3. Kapitel
Lady Lenell

Einen Tag später. Einbruch der Dämmerung.

"Oh du weilst wieder unter den Lebenden, meine Liebe. Wie fühlst du dich?"

"Danke, recht gut... aber wo bin ich hier? Und wer seid ihr?"

"Mein Name ist Sovar, einer der Geschwaderführer hat dich hergebracht, das ist seine Unterkunft."

Lenell schaute sie entsetzt an. Jeder und wirklich jeder wusste um die Bedeutung, wenn man das Gemach eines Drachenreiters teilte, dass man zu deren Gefährtin auserkoren war. Sie musste sich zwar eingestehen, das sie ihn attraktiv fand, seine Bersteinfarbenen Augen waren warm und voller Leben und auch sein dunkelbraunes Haar, war nicht außer acht zu lassen. Trotzdem lag es ihr fern sich sofort auf das Niveau einer Weyrgefährtin erniedrigen zu lassen.

Sovar, die diesen Blick zu deuten wusste, schlichtet ihre Gedanken.

"Keine Sorge Shiran hat mir erzählt, wie er euch getroffen hat, auch dass er vermutet, dass du kein Interesse an dem Königinnenei gezeigt habt. Er hat euch nur sein Quartier überlassen, bis eure Wunden verheilt sind. Sobald eure Wunden verheilt sind wird er dich bringen wohin ihr wollt. Shiran steht immer zu seinem Wort."

Sovar seufzte, sie kannte Shiran seit er von Kleron, dem verstorbenen Geschwaderfüher, den Shiran ersetzt hatte, aus Nerat zu ihr gebracht hatte. Asith, Klerons Bronzedrache hatte ihn eindeutig als geeignet identifiziert. Er hatte sie auf dem Markt angetroffen, wo der siebzehnjährige schwere Arbeiten verrichtete. Sovar erinnerte sich wie gestern daran, wie er sich geweigert hatte, jemanden seine Wunden verarzten zu lassen. Shiran war nicht so einfach von seinem Stiefvater davongekommen wie Kleron es sich gedacht hatte. Einer seiner Zimmergenossen fand ihn bewusstlos auf seinem Bett, am Abend, an dem er im Hort eingetroffen war.

Viel Überzeugungskraft, hatte Sovar damals investiert, bis er zu erschöpft war sich weiter gegen sie aufzulehnen. Er hatte mehrere Prellungen und einige tiefere Wunden, deren Ursache sie sich kaum vorstellen wollte. Viele hätten solche Wunden nicht überlebt, doch er steckte sie weg, als sei es etwas Natürliches, was es für ihn wahrscheinlich auch war. Vor allem hatte er das Dazwischen durchquert gehabt und hielt sich trotzdem aufrecht und zeigte keine Spur von seinen Problemen.

Er war ein Einzelkämpfer, der sich jedoch schnell in die Gruppe der Drachenreiter einfügte und aufblühte. Besonders die Freundschaft zu Blanus, dem braunen Reiter hatte dazu beigetragen, dass er heute, einer der besten Drachereiter von Benden war. Sovar konnte sich nur zu gut vorstellen, wieso er Lenell nicht zurücklassen wollte.

"Wo ist er jetzt?"

"Oh, er ist gerade in einer Konferenz mit dem Weyrführer. Man überlegt ob man nicht noch mal auf die Suche geht. Du musst wissen, wir brauchen eine starke Königin. Shirans Neith ist überzeugt, dass ihr großes Talent besitzen würdet, aber mir scheint, dass Shiran recht in seiner Annahme hat und sie sich nicht für das Leben im Weyr interessieren."
Sie lächelte aufmunternd, als Lenell sie mit gepresstem Schweigen ansah. So einfach war es für Lenell nicht.

"Shiran schläft bei seinem Drachen. Du wirst also das Gemach für dich haben. Solltet du etwas brauchen, so kannst du nach ihm rufen. Sein Drache schläft auf dem Gesims, er wird euch hören. Aber jetzt hole ich dir erst mal etwas zu Essen."

Rasch entfernte sich die ältere Frau und kam zurück mit einem Tablett voll duftender Leckereien.

--

"Shiran du bist noch wach, ich dachte ich müsste dich wecken."

