Vierzehn

Tag: 1256; Stunde: 1

Lavender atmet genauso leise neben ihr wie sie, und ihr Schuh gräbt sich in ihr Bein, während das andere Mädchen versucht sich in dem winzigen Raum besser hinzustellen. Sie können die Todesser, die an der Tür vorbeigehen, mehr spüren als hören, und sie versucht, ihre Atmung geräuschlos zu machen, aber es scheint nicht zu funktionieren, da sie ihre Atemzüge immer noch hören kann. Ihr Herz fühlt sich wie eingefroren an, das Adrenalin pumpt ihr durch die Adern. Sie kann nicht glauben, wie kurz davor sie gewesen waren, von der Gruppe gefunden zu werden, und sie weiß ohne Zweifel, dass es kein Entkommen von diesem Ort geben hätte, wenn sie gefunden worden wären.

„Hermine?", flüstert Lavender, und es ist immer noch zu laut. Durch Hermines Angst kommen ihre alle Geräusche und Bewegungen noch lauter vor, bis sie sicher ist, dass die Todesser die Tür jedem Moment aus den Angeln reißen werden.

„Hm?", fragt Hermine, nur ein Atemzug mit etwas mehr Druck als normal, ihre Augen huschen in der Dunkelheit dorthin, wo sie die Tür vermutet.

„Hast du... Denkst du manchmal daran, einfach... nicht zurückzugehen? Also... Also, dass wir hier bleiben und einfach nicht zurückgehen. Ich habe Familie in anderen Ländern, und Orte, an die ich gehen kann. Wir können uns einfach ... verstecken. Hast du jemals darüber nachgedacht?"

„Nein."

Lavender schweigt, was gut ist, aber Hermine behält mit ihrer Vermutung, dass sie noch nicht fertig ist Recht. „Ich habe es einfach so satt, Angst zu haben. Die. Ganze. Zeit."

Hermine wartet mit ihrer Antwort, bis sie sicher ist, dass niemand an der Tür vorbeikommt, und steht auf. „Wenn wir keine Angst hätten, wären wir keine Menschen. Menschen können ständig sterben – das ist nicht nur der Krieg, das ist das Leben."

„Das hier ist anders."

„Ich weiß." Hermine findet im Dunkeln den Knauf und schaut in Lavendels Richtung. „Kommst du mit?"

„Würdest du mich hassen, wenn ich nicht käme?"

„Nein."

Es entsteht eine Pause, ein Rascheln und ein Poltern, und dann spürt sie Lavender an ihrer Seite. „Lass uns gehen."

Tag: 1257; Stunde: 8

Die Geräusche hinter ihr sind ihre Freunde und nicht ihre Feinde; daran muss sie sich immer wieder erinnern, denn die Geräusche machen ihr Angst. Sie kann sich nicht daran erinnern, dass sie jemals in ihrem Leben so viel Angst gehabt hätte... nicht nur in diesem Moment, sondern in der gesamten Zeit des Krieges. Diese Ära, dieses Jahrzehnt, dieses Jahrhundert voller Blut, Staub und Rost das ihre Hände befleckt, das sie langsamer macht, als sie sein sollte, und sie fühlt sich schwerer als die Steinmauer, die sich über ihr erhebt. Das ist schlimmer als die Monster in den dunklen Ecken ihres Zimmers (was nur ihre unbewusste Magie war), als sie ein Kind war, denn jetzt ist sie das Monster. Das Monster auf der linken Seite, dass das Monster auf der rechten Seite ansieht und sich fragt, ob es auch sie sieht.

