3. Kapitel: Cendrillon (Aschenputtel)

„Was?" fragte Neville Luna rhetorisch. Er begriff einfach nicht, warum sie wieder in diesem Wald waren.

Beide sahen sich fragend um, aber es schien, als wenn niemand kommen würde um ihnen weiter zu helfen.

Nach einigen Minuten sahen sie sich immer noch stumm um.

Dann sprach Luna endlich aus, was sie beide dachten: „Es wird wohl nichts mehr passieren. Also, wollen wir gehen?" Einladend hielt sie ihre linke Hand in die Richtung in die der einzige Weg führte.

Neville überlegte kurz, fügte sich dann aber doch und machte sich mit Luna auf den Weg.

Sie liefen einige Zeit schweigend nebeneinander her. Neville hatte angefangen nervös mit seinem Zauberstab zu spielen. Luna hingegen ging summend und, immer wieder aufs neue staunend, ruhig neben ihm her.

Mit der Zeit wurde Neville immer nervöser und er versuchte alle Pflanzen aufzuzählen, die sie je in Kräuterkunde durchgenommen hatten. Leider glückte ihm dies nicht so ganz und im Affekt sprengte er einen der großen Steine, die ab und zu auf dem Weg lagen.

„Ah!" schrie Luna, die ganz ihren Gedanken nachgehangen hatte und damit auf brutalste Weise zurück in die Realität befördert wurde, sofern man diesen Ort hier als Realität bezeichnen konnte.

„'Tschuldigung", sagte sich Neville kurz angebunden.

Doch Luna schien das nicht mehr zu interessieren: „Oh, Blumen!"

Sie lief los und wollte sie sich aus der Nähe ansehen. Neville aber reagierte schnell und packte ihren Arm.

„Nicht!", rief er besorgt. „Die sind abseits vom Weg und wir sollten auf die Warnung achten!"

„Aber... das ist doch nur ein Meter!", sagte sie traurig darauf.

„Wir wollen doch kein Risiko eingehen, oder?" fragte er freundlich, aber doch bestimmt.

Und als wenn der Wald seine Worte unterstützen wollte, kam ein unheimlicher Wind aus dem Wald und merkwürdige sowie unheimliche Geräusche kamen ihnen hingegen.

„Okay. Du hast Recht. Ich sollte es lieber lassen." Luna schluckte laut und machte einen Schritt zurück. Jedoch hatte sie nicht mit den Überresten des Steins gerechnet und fiel hintenüber.

Neville war so geistesgegenwärtig, dass er sie schnell auffing. Allerdings sackte er damit auch auf den Boden.

Als sie sich von dem Schreck erholt hatten, lag Luna in Nevilles Armen und sah ihm tief in die braunen Augen. Sie konnte nicht anders als leicht rot zu werden.

Auch Neville wurde leicht rot und er hatte das Gefühl in diesen blauen, so reinen blauen Augen, zu ertrinken. Er schien immer tiefer in ihnen zu versinken. Ebenso, wie er tiefer in ihnen versank, sank sein Kopf immer tiefer.

Luna wusste gar nicht, wie ihr geschah. Langsam schloss sie die Augen und öffnete leicht ihre Lippen.

Durch ein Krachen schreckte die beiden aus ihrer Umarmung auf.

„Was war das?", fragte Neville ahnungslos und gleichzeitig bedauernd, dass es nicht zu mehr als dieser Umarmung gekommen war.

„Lass uns nachsehen", antwortete Luna, sprang auch sofort auf und lief dem Lärm entgegen.

Neville, immer noch niedergeschlagen, sprang ebenfalls auf und folgte ihr.

Wie schon zuvor wunderte sich Neville, dass sie einfach so aus dem Wald kamen, wo vorher noch kein Ausgang war.

'Also irgendwie scheint das hier ein Zentrum zu sein. Wie eine Stadt sieht das nicht aus. Obwohl, eigentlich doch', dachte Neville.

Alles war hier so bunt und aus Glas, buntem Glas. Irgendwie war alles hell und strahlend.