Shiran stand am Rande des Abgrundes, der sich tief unter ihm ausbreitete. Neith schlief geräuschlos in seiner Mulde, als der Weyrführer eintrat. Shiran drehte sich zu ihm. Selbst in der Dunkelheit konnte der Drachenreiter das Gesicht des jüngeren Mannes sehen, das ihm schmerzverzerrt entgegen blickte. Noch nie hatte er Shiran so erlebt. Nie hatte er Schwäche gezeigt. Er bemühte sich nicht mal seine Gefühle vor ihm zu verstecken, was ihn tief berührte, denn nur wenigen zeigte er seine wahren Gefühle.

"Was kann ich für euch tun, Weyrführer?"

"Ich muss mit dir reden. Es tut mir leid, was mit deinem Bruder geschehen ist."

Shiran drehte sich wieder dem Abgrund entgegen. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Der Schmerz den er erlitt war qualvoller als jede Wunde des Körpers je sein konnte.

"Er war nicht mein Bruder, das mindert jedoch leider nicht den Schmerz."

Tagas sah ihn überrascht an.

Lenell, die schon seit geraumer Zeit wach im Bett des Geschwaderführers lag, lauschte dem Gespräch, auch wenn sie wusste, dass es sie nichts anging und dass sie es eigentlich sein lassen sollte.

"Ach komm schon Tagas, wie fast jeder Junge habe ich mich für Drachen interessiert, seit ich alt genug dafür war." Shiran strich sich das Haar aus der Stirn.

"Mein Ziehvater hat mir immer wieder gesagt, dass mich meine wahren Eltern weggegeben haben, weil sie im Weyr lebten. Ich wollte immer wissen wer sie waren, woher ich stammte."

"Shiran wir..."

"Nein ich verstehe das sehr gut, aber verlangt nicht, dass ich euch wie meine Eltern behandle, denn ich weiß nicht wie man mit Eltern umgeht, mein Ziehvater hat mich nie wie einen Sohn behandelt und ich habe ihn gegenüber auch nie Gefühle gehabt. Meinem Bruder hingegen... ich konnte nicht verhindern, das so etwas geschieht."

Tagas wollte ihn trösten, das Leid, das in den Augen seines Sohnes stand war schrecklich, doch dieser schlug seine Hand weg. Shirans Ziehvater hatte den jüngeren Adoptivsohn genauso behandelt wie Shiran. Letztendlich war er an dem Blutverlust einer tieferen Wunde verstorben. Shiran hatte alles daran gesetzt, Feris aus den Händen des Vaters zu entreißen, doch dieser hatte abgelehnt, was sein Todesurteil war.

"Seit wann weist du das wir deine Eltern sind?"

"Seit etwa einer Planetenumdrehung."

"Warum hast du nie etwas gesagt?" "Das brauche ich nicht. Der hort hat mich zum ersten Mal wie einen normalen Menschen behandelt und ich will dass das so bleibt."

"Es tut mir leid."

"Behandelt mich wie jeden anderen auch. es ist besser wenn niemand etwas darüber weis." hisste der Jüngere.

"Wenn du es so wünscht."

Kurze Zeit sagte Niemand etwas und Lenell glaubte, dass der Weyrführer gegangen sei.

"Warum bist du wirklich hier?"

"Es geht um das Mädchen, wir bitten dich sie zu überzeugen, dass sie sich der Drachenkönigin annimmt. Die anderen drei Mädchen haben nicht ausreihend Potential um der Drachenkönigin zu imponieren. Wir brauchen jemanden, der stark ist, damit die Königin stark wird. Samarath steigt vermutlich nie wieder zum Paarungsflug auf und der Rote Stern fordert seine Opfer. Zweihundertsiebenundsechzig Drachen und Reiter sind zu wenig und ich habe die zweiundfünfzig Jungdrachen schon mit eingerechnet." Lenells Augen wurden groß, sie war empört, ja sie verstand sehr wohl den Grund, aber wenn sie nicht wollte. Sie wartete ängstlich Shirans Antwort ab.

"Das werde ich nicht tun. Ich weis, dass der Weyr eine weitere starke Königin braucht und die Reihen der Drachenreiter weiter aufgefüllt werden müssen, doch ich werde niemanden zu so etwas zwingen. Wenn sie es nicht aus freien Stücken will, so würde die Königin sie eh nicht akzeptieren. Es bleibt uns nichts als hoffen, aber wenn du willst werde ich mich morgen an der Ostküste umsehen, so weit ich weis hat dort niemand gesucht."