Sie hatte geglaubt, dass sie weiß, was Mut ist und in gewisser Weise wusste sie das auch, aber nicht so – nicht so wie jetzt. Damals hatte sie nicht gewusst, wie es ist, mutig zu sein, wie es ist, den Atem im Schlamm anzuhalten und zu warten, anstatt zu kämpfen. Angst vor Mut und deshalb Angst vor sich selbst zu haben. Die ultimative Angst war die Angst vor sich selbst, vor ihrem Zauberstab, vor ihrem Händchen dafür, in die Gefahr zu rennen, als ob sie es auf sie abgesehen hätte. Was war überhaupt Mut? Ein Wort auf einem Denkmal, auf einer Auszeichnung, auf einem Grabstein? Vielleicht gab es einen anderen Namen für das, was sie empfand, und vielleicht hatte es keinen Namen. Vielleicht hatte der Krieg keinen Namen. Einfache kleine Worte und Buchstaben, Groß- und Kleinbuchstaben, die banal waren und in diesen Momenten nichts bedeuteten, weil der Krieg zu groß und zu zeichnend war für etwas Kleines und Dummes wie Worte.

Es ist, wie es ist und vielleicht ist es das, was Draco ihr die ganze Zeit hatte sagen wollen. Wenn sie aufhören würde, die Dinge zu benennen, ihnen keine Bedeutung mehr beizumessen, würde sie nicht mehr erwarten, dass sie so waren, wie sie sie benannt hatte, und es gäbe keinen Platz mehr für den Schock und die verworrene Verwirrung. Diese Jahre konnten nicht benannt werden, ebenso wenig wie die Dinge, die sie enthielten; sie waren und sind und existieren einfach, und sie tat es auch, in ihnen und durch sie und mit ihnen.

Tag: 1260; Stunde: 12

„Weißt du... du bist nicht so wie ich anfangs gedacht habe."

Das lenkt seine Aufmerksamkeit endlich von den Frauen ab, die in dem Werbespot trainieren, was sie schon seit sie sich hingesetzt hat, mit einer Vielzahl von Themen versucht hat. Sie hatte eine gute Viertelstunde lang aufgegeben, während sie nachdachte, und sie ist sich jetzt nicht sicher, ob er ihr wegen des Themas sein Gehör schenkt oder weil die Frauen jetzt zu älteren Damen gewechselt haben.

„Wie das?"

„Nun, zuerst dachte ich, du wärst genauso, vielleicht sogar schlimmer. Aber selbst nachdem ich gemerkt habe, dass du anders bist, bist du einfach... anders, als ich dachte."

„Und was hast du gedacht?" Er starrt auf die Handvoll Popcorn, die sie auf ihrem Schoß hat, seine Schüssel ist jetzt leer.

„Dass du ein Arschloch bist, natürlich."

„Das hat sich geändert?"

„Nun ... nein." Er schnaubt bei ihrer Antwort, und sie winkt mit der Hand ab, während sie ihr Essen herunterschluckt. „Du bist aber trotzdem anders."

„Ich habe nicht mehr dieselben Überzeugungen, Granger. Das ist alles, was sich geändert hat. Ich bin immer noch derselbe Mensch."

„Nicht für mich."

„Wieso bin ich denn so anders?"

„Ich finde dich... seltsamerweise verzeihlich." Sein Blick löst sich von dem ihren und starrt ausdruckslos auf ihr Bein, dann wendet er den Kopf wieder dem Fernseher zu, als er nichts mehr zu erwidern hat. „Nicht... ich meine... Manchmal vergesse ich, wer du warst, weil du so bist, wie du jetzt bist. In gewisser Weise erinnere ich mich, aber es ist wie... Es ist, als ob ich nicht mehr wütend sein kann. Auch wenn ich es versuche."

„Ich habe nichts getan, was Vergebung rechtfertigen würde, Granger." Seine Stimme ist monoton.

„Doch", nickt sie, „das hast du. Sonst wäre das... wir..."

„Du solltest mir nicht verzeihen." Er sieht unbehaglich aus und rutsch unruhig auf seinem Platz herum. „Wie ich schon sagte, meine Überzeugungen haben sich geändert, aber ich bin immer noch derselbe Mensch. Ich bin immer noch verkorkst und grausam und ... und all das, was man nicht in seiner Nähe haben sollte."

Sie starrt ihn an. „Ich kann zusammen sein, mit wem ich will, und ich kann dir verzeihen, wenn ich will, Malfoy. Erspar mir den Selbsthass. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen."

„Du bist wirklich ein dummer Mensch. Du musst immer das Gute in jedem Menschen finden, auch wenn es nicht da ist, oder es überwiegt..."