Schreiend liefen ihnen einige Menschen entgegen, allesamt mit Stäben und Kugeln in den Händen.

„Achtung!" Mit diesem Schrei wurden Luna und Neville gerade noch weg gezogen, denn knapp eine Sekunde später waren dort, wo sie vorher gestanden hatten, die letzten Überrestes eines Hauses, die, merkwürdigerweise, bereits verschwanden. Sie schienen sich in Licht zu verwandeln.

„Das war knapp. Auch wenn sie nicht echt sind, so sind die Schmerzen doch real", erklärte der geheimnisvolle junge Mann, der sie gerade gerettet hatte. Die langen schwarzen Haare hingen ihm tief ins Gesicht, so dass man seine dunklen, fast schon schwarzen Augen kaum sehen konnte. Er war von erstaunlicher Größe, dennoch sehr schmal und fast schon zierlich gebaut.

„Jetzt kommt weg hier!", rief er den beiden entgegen und sie folgten ihm rennend.

Sie rannten durch helle Straßen. Wie eng sie auch waren, sie waren immer hell. Es gab nicht eine dunkle Straße. Sie wussten nicht, wohin sie rannten, außer, dass sie dem Mann folgen sollten. Dieser wiederum lief der Menge hinterher.

„Cochon! Hier her!", rief eine Frau dem Mann zu. Dieser drehte sich zu Luna und Neville um und rief: „Los, folgt mir einfach."

Da sie nicht wussten, was sie sonst tun sollten, liefen sie ihm hinterher.

Während sie weiter durch Gassen liefen, konnten sie einige Gesprächsfetzen der beiden vorauslaufenden aufschnappen.

„Also bricht sie immer weiter zusammen?", fragte der Mann die Frau.

„Ja", antwortete sie erregt. „Jetzt hat es schon die Hälfte der Stadt erwischt."

„Schon die Hälfte? Soviel hätte ich nicht erwartet."

„Es ist aber so. Wo zur Hölle steckt nur deine Mutter?"

„Weiß ich doch auch nicht. Ohne sie bricht alles zusammen."

„Langsam wird es eng. Oh... Hier lang." Sie stieß eine Tür auf und rannten eine Treppe hinunter. Es schien, als wenn sie in einem Tunnel unter der Erde wären. Feststellen konnten sie das nicht wirklich, da es kein Licht gab. Neville zog seinen Zauberstab hervor und murmelte: „Lumos." Auf seinem Zauberstab erschien eine kleine Flamme, die genug Licht gab, um den Tunnel auszuleuchten.

„Wie?", fragte Cochon ungläubig.

„Oh." antwortete Neville. „Wir sind..."

„Zauberer", beendete die Frau seinen Satz. „Das sehen wir. Aber eigentlich dürfte das jetzt gar nicht funktionieren."

Luna nahm nun auch ihren Zauberstab hervor und mit einem lauten „Lumos" entflammte auch ein Licht auf ihrem Zauberstab.

„Wieso nicht 'funktionieren'?" fragte Luna höchst neugierig.

In diesem Moment aber bebte der Boden und einige Steine und Erde fielen von der Decke.

„Wir sollten hier schleunigst raus. Dann werden wir euch alles erklären", sagte die Frau und ging sofort wieder los.

Es kam ihnen vor wie eine Stunde, bis sie aus dem Tunnel kamen und sich direkt in einem Schloss wiederfanden. Auch dieses war komplett aus Glas, bis auf den Boden, der aus Marmor zu sein schien. Überall waren Haselbäume zu sehen, kleine und große. Das Licht fiel durch die Bäume und ein interessantes Spiel zwischen Licht und Schatten fand statt. Wasser lief glänzend und glitzernd von den Wänden und machte das Schloss noch atemberaubender.

Atemlos standen Luna und Neville im Erdgeschoss. Doch die anderen beiden liefen weiter.

Unter Protest liefen sie hinter ihnen her bis ins vierte Stockwerk.

„Oh nein. Sieh dir das an!", stöhnte die Frau.