Der Weyrführer fluchte leise. "Das scheint dann die einzige Lösung."

Tagas begab sich zurück zu der Treppe, von wo er gekommen war. Kurz bevor er sie betrat drehte er sich noch mal um.

"Es tut mir ehrlich Leid um den Verlust deines Bruders. Gute Nacht."

"Danke. gute Nacht."

Lenell setzte sich im Bett auf um besser hören zu können, doch nichts rührte sich. Sie lehnte sich gegen die kalte, steinerne Wand. Sie war froh, dass der Drachenreiter sein versprechen nicht gebrochen hatte, aber sie wusste nicht was sie nun tun sollte. Nach konnte sie schlecht zurückkehren und in eine andere Burg? Sie wusste nicht welche. Vielleicht Fort, aber was sollte sie dort machen. Sie müsste von vorne anfangen. Sie kannte dort Niemanden. Sie verfluchte ihren Vater von dem sie ihr Aussehen vererbt bekommen hatte.

Sandfarbenes Haar. Braun mit blond durchzogenen Strähnen. Wieso musste ihre Mutter nur fremdgehen mit einem Bronzereiter aus Fort? Den Namen hatte sie längst vergessen. Wie sie gehört hatte war er schon lange zeit verstorben. Sie war überrascht, wie schnell jemand ihr Geheimnis enthüllt hatte. Niemand außer der Herrscherfamilie von Ruatha wusste davon. Lady Asalah, die sie zur Welt gebracht hatte, hatte sie nur bis zu ihrem sechsten Lebensjahr behandelt wie ihre Tochter, doch immer mehr kam die Ähnlichkeit ihres Vaters zum Vorschein und Baron Ranom, verfluchte sie und hatte sie nur zu Zwecken von Bediensteten benutzt. Ihre Mutter ignorierte sie und ihre Halbschwestern waren bis auf Talani unausstehlich. Ihr Halbbruder Erast, ignorierte sie so wie auch ihre Mutter. Das Schicksal hatte ihr übel mitgespielt.

"Verdammt." Shiran schlug mit geballter Faust gegen das Kratergestein und weckte versehentlich seinen schlafenden Drachen. Lenell entnahm dem Tonfall tief sitzenden Schmerz. Neith summte trösten und sie vernahm Shirans Stimme, der sich bei seinem Drachen entschuldigte.

"Entschuldigt, dass ich euch geweckt habe Lady Lenell."

Sie erschreckte sich zutiefst, sie hatte nicht erwartet, dass er bemerkt hatte, dass sie wach war, doch dann fiel ihr der Drache ein, wahrscheinlich hatte er es ihm erzählt.
Lenell fühlte sich um einiges besser als noch vor zwei Tagen. Langsam erhob sie sich und lief vorsichtig zum Zugang des Gemachs. Sie schob den Vorhang beiseite und trat ins Freie. Shiran stand bei seinem Drachen und kraulte dessen Nacken, wobei er mit dem Rücken zu ihr stand. Er schien keine Antwort von ihr erwartet zu haben.

Der bronzefarbene Drache schwenkte seinen biegsamen Kopf zu ihr und zog sie sofort in seinen Bann durch seine schillernden Augen. Auch Shiran wandte sich zu ihr.
"Entschuldigt, dass ich euch geweckt habe. Es lag nicht in meiner Absicht."

Lenell schüttelte den Kopf wobei sie ihre Augen kaum vom Drachen lassen konnte. "Ihr habt mich nicht geweckt, ich war schon vorher wach."

"Dann habt ihr alles mit angehört?"

Zögernd nickte sie, sie hatte Angst was folgen würde.

"Schweigt darüber, bitte." Sein Tonfall war neutral aber Bitterkeit die nicht ihr galt schwang mit. Neith schmiegte seinen Kopf am Körper seines Reiters, bis dieser lachend nachgab und dessen Augenwülste kraulte.

Shiran sah zu ihr hinüber und sah das ihr nicht wohl war, doch bevor er etwas tun konnte ergriff Neith die Gelegenheit. Mit großen Schritten ging der Drache auf sie zu. Sie bewegt sich keinen Schritt und folgte seinen Bewegungen fasziniert von den schillernden Augen. Vor ihr blieb er stehen und senkte seinen Kopf und stieß mit seiner Zunge ihre Hand an.
Shiran lachte von seinem Standpunkt aus.