Sie schlägt ihn leicht auf den Arm, um seinen Blick auf sich zu lenken, und sie macht es fast noch einmal, nur um sicherzugehen. „Ich finde nicht in jedem das Gute. Ich finde welches in dir. Komm damit klar."

„Ich –"

„Und nenn mich nicht wieder dumm."

„Du bist unmöglich."

„Genau wie du."

Tag: 1262; Stunde: 22

Sie kann das Mal sehen, bevor die Frau unter einem Auror begraben wird, sonst hätte sie sie für eine ganz normale Hexe gehalten. Diese Erkenntnis hat etwas Beängstigendes an sich.

„Deserteur.", Englewood nickt mit dem Kinn über die Szene, die sich ihnen bietet.

Hermine schüttelt den Kopf, wendet sich Englewood zu, behält aber die schreiende Frau im Auge, die wieder auf die Beine gezerrt wird. „Hat sie nicht gewusst, dass sie von ihrer Seite getötet oder von uns verhaftet werden würde?"

Englewood starrt sie an, weil er einer dieser erstklassigen Auroren ist, über die sie alle mit den Augen rollen und Scheiße reden. „Deserteure sind Feiglinge. Deshalb haben wir in den letzten zwei Monaten vier aus Voldemorts Kreis gefangen."

Kreis. Als hätten nur sechs Leute, all die Jahre gegen sie gekämpft. Was? Als ob sie die Welt nur darum dreht? Sie öffnet den Mund, um zu fragen, wie viele sie auf ihrer eigenen Seite verloren haben könnten, aber sie überlegt es sich anders. Niemand spricht jemals über die Leute, die sie verlassen– sie ist sich nicht sicher, ob es ihre Art ist, die Leute nicht auf die Idee gleiche zu bringen; es so aussehen zu lassen, als würden sie gewinnen; oder ob es nur ein Anflug von Ehre ist, ihre eigenen Leute nicht in den Dreck zu ziehen. Wie auch immer, sie weiß, dass sie keine Antwort bekommen würde, also hält sie den Mund und versucht, nicht darüber nachzudenken, ob hinter all den Menschen, die sie in den letzten drei Jahren hatte verschwinden sehen, mehr steckt als nur der Tod.

Tag: 1257; Stunde: 13

Hermines Hand ist mit Farbe bedeckt, ihre Fingerspitzen sehen aus wie ein Regenbogen, während sie versucht so zu tun, als hätte sie auch nur einen Tropfen künstlerischer Begabung. Dean lächelt sie über den Tisch hinweg an, zum Teil um sie in ihrem Befangen zu ermutigen, aber hautsächlich liegt Belustigung in seinem Blick.

„Es ist abstrakt."

„Ah." Er grinst und nickt und wendet sich wieder seinem eigenen Gemälde zu.

„Pass nur auf, es wird später mal in einem Museum ausgestellt sein."

„Ich bin mir sicher, dass es das wird." Er lacht und sie funkelt ihn an, aber ihr Lächeln dämpft das Feuer in ihrem Blick.

Sie summt und malt einen nicht ganz runden Kreis mit einer Kreide, der eine Sonne oder eine Frisbee oder einen Ball darstellen soll... Sie hat ja gesagt, dass es abstrakt ist. Dean verwischt die Schatten auf dem Porträt eines Mannes, den Hermine als seinen Vater erkennt, und es hat etwas sehr Schönes, wie viel Herzblut er in jeden seiner Bewegungen legt.

„Ist es nicht seltsam, dass sich das manchmal normal anfühlt?"

Sie sieht zu ihm auf, und er blickt zu ihr auf, bevor er wieder nach unten schaut. „Wie sich was normal anfühlt?"

„Das hier. Als ob das unser normales Leben wäre. Als ob das das Leben nach der Schule wäre. Ich dachte, vielleicht, weil wir schon so lange so leben... Aber manchmal, wenn sonst nichts los ist und wir nur hier sitzen, wie jetzt, ist es so, als wäre es schon immer so gewesen."

„Die kleinen Pausen, meinst du?"

