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Grenzen

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Kapitel 2

Alte Rechnungen

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Sie apparierten direkt im Thronsaal des Dunklen Lords – und von einer Sekunde zur anderen sah Lucius sich dem weißen Gesicht und den böse glitzernden Reptilienaugen seines Herrn gegenüber. Der Dunkle Lord hatte sich erhoben, er stand nur wenige Meter von Lucius entfernt, und jetzt stürmte er auf ihn zu, die roten Augen regelrecht Funken sprühend vor Zorn und das flache, maskenhafte Gesicht zu einer Grimasse der Wut verzogen. Lucius fühlte sich, als hätte ihn jemand in glühende Lava getaucht, so spürbar war die Hitze des Zorns, die von seinem Herrn ausging. Er kannte ihn seit einem Vierteljahrhundert, doch noch nie hatte Lucius den Dunklen Lord so wütend gesehen.

„Lucius Malfoy!", spuckte der Dunkle Lord hasserfüllt. „Auf die Knie mit dir! Sofort!"

Hastig sank Lucius zu Boden und beugte demütig den Kopf.

„Weg von ihm, Marcus! – Crucio!"

Ein mächtiger Schlag traf seine Brust, schleuderte ihn auf den Rücken. Ein wütendes Feuer raste durch seinen Körper, setzte jede einzelne Zelle in Flammen und verbrannte seinen Geist zu Asche. Der Schmerz war allumfassend, unentrinnbar und raubte ihm jeden klaren Gedanken. Es gab nichts mehr in der Welt, nichts außer diesem feurig roten Schmerz, der all sein Fühlen und Wollen in sengender Glut zerfließen ließ.

Dann hörte es auf.

Lucius lag benommen am Boden. Er sah nichts, nur Schwärze, und sein Mund war voll Blut. Seine Knochen und Muskeln ächzten vor Schmerz. Ein wilder Wirbel raste in seinem Kopf umher, und als er ihn zu fassen versuchte, merkte er, dass es seine Gedanken waren.

Das war ... heftig, dachte Lucius, betäubt und beeindruckt, und versuchte mühsam, sich aufzurappeln. Doch schon wurde er hochgerissen, nicht durch Magie, sondern mit Muskelkraft, und zwar vom Dunklen Lord höchstpersönlich.

„Ich sollte dich in Fetzen reißen und über ganz Großbritannien verteilen!", fauchte ihm sein Herr ins Gesicht und schüttelte ihn heftig. „Du solltest mit deinem Leben bezahlen für deinen Mord an einem Teil meiner Seele!"

Lucius riss verblüfft die Augen auf.

Mord an seiner Seele?!

Mein Tagebuch! Das Tagebuch von Tom Riddle!" Die roten Augen bohrten sich wie Dolche in seinen Geist. „Begreifst du immer noch nicht?! Das Tagebuch war ein Horcrux!"

Lucius Augen weiteten sich vor Entsetzen.

Ein Horcrux?! Merlin!

„Ja, genau!", zischte der Dunkle Lord. Er bebte vor Wut. „Ein Horcrux! Mein erster Horcrux! Das Ergebnis unendlicher Mühen ... Und du schmeißt ihn weg! Gibst ihn einem dummen kleinen Gör aus diesem Rudel von stinkenden Blutverrätern ... Und jetzt ist er zerstört. Was noch viel schlimmer ist: Harry Potter hat ihn zerstört! Und als wenn das nicht genug wäre: Durch deine Idiotie, deine Arroganz, deine verfluchte Selbstsucht hat Dumbledore von meinen Horcruxen erfahren! Er mag tot sein, aber er hat sein Wissen mit Sicherheit zumindest an einen weitergegeben: an den dreckigen kleinen Potterjungen."

Der Dunkle Lord gab ihm einen heftigen Stoß, schleuderte ihn zurück auf den Boden. Lucius' Ohren klingelten vom hasserfüllten Fauchen seines Herrn.

Ich kann wirklich dankbar sein, wenn er mich nur tötet, dachte er schreckensstarr. Merlin, bitte lass' ihn ausrasten und einen Avada Kedavra auf mich schleudern ...

„Womit wir bei deinem zweiten Versagen wären."

Der Dunkle Lord klang nun deutlich beherrschter. Er schüttelte leicht den Kopf und starrte Lucius dabei ins Gesicht. Er sah jetzt wirklich frustriert aus.

„Es war so einfach, Lucius", sagte er leise. „So verdammt einfach. Du hattest elf Mann, Lucius, und deine Gegner waren Kinder, sechs Kinder, fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Du hattest die Prophezeiung so gut wie sicher! Ein Accio!, und du hättest sie in Händen gehalten." Seine Stimme wurde immer lauter und zorniger. „Aber du musstest spielen, deine Macht demonstrieren! Du musstest reden, zeigen wie intelligent und überlegen du im Vergleich zu diesen dämlichen Gören warst, ja?! Du verdammter Idiot! – Crucio!"

Diesmal wurde sein Körper auseinandergerissen. Seine Zellen explodierten, das Fleisch löste sich von den Knochen, die krachend zerbarsten. Ein Wirbel aus Farben explodierte vor seinen Augen.

Dann wurde alles schwarz. Aber der Schmerz ließ nicht nach. Er veränderte sich nur, riss zäh und bösartig an jeder Faser seines Körpers, zog und zerrte ihn auseinander, zerfetzte seine Eingeweide – und war verschwunden. Nur sein Echo blieb zurück, ein dumpfes Pochen und Bohren, das Lucius stöhnen ließ.

Diesmal wurde es nicht wieder hell. Lucius' vernebelter Verstand behauptete, dass er die Augen geöffnet haben musste, aber da war nichts als Finsternis.

Sein Gehör funktionierte. Er hörte wirre, erregte Stimmen, die sich näherten, entfernten, näherten ...

Dann war es still, bis auf ein leises Rascheln und das Pochen seines eigenen Herzens, das ihm laut wie eine Trommel in den Ohren klang.

Etwas Kühles legte sich auf seine brennende Stirn. Eine Hand.

„Lucius, kannst du mich hören?"

Severus.

Lucius versuchte, zu sprechen, brachte aber nur ein raues Krächzen zustande.

Eine Hand schob sich in seinen Nacken und hob seinen Kopf an. Etwas Kaltes, Hartes wurde an seine Lippen gepresst.

„Trink, Lucius. Bitte."

So ungewohnt höflich heute, Severus?, wollte er sagen, doch sobald er den Mund öffnete, füllte er sich auf mysteriöse Weise mit einer kühlen Flüssigkeit, die ihn zum Husten brachte. Einen Teil zwang Lucius hinunter in seinen Magen. Der Rest geriet in seine Lunge, und er versuchte, ihn krampfhaft wieder hervorzuwürgen. Etwas prickelte in seiner Brust – sofort war der Hustenreiz verschwunden.

Severus legte seinen Kopf vorsichtig zurück auf die Steine. „Es wird gleich besser", flüsterte er, so leise, dass Lucius ihn kaum verstehen konnte.

Tatsächlich kamen allmählich die Farben zurück. Bunte Flecken schwammen vor seinen Augen, nahmen langsam und widerstrebend festere Form an.

Über ihn gebeugt kniete Severus an seiner Seite, und hinter diesem standen fünf weitere Todesser: Avery, Rabastan, Rodolphus, Bellatrix und der immer noch maskierte Unbekannte mit den ungewöhnlich grünen Augen. Sie sahen teils besorgt, teils verächtlich auf ihn herunter.

„Er kommt zu sich, Herr!", verkündete Severus.

Rasche Schritte ertönten. Dann kniete der Dunkle Lord an seiner anderen Seite.

Lucius wich schaudernd zurück, doch sein Herr streckte die Hand nach ihm aus, fuhr ihm mit kalten Fingern über die Stirn. Lucius hielt angstvoll den Atem an.