„Oh mein Gott! Das kann doch nicht sein!" Ungläubig sah er hinaus und auf die Stadt hinab.

Auch Luna und Neville riskierten einen Blick. Aber was vorher noch eine Stadt war, war mittlerweile fast nur noch ein Dorf. Man konnte zwar noch den Steinboden sehen, aber die Häuser waren verschwunden.

„Das ist es: Das ist unser Problem.", richtete Cochon das Wort an Luna und Neville.

„Die Magie, mit der die Häuser zusammen gehalten werden und auf der unsere Welt aufgebaut ist, ist fast schon komplett aus ihr verschwunden", fügte die Frau hinzu.

„Und warum ist das so? Und außerdem, wer seid ihr? Also er heißt Neville und meine Name ist Luna", fragte Luna fordernd.

„Oh. Wie unhöflich von mir", begann die Frau. Jetzt erst sah Luna sie richtig an. Ihre Haare waren bleich, fast weiß und lang, aber zu einem Zopf geflochten. Sie war schlank und wirkte unzerstörbar, im Prinzip der komplette Gegensatz zu dem Mann. Ihre Augen waren von einer seltenen Farbe: Gelb.

„Mein Name ist Noir. Und das da...", sie zeigte auf den Mann. „Ist Cochon, mein Verlobter und Kronprinz dieses Landes und damit der Sohn von Königin Cendrillon. Ihr kennt sie bestimmt."

„Cendrillon?", begann Luna. „Tut mir Leid, aber der Name sagt mir nichts." Neville schüttelte zustimmend den Kopf. Noir sah sie ungläubig an und wollte schon ansetzten etwas zu sagen, als sich Cochon einmischte: „Hör auf!"

Cochon wandte sich nun zu ihnen um: „Euch dürfte sie eher als Aschenputtel bekannt sein."

„Die wiederum kenne ich", sagte Luna darauf.

„Darf ich euch nun die Geschichte meiner Mutter erzählen?", fragte Cochon bittend.

Luna antwortete mit einem warmen Lächeln, worauf hin Cochon begann zu erzählen.

Cendrillon, man nannte sie überall nur Cecile, war schon von Geburt an eine fähige, gute Magierin und Hexenmeisterin. Sie bekam die besten Lehrer, denn ihr Vater war ein wohlhabender Kaufmann. Alles, was sie wollte, wurde Realität und sie konnte wundersame Dinge geschehen lassen.

Eines Tages jedoch wurde ihre Mutter sehr krank. Sie rief Cecile zu sich ans Totenbett und sagte ihr, dass sie immer fromm und gut bleiben solle, damit Gott ihr immer beistehe und ihre Mutter immer in ihrer Nähe sein könne.

Cecile konnte sich aber nicht damit abfinden, dass ihre Mutter sterben sollte. Sie durchsuchte alle Bücher, die sie finden konnte nach einer Möglichkeit ihre Mutter zu retten. Alles, was ihr nur ansatzweise weiterhelfen konnte versuchte sie, aber nichts half. Keine Beschwörung, kein Zauber, keine Hexerei, keine Mixtur konnte ihre Mutter vor dem Tod bewahren.

Ihre Mutter starb vor ihren Augen, sie schloss einfach die Augen und die Qualen waren vorbei. Cecile brach in Tränen aus und durch ihren Aufschrei der Verzweiflung und der Enttäuschung zerstörte sie das Zimmer und tötete unbewusst jeden in der Umgebung mit der Entladung ihrer Magie.

Danach war sie nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Jeden Tag ging sie an das Grab ihrer Mutter und weinte erneut. Als sie erkannt hatte, dass Magie nicht alles aufhalten kann und durch den Verlust ihrer Mutter, hatte sie geschworen nie wieder Magie anzuwenden.

Ein Jahr später heiratete ihr Vater erneut. Die Frau brachte zwei Kinder mit in die Ehe, ebenfalls Mädchen. Sie waren beide wunderschön, aber in ihren Worten und Taten zeigte sich die Finsternis in ihnen.