„Ja. Wenn wir keine Befehle haben oder uns alles um die Ohren fliegt, ist es einfach... Aber ich glaube, wir brauchen das. Diese Pause, den Aufschub. Nur um... wieder zu wissen, wie man atmet."

In den wenigen Sekunden fallen ihr mehrere Dinge ein: Malen, Pflanzen, Spiele, Gespräche, Malfoy. „Das ist eine gute Sache."

„Das ist es."

Später findet sie kein Klebeband und benutzt den Kaugummi, den Katie Bell in einem der Schlafzimmer hinterlassen hat. Sie klebt ihr abstraktes Bild neben die Tür des kahlen weißen Hauses und starrt nachdenklich auf die Farbe, bis ihr die Füße wehtun.

Tag: 1279; Stunde: 23

„Ich hätte dich nicht für den Typ gehalten, der nach dem Sex überstürzt abhaut."

Hermine starrt überrascht auf ihr Oberteil, und ihre Hände halten kurz inne, als sie es auf die rechte Seite drehen will. Er klingt gleichgültig und akzeptierend, aber dennoch neugierig, und mit dieser Aussage hatte sie sicher nicht gerechnet.

„Ich habe nicht wirklich einen Typ.", flüstert sie zurück und faltet das Oberteil zwischen ihren Fingern.

Er grinst. „Die undefinierbare Granger."

Sie errötet, obwohl sie nicht weiß, warum, und blickt auf ihren nackten Körper hinunter. Sie hebt ihr Shirt an, um sich zu bedecken, arbeitet daran, es nach innen oder außen zu drehen, solange es tragbar ist, und neigt den Kopf nach rechts, um nach ihrer Hose zu suchen. Obwohl sie noch nicht gehen will, bezweifelt sie, dass die unerwartete Konversation bedeutet, dass er plötzlich will, dass sie bleibt – sondern, dass sie geht, so wie sie immer gegangen ist.

„Stört es dich? Dass ich dich die ganze Zeit überrasche, meine ich." Denn sie will nicht, dass er denkt, dass es sie interessiert, ob er will, dass sie nach dem Sex geht oder nicht – obwohl sie bereits weiß, dass er nicht will, dass sie bleibt.

Es liegt ein Lächeln in seiner Stimme, als er antwortet. „Das hängt von meiner Laune ab."

Sie schnappt nach Luft und lacht, aber sie hört auf, als sie eine Berührung auf ihrem Rücken spürt. Seine Fingerknöchel streifen die Kurve ihrer Wirbelsäule entlang, und dann sind es seine Fingerspitzen, die sanft über ihren Hintern tanzen.

„Bist du heute Abend mit mir fertig?"

Sie blinzelt an die Wand, auf die kalten Dezemberfarben draußen vor dem Fenster, und fühlt sich plötzlich so losgelöst wie der Winter von der Wärme der Menschen. So hat sie es noch nie gehört. Als würde sie ihn einfach nur benutzen und sich Seiner entledigen, wenn sie fertig ist. In gewisser Weise hat sie das getan – in der Art, wie es beim Sex darum geht, den anderen zu benutzen – aber sie will nie wirklich mit ihm fertig sein, und das ist etwas anderes.

Sie hat ihn nicht als Sexspielzeug benutzt, oder... oder... oder was auch immer sie mit ihm anstellen könnte, dass sie diese seltsame Kälte in ihren Eingeweiden spüren lässt. Wenn er zu heftig atmet, fürchtet sie, sie könnten zersplittern und zerspringen, wie die Eiszapfen auf der Fensterbank.

„Ich meine ja nur, weil... Nun, ich bin vielleicht nicht mehr sechzehn, Granger, aber ich bin auch nicht alt genug, um nach einem Mal schon fertig zu sein..." Er bricht ab und lässt die Worte in der Luft zwischen ihnen hängen. Seine Einladung. Seine Akzeptanz, dass sie neben ihm in seinem Bett bleibt.