"Er will, dass ihr ihn krault, er braucht eure Aufmerksamkeit um wieder schlafen zu können." Vorsichtig legte sie ihre Hand auf die Augenwülste und Neith drückte seinen Kopf leicht dagegen wie ein Tier, das sich nach Nähe sehnte. Lächelnd streichelte sie ihn.

"Und habt ihr euch entschieden wohin ich euch bringen soll?"

Sie schüttelte den Kopf noch immer fasziniert von den Augen des Ungetüms. "Ich danke euch, dass ihr mich nicht zwingen wollt."

Shiran schüttelte den Kopf. "Man muss es von Herzen wollen, die Königin würde euch nicht wählen, wenn ihr sie nicht wollt."

"Wie heißt er und wie lange kennt ihr euch schon?"

"Das ist Neith und ich habe ihn vor zwei Jahren für mich gewonnen." stellte Shiran seinen großen Freund vor.

"Wie ist es wenn man von einem Drachen gewählt wird?"

"Soll ich ehrlich sein?"

Lenell nickte während sie von den halbgeschlossenen Augen des Drachens zu dem Drachenreiter hinüber schaute.

"Es war das Beste was mir passieren konnte. Es ist eine Bindung auf Lebenszeit. Man ist nie mehr einsam. Für ihn und niemand sonst lebe ich noch, aber nicht jeder hat dieses Bedürfnis. Es ist die größte Ehre einen Drachen zu gewinnen, ob Bronze oder Blau, Gold oder Grün, dass ist unwichtig. Versteht mich jetzt nicht falsch, ich will euch nicht überreden die Königin für euch zu gewinnen, es ist die Wahrheit und jeder Drachenreiter kann euch dies bestätigen...Neith schlaf jetzt, wir müssen morgen früh raus."

Der Drache drehte seinen biegsamen Hals zu ihm und ging dann langsam zu seiner Mulde, wo er sich niederließ.

"Ich danke euch für alles was ihr für mich getan habt."

Shiran schüttelte erneut den Kopf. "Ruht euch am Besten aus, wenn ihr wisst wohin ihr wollt, gebt mir bescheid, ich werde dann mein Versprechen einlösen."
Sie nickte und wandte sich wieder zur Kammer.

"Gute Nacht Bronzereiter Shiran."

"Gute Nacht Lady Lenell."

"Noch eins, wie habt ihr herausgefunden, dass ich vom Geschlecht der Ruatha und eines Weyrs bin?" Lenell hatte sich noch einmal zu ihm gedreht.

"Ich hatte Recht? Ich habe mich nur versucht in eure Situation hinein zu versetzen und die ganzen Geschehnisse miteinander zu verbinden. Dass ihr einen Bronze Drachen so beeindruckt habt war ausschlaggebend."

"Ich habe Neith beeindruckt?"

"Ja und das mehr als jeden Knaben den ich mitgenommen habe."

"Danke." Daraufhin verschwand sie hinter dem Vorhang und überließ Shiran seinen Gedanken, die sich allmählich wieder verdunkelten.


Sovar war gerade in die Kammer gekommen, als sie erwachte. Sie hatte geträumt und sie fühlte sich elend. In ihrem Traum war sie zurück auf Ruatha und ihr Stiefvater hatte sie weiter gequält für das was sie war. Er hatte sie bestraft für ihre Ungehorsamkeit, bestraft mit einem qualvollen Tod. Sie war froh in das Gesicht der älteren Frau zu schauen.

„Ich habe neue Kleider mitgebracht." Die Frau mit grauendem Haar legte ein Bündel Kleider aufs Bett.

„Danke." Sie verließ das Bett und nahm sich eins der Kleider zögernd.

„Am besten Ihr nehmt ein warmes Bad, das wird gut tun."

Sie folgte dem Ratschlag dankend als Sovar sie wieder verließ. Das Wasser wirkte wunder auf ihren steifen Rücken. Ihre Wunden heilten schnell und waren schon halb vernarbt, so dass das Wasser keinen Schaden anrichtete.

Als sie aus dem Waschraum kam stand ein Tablett mit Essen fertig auf dem kleinen Tisch, der in der Mitte des Zimmers stand. Es war mehr wie sie üblicherweise auf der Burg erhalten hatte, zudem war es von bester Qualität, was für sie eine Neuheit darstellte. Frisches Obst bekam sie nur, wenn sie während der Erntesaison mithelfen musste und sich an einem Apfel vergriff, doch frisches Brot war seltener gewesen, genauso wie Fleisch. Sovar stand noch in der Tür und lauschte dem Trompeten der Drachen.