Da Cecile im Prinzip zu nichts nutze war und die Stiefmutter sie nicht am Tisch sitzen haben wollte. Sie sollte sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. So wurde sie zur Magd und sie wurde nur noch Cendrillon genannt.

Ihre Schwestern waren garstig zu ihr und verspotteten sie wo sie nur konnten. Cendrillon entging dem Tod meist nur um Haaresbreite, Schnittwunden und Schussverletzungen gehörten bereits zum Alltag.

Da sie sich immer noch daran erinnerte, was an dem Tag des Todes ihrer Mutter geschehen war, betrachtete sie dieses als Strafe für das unverzeihliche Verbrechen Menschen getötet zu haben.

Dann ging der Vater eines Tages auf Reisen und wollte jeder etwas mitbringen. Die Stiefschwestern verlangten nach Kleidern und Schmuck, Cendrillon jedoch wollte nichts weiter als den Zweig, der ihm auf dem Heimweg als erstes an den Hut stieß.

So geschah es dann auch. Der Vater brachte ihr einen Haselzweig mit, den sie auf dem Grab ihrer Mutter einpflanzte. Vor ihren Augen begann der Baum zu wachsen, bis er groß und stark war.

Von nun an ging sie dreimal am Tag zu dem Grab und betete.

Eines Tages erschien ihr ein männlicher Engel mit schwarzen Haaren auf dem Baum: „Du bist also die talentierte Magierin, die wegen einer Panne aufgehört hat ihre Magie zu benutzen? Zu dumm aber auch. Wenn du etwas brauchst, dann sag es und ich werde es dir geben."

Und das tat sie auch, immer wenn sie etwas brauchte und jedesmal bekam sie, was sie gerne hätte. Der Engel aber wurde zunehmend frecher.

So geschah es, dass der König ein dreitägiges Fest ausrichtete, zu dem die schönsten und reichsten Frauen des Landes eingeladen wurden, um eine Frau für seinen Sohn zu finden.

Natürlich mussten die Schwestern dort hin und da sie Cendrillon ärgern wollten, setzten sie nicht ihre magischen Fähigkeiten ein sondern kommandierten sie herrum. Cendrillon wäre auch gerne zu dem Tanz gegangen, aber die Mutter wollte dies nur billigen, wenn sie eine Schüssel Linsen aus der Asche in zwei Stunden gelesen hätte, könnte sie mitkommen.

Sie begann alles aus der Asche zu lesen, aber nach einer halben Stunde waren es immer noch so viele, dass sie sich nicht anders zu Helfen wusste. Sie ging zum Fenster und rief den Engel, der auch sogleich erschien, aber alles andere als erfreut schien: „Warum zauberst du das nicht einfach hin?" fragte er. Als er jedoch ihr flehendes und trauriges Gesicht sah konnte er nicht anders und zauberte ihr alles zurecht.

Nun konnte sie das Ergebnis ihrer Arbeit der Stiefmutter präsentieren. Da aber erst eine Stunde vergangen war schüttete die Mutter zwei Schüsseln in die Asche. Diese sollte sie dann innerhalb einer Stunde gelesen haben, wenn sie mit wollte. Sie aber lief zum Fenster und rief den Engel. Dieser konnte erneut nicht widerstehen und sortierte alles für sie.

Nach einer Stunde waren sie tatsächlich gelesen und sie zeigte die Schüsseln der Mutter, diese aber meinte, dass sie kein Kleid hätte und ging mit ihren Töchtern fort.

Als sie alleine war lief sie zu dem Grab ihrer Mutter und bat um ein Kleid. Wieder erschien der Engel und sagte: „Benutz endlich deine Zauberkraft! Dann hast du die Probleme nicht mehr."

Cendrillon aber weigerte sich und nach einigem hin und her gab er ihr auch das ersehnte Kleid, in allen möglichen Farben mit gläsernen Schuhen und noch eine Kutsche dazu.