Sie atmet ein, drei-, viermal, und konzentriert sich nur auf die Art und Weise, wie die Luft sie ausfüllt und dann wieder verlässt. Sie denkt daran, ihn zu fragen, ob er will, dass sie bleibt, obwohl es jetzt offensichtlich ist, dass er es will, aber nur, weil sie will, dass er irgendwie begreift, dass dies nie ihre Entscheidung war. Dass sie immer davon ausgegangen ist, dass er derjenige ist, der nicht möchte, dass sie bleibt.

Stattdessen sagt sie nichts und sieht über die Schulter zu ihm zurück. Es ist ein seltsamer Winkel, und sie kann nur sein Kinn und seine Brust erkennen, aber sein Atem ist gleichmäßig und seine Haltung nur leicht angespannt. Er hat sich auf eine Art und Weise geöffnet, wie sie es nie gewagt hätte, und selbst wenn sie woanders sein könnte, würde sie jetzt nicht gehen.

Seine Finger wandern wieder nach oben und verursachen eine Gänsehaut, die sich von ihrem Rücken bis zu ihrem Nacken ausbreitet. Ihre Nippel kribbeln durch seine Aufmerksamkeit, und ihr Herz schlägt in einem wilden Rhythmus, wie es das nur bei ihm macht. Ihre Bewegungen fühlen sich seltsam und verworren an, da sie es nicht gewohnt ist, sich wieder zu ihm umzudrehen, und sie errötet, weil sie weiß, dass er sie beobachtet. Sie muss sich drehen, innehalten, etwas nach hinten und zur Seite rutschen, und noch mehr drehen, und das ist alles andere als anmutig. Er kommentiert es aber nicht, denn es ist ganz normal, und sie lernt langsam, dass normal zu sein, in Ordnung ist, wenn sie bei ihm ist.

Seine Finger finden ihre Haare und verfangen sich in einen Knoten, und sie zuckt zusammen, als er an ihrer Kopfhaut zieht. Er hält inne, zieht seine Finger zurück, und wo andere Männer es vielleicht nicht bemerkt oder aufgegeben hätten, versucht es erneut. Seine Handfläche liegt nun warm und angenehm auf ihrem Kopf, und er nutzt sie, um ihren aufgewühlten Körper näher zu sich zu ziehen und ihren Kopf in einen Winkel zu neigen, der für ihn leicht zugänglich ist.

Seine Lippen sind heiß, trocken und schmecken wie ihre eigenen, aber es ist so befriedigend, sie einfach zu spüren. Er zieht sie an sich, dreht sie etwas und bringt sie in eine bequemere Position, sodass sie vor ihm liegt. Er grinst verrucht auf sie herab, als sei dies der beste Plan, den er bisher hatte, und stützt sich auf seinen Ellbogen über ihr ab. Die Hitze baut sich bereits wieder in ihr auf, kräuselt sich in ihrem Bauch wie der sanfte Wind eines Ventilators auf der Haut.

Er lässt sich Zeit mit ihrem Körper, entwirft Pläne und Routen und entdeckt neues Land. Er kartografiert und gliedert und erforscht, und als die Morgendämmerung blau auf ihre schlaffen Glieder und verworrenen Laken scheint, hat er jeden Zentimeter von ihr erobert.

Tag: 1285; Stunde: 10

„Ich frage mich, was Insekten zum Spaß machen."

„Uns zu ärgern, vielleicht." Hermine grunzt und versucht, eine weitere Motte zu verscheuchen, die auf ihre Haare zufliegt.

„Wahrscheinlich. Es gibt die schlauen... wie Moskitos. Sie sind wie ... die Slytherins unter den Insekten."

„Das nehme ich dir übel.", meldet sich der blondes Gesprächspartner zu Wort und hebt endlich den Kopf von seinem Notizbuch.

„Nein, also... ja." Neville lacht, bevor er fortfährt. „Ich meine, sie kommen und beißen und gehen dann wieder und sind zufrieden, weil sie wissen, dass sie dich tagelang belästigen, auch wenn sie nicht mehr dort sind."

„Dann sind die Kamikaze-Motten wohl Gryffindors. Sie fliegen auf dich zu, ohne einen wirklichen Plan zu haben, und hoffen, dass sie deinem Gegenangriff ausweichen. Und normalerweise enden sie..." Draco bricht ab und beäugt die zuckende Motte auf dem Küchenboden vielsagend.

