... schade eigentlich... so übel seid ihr gar nicht...''
Sie grinste halbherzig, stellte den Koffer ab und begann ihre Verabschiedungsrunde bei Murray.
Sie umarmte ihn und flüsterte unhörbar für die anderen,,Lass dich nicht mehr erschrecken.''
„Nein, keine Sorge'', flüsterte Murray zurück und ließ sie nur widerwillig wieder los.
Nick sagte nichts, während er sie umarmte, aber die Worte taten auch unausgesprochen ihre Wirkung.
Als Cody an der Reihe war, zögerte Irina ein wenig. Zwischen ihnen war nicht immer alles Sonnenschein gewesen und sie hatten sich so viel Freundlichkeit entgegengebracht wie normalerweise einem Kaktus. Sie wusste nicht, woran sie bei ihm war, deshalb war sie überrascht, als dieser von sich aus eine Umarmung begann und nuschelte,,Pass auf dich auf.''
Selbst Quinlan schloss sich der allgemeinen Umarmungswelle an und wollte Irina am Liebsten nicht mehr loslassen.
Weil sie aber sicher nicht ihren Flug verpassen wollte, beschränkte er sich ebenfalls auf ein ,Pass auf dich auf'' und ließ sie wieder los.
„Werd' ich'', erwiderte sie. ,Und danke für alles.''
- ,Ach was. Das hab' ich gern gemacht. Und wenn dir jemand dumm kommt... du hast ja meine Nummer...''
Quinlan klang wie ein Serienkiller, der Werbung für sich macht und verstärkte den Eindruck noch, als er hinzufügte,, ...ich komm' dann persönlich vorbei und tret' dem Kerl in den Arsch.''
Irina lachte kurz und ging dann mit ihrem Koffer zum Check-In-Schalter.
Vor ihr wurde nur noch ein einziger Passagier abgefertigt.
Während sie darauf warteten, dass Irina hinter der Absperrung verschwand, bemerkte Quinlan die neugierigen Blicke der anderen.
„Was ist?'', fragte er argwöhnisch.
„Hab' ich das grade richtig verstanden?'', argwöhnte Cody zurück.
„Läuft da irgendetwas, das wir wissen sollten?'', fügte Nick hinzu.
Quinlan bedacht sie mit einem ganz speziellen Blick und winkte dann ab.
„Hey, ich kannte schon ihren Dad. Ein feiner Kerl. Hab' ihn bei einem Einsatz in Texas kennen gelernt.''
"Und wie ist er so?'', erkundigte sich Nick.
Angesichts dieser Frage verklärte sich Quinlans Blick auf eine seltsame Weise, die noch keiner der Detektive je bei ihm gesehen hatte.
Bevor sie jedoch eine weitere Frage stellen konnten, antwortete er schon:
„Zu leichtsinnig.'' und Resignation schwang in seiner Stimme mit.
„Dann wissen wir wenigstens, wo sie das her hat'', kommentierte Nick halblaut. Sie sahen von weitem zu, wie Irina jetzt an den Schalter herantrat und wandten sich dann zum Gehen.
Sie waren erst ein paar Schritte gegangen, als Cody plötzlich stehen blieb und in die Luft starrte.
„Wartet mal...'', sagte er langsam. „Wenn Irina in Texas ist... und wir sind hier... wer passt dann auf sie auf?''
Die drei Detektive wechselten einen fragenden Blick, dann rannten sie gleichzeitig los.