„Wenn du dich stark genug fühlst kannst du uns ein bisschen zur Hand gehen. Wir können immer Hilfe gebrauchen und heute ist Fädenfall. Es gibt in letzter Zeit viele Verletzte."

„Ich helfe gerne wenn ich von Nutzen bin."

„Kennst du dich mit Verletzungen aus am besten mit Brandwunden verursacht von Sporen?"

„Ja ich habe eine Zeit lang bei einem Heiler verbracht."

Sovar lächelte gutmütig.

„Gut dann kannst du uns helfen den Menschen mit Verletzung zu versorgen, die anderen kümmern sich um die verwundeten Tiere."

„Wann beginnt der Fall?" Erkundigte sich Lenell, als sie sich vom Tablett eine ihr unbekannte Frucht nahm.

„Er hat vor einer Stunde begonnen und wird voraussichtlich noch vier Stunden anhalten. Am besten du isst schnell."

Nach dem ausgiebigen Mahl folgte sie Sovar in die unteren Gewölbe, wo sie auf einige Kandidaten, die Shiran aus der Burg mit sich gebracht hatte. Einige kannte sie besser, andere wiederum fast gar nicht. Mit denen, die sie kannte war sie schon auf der Burg gut ausgekommen, sie hatten sie wie einen normalen Menschen behandelt, nicht wie ihre Eltern. Außerdem wurde sie hier in Benden mit einer Offenheit begrüßt, die ihr noch nie zuteil geworden war.

Zudem traf sie Frauen die etwa ihrem Alter entsprachen und hier im Weyr wohnten. Einige hatten einen Drachen an sich gebunden und die anderen arbeiteten hier oder waren die Gefährten von Drachenreitern, die gerade ausgeflogen waren. Alle waren beschäftigt, doch sie fanden immer irgendwo eine Minute oder zwei um zu plaudern.

Lenell lernte die Reiterinnen der goldenen Königinnen kennen.

Die Weyrherrin war freundlich und zuvorkommend, als sie aus der Brutstätte kam um ihren Hunger zu stillen. Dann war da noch Tellra, eine alte Frau, die sich hier und da blicken ließ um für Ordnung zu sorgen. Ihr Drache Smarath hatte bereits ihren goldenen Glanz verloren und wirkte eher wie ein Bronzedrache.

Die dritte Reiterin war Rina Reiterin von Nagalath. Ihr Drache war bei einem Fädeneinfall an der Flanke so stark verletzt worden, dass sich das Tier kaum noch in der Luft fortbewegen konnte. Alle Bewohner waren froh, dass sie den Flug zur Futterstelle und zurück überwand, den sie einmal pro Woche anstrebte. Ihre Reiterin organisierte also mit den anderen Frauen den Haushalt.

Kaum ein Drache oder Reiter kam verwundet vom Fädenfall zurück in den Hort und Lenell hatte kaum etwas zu tun, so hatte sie Zeit mit den Frauen zu reden. Es war etwas besonderes so freundlich empfangen zu werden, dass Lenell die Zeit von Herzen genoss. Alle beneideten sie, dass sie Shiran so nahe war. Lenell verschwieg das nächtliche Gespräch als sie ihnen berichtete, wie sie sich kennen gelernt hatten. Die Frauen waren begeistert, dass überhaupt jemand in der Nähe des Bronzereiters war. Niemand versuchte ihr aufzudrängen, dass sie die Königin des neuen Geleges beeindrucken sollte, wie sie es erwartet hatte. Sie ließen das Thema ruhen, obwohl sie merkte, dass sie eine der Kandidatinnen hätte sein können.

„Sovar?"

„Ja meine Liebe?"

„Warum sind alle Frauen nach Shiran aus? Ich meine er ist nicht der einzige Mann in diesem Weyr."

„Das wohl kaum", Sovar lachte, " nein, Shiran ist etwas besonderes. Er stammt nicht aus dem Weyr wie die meisten von uns und er hat uns alle bei der Gegenüberstellung beeindruckt, nicht nur seinen bronzefarbenen Freund."

„Wie?"