Auf dem Ball erkannte niemand das Mädchen. Der Königssohn, mit langen schwarzen Haaren, ging direkt auf sie zu, tanzte mit ihr und wollte sie mit niemandem teilen. Sie unterhielten sich noch eine Zeit lang, doch gegen Mitternacht musste sie wieder gehen. Der Königssohn wollte sie begleiten, doch sie entkam ihm.

Am nächsten Tag war wieder ein Ball, zu dem sie auch gehen wollte. So ging sie erneut zu dem Grab und erbat das Kleid. Dieses mal bekam sie es direkt, doch der Engel wirkte irgendwie bedrückt.

Sie ging erneut zu dem Ball und alles war genau so wie den Tag davor. Auch dieses Mal entkam sie ihm.

Auch am dritten Tag wollte sie gerne zu dem Ball gehen. So ging sie zum dritten Mal zu dem Baum und rief den Engel. Dieses Mal erschien er direkt vor ihr und sagte etwas sauer: „Nun zauber doch endlich, verdammt noch Mal. Wenn du deine Kräfte wieder 'aktivierst', wirst du die Wahrheit erkennen." Dennoch blieb sie standhaft und er musste sich fügen.

Wieder tanzte sie mit dem Prinzen und in seiner Nähe wurde ihr immer warm ums Herz. Er erinnerte sie an jemanden, wusste aber nicht an wen.

Am Abend wollte sie wieder gehen, doch das gestaltete sich dieses Mal als schwieriger. Er wollte sie keinen Moment aus den Augen lassen. Dann nahm sie irgendwann den Mut zusammen und rannte los. Auf der Treppe jedoch verlor sie ihren linken Schuh. Sie hatte keine Zeit mehr um zurück zu eilen und rannte durch die Nacht zu ihrer Kutsche. Der Prinz aber nahm den Schuh und entschied, dass diejenige, der der Schuh passte, seine Gemahlin werden sollte.

Er machte sich auf die Suche und kam dabei auch in das Haus von Cendrillon. Er wollte alle Mädchen in diesem Haus sehen. Allerdings wurde Cecile nichts gesagt, nur durch Zufall sah sie den Prinzen und ihr wurde wieder warm ums Herz.

Der Prinz fragte: „Ihr habt nur zwei Töchter?"

Die Stiefmutter antwortete: „Ja, nur diese zwei. Sonst niemanden."

In diesem Moment platzte ein Knoten in Cecile und Magie durchströmte ihren Körper.

Ich gehöre also nicht zu diesem Haushalt? Ich bin nicht die Tochter dieses Mannes? Was erlaubst du dir?", fragte Cecile wütend und mit fast Hass erfüllter Stimme. Sie murmelte ein paar Worte und die Stiefmutter flog quer durch den Raum. Alle Wut, die sich gegen sie aufgestaut hatten, wurde auf einmal entfesselt. Ihren Stiefschwestern bereitete sie eine schreckliche und ewige Qual: Sie waren in einer Illusion gefangen, in der sie immer hässlicher wurden, je öfter sie in den Spiegel schauten.

Dann fiel ihr Blick auf den Prinzen und ihr Blutdurst erstarb. Er war mehr als nur der Prinz. Jetzt wusste sie, warum er ihr so bekannt vor kam. Er war ihr Engel, der ihr immer wieder geholfen hatte.

Jetzt siehst du es, nicht wahr?", fragte er sie.

Ja, jetzt sehe ich es", antwortete sie.

Bald darauf wurde Hochzeit gefeiert und schon bald gebar sie einen gesunden Sohn. Sie nutzte wieder die Magie, aber etwa fünf Jahren nach der Geburt des Sohnes starb König Uriel. Dieses Mal jedoch verbannte sie nicht ihre Fähigkeiten. Sie wurde zur Leiterin der Magier und Wächterin der heiligen Magie. Doch dann verschwand sie plötzlich spurlos.

Er hielt inne.

Schon ergriff Luna wieder das Wort: „Aber das würde ja bedeuten, dass du zur Hälfte ein Engel bist, oder?"