„Was soll ich nur mit dir machen, Lucius?", fragte sein Herr leise. Er klang fast bekümmert. „Du warst ein so hoffnungsvoller junger Mann, als ich dich damals in den Orden aufgenommen habe: intelligent, begabt, ambitioniert, attraktiv, aus einer der besten Zaubererfamilien Großbritanniens. Sechsundzwanzig Jahre ist das jetzt her ... Zehn Jahre hast du mir treu gedient, bis zu meinem ... Sturz. Aber dann ... aber dann, Lucius ..."

Ich weiß, dass ich versagt habe, Herr, versuchte Lucius ihm wortlos mitzuteilen. Es tut mir leid. Ich verdiene –

Der Dunkle Lord legte ihm einen Finger auf die Lippen, als ob Lucius laut gesprochen hätte und er ihn am Weiterreden hindern wollte.

Dann fuhr sein Herr fort: „Du hast mich nicht gesucht, als ich vorübergehend besiegt war. Du hast nicht auf die Gerüchte gehört, als ein Schatten von mir sich wieder in Hogwarts gezeigt hatte, zweimal sogar. Du hast einen unverzeihlichen Fehler begangen, eine ungeheure Dummheit, als du mein Tagebuch, das ich dir in gutem Glauben anvertraut hatte, in die Reichweite Dumbledores brachtest. Du hieltest es nicht für nötig, mich nach meiner Auferstehung über diesen deinen Fehler in Kenntnis zu setzen. Du hast vollkommen versagt, als ich dich mit der Rettung der Prophezeiung beauftragte. Sie ist zerstört worden. Es ist für mich fast unmöglich geworden, etwas über ihren Inhalt in Erfahrung zu bringen. Vielleicht wird dieser dein Fehler in meinem Kampf gegen Harry Potter entscheidend sein – zu meinen Ungunsten. Du hast zehn meiner Leute mit dir nach Askaban gebracht; für ein Jahr musste ich auf die Unterstützung von vielen meiner besten Männer verzichten. Und das auf dem Höhepunkt meines Kampfes gegen Dumbledore."

Er sah Lucius nachdenklich an. „Was soll ich nur mit dir machen, Lucius?"

Tötet mich, bat Lucius stumm.

Der Dunkle Lord lächelte dünn. „Sterben willst du, Lucius?", fragte er sanft.

Ja. Ich bitte Euch darum. Gebt mir den Tod.

Sein Herr bannte ihn mit Blicken, schien seine Bitte einen Moment lang ernsthaft zu erwägen.

„Ah nein, das kann ich nicht tun", sagte er endlich. „Nein, ich glaube nicht, dass ich dir erlauben werde, zu sterben." Die vertraute Kälte und Grausamkeit war wieder in seine Stimme zurückgekehrt. „Zumindest nicht so bald. Sehr lange nicht. Du hast viel zu bezahlen, Lucius. Das wird dauern!", zischte er, ehe er geschmeidig aufsprang.

„Severus!"

„Ja, mein Lord?"

„Ich übergebe Lucius deiner ... Obhut. Zeig dein Geschick, Severus. Ich will ihn kriechen sehen. Kriechen! Brich ihn! Mach ihn fertig! Aber lass' ihn am Leben – vorerst. Und jetzt geh und nimm ihn mit. Er verschandelt meinen Thronsaal. – Marcus, du begleitest die beiden."

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Severus beugte sich stumm über den wieder ohnmächtigen Lucius.

Er hatte seinen ... Schützling auf einem langen schmalen Holztisch platziert – ein unbequemes Lager. Aber der Tisch sollte ja auch nicht bequem sein für den, der darauf lag, er sollte die Arbeit erleichtern. Die Arbeit an Lucius.

Aber nicht jetzt. Noch nicht. Ein bisschen Zeit gebe ich ihm noch.

Marcus betrat die Zelle, unter dem Arm mehrere Decken. Vor sich ließ er eine große, mit Ornamenten verzierte Holztruhe schweben.

„Danke", sagte Severus knapp.

Marcus Pryde. Ein weiteres Problem. Er musste unbedingt mit dem Dunklen Lord über den jungen Todesser sprechen.

Marcus breitete eine der Decken über Lucius. Eine zweite faltete er zusammen und schob sie dem Bewusstlosen als Kissen unter den Kopf.

So weich. So dumm. So offensichtlich. Verflucht noch mal!

Severus sah eine weitere äußerst unangenehme Pflicht auf sich zukommen.

Der Dunkle Lord weiß es. Mit Sicherheit weiß er es. Aber er will, dass ich es ihm mitteile. Er traut mir immernoch nicht. Nicht völlig.

Andererseits: Der Dunkle Lord traute niemandem. Er war durch seine Paranoia groß geworden.

Severus seufzte innerlich. Manchmal hasste er seine Arbeit.

„Lucius?" Er schüttelte den Bewusstlosen an den Schultern. Dessen Augenlider flatterten, öffneten sich träge und unwillig.

Kein Wunder. Wer würde an seiner Stelle schon aufwachen wollen.

Die kalten grauen Augen sahen ihn verwirrt und fragend an.

„Du möchtest keine Antwort auf diese Frage, Lucius. Sicher nicht."

Lucius schloss die Augen wieder und stöhnte.

Willkommen in der Wirklichkeit.

Severus hatte sich diese Situation unzählige Male vorgestellt, sie herbeigesehnt. Er hatte danach gelechzt, Lucius all die Beleidigungen, den Spott, die Ungerechtigkeiten zurückzuzahlen, die er seit seiner Schulzeit durch ihn erlitten hatte. Aber jetzt ... Er freute sich nicht auf seine Aufgabe.

Nun, das war nichts Ungewöhnliches. Er freute sich nie auf die Folter.

Aber das ist Lucius Malfoy! Er kommt gleich nach James Potter und Sirius Black!

Seine beiden größten Feinde waren natürlich erfreulicherweise bereits tot. Aber Lucius folgte ihnen dichtauf auf Severus' persönlicher Hass-Skala.

Und dennoch ...

Als Lucius vorhin nach der zweiten Attacke des Dunklen Lords eine halbe Stunde lang wie tot am Boden gelegen hatte, weder auf Enervate, noch auf verschiedene Wiederbelebungstränke reagierend, war Severus ehrlich erschrocken, fast schon besorgt gewesen.

Vielleicht habe ich mich einfach zu sehr an Lucius gewöhnt? Vielleicht würde mir seine unerfreuliche Gesellschaft sogar fehlen?

Egal. Wenn er die Sache wider Erwarten nicht genießen konnte, dann würde er sie von der professionellen Seite angehen. Lucius war schließlich nicht der Erste, den er foltern, nicht der Erste, den er brechen sollte. Derzeit hatte Severus in dieser Hinsicht nicht allzu viel zu tun. Wenn sein Herr wieder an der Macht war, würde sich das ändern. Er hatte die erste Herrschaft des Dunklen Lords diesbezüglich noch in lebhafter Erinnerung.

„Scheiße. Severus ..."

„Hallo, Lucius."

Sein Opfer blickte voll Unbehagen zu ihm auf.

„Zu deiner Information: Ich werde Tränke verwenden und Flüche, nichts sonst. Ich werde erst dann aufhören, wenn du dich rückhaltlos unterworfen hast. Und wenn ich sage rückhaltlos, dann meine ich das auch. Nicht aus Kalkül, nicht um der Folter zu entgehen, sondern weil du wirklich den aufrichtigen Wunsch verspürst, dich unserem Herrn zu Füßen zu werfen. Und mir auch, natürlich." Er lächelte dünn. „Gegenwehr bringt nichts, Protest ist zwecklos, Bitten auch. Noch Fragen?"

Lucius schüttelte stumm den Kopf. Er war sehr bleich und presste die Lippen fest aufeinander. Doch plötzlich schien ihm etwas einzufallen. „Severus ... weißt du etwas über Draco?", fragte er leise.