"Er zählte etwa. dein Alter, stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wurde erst ein Tag vor der Gegenüberstellung gefunden. Man brachte die Jungen zu dem Gelege und wartete ab. Es dauerte eine Weile bis eins der Eier aufhörte zu wackeln und endlich einen Riss bekam. Neith war der erste der sein Gelege verließ, es verheißt immer etwas Gutes wenn ein bronzefarbener Drache als erster schlüpft. Viele hatten Angst, denn der Jungdrache torkelte über den heißen Sand und trat über einige hinweg, die er überrempelte.
Während andere versuchten. das Augenmerk des Drachen, der seinen unbändigen Hunger in Aggression verwandelt hatte, auf sich zu richten, ließ sich Shiran in einer Ecke nieder. Es war eigenartig, denn man hatte mir zuvor gesagt, wie sehr er sich einen Drachen wünschen würde. Neith achtete auf niemanden, der versuchte ihn für sich zu gewinnen und seine Bewegungen wurden hektischer. Ich muss sagen ich hatte damals angst, das der Drache niemanden wählen würde, möglicher weise einige unsere Kandidaten mehr als verletzen könnte und nicht nur das Weyrvolk hatte Angst, sondern auch die Kandidaten. Alle rannten sie weg."

Sovar legte eine theatralische Pause ein. "Dann war alles still bis auf das giftige Fauchen des jungen Drachen. Keines seiner Geschwister war bis dahin ausgeschlüpft. Jemand sang und der Drache verstummte. Er lauschte dem Sänger und alle dachten ein Harfner war es; doch es war der junge Mann, der in der Ecke der Brutstätte saß. Shiran war der einzige; der den Drachen beruhigen konnte. Es mag zwar nicht so spannend klingen, aber das Bewusstsein mit dem er Neith gegenübergetreten ist war faszinierend. Niemand hat ihn seit damals singen hören, aber die Drachen sagen, dass er für Neith singt."

"Verstehe." Lenell war schon beeindruckt, auch wenn sie es selbst nicht kund geben wollte. Man hätte zudem da sein müssen um es wirklich wirken zu lassen aber ihr reichte ihre Fantasie.

"Was viele wirklich überrascht hatte, war, dass er sich mit Kindern bestens versteht und jeder der ihn lachend gesehen hat..."

Lenell lächelte.

Sie hatte ihn noch nicht lachend gesehen, zumindest nicht glücklich lachen sehen.


Die Geschwader kehrten zurück und mit ihnen Arbeit, einige hatten sich die Flügelspitzen verbrannt und andere leichte Verletzungen durch Sporen.

Als sie zurück auf das Zimmer ging kam auch Shiran von dem nahe gelegenen See. Seine Haare und fast alle seine Sachen waren durchnässt aber das schien ihn nicht sonderlich zu stören. Neith landete kurz und setzte ihn ab und flog dann zu den, in der Sonne liegenden Simsen.

"Wie ich sehe geht es euch besser." Sie verstand die Frauen, aber sie wollte nicht deswegen mit ihm ins Bett, dass was vielleicht noch besser war, war eine Freundschaft, von der man profitieren konnte. Lenell nickte ihn lächeln zu und betrachtete seine nassen Klamotten.

"Und wie ich sehe waren Sie unfreiwillig baden." Er schaute an sich hinab. "Das stimmt allerdings."

Sein Lächeln kam von Herzen und war mitreißend. Sie wollte gerade vorschlagen, dass er sich vielleicht umziehen sollte bevor er sich erkälten würde als ein durchdringender Summton den erloschenen Krater einnahm. Auf einmal brach überall Hektik aus.

"Ich frage sie nur aus Höflichkeit und es ist das letzte Mal wollen Sie nicht doch die neue Königin betreuen?" Auch Shiran war nun ernsthaft.

"Wie?...Oh...ja ich würde es doch gerne machen." Sie hatte nachgedacht aber alles was sie zuvor gedacht hatte war weg und nur der Wunsch einen Freund fürs Leben zu haben war noch da. Shiran nahm ihre Hand und zog sie in die Kammer er suchte das Zimmer mit den Augen ab und fand was er suchte, das weiße Gewandt. Sovar hatte es mitgebracht gehabt. Er warf es ihr in die Armen.

"Ziehen sie das an, schnell."