„Stimmt genau", antwortete Noir. „Sein Vater war einer der Erzengel. Wir glauben jedoch, dass er zurück gegangen ist, um seinen Aufgaben im Himmel nachzugehen."

„Aber, warum verschwindet hier alles?", fragte Neville und trat neben Cochon um über die Stadt zu blicken.

„Nun," antwortete Cochon, „alles hier ist aus Magie erschaffen worden. Die ganzen Glashäuser sind nicht real, nur von Magiern real gemacht worden. Jetzt, wo die Magie verschwindet, haben sie nicht mehr die Möglichkeit zu existieren und verschwinden, indem sie umfallen und wieder zu Licht werden. Dieses Schloss wird auch bald verschwinden und dann ist unser Land verloren."

„Ihr gehört doch zu den Auserwählten", fügte Noir hoffnungsvoll hinzu. „Das haben wir daran erkannt, dass ihr immer noch Magie anwenden könnt." Sie zeigte auf die Zauberstäbe, deren Licht noch immer strahlte. Verlegen sagten beide Nox und das Licht verschwand.

„Nur ihr könnt uns jetzt noch helfen", sagte Cochon bedrückt. „Bringt uns die Magie zurück."

„Es ist ehrlich gesagt sogar noch schlimmer, als ihr glaubt", sagte Noir dazu. „Ihr habt nicht mehr viel Zeit. Ohne die Magie können wir nicht leben und diese Welt können wir nicht verlassen. Dann wären wir nichts weiter als leere Hüllen."

„Wir würden ja gerne helfen, aber wir wissen nicht mal, wo wir anfangen sollen zu suchen", sagte Neville nur bedrückt darauf. Er warf einen flüchtigen Blick zu Luna. Diese erwiderte seinen Blick kurz, dann sahen sie wieder die zwei Hoffenden an.

„Geht einfach euren Weg." Sie lächelten die zwei an, die fast noch Kinder waren.

„Hoheit!", rief ein Mann in Rüstung, der stürmisch auf sie zugerannt kam. „Wir haben ein großes Problem im 4. Bereich."

Cochon sah ihn überrascht und ungläubig an: „Im 4. Bereich? Aber das sind doch die Magier Schulen." Er wandte sich schon zum Gehen. Dann drehte er sich doch wieder um, nahm die Hände von Noir und sagte zu ihr: „Es tut mir Leid, aber ich muss dich schon wieder verlassen."

„Du weißt, dass es mir nichts ausmacht. Das sind eben deine Pflichten." Noir lächelte ihn an.

„Ich weiß." Er lächelte zurück und küsste sie.

Luna und Neville's Gesicht nahmen eine rosa Farbe an.

„Bring sie zu Avenir. Sie wird ihnen weiter helfen können." Schon löste er sich von ihr und lief zu dem Wachmann, mit dem er schon hitzig redete.

Noir sah ihm immer noch lächelnd nach.

„Kommt, ich stell euch Avenir vor."

Luna und Neville folgte ihr still. Irgendwie waren sie beide darauf bedacht den anderen nicht zu berühren. Sie sahen sich immer nur die Wand neben ihnen oder den Boden direkt vor ihren Füßen an. Unmerklich liefen sie immer höher. Sie schienen in einem Turm zu laufen. Nun liefen sie nur noch im Kreis.

Oben angekommen klopfte Noir nicht an die Tür,sondern öffnete sie einfach.

Der Raum war nichts weiter als ein Wasserbecken, in dem sich die verschiedenen Lichter der Fenster brachen. In der Mitte des runden Beckens war eine Insel, auf der ein Mädchen saß. Sie hatte lange weiße Haare, die bereits ins Wasser fielen. Auch ihre Kleidung war weiß und sehr einfach.

„Willkommen", begrüßte sie das Mädchen und öffnete die Augen. Sie zeigte mit ihrer Hand auf das Wasser und eine Brücke erschien. „Kommt näher", sagte sie einladend.

