Kapitel 5:

Innerlich brannte Will immer noch vor Eifersucht. Es waren inzwischen wieder einige Tage verstrichen, doch an Bord des Schiffes schien jede Sekunde noch viel länger zu dauern. Es wurde kaum gesprochen und die Stimmung war im Allgemeinen sehr feindselig. Niemand wusste, was wirklich was im Kopf der anderen vorging. Barbossa verließ nur noch gelegentlich seine Kajüte um nach dem Rechten zu sehen und neue Befehle zu geben. Dabei war es vollkommen unnötig. Niemand würde es wagen sich gegen ihn aufzulehnen. Außerdem hatten alle, die an Bord waren das gleiche Ziel… mehr oder weniger. Will wusste selbst nicht, was er wollte und eigentlich war er nur hier wegen Elizabeth. Sie wollte mit und da konnte er schlecht ablehnen und sie mit einem Haufen Piraten losziehen lassen… Mittlerweile wusste er allerdings nicht mehr, ob es die richtige Idee war. Er hätte versuchen müssen sie davon abzuhalten.

Sie waren frei gewesen und hätten sich irgendwo anders auf der Welt ein neues Leben gemeinsam aufbauen können. Außerdem hätten sie auch heiraten können. Doch schon wieder waren irgendwelche Piratenabendteuer dazwischen gekommen. In ihm floss auch Piratenblut…

„Ach verdammt…", brummte er. Sein Vater Stiefelriemen Bill war immer noch bei Davy Jones und er wusste nicht wie er ihn befreien sollte. Das Herz war verschwunden. Jack hatte es nicht… Wo war es denn dann? Auf der Insel, als er dort mit Jack und Norrington gewesen war, hatte es sich noch in der Truhe befunden. Wenn Davy Jones es jetzt wieder besaß, dann…

Norrington! Den hatten sie ja vollkommen vergessen!

Es traf ihn wie ein Schlag. Wo befand er sich überhaupt? Er war verschwunden! Seit der Insel hatte er ihn nicht mehr gesehen. Die Pearl konnte er auch keinen Fall lebend verlassen haben… Kurz überkam ihn ein schlechtes Gewissen. War er von dem Kraken gefressen worden? Das hatte er nicht verdient…. Schon vorher hatte er alles im Leben verloren gehabt, was ihm lieb gewesen war. Die Navy, sein Leben… Elizabeth… Er konnte kaum glauben, dass er betrunken in Tortuga aufgetaucht ist. Norrington hatte Piraten immer gehasst und war selbst zu einer von ihnen geworden. Das hatte ihn sichtbar verändert. Innerlich und äußerlich.

Das war jetzt aber alles nicht wichtig. Er verscheuchte diese Gedanken aus seinem Kopf. Er griff nach einem der warmen Mäntel, die an Bord schon bereitlagen und zog ihn sich über. Auf Meer war es zur Zeit schon fast ungewöhnlich kalt. Sie näherten sich ‚Cape Town'. Eine Versorgungsstation der niederländischen Ostindien - Kompanie. Langsam wuchs dieser Ort immer mehr zu einem wichtigen Anlaufspunkt für Schiffe heran. Sie konnten dort ihre Vorräte wieder auffrischen. Solange sie nicht die Piratenflagge hissten und für die Waren bezahlten, dürften sie dort auf jeden Fall willkommen sein.

Als er das Deck betrat kam ihm eine kalte Windböe entgegen. Es regnete und das Wetter war äußerst unangenehm. Immer wieder schlugen die Wellen gegen das Schiff und von Wind gepeitschte eisige Wasserschwalle ergossen sich teils über die Besatzung des Schiffes.

Es dauerte nur wenige Sekunden bis Will das zu spüren bekam. Der Regen wurde noch durch eine Ladung des salzigen Meerwassers verstärkt. Ein Schauer lief ihm durch den Rücken und sofort ging die Kälte durch Mark und Bein.

„Der Hafen ist nicht mehr weit entfernt! Barbossa befiehlt, dass wir dort ankern sollen bis sich das Wetter gebessert hat!", rief John, der kurz nach Will am Bug des Schiffes auftauchte. „So kommen wir eh nicht weiter! Außerdem brauchen wir wieder neue Vorräte!"

Nun waren sie bei Afrika angekommen. Hier war es allerdings schwer Vorräte einzukaufen. Es existieren nicht viele Häfen. Außerdem sollten sie darauf achten, dass sie nicht der Royal Navy begegneten oder der East - India Trading Company. Den meisten von ihnen sah man eindeutig an, dass sie keine ehrlichen Seeleute waren.

„Wie tief ist der wohl schon Barbossa in den Arsch gekrochen?", fragte Marty Gibbs mit einem fiesen Grinsen. Beide waren gerade damit beschäftigt die Frachtkisten an Deck zu sichern. Wobei es bei Gibbs diese Aufgab besser erledigen konnte. Oft waren die Kisten zu groß, so dass Marty, die Seile nicht um sie herumlegen konnte ohne an ihnen hochklettern zu müssen.

Gibbs zog erstaunt die Augenbraun hoch und überlegte einen Moment. „So wie der sich verhält… sehr tief."

„Stimmt. Er kann auch nichts dafür, dass ihn ansonsten jeder hier hasst."

„Das sehe ich nicht so.", sagte Anamaria plötzlich empört. Die beiden hatten sie nicht bemerkt und drehten sich mit einer erstaunten Miene zu ihr um. Wieso verhielten sich diese Kerle nur die gesamte Zeit so? Sie verstand es nicht. Noch ein zorniger Blick folgte und schon ging sie davon.

„Frauen an Bord bringen nur Unglück. Und jetzt haben wir gleich zwei an Bord und eine von ihnen hat schon das erste Herz gebrochen. Ich will gar nicht wissen wie das weitergeht. Gibbs deutete auf Will, der schweigend mit seiner Arbeit beschäftigt war. Man sah ihn an wie sehr in der Streit mit Elizabeth mitgenommen hatte. Sein Gesicht sah furchtbar aus, als