„Wenigstens hat das mehr Nervenkitzel.", versucht Hermine einzuwenden.

„Aber wenig Befriedigung."

„Vielleicht ist es am besten, wenn man einfach auf sein Herz hört und loslegt. Hast du mir nicht gesagt, dass man das Leben nicht immer planen und strukturieren kann?"

„Eine Mücke setzt sich nur Gefahren aus, wenn sie dich sticht. Sie wissen aber, dass sie rechtzeitig weg müssen."

„Nicht immer."

„Aber meistens."

Hermine schüttelt den Kopf, wie sie es immer tut, wenn sie sich streitet und nichts zu erwidern hat; aber er weiß genau was sie da macht, und so entgeht ihr sein triumphierendes Grinsen nicht.

Tag: 1290; Stunde: 20

Hermine blickt von dem umgestürzten Baum auf, über den sie gerade versucht zu klettern, und macht ein überraschtes Gesicht. „Was?"

„Ich sagte, Portschlüssel raus."

„Warum?"

„Du bist eine Belastung."

„Wa – ich... ich konnte ja nicht wissen, dass der Baum verrottet war und umfallen würde!"

„Deine dummen Fehler haben die Todesser auf unsere Spur gebracht, ganz zu schweigen davon, dass du bei jedem Schritt Zweige abknickst und im Dunkeln schlecht siehst. Du bist für uns nutzlos, wir haben genug Teammitglieder. Portschlüssel raus."

„Aber..."

Jetzt.", befiehlt der Auror, sein Gesicht glänzt vor Schweiß und ist rot vor Ärger.

Hermine öffnet kopfschüttelnd den Mund und spürt, wie die Verlegenheit in ihr aufsteigt, als sie merkt, dass alle Augen auf sie gerichtet sind. „Wie kann ich keine Zweige abknicken..."

„Granger..."

„Wir sind im Wald, und..."

„Ich. Sagte. Jetzt. Mach es nicht noch schlimmer für dich, wenn ich dem Hauptquartier Bericht erstatte und ihnen erzähle, dass du auch nicht in der Lage bist, Befehle zu befolgen."

Na schön!", zischt sie wütend und reißt den Portschlüssel aus ihrer Tasche.

Tag: 1290; Stunde: 23

Draco teilt an diesem Abend bereitwillig sein Popcorn mit ihr, und sie denkt, sie sollte öfter schlechte Laune haben.

Tag: 1293; Stunde: 8

Sie muss dreimal hinsehen; ein Mal, dann ein zweites Mal war das... nein, nicht möglich, und beim dritten Mal hört sie ihr eigenes aufgeregtes Kreischen. Er hat die ganze Zeit das gleiche alberne Grinsen im Gesicht.

Es sieht wahrscheinlich eher so aussieht, als würde sie ihn angreifen, obwohl sie zugibt, dass sie das in gewisser Weise auch tut. Er lacht, als sie sich an ihn schmiegt und ihn so fest an sich drückt, dass er nach Luft schnappen muss.

„Ron! Seit wann bist du hier?"

„Gestern. Ich muss aber in..."

„Pst, nein, sag's mir nicht." Sie schüttelt den Kopf, und er lächelt wieder und zieht sie zurück in seine Umarmung.

Tag: 1294; Stunde: 7

Der Wind ist rau auf ihrer Haut, und es brennt dort, wo ihre Hände von der Kälte und Trockenheit des Winters aufgescheuert sind. Der Schnee ist tief und ist in ihre Stiefel gefallen, hat ihre Socken durchnässt und ihre Haut gefroren. Sie zieht ihren Kopf gegen die Elemente ein und denkt an den Frühling, denkt an alles, um sich von der Kälte abzulenken.

Knirsch, knirsch, knirsch, die Sohlen ihrer Schuhe hinterlassen Abdrücke und ihre Füße Löcher in dem meterhohen Schnee.