„Geht ruhig. Ich werde euch jetzt verlassen, doch sie wird euch sagen können, was ihr noch tuen müsst." Noir verabschiedete sich von ihnen, wünschte ihnen noch viel Glück und schloss die Tür hinter sich.

Neville und Luna folgten der Einldung und gingen hinüber zu dem Mädchen.

Das Wasser platschte unter ihren Füßen.

„Bitte bleibt dort stehen."

Sie hielten an und fragten sich, was das sollte.

„Mein Name ist Avenir und ich habe die Fähigkeit die Möglichkeiten der Zukunft zu sehen. Und eure mögliche Zukunft liegt klar vor mir."

Neville rollte die Augen: 'Na toll. Eine Wahrsagerin...'

„Nicht Wahrsagerin, mein lieber Neville, Seherin. Ich sehe die Dinge und brauche sie nicht zu erahnen. Es wird immer einer von euch verschwinden, nachdem ihr die Geschichte kennt. Zurückholen, was verloren, können nur zwei, deren Seelen gegensätzlich und doch gleich sind. Das Haus, das Dorf, der Traum, der Berg. Orte, die sie durchlaufen müssen, entdecken, was sie verbindet und suchen nach dem Ausgang, ohne Worte sich verstehen, sich lieben, aber nicht wie Liebende, sich hassen, aber nicht wie Feinde. Das große Wort, die verlorenen Kräfte, für jede Kraft ist einer gekommen. Doch der Ausgang ist ungewiss, ob das Ziel erreicht wird oder nicht hängt von den neun Auserwählten ab."

„War das gerade eine Prophezeiung?", fragte Luna nach einer Weile der Stille.

„Keine Prophezeiung, eher Gewissheit. Und ich warne euch: Haltet euch vom Wasser fern."

Sie sah zu dem Wasser.

„Es tut mir Leid, aber nur einer von euch wird hier herauskommen."

„Was?", fragten sie gleichzeitig.

Avenir starrte immer noch auf das Wasser. Unweigerlich sahen sie auch langsam auf das Wasser und erst jetzt sahen sie, dass es dunkel, fast schwarz geworden war.

„Es tut mir Leid. Aber Luna, dir wird nichts böses geschehen, zumindest jetzt noch nicht. Neville, warne die anderen!"

Aus dem Wasser kam plötzlich eine Hand geschnellt und ergriff Lunas Knöchel. Luna schrie auf, als sie hinuntergerissen wurde. Neville packte sofort ihren Arm und versuchte sie wieder hoch zu ziehen, aber das Wesen war einfach zu stark. Er griff nach seinem Zauberstab und schoss ein paar Flüche auf das Wesen ab, jedoch ohne Erfolg.

Neville versucht auszumachen, was da an ihr zog und sah tiefer ins Wasser. Dann sah er schwarze pupillenlose Augen und eine fahle Haut, wie die einer Leiche.

Dann registrierte er, dass Luna bereits auf ihn einredete: „Bitte, Neville, lass mich los. Es ist keinem geholfen, wenn du mit mir untergehst. Bitte lass los. Neville!"

Das war das erste Mal, dass Neville sah, wie ihr Tränen über die Wangen rannen.

„Bitte!",waren ihre letzten Worte, bevor Neville selbst nach hinten gerissen wurde und er ihren Arm losließ.

Er spürte eine warme Hand auf seiner Schulter und hörte eine beruhigende Stimme. Er wurde auch ins Wasser gezogen und spürte noch den Aufprall aufs Wasser.

Unter Wasser öffnete er die Augen. Er bemerkte schnell, dass er keine Luft mehr hatte. Er kramte nach seinem Zauberstab, aber er konnte ihn nicht so schnell finden. Panisch sah er sich um, suchte etwas, das ihn retten könnte.

Plötzlich konnte er nicht anderes und atmete ein. Doch seine Lunge füllte sich wider erwarten mit Luft und nicht mit Wasser.

Überrascht besah er sich seinen Körper, sah aber nur, dass sich nichts verändert hatte. Mittlerweile atmete er normal. Aus der Ferne konnte er ein Lied vernehmen.