Sie fragte nicht sie reagierte einfach und zog sich in einer Geschwindigkeit um das sie selbst verwundert war. Als sie fertig war, hatte er sie auch schon wieder bei der Hand ergriffen und zerrte sie hinaus er wollte nicht grob sein, dass wusste sie, aber sie hatten keine Zeit zu verlieren und so war er etwas grob. Neith war von seinen Sims gekommen und war bereit zu fliegen. Mit einer galanten Bewegung beförderte er erst sie und dann sich selbst auf den Rücken des Drachen.

Das Summen war angeschwollen und sie sah einen Chor aus verschiedensten Drachen, der sich um die Brutstätte drängte. Die goldene Königin der Weyrherrin wachte aus Distanz über ihre Brut, sie sang am lautesten.

"Was sie wissen müssen: Haben sie den Drachen für sich gewonnen dann müssen sie ihn füttern, sie dürfen ihn aber nicht überfüttern. In der Brutstätte kann ich ihnen nicht helfen, aber haben sie keine Angst vor den Drachen, auch wenn sie tollpatschig durch die Gegend torkeln, lenken sie das Augenmerk der Königin auf sich. Ich drücke ihnen die Daumen."

Sie schafft es.

"Mein Drache ist zuversichtlich und ich glaube sie haben dis beste Entscheidung getroffen auch wenn sie damit große Verantwortung übernehmen."

Sie erreichten den Brutplatz. Von überall kamen Drachen und setzten die Kandidaten ab und zogen sich auf die Ränke zurück.

"Viel Glück, Lady Lenell. Ich weis sie schaffen es."

Er lächelte aufmunternd. Neith hatte sich auf den heißen Sand niedergelassen und Shiran hob sie mit Leichtigkeit vom Nacken des Tieres und setzte sie ab. Dann stieg der Drache empor und gesellte sich zu den anderen Bronzedrachen, die sich schon niedergelassen hatten. Shiran ließ keinen Blick von Lenell, sie war anders als die anderen, sie war aufrichtig und wollte keine sexuelle Bindung zu ihm, das war angenehm.

Lenell war sich schon jetzt sicher, dass selbst, wenn sie die Königin nicht beeindrucken sollte dann würde sie versuchen im Weyr zu bleiben.

Der heiße Sand unter ihren Füßen brannte sich in ihre nackten Füße und sie sah wie viele der Anwärter durch kurze Schritte versuchten sich davor zu bewahren. Sie blickte auf das Gelege, das so Zahlreich erschien wie sie es sich nicht hätte erträumen lassen. Es war eine gesprenkelte glänzende Pracht, die jegliche Geschichten die sie gehört hatte um vieles übertraf. Das abgesonderte Ei um das sich drei weitere Mädchen drängten war das Königinnenei. Die Pracht dieses einem Eies war einnehmend und Lenell musste sich zwingen den Blick davon zu nehmen.

Sie schaute sich die zahlreichen Kandidaten an und sie fand auch die acht aus Ruatha dabei. Sie alle waren erstarrt als das erste Ei zu schaukeln begann. Die Drachen waren verstummt und warteten bis das Ei zerbrach. Ein bronzefarbener Drache reckte seinen Hals aus der zerbrochenen Schale. Allgemeines Jubeln war zu hören, das gute Omen. Der Drache kämpfte sich frei und einige der Anwärter wichen zurück aber wie sie merkte nicht der Junge, den sie auf Ruatha schon des Öfteren gesehen hatte, sie glaubte sich an den Namen zu erinnern, Xen. Der bronzene hatte sich frei gekämpft und ging auf die Jungen zu, seine Augen streiften die Anwesenden, er wollte weitergehen aber er sackte zur Seite. Xen kam zu seiner Seite und stabilisierte ihn, sobald der Drache seine Augen auf den Jungen geworfen hatte begann er zu summen. Der Junge lachte und schrie in die Menge: "Testuth hat Hunger."

Das Weyrvolk jubelte begeistert, es war erregend.

Derweil waren drei weitere Eier zersprungen und zwei Blaue und ein Brauner suchten sich ihre Partner, sie konnte nicht mit ansehen wen sie wählten denn im nächsten Moment begann das Königinnenei zu schaukeln und bekam Risse. Sie stand neben zwei Mädchen die mehr Angst zu spüren schien als alles andere, denn sie hingen an einander als ob sie versuchten sich zu retten. Sie schüttelt den Kopf es waren doch großartige Geschöpfe. Zu ihrer linken stand ein Mädchen, die das Ei vor sich beachtete.