Sie will nicht an Ron denken, oder an sein Gesicht, wenn er sie ansieht, als würde sie es nicht verstehen. Sie will nicht an das Frühstück denken und an die Wärme, die in ihr herrscht, oder daran, dass ihre Freunde so fähig zu sein scheinen, dass sie sich in ihrer Gegenwart unwohl und schüchtern fühlt. Als ob sie sie nicht kennen würde. Als ob sie ständig die Dinge, die sie sagt und tut, auf Fehler untersuchen, weil ihr Wort nicht mehr gut genug ist.

Es tut weh. Lässt diese Stelle in ihrer Brust offen und voller Luft zurück, die zu sehr auf alles drückt. Er denkt, sie versteht es nicht, weil sie nicht bei ihm ist. Aber auch Hermine hat ihre Schlachten geschlagen, und selbst wenn sie nicht an der Seite von Harry und ihm waren, heißt das nicht, dass sie diesen Krieg weniger kennt. Es tut ihr weh, weil sie immer zu dritt waren, aber jetzt sind sie es nicht mehr. Jetzt ist sie von ihnen getrennt, und sie fühlt sich mit diesem Wissen noch verlorener, weil sie jetzt weiß, dass sie nicht die Einzige ist, die so denkt oder fühlt.

Sie ist nicht naiv. Sie ist hoffnungsvoll. Das ist ein Unterschied. Und Hermine Granger würde sich niemals so weit in den melodramatischen Selbstmitleidspool hinablassen, dass sie denken würde, hoffnungsvoll zu sein, sei naiv. Das lehnte sie strikt ab. Der Krieg könnte sie verändern, wenn er wollte, aber er würde sie nicht in die Knie zwingen.

Knirsch, knirsch, knirsch, aber jetzt ist es lauter, ein Muster, das nicht zu ihrem passt. Sie muss nicht über ihre Schulter schauen, um zu wissen, dass er da ist. Sie muss nicht auf seinen Geruch in der Luft warten oder auf seine Stimme, um zu wissen, wer es ist. Sie spürt es einfach, wenn sie ihn fühlt. Daran, wie sich ihre Nackenhaare aufstellen und wie sich ihre Knochen aufzublähen scheinen.

Er bleibt zunächst auf Abstand. Irgendwo hinter ihr, er folgt ihr auf ihrem Weg ins Nirgendwo durch den Schnee und die allgemeine Leere um sie herum. Sie versucht, es komplizierter zu machen. Nimmt die Hügel statt der Ebene, windet sich, statt geradeaus zu gehen, stapft durch dichte Wälder statt durch die normale karge Landschaft. Sie denkt, er könnte zurückfallen und aufgeben. Nach Hause abbiegen und die ganze Sache aufgeben.

Stattdessen hält er mit ihr Schritt. Er schnieft gelegentlich, aber er sagt kein Wort zu ihr. Nicht ein einziges Wort, um sie wissen zu lassen, was er zu tun gedenkt. Als sie sich genug darüber aufgeregt hat, sieht sie ihn an. Seine Nase ist rot, seine Wangenknochen und seine Ohren sind mit der gleichen Farbe überzogen. Seine Schultern sind hochgezogen, um die Wärme in seiner Jacke zu halten, und seine Hände stecken tief in den Hosentaschen. Sein Kopf ist gebeugt und starrt auf den Boden, über den sie laufen, aber als er lange genug ihren Blick spürt, sieht er zu ihr auf. Kristallgrau gegen den düsteren Himmel und eine Welt aus Weiß, sein schwarzer Mantel ein solcher Kontrast, dass es sich seltsam anfühlt, ihn anzusehen. Sie blinzelt, weil es ihr irgendwie in den Augen weh tut. Er hebt eine Augenbraue, zieht die Nase hoch und dreht sich wieder nach vorne.

Sein Arm streift jetzt bei jedem Schritt den ihren, und sie merkt, dass sie sich näher gekommen sind, während sie nicht auf ihre Schritte geachtet haben. Ihm scheint es nichts auszumachen, und sie ist sich auch nicht sicher, ob es ihr etwas ausmacht. Sie beschleunigt ihr Tempo, aber er zieht an und folgt ihr immer noch, Schritt für Schritt, bis sie spürt, dass sie nicht mehr weitergehen kann.


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