„Darüber darf ich dir nichts sagen."

Tut mir leid, Lucius. Ehrlich.

In dieser Hinsicht hätte er seinen alten Rivalen wirklich gerne beruhigt, aber der Dunkle Lord hatte es ihm ausdrücklich verboten.

Lucius schloss resigniert die Augen. Dann bemerkte er die Decke, das Kissen. „Und was soll das?", fragte er bitter. „Willst du dich über mich lustig machen?"

Marcus trat an den Tisch. Die Maske hatte er abgenommen, den Umhang samt Kapuze beiseite gelegt. „Tut mir leid", murmelte er undeutlich. „So war das nicht gemeint."

Lucius starrte ihn überrascht an. „Was zum Teufel machst du denn hier?! Seit wann bist du ein Todesser?!" Seine Augen wurden schmal. „Das warst du vorhin in Askaban, oder?"

Marcus nickte stumm.

„Severus, schick ihn raus! Bitte!"

„Du weißt genau, dass ich das nicht kann. Er ist auf ausdrücklichen Befehl des Dunklen Lords hier."

Severus wäre es ebenfalls lieber gewesen, wenn Marcus sich nicht mit ihnen in einem Raum befunden hätte.

Besser noch, er hätte sich nie mit dem Orden eingelassen ...

Lucius schüttelte frustriert den Kopf. „Das macht er mit Absicht. Er weiß genau, dass wir mit den Prydes befreundet sind."

Das Wir umfasste in diesem Fall auch Severus. Hraban, der Bruder von Marcus' Vater, war Lucius' bester Freund gewesen. Die beiden waren zusammen aufgewachsen. Aber Hraban war auch noch etwas anderes gewesen: Severus' große Liebe.

Hraban hatte sein Leben im Ersten Krieg verloren, kaum dass er und Severus sich gefunden hatten. Er war gestorben, weil er Lucius mit seinem eigenen Körper vor einem heranrasenden Fluch geschützt hatte. Severus würde Lucius das nie vergeben.

„Marcus", bat Lucius eindringlich, „versprich mir wenigstens, dass du meiner Frau nichts von dem erzählst, was du hier sehen wirst."

Das wird er nicht. Verlass dich drauf.

„Ich versprech's", sagte Marcus. Seine Stimme klang noch rauer als gewöhnlich.

Er ist jetzt schon mit den Nerven am Ende. Und Lucius ... meine Güte, er sieht völlig fertig aus. Askaban hat ihm nicht gut getan. Er hat heute schon zweimal um etwas gebeten.

„Könnte ich ... könnte ich nicht wenigstens von diesem verdammten Tisch runter?", fragte Lucius nervös.

Dreimal.

„Ich fühle mich wie eine Laborratte."

Lucius sah ihn flehend an.

Oh nein, so fangen wir gar nicht erst an.

„Erstens: Ich bestimme hier die Regeln", entgegnete Severus kalt. „Zweitens: Du bist eine Laborratte. Ich werde alles Mögliche an dir ausprobieren, mit dem ich momentan experimentiere. Und jetzt: Ende der Fragestunde, Ende der Schonzeit."

Mit einem Ruck zog er Lucius die Decke weg, dann das Kissen.

„Bind' ihn fest", wandte er sich an Marcus.

Severus beugte sich über seinen Tränkekoffer.

Was haben wir denn Schönes ...

Der Vorteil dieser Tränke war, dass sie dem Opfer keinen wirklichen körperlichen Schaden zufügten – sie spiegelten ihn nur vor, erzeugten Halluzinationen und Schmerzempfindungen von solcher Intensität, dass sie die physische Folter an Wirksamkeit weit übertrafen. Natürlich gab es auch andere Tränke, solche, die tatsächlich Verheerungen im Körper eines Menschen anrichteten. Aber Severus bevorzugte Halluzinogene. Er fand sie schlicht eleganter. Auch die Folterflüche, die er für den eigenen Gebrauch entwickelte, täuschten Schmerz nur vor und beschädigten den Körper des „Klienten" nicht.

Für das Opfer machte es im Grunde keinen Unterschied. Meist wirkte es sogar beängstigender, wenn es keine erkennbare Quelle der Qual, keine sichtbaren Verletzungen gab, wenn der Schmerz aus dem eigenen Körper zu entstehen schien.

Der Vorteil von Severus' Methode war, dass durch sie keine bleibenden physischen Schäden entstanden, weshalb der Dunkle Lord ihn vor allem in Fällen einsetzte, in denen er Wert auf die weitere Verwendbarkeit des zu Folternden legte. Dem stand allerdings entgegen, dass Geist und Seele des Opfers nach der Folter meist irreparabel beschädigt waren. Ein Problem, für das Severus bis jetzt noch keine Lösung gefunden hatte. Aber er arbeitete daran.

Severus strich zärtlich über die Flaschen. Dann griff er eine kleine, bauchige und hielt sie ans Licht. Der Inhalt schillerte in einem beunruhigenden Farbspiel zwischen grellgrün und silber.

Der Angsttrank.

Ein Standardmittel, jetzt in neuer, verbesserter Rezeptur. Das Gift der grünen Mamba und möglichst reines Blei waren die wichtigsten Zutaten. Das Zeug hatte eine durchschlagende Wirkung. Genau das Richtige, um einen Menschen mürbe zu machen, mürbe, angreifbar und empfänglich für alle Arten von Suggestionen.

Dann wollen wir mal ...

Marcus hatte Lucius inzwischen auf dem Tisch festgeschnallt. Arme und Beine wurden von jeweils mehreren magisch verstärkten Gurten gehalten.

Marcus ist ja bleicher als Lucius ...

Und so sollte er effizient arbeiten? Mit einem Assistenten, dessen Hände vor Nervosität zitterten und der aussah, als ob er sich gleich erbrechen müsste?

Severus seufzte innerlich und nahm eine weitere Flasche aus der Kiste. Er zauberte einen Becher mit Wasser und ließ fünf Tropfen aus der Flasche hineinfallen.

„Komm her."

Folgsam trat Marcus an seine Seite.

„Trink' das, bevor wir anfangen."

Marcus' Augen weiteten sich angstvoll.

Severus konnte ein spöttisches Grinsen nicht unterdrücken. „Das ist für deine flatternden Nerven, Mr Pryde. Es beruhigt und macht dich etwas weniger ... sensibel."

Mit einem misstrauischen Blick auf Severus leerte der junge Mann den Becher.

„Glaubst du etwa, ich würde dir einen Foltertrank verabreichen?"

Werde ich?

Severus wartete ein paar Minuten, bis Marcus wieder etwas Farbe bekommen und sein hektischer Atem sich beruhigt hatte.

„Gut. Los geht's", sagte Severus endlich.

Sie traten von beiden Seiten des Tisches an Lucius heran. Marcus hob den Kopf ihres Opfers hoch, Severus hielt ihm einen Becher mit dem verdächtig schimmernden Angsttrank an die Lippen.

Wie erwartet, verweigerte Lucius die Kooperation und presste die Zähne fest aufeinander.

Nun, kein Problem. Es ging auch anders.

„Wie du willst."

Severus hielt ihm mit einer Hand die Nase zu. Als Lucius schließlich nach Luft schnappen musste, kippte er ihm den Trank in den Mund. Lucius keuchte und würgte. Natürlich hatte mindestens die Hälfte der Flüssigkeit den falschen Weg genommen. Severus korrigierte das, indem er leicht mit dem Zauberstab über Hals und Brust seines Opfers fuhr und den heimtückischen Trank magisch aus seiner Lunge in die Blutbahn sickern ließ. Das krampfhafte Husten verebbte.

Lucius starrte ihn hasserfüllt an. Furcht flackerte in den grauen Augen, ein kaltes, unruhiges Feuer.

Jetzt heißt es warten ...

Severus war gespannt, was Lucius ihm zeigen würde. Selbstverständlich hatte jeder Mensch andere Ängste. Es gab eine elementare Furcht, die sie alle teilten, körperliche Ängste, die so tief saßen, dass eine Kontrolle kaum möglich war. Erstickungsangst, zum Beispiel. Aber daneben besaß jeder ein faszinierendes Spektrum eigener Ängste, ein schillerndes Kaleidoskop der persönlichen Traumata, Verletzungen und Phobien. Lucius würde seine Seele vor ihm bloßlegen – und Severus hungerte darauf.

Konzentriert starrte er auf sein Opfer herab, bohrte seinen Geist in die fremde Seele hinein.

Lucius' Atem wurde rascher. Seine Pupillen weiteten sich.

„Marcus."

Der junge Todesser hatte die Hände fest um die Tischkante gekrallt. Er fuhr erschrocken zusammen und blickte Severus flehentlich an.

„Das ist eine gute Gelegenheit, Legilimentik zu üben. Lucius ist momentan nicht in der Lage, sich zu schützen. Du kannst in seinem Geist und seiner Seele lesen wie in einem offenen Buch."

Marcus' Gesicht nahm einen ungesund gelblichen Ton an. Mit sichtlichem Widerwillen hob er seinen Zauberstab und richtete ihn auf die Stirn ihres keuchenden Opfers. „Legilimens", flüsterte er unglücklich.

Severus brauchte keinen Zauberstab, nicht, wenn sein Gegenüber so ungeschützt war, dass man ihm die Gedanken förmlich vom Gesicht ablesen konnte. Er konzentrierte sich ganz auf den fremden Geist, darauf, in die Gedanken und Gefühle des anderen einzudringen.

Schon stiegen Bilder auf, langsam, träge. Sie verweilten quälend lange in Lucius' Bewusstsein. Die Wirkung des Trankes ließ ihm keine Möglichkeit, die bedrohlichen Erinnerungen und Fantasien zu unterdrücken.

Das Erste, was Severus sah, war ein großer, spärlich beleuchteter Raum, dann ein Korridor, der sich ins Unendliche zu erstrecken schien ... Lucius lief und lief, ewig, endlos.

Doch dann, schlagartig, verlor er den Boden unter den Füßen, fiel, fiel immer tiefer, immer schneller, und an ihm wirbelten andere vorbei. Menschen ohne Gesichter – eine formlose weiße Masse war da, wo ein Gesicht hätte sein sollen. Sie trudelten und taumelten nackt durch die Nacht. Ihre Körper waren schrecklich entstellt und verstümmelt. Plötzlich streckten sie die Arme nach ihm aus, tasteten blind und bösartig nach seinem lebendigen Leib.

Und dann hatten sie Gesichter. Alle trugen die Züge von Draco oder Narcissa. Aber sie hatten keine Augen, nur leere, blutige Höhlen, und ihr Antlitz war zerschnitten, verzerrt von Angst und Schmerz.

Noch während er sie anstarrte, unfähig, den Blick abzuwenden, begannen sie zu verwesen, zu verfaulen. Das Fleisch löste sich von ihren Knochen, und als er verzweifelt die Hände nach einem dieser zerstörten Gesichter ausstreckte, da zerfloss es unter seinen Fingern ...

Dann floss etwas anderes über seine Hände, warm, dickflüssig. Blut. Blut in unendlichen Strömen. Blut, das aus einer zerfetzten Kehle quoll. Zwei von Schmerz verdunkelte braune Augen starrten ihn anklagend an. Doch es gab kein Gesicht zu den Augen, keinen Körper. Das Blut wurde mehr, immer mehr, sammelte sich in einer Pfütze zu seinen Füßen, stieg höher, bis zu seinen Knöcheln, Knien, seinen Hüften, seinem Hals, schlug über ihm zusammen, erstickte ihn, während er röchelnd um Luft rang ...

Dann Weiß. Nichts als eine leere, weiße Fläche, aus der sich erst nach und nach die Konturen eines Raumes schälten, eines Raumes, der vollkommen weiß war, nur einen Tisch, einen Stuhl und eine Pritsche enthielt, auch diese in gleißend aggressivem Weiß.

Das Bild blieb lange gespenstisch unbewegt und still. Dann kippte es plötzlich, und Severus sah Lucius. Er stand aufrecht, die Hände um die Tischkante gekrampft, sein Gesicht voll Ekel, Schmerz und Wut. Er war nackt, er war nicht allein, und das, was die anderen beiden Männer mit ihm anstellten, war ...

Interessant. Äußerst interessant.

Nach dieser Szene kamen andere, nicht weniger interessante.

Marcus hatte längst seinen Zauberstab sinken lassen. Er war zwei Schritte zurückgewichen und starrte Severus mit unverhohlener Abneigung an.

Severus scherte sich nicht darum. Was er hier sah, lieferte ihm hervorragende Ansatzpunkte für sein weiteres Vorgehen.

Er wusste natürlich, dass diese Dinge in Askaban vorkamen, so wie sie auch in den Kerkern des Dunklen Lords geschahen. Aber er hätte nicht gedacht, dass Lucius so unter den Vergewaltigungen gelitten hatte, dass die Erinnerung daran alle anderen Ängste überlagerte.

Nach einer ziemlich langen Zeit wurde das Weiß wieder dominant, löschte alles andere aus und blieb unverändert in Lucius' Geist stehen, eine grelle, tote Fläche, vollkommen trostlos und kalt.

Schließlich ließ die Wirkung des Trankes nach, und Lucius tauchte allmählich aus den Abgründen seines Unterbewusstseins auf.

Seine Augen hatten einen leeren Ausdruck. Sein Gesicht war aschfahl. Noch immer hielt ihn das Echo seiner Ängste gefangen.

Eine gute Gelegenheit für einen ersten Versuch.

„Lucius, kannst du mich verstehen?", fragte Severus sanft.

Lucius nickte schwach.

„Du möchtest nicht, dass diese Träume wiederkommen, oder?"

Lucius schüttelte hastig den Kopf.

„Es liegt allein an dir, Lucius. Du kannst es jederzeit beenden. Probieren wir es doch einfach einmal aus. Sprich mir nach: Ich bin ein Haufen Doxymist, nicht wert, den Boden zu küssen, auf dem der Dunkle Lord geht."

Lucius' Mundwinkel zuckten. Das Leben kehrte in seine Augen zurück.

Dann sprach er, wesentlich lauter und klarer, als Severus erwartet hatte: „Du bist ein Haufen Doxymist, nicht wert, den Boden zu küssen, auf dem der Dunkle Lord geht."

Aha, wir haben also noch Kraft für Ironie und Spott?! Das müssen wir unbedingt ändern ...

Mit unbewegtem Gesicht sah Severus auf sein Opfer herab.

„Wie du willst, Lucius. Ganz wie du willst", sagte er leise, drehte sich brüsk um und verließ gemeinsam mit dem widerstrebenden Marcus den Kerker.

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Lucius versuchte instinktiv, zurückzuweichen, als sich eine Hand auf seinen Arm legte, doch die Fesseln hinderten ihn daran. Schon diese leichte Bewegung und Berührung jagte eine Welle der Pein durch seinen Körper. Gegen seinen Willen entrang sich ein Stöhnen seiner Kehle.

„Heee, ganz ruhig!", klang eine nervöse Stimme an sein Ohr. „Ich bin's, Marcus."

Es gibt tatsächlich noch gute Nachrichten ...

Er kämpfte mit seinen bleischweren Lidern, zwang seine widerwilligen Augen, sich zu öffnen.

Er sah nichts als grauen Nebel. Die Hand, nein, zwei Hände machten sich an seinen Fesseln zu schaffen. Die Gurte um seinen rechten Arm lockerten sich.

Schritte. Rascheln.

Die Hände befreiten seinen anderen Arm, dann die Beine.

Lucius versuchte, das rechte Bein zu bewegen. Tausend Nadeln bohrten sich in seine Muskeln. Ein Blitz schoss seine Wirbelsäule hoch und explodierte in seinem Kopf. Er hörte sich schreien.

„Bleib' liegen! Beweg' dich nicht!"

Die Hände strichen über sein Bein, begannen, die verkrampften Muskeln zu massieren, das gestockte Blut zum Fließen zu bringen. Erst tat es höllisch weh, dann ebbte der Schmerz ab und wurde zu einem dumpf vibrierenden Pochen.

Verflucht, wie lange habe ich hier gelegen?! Und was ist zuletzt passiert? Ich kann mich überhaupt nicht erinnern ...

Marcus wandte sich dem zweiten Bein zu. Dann holte er Lucius' Arme zurück ins Leben.

Langsam wurde der Nebel vor seinen Augen dünner, durchsichtiger.

Eine Hand schob sich unter seinen Kopf. Ein Becher wurde an seine Lippen gedrückt.

Nein!

Lucius zuckte heftig zurück, stieß dabei die stützende Hand fort und prallte unsanft mit dem Tisch zusammen.

„Es ist nur Wasser. Wirklich, ich schwör's!" Die raue Stimme zitterte.

Wieder schob sich die Hand unter seinen Kopf, drückte ihn behutsam nach oben. Lucius blinzelte die letzten Nebelschleier weg, schielte in den Becher und schnupperte misstrauisch.

Scheint harmlos zu sein.

Er warf einen prüfenden Blick auf Marcus. Der junge Mann war bleich, fast grau im Gesicht. In seinen Augen glitzerte es verdächtig.

Ziemlich empfindsam. Vielleicht nicht ganz der richtige Platz für ihn, hier bei uns.

Vorsichtig flößte Marcus ihm den Inhalt des Bechers ein.

Wasser. Tatsächlich. Erstaunlich.

„Danke", sagte Lucius matt.

Tief in seinem Bewusstsein lauerte noch immer die nackte Panik, die Severus' Foltertrank aus ihrem Dornröschenschlaf geküsst hatte. Doch Lucius zwang sie zurück, weiter und weiter, bis sie nur noch ein Flüstern war.

Er hatte nicht gewusst, dass er in Askaban in einem permanenten Angstzustand gelebt hatte. Er war emotional so abgestumpft, dass er das Gefühl als Resignation, als Apathie klassifiziert hatte. In Wirklichkeit war es hoch konzentrierte Angst gewesen, das war ihm jetzt klar.

„Kann ich ... kann ich dir irgendwie helfen?"

Verdammt, was will der Kerl eigentlich von mir?!

„Was soll das?!", fragte Lucius mit all der Schärfe, die er in seinem erschöpften Zustand aufbringen konnte – immerhin ausreichend, dass sein Wohltäter sichtbar zusammenzuckte.

„Ich will dir doch nur helfen ...", erwiderte Marcus leise, während er Lucius verunsichert ansah.

„Wozu, verdammt noch mal?!" Lucius spürte Zorn in sich aufwallen. „Du machst es mir nicht leichter dadurch. Im Gegenteil!" Seine Stimme war brüchig und unsicher, und das machte ihn noch wütender. „Was soll das Ganze? Bist du ein Todesser oder nicht?! Gewöhn dir deine Humanitätsduselei lieber ab, sonst hast du hier keine Zukunft!"

Marcus starrte ihn schockiert an. „Aber" –

„Nein, Marcus, nein, verdammt noch mal!" Lucius rang verärgert mit den bohrenden Schmerzen, die sich jetzt hinter seinen Augen entfalteten wie eine böse Blume. „Stell dich nicht dümmer, als du bist! Vergiss dein Mitleid, hör auf, um mich rumzuglucken – oder du wirst auch in diesen Kerkern enden."

„Aber er weiß es nicht!", verteidigte Marcus sich erregt. „Severus wird nicht" –

Lucius lachte bitter. „Er wird, verlass dich drauf, er wird! Und selbst, wenn er dich nicht verrät – der Dunkle Lord wird es wissen. Du selbst wirst es ihm sagen. Deine Gefühle sind so offensichtlich, dass er dazu nicht einmal Legilimentik braucht."

„Aber ... Du bist ein Freund, ich kann doch nicht ..."

„Doch, du kannst. Und du musst! Was meinst du wohl, was ich tun würde, wenn unsere Rollen vertauscht wären? Ich würde sagen: ‚Tut mir leid, aber so ist das Leben; du oder ich, sorry.' – und würde dich foltern wie jeden anderen auch."

Und das ist die Wahrheit. Leider.

Marcus schüttelte abwehrend den Kopf.

„Das kannst du mir ruhig glauben", sagte Lucius leise. „Ich habe es oft genug getan. Und ich empfehle dir dringend, es genauso zu machen."

Er schloss erschöpft die Lider. In seinem ganzen Körper bohrte und pochte es. Am Schlimmsten waren die kleinen Dolche, die mit dem Licht durch seine Augen stachen und in sein Gehirn drangen. Kalter Schweiß bedeckte seine Haut und ließ ihn frösteln. Trotzdem war da eine schwelende Glut in seinem Inneren, die ihm das Gefühl gab, sich mit jedem Atemzug ein Stück weiter aufzulösen.

Rascheln. Ein Luftzug. Eine kühle Hand auf seiner Stirn, auf seinen Wangen. Marcus strich ihm sacht übers Gesicht.

Der Junge hat Nerven. Ich sage ihm, dass ich jederzeit bereit wäre, ihn zu foltern, und er versucht im Gegenzug, mich zu trösten.

„Na schön", murmelte Lucius widerwillig. „Na schön, du hast gewonnen. Bring' dich um, wenn du unbedingt willst. Idiot."

Marcus ging nicht weiter auf seine Provokationen ein.

„Ich habe dir Decken mitgebracht. Severus ist weg. Er sagt, ich soll dich ein paar Stunden schlafen lassen."

„Severus, der Menschenfreund", spottete Lucius. „Marcus, er weiß genau, dass er mich umso schneller kriegt, je größer der Kontrast ist. Schöne lange Pausen, damit meine ... Vorfreude auf die nächste Runde sich richtig entwickeln kann. Einen netten, fürsorglichen Narren an meiner Seite, damit der Kontrast zu ihm umso deutlicher wird. Permanenter Schmerz stumpft ab. Ununterbrochene Angst macht irgendwann wahnsinnig. Das will er nicht. Er will bewusste Unterwerfung. Die bekommt er nur, wenn er die Abwechslung pflegt."

Marcus schüttelte wieder den Kopf. Seine ganze Haltung drückte Abwehr aus.

„Mann, Marcus, Severus und ich haben nichts anderes gemacht während der ersten Herrschaft des Dunklen Lords! Unsere Leute hatten Wetten auf uns laufen: Wem gelingt es zuerst, den Gefangenen zu brechen, wer kann sein Opfer länger am Leben halten, wer erfindet den interessantesten Folterfluch ...? – Ja, sieh mich nur an! Warum, zum Henker, hast du dich mit dem Dunklen Lord eingelassen? Ihr wart doch sicher! Er hat eure Familie geschätzt. Unauffällige, untadelige Unterstützer, mit beiden Beinen fest in der etablierten Zauberergesellschaft verankert. Ihr wart doch wertvoll für ihn, gerade weil ihr nicht im Orden wart! Warum hat er dich gedrängt, einzutreten?"

„Hat er nicht. Ich habe um Aufnahme in den Orden gebeten." Marcus sprach jetzt sehr leise und klang ziemlich unglücklich.

Gebeten?! Und du bist nicht einmal in der Lage, beim Foltern zuzusehen, ohne dass dir schlecht wird? Wie naiv bist du eigentlich?"

Oder hat etwa ...? Nein, das kann nicht sein. Oder ... vielleicht doch?

Lucius stemmte sich mühsam auf den Ellenbogen hoch und musterte den jungen Todesser scharf. „Marcus! Sag mir nicht, dass dieser schlammblutvernarrte alte Idiot dahintersteckt!"

In Marcus' Gesicht zuckte ein Muskel. „Was ... was meinst du damit?" Lucius hörte deutlich, dass er seine Stimme nur mühsam beherrschte.

„Oh, das darf doch nicht wahr sein!" Lucius war ehrlich entsetzt. „Dumbledore muss geahnt haben, dass Severus für ihn verloren war – und da hat er versucht, dich als neuen Spion einzuschleusen. Dich! Ausgerechnet! Du und dein kleiner Bruder Danny, ihr seid so ziemlich die Letzten, die ich mir hier bei uns im Orden vorstellen kann."

Danny, der Heiler, Marcus, der Träumer ...

„Marcus! Bist du verrückt geworden? Du kannst den Dunklen Lord nicht täuschen! Niemals! Nicht einmal Severus hätte das gekonnt – wäre er jemals wirklich Dumbledores Spion gewesen."

Die Augen des jungen Mannes weiteten sich vor Schreck. „Aber das kann nicht sein! Er weiß es doch! Er weiß, dass ich für Dumbledore und den Phönixorden spionieren soll. Er selbst hat mich ja beim Dunklen Lord eingeführt ..."

Du bist tot. Tot. Du hast es nur noch nicht gemerkt.

„Marcus. Er weiß es. Wenn Severus es weiß, dann weiß es auch der Dunkle Lord. Severus hat nie die Seiten gewechselt. Nie! Er hat Dumbledore sechzehn Jahre lang zum Narren gehalten. Als er sich noch während der ersten Herrschaft des Dunklen Lords an Dumbledore wandte, ihm anbot, zum Spion zu werden, da geschah das auf ausdrücklichen Befehl. – Albus war ein Dummkopf. Ein Menschenfreund. Ein Idealist. Er hat mit seinem Leben dafür bezahlt."

Lucius sah Marcus kopfschüttelnd an. „Und auch du wirst mit deinem Leben bezahlen. Aber ich fürchte, ein Avada Kedavra wird er dir nicht gönnen. Zumindest nicht so bald."

Marcus lehnte bleich an der Kerkerwand, die Hände in seine Robe verkrallt.

Lucius richtete sich mühsam auf. Das Bild vor seinen Augen schwankte einen Moment, dann stand es still. Mit zusammengebissenen Zähnen schob er seine schmerzenden Beine an den Tischrand, ließ sie über die Kante gleiten. Wie in Trance kam Marcus auf ihn zu, packte ihn bei den Armen und half ihm vom Tisch herunter. Beinah wäre Lucius gestürzt, doch Marcus stützte ihn, half ihm bis zur Wand, an der Lucius sich aufatmend niedergleiten ließ.

Fahrig öffnete Marcus das Bündel, das er für Lucius mitgebracht hatte, und breitete zwei dicke Wolldecken übereinander am Boden aus. Eine weitere legte er Lucius um die Schultern.

Albus, du bist ein solcher Narr ... Schau ihn dir an, diesen lieben, dummen Jungen. Wie konntest du nur?! Albus, sobald ich tot bin, mache ich mich auf die Suche nach dir. Ich werde dir deinen faltigen alten Hals umdrehen, das schwöre ich dir – falls du noch einen hast, natürlich.

„Danke." Lucius zog sich schwerfällig auf die Decken hinüber und klopfte einladend neben sich. „Setz dich doch, bitte. Bevor du umfällst."

Wie betäubt ließ Marcus sich neben ihn sinken.

„So. Und jetzt hör mir zu!", sagte Lucius eindringlich. „Ich kenne den Dunklen Lord seit fast dreißig Jahren. Du hast keine Chance, mit dem Leben davonzukommen. Absolut gar keine."

Marcus schluckte krampfhaft.

„Das Einzige, was du jetzt noch tun kannst, ist, unseren Herrn zu besänftigen. Sobald Severus zurückkommt, sprichst du ihn an. Sag ihm, dass du weißt, dass der Dunkle Lord über deinen Verrat informiert ist. Bitte ihn, für dich zu vermitteln. Er mag dich. Er wird tun, was er kann."

Marcus starrte ihn ungläubig an.

Ach Junge, wenn du wüsstest ... Wenn ich die Augen zusammenkneife, während ich dich anschaue, dann sehe ich meinen besten Freund, der für immer zweiundzwanzig sein wird. Nur deine Augenfarbe, die passt nicht. Und was Severus sieht, wenn du vor ihm stehst und ihn mit Hrabans Mund anlächelst ...

Lucius lachte leise und nicht sehr fröhlich.

„Ja ja, er mag dich; das meine ich ernst. Ich kenne ihn schon sehr lange – tatsächlich kenne ich ihn, seit er in Hogwarts eingeschult wurde –", Lucius lachte erneut, „und ich habe noch nie erlebt, dass er einem verstörten Menschen von sich aus einen Beruhigungstrank verabreicht. Eine spontane Ohrfeige entspricht ihm eher. – Also, rede mit ihm. Und wenn du vor dem Dunklen Lord stehst, lüg' ihn nicht an. Niemals. Unter keinen Umständen. Vielleicht, falls du Glück hast, wird er dich nur töten. Und wenn ich nur sage, dann meine ich das auch so. Du hast erlebt, wie er gegen mich gewütet hat – und ich habe Fehler gemacht, keinen Verrat begangen. Und ... er ist noch lange nicht fertig mit mir ..."

SSSSSSS

Kein guter Tag heute. Für keinen von uns dreien, dachte Severus grimmig, als er die Treppe zu den Kerkern herabstieg und auf die hinterste Tür des dämmrigen Ganges zusteuerte. Sie öffnete sich lautlos für ihn.

„Marcus! Komm mit!"

Da saßen die beiden doch tatsächlich nebeneinander am Boden, gemütlich auf Decken gelagert als wären sie bei einem Picknick, und Lucius hatte allen Ernstes den Arm um Marcus gelegt ...

„Lucius! Nimm deine dreckigen Finger von ihm! Sofort!"

Marcus sah erschrocken zu Severus auf. Lucius hob beschwichtigend die Hände und schüttelte leicht den Kopf.

Irritiert sah Severus wieder zu Marcus hinüber. Das Gesicht des jungen Mannes war kreidebleich. Seine Augen waren gerötet und leuchteten in einem noch intensiveren Grün als sonst.

Er hat geweint, erkannte Severus beunruhigt.

Er nagelte Lucius mit Blicken fest.

Was ist passiert? Sag's mir, los!

„Auch in dir kann man manchmal lesen wie in einem offenen Buch, Severus", kommentierte Lucius mit einem schiefen Lächeln. „Ich habe ihm gesagt, wie die Dinge für ihn stehen. Das ist los."

„Severus", erklang Marcus' heisere, kaum merklich zitternde Stimme. „Lucius hat mir gesagt, dass der Dunkle Lord weiß, dass ich als Spion für den Phönixorden arbeite. Hilf mir, bitte. Ich will nicht hier unten sterben. Bitte!"

Zu spät. Viel zu spät.

„Ich komme eben vom Dunklen Lord", erwiderte Severus – sachlich, emotionslos. „Selbstverständlich weiß er es. Er wusste es schon, bevor du überhaupt um Aufnahme gebeten hattest. – Manche Leute sind einfach zu unvorsichtig in der Wahl ihrer Vertrauten", ergänzte er spöttisch.

Marcus starrte ihn an, offenbar fassungslos über so viel Zynismus.

„Ich habe für dich getan, was ich konnte. Ich habe erreicht, dass ich dich verhören darf. – Nein, nicht wie du denkst!", setzte er rasch hinzu, als die Augen des jungen Todessers sich vor Angst weiteten. „Nicht wie bei Lucius ... Der Dunkle Lord will nicht, dass ich dich breche. Er will lediglich alles an Informationen über Dumbledore, den Phönixorden und so weiter, was du uns geben kannst – obwohl da nicht viel Neues für ihn herauskommen dürfte. Hätte er erwartet, wichtige Informationen von dir zu bekommen, dann hätte er nicht so lange mit dir gespielt."

Marcus machte eine ungläubige Geste.

„Oh doch, das hat er, Marcus. Er hat genossen, wie du unter deinen Aufgaben gelitten hast. Er hat sich alles haarklein von mir zeigen lassen, dein ganzes mitleiderregend peinliches Getue mit den Gefangenen, deine mühsam kontrollierten Panik- und Ekelattacken, wenn du Gewalt und Folter mit ansehen musstest ... Und was ich ihm nicht liefern konnte, das hat er sich von anderen geholt. – Nein, ich werde dich befragen, ohne Folter, denn du wirst mir freiwillig alles, was für den Dunklen Lord von Bedeutung sein könnte, mitteilen. Was er danach mit dir vorhat, weiß ich nicht. Soweit ich darauf Einfluss habe, werde ich mich aber bemühen, dein Ende rasch und schmerzlos zu gestalten."

Marcus war während seiner kurzen Ansprache immer grauer im Gesicht geworden. Nun stand er langsam und steif auf, nickte Lucius kurz zu und trat, mechanisch wie eine Puppe, an Severus' Seite.

„Adieu, Marcus", sagte Lucius leise. „Danke. Und viel Glück."

„Los, komm mit." Severus Stimme war kalt, seine Augen leer und mitleidlos, als er den jungen Mann am Arm packte und aus der Zelle führte.

SSSSSSS

„Trink!" Severus beugte sich über Lucius und hielt ihm einen Becher an den Mund.

Lucius presste krampfhaft die Lippen aufeinander.

Seit Tagen ging das jetzt schon so. Severus benutzte ihn als Versuchsobjekt für die verschiedensten Tränke und Flüche, kleine Neuentwicklungen, auf die der verdammte Bastard sehr stolz zu sein schien.

Wenigstens war Marcus nicht mehr dabei.

Hoffentlich lebt er noch ...

Nein, falsch. Hoffentlich ist er tot.

„Tu, was ich dir befehle!"

Er schüttelte stur den Kopf.

Noch hatte er seinen Stolz. Er würde sich nicht so leicht brechen lassen. Was immer Severus ihm diesmal für ein widerliches Gebräu verabreichen wollte, er würde es nicht freiwillig schlucken.

Ganz langsam ließ Severus sich vor ihm in die Hocke sinken, bis ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren.

Immerhin hat er mich von dem verfluchten Tisch runtergeholt.

Der Blick der schwarzen Augen bohrten sich mit fast schmerzhafter Intensität in die seinen.

„Lucius, sei nicht so dumm. Du weißt selbst am besten, dass dein Widerstand nichts bringt. Du machst es dir nur noch schwerer dadurch."

Hörte er da eine Spur von Mitgefühl in Severus' Stimme? Nein, unmöglich, der Kerl hatte keine Gefühle. Zumindest keine freundlichen – und schon gar nicht für ihn.

Lucius schwieg verbissen.

Severus sandte einen gereizten Blick in Richtung Kerkerdecke.

„Das tut mir jetzt wirklich leid, Lucius", zischte er dann, packte in Lucius' langes Haar und zwang ihm mit einem schmerzhaften Ruck den Kopf in den Nacken. Dann richtete er seinen Zauberstab auf ihn. „Statua!"

Augenblicklich gefror Lucius in der unangenehmen Position, die Severus ihm aufgezwungen hatte. Er konnte keinen Muskel regen, nicht einmal die Augen bewegen. Selbst das Atmen fiel ihm unendlich schwer.

Panik quoll in ihm hoch wie ein Strom glühender Lava. Er würde ersticken, langsam, qualvoll, ein Tod, vor dem er sich immer gefürchtet hatte.

Severus sah ihm starr in die Augen. „Angst, Lucius?", fragte er kalt.

Lucius spürte, wie sein Peiniger die Gelegenheit nutzte, um einmal mehr in seinen Geist einzudringen. Er konnte seinen Blick nicht abwenden, und die alles beherrschende Angst verhinderte, dass er den Angriff mental abwehrte.

Zusätzlich zur Erstickungsangst holte Severus andere Ängste hervor, die tief in Lucius' Bewusstsein lauerten. Es waren seine ganz persönlichen Dämonen, die plötzlich wild in seinem Geist durcheinandertobten. Da war Askaban, eine ewig von grellem weißen Licht erleuchtete Zelle, fensterlos, schallisoliert, ein Sarg für Geist und Seele. Da war Narcissa, tot in einer Blutlache liegend; ein grinsender Auror hatte seinen Fuß auf ihrem Bauch platziert wie auf einer Jagdbeute. Da war Draco, ebenfalls tot, der einen trägen schlammbraunen Strom hinabtrieb, umflossen von schwarzen Schulroben und seinem silberblonden Haar, die milchig trüben Augen blicklos ins Nichts starrend.

Der Dunkle Lord tauchte aus den schwarzen Fluten seiner Ängste auf und richtete drohend den Zauberstab auf ihn. Sein bösartiges, irres Lachen hallte in Lucius' Kopf und wurde immer lauter, bis er glaubte, seine Trommelfelle würden platzen. Er wollte sich gegen die Stirn schlagen, sich die Ohren zuhalten, alles, um dieses grausame Lachen auszusperren, aber er war vollkommen gelähmt.

Er bekam keine Luft, er erstickte wirklich, und die Panik steigerte sich, bis sein Verstand einen Salto schlug und er plötzlich das wahnwitzige Bedürfnis zu lachen verspürte. Er konnte nicht laut lachen, aber in ihm lachte es, lachte auf entsetzlich schmerzhafte und nervenzerreißende Weise.

Dann schlug die Angst über ihm zusammen wie eine gigantische Welle, und eisige Finsternis löschte sein Bewusstsein aus.

SSSSSSS

„Enervate!"

Lucius rang mühsam nach Luft. Er begann, heftig zu husten. Dann wurde das Husten zu einem krampfartigen Würgen, und er erbrach sich zitternd auf den kalten Steinboden.

„So war das nicht gedacht, verdammt!" Severus ließ mit einem ärgerlichen Schlenker seines Zauberstabes das Erbrochene verschwinden. „Du sollst das Zeug schlucken, nicht ausspucken."

Lucius lag schwer atmend auf der Seite.

Er hatte gerade seinen ganz persönlichen Trip durch die Hölle erlebt. Wieder einmal. Und mit jedem Mal wurde es schlimmer.

Die Angst hatte ihn noch immer fest im Griff. Er bebte am ganzen Körper, seine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Sein Magen und seine Kehle brannten, als hätte ihm jemand glühende Kohlen hinuntergezwungen. Eiskalter Schweiß bedeckte seine Haut.

Aber wenigstens konnte er sich wieder bewegen – und atmen. Noch nie war ihm die dumpfe, modrige Kerkerluft so erfrischend und wohltuend erschienen.

Aus den Augenwinkeln sah Lucius schaudernd, wie Severus den Becher erneut füllte.

Dann beugte der Tränkemeister sich über ihn. „Ich will, dass du das trinkst." Sein Ton war ruhig, aber bestimmt.

Lucius versuchte, die Angst in den Griff zu bekommen. Es gelang ihm nicht mehr. Sie war wie ein böses Tier, das jahrelang in ihm geschlafen und nun überraschend die Herrschaft über ihn angetreten hatte.

Mühsam formte er die Worte: „Was macht ... das Zeug ... mit mir?"

Severus schnaubte geringschätzig. „Schmerzen, Lucius. Wie alles hier unten. Hier gibt es nichts als Angst und Qual, Panik und Agonie für dich."

Plötzlich packte er Lucius am Kinn und zwang ihm wieder den Kopf zurück. Seine Finger drückten so fest auf die Kiefergelenke, dass Lucius es knirschen hörte. Er konnte nicht anders, er musste den Mund öffnen.

Severus kippte das Gebräu in seinen Hals. Lucius war überrascht. Es schmeckte nicht einmal übel, nach Harz und Honig ... Der Nachgeschmack allerdings war sehr bitter, und er lauschte furchtsam in seinen Körper hinein.

Minutenlang geschah gar nichts, und eine absurde Hoffnung klopfte zaghaft in seinem panischen Herzschlag mit.

Aber dann ging es los. Tausend winzige Nadeln bohrten sich in seine Zunge, seine Haut, seine Augen. Die Stiche wanderten tiefer in seinen Körper wie ein Schwarm wütender Killerameisen, die sich zentimeterdünne Schneisen durch sein Fleisch schnitten. Etwas in ihm begriff, dass der Trank seine Nerven attackierte, ihnen Schmerzen vorspiegelte und diese durch jede einzelne Faser seines Körpers jagte.

Doch anders als beim Cruciatus-Fluch ging Lucius nicht völlig in der Qual auf, wurde sein Bewusstsein nicht auf die Agonie seines Körpers reduziert. Sein Verstand war vollkommen klar und ließ eine Menge Raum für die überwältigende Angst.

Wie lange wirkte der Trank? Minuten? Stunden?

Lucius fühlte sich, als würde er bei lebendigem Leibe aufgefressen. Panisch irrte sein Blick zu Severus hinüber.

Dieser las mühelos die unausgesprochene Frage in den schreckensweiten Augen seines Opfers.

„Drei bis fünf Stunden – je nach körperlicher Konstitution, Gewicht und so weiter. Der Trank befindet sich noch im experimentellen Stadium. Könnte sein, dass individuell verschiedene, interessante Nebenwirkungen auftreten", erklärte Severus leichthin.

Er nahm gelassen Pergament, Tinte und Feder aus der Tränketruhe und setzte sich an den kleinen Tisch, der an einer Wand des Verlieses stand, die Augen mit mildem Interesse auf den vor Schmerz und Angst bebenden Lucius gerichtet.

„Sag mir einfach Bescheid, wenn sich etwas ändert, ja? Wenn der Schmerz sich anders anfühlt, dir übel wird – was auch immer. Für mein Versuchsprotokoll," sagte Severus kalt lächelnd.

Die erste halbe Stunde – Severus verkündete in Zehn-Minuten-Abständen die verstrichene Zeit – ertrug Lucius die Schmerzen schweigend; zitternd, schwitzend, keuchend. Danach war es ihm einfach egal, und er tat etwas, von dem er überhaupt nicht gewusst hatte, dass er es noch konnte.

Er begann zu weinen – vor Qual, vor Verzweiflung, vor Angst. Die Tränen brannten auf seinem schmerzenden Gesicht, und sein Körper bebte unter heftigem Schluchzen.

Seine letzten Schutzwälle stürzten zusammen, als er zu einem zuckenden, verzweifelten Klumpen menschlichen Fleisches reduziert wurde, der nichts mehr empfand außer Panik und Agonie.

Der letzte verglimmende Funke Verstand in ihm wusste: Er war am Ende.

Severus hatte gesiegt.

SSSSSSS

Im ersten Moment war Severus nicht klar, was das neue Geräusch zu bedeuten hatte.

Stirnrunzelnd blickte er von seinem Pergament auf, fixierte Lucius – und erkannte verblüfft, dass dieser weinte. Er weinte!

Unfassbar.

Mit allem hatte Severus gerechnet: Flüche, Bitten, Beleidigungen – aber nicht mit Tränen.

Verdammt, es war fast wie mit Dumbledore! Warum konnte sich plötzlich keiner mehr an seine Rolle halten? Warum mussten es ihm alle so schwer machen?

Etwas regte sich in Severus, was sich nicht regen durfte.

Mitgefühl.

Er fluchte unterdrückt. Er durfte kein Mitgefühl haben. Dieses Gefühl würde sein Untergang sein.

Trotzdem ließ er die Feder sinken und stand auf.

„Lucius ..."

Er beugte sich über sein zitterndes, am Boden zusammengekrümmtes Versuchsobjekt und berührte es leicht an der Schulter.

Tränenblinde Augen flackerten panisch zu ihm auf. Severus wandte instinktiv den Blick ab.

Was zum Teufel machte er da? Was machte es da mit ihm?

Er zögerte noch einen Moment. Dann sank er neben Lucius auf die Knie. Als er seinem Opfer die Hände auf die Brust legte, spürte Severus, wie sich das Beben des gepeinigten Körpers auf seinen eigenen Leib übertrug.

Er fasste Lucius unter den Achseln und zog ihn vorsichtig vom Boden hoch. Lucius stöhnte auf. Wahrscheinlich sandten Berührung und Bewegung neue Wellen der Qual durch seine überreizten Nervenbahnen.

Dennoch brachte Severus ihn in eine halb sitzende Position. Er musste Lucius festhalten, damit dieser nicht wieder umsank. Das war leichter, wenn er ihn näher zu sich heranzog. Ehe er wusste, was er tat, hatte er Lucius halb auf dem Schoß und beide Arme fest um den zitternden Körper geschlungen.

Was machst du da?! Bist du verrückt geworden?! Das ist falsch! Absolut falsch!

Severus wusste im selben Moment, dass die Stimme in seinem Kopf Recht hatte. Sobald er den warmen, vor Schmerz und Angst bebenden Körper in den Armen hielt, den flachen, hektischen Atemzügen aus unmittelbarer Nähe lauschte, übertrugen sich Lucius' Panik und Qual auf ihn selbst. Er musste sie zwar nicht am eigenen Körper durchleiden, aber er konnte sie mitfühlen.

Oh, verdammt! Zum Henker mit Lucius!

Severus konnte nicht anders, er musste etwas tun.

„Möchtest du, dass die Schmerzen aufhören?", flüsterte er Lucius ins Ohr.

„Ja!", kam die gekeuchte Antwort.

„Bist du bereit, dafür alles zu tun, was ich dir befehle?"

„JA!"

Severus ignorierte die energisch protestierende Stimme in seinem Kopf und angelte eine kleine Phiole aus einer Tasche seiner Robe. Er entkorkte sie und hielt sie Lucius unter die Nase.

„Das ist das Gegenmittel. Du wirst alles tun?"

„Alles!", stöhnte Lucius.

Diesmal musste Severus keinen Zwang ausüben. Sein Opfer schluckte den Trank freiwillig, gierig.

Severus hielt gespannt den Atem an. Auch das Gegenmittel war noch in der Erprobungsphase ...

Lucius keuchte überrascht auf.

„Keine Panik", sagte Severus ruhig. „Es hat ein paar unangenehme Nebenwirkungen, die halten aber nur zwei oder drei Minuten an."

Er hielt Lucius fest, als dessen Körper sich plötzlich krümmte und aufbäumte, als ob er unter Strom stünde. Sein heftiges Zittern übertrug sich auch auf Severus, schüttelte ihn, dass seine Zähne klappernd aufeinander schlugen. Doch es war nicht mehr als ein schwaches Echo der Pein, die sein Opfer erlitt.

Er verstärkte seinen Griff, drückte Lucius' Arme fest an dessen Oberkörper und hoffte, dass sich sein Versuchsobjekt während der Krämpfe nicht die Zunge abbiss.

Lucius strampelte ein paar Minuten keuchend und röchelnd wild mit den Beinen.

Dann schrie er gellend auf und sackte ohnmächtig in Severus' Armen zusammen.

SSSSSSS