Plötzlich fiel sie seitlich in den Sand, so dass sie saß. Ein grüner Drache schmiegte seinen Köpf gegen sie. Sie strich ihr über die Augenwülste und lachte.

"Ich freue mich auch Pryth."

Aus der Jungengruppe drangen immer mehr Rufe.

Sie blickte auf das Königinnenei, das nun seitlich kippte und die Schale platzte. Die junge Königin blinzelte einige Male und trat dann aus ihrem Gefängnis heraus sie legte den Kopf schief und sah die beiden verängstigen Mädchen an dann schaute sie Lenell an und eine wunderbare Wärme erfasste sie. Nichts war jemals so herrlich gewesen, wie das Gefühl Vollkommen zu sein.

Lenell ich habe Hunger.'

Natürlich meine Liebe, du bekommst dein Essen.'

Sie strich der glänzenden, noch sehr tollpatschigen Königin die Augenwülste. Die Augen schillerten in den Regenbogenfarben dann schrie- sie in die Menge es den anderen nachmachend: "Ihr Name ist Damath."

Der Jubel der ihr und der neuen Königin galt war überwältigend und sie genoss es. Nie wieder alleine, was Shiran gesagt hatte war nicht übertrieben gewesen.

"Komm wir holen dir jetzt etwas zu Essen." Gemeinsam verließen sie die Brutstätte. Lenell wagte einen Blick zu den Tribünen und fand Shiran neben Sovar, beide zeigten ihr wie stolz sie waren. Sie folgte den Strom der anderen.

Xen hatte einen Bronzedrachen für sich gewonnen, der Stolz seines Drachen riss Shiran mit und auch er war überaus glücklich. Die drei weiteren Drachen fanden ihre Partner, aber er kannte keinen der Jungen die gewählt wurden. Er sah wie die junge Grüne das Mädchen von den Beinen riss, es war so zielstrebig auf sie zugekommen, dass das Mädchen es nicht mitbekommen hatte. Er kannte sie, sie war eine der. Kinder, die im Weyr aufgezogen wurde, sie war immer sehr hilfsbereit, trotz ihres noch jungen Alters. Das Königinnenei zerplatzte und die junge Königin trat hervor. Sie blinzelte kurz und schaute dann die Mädchen an, wandte aber schnell seinen Blick auf Lenell und dort verblieb er auch. Die roten Augen schillerten in den Regenbogenfarben und er wusste Lenell hatte sie gewonnen.

'Sie hat es geschafft.'

Hast du an mir gezweifelt?' erfragte Neith dramatisch.

'Nein natürlich nicht.'

Als sie den Namen von Damath heraus schrie war er nicht der einzige, der laut jubelte, jeder aus dem Weyrvolk schloss sich an: Er sah wie Tagas und Jerelena, genauso Überschwänglich mit jubelten, wie alle anderen auch. Eine starke Königin und junge Königinnenreiter.

Sein Blick traf ihren und er zeigte ihr wie stolz er war und auch sein Drache stimmte ein. Dieses Gelege würde dem Weyr Ehre bringen.

Als die beiden aus seinem Blickfeld verschwanden wandte er sich wieder zu den restlichen Kandidaten. Demachel lief gerade durch den Sand mit einem blauen Drachen, den er ab und zu stützte, damit er nicht stürzte.

Ein Brauner und ein Bronzener liefen tapsig über den heißen Sand. Der Braune wählte Tevellgar, der freudestrahlend mit Lacreth die Brutstätte verließ, der Bronzene fand sein Ziel bei einem Jungen, der mal gerade dreizehn Planetenumdrehungen zählte, Shiran kannte ihn nicht.

Von den Kandidaten, die aus Ruatha stammten waren nur noch Natix und Eiaph anwesend, die anderen schienen schon einen Drache für sich gewonnen zu haben. Noch zehn Eier schaukelten vor sich hin und bekamen Risse und vierzehn Jungen standen um das Gelege.

Die Schale eines Bronzenen zerbrach und der junge Drache rannte ohne sich umzuschauen auf Natix zu. Gleichzeitig zersprangen die Schalen zu zwei Grünen und einem Blauen die sich freikämpften und dann auf die Jungen zu traten. Die beiden Grünen kollidierten und begannen sich giftig anzufauchen. Zwei Jungen sprangen herbei und brachten sie auseinander.

Elaph gewann den Blauen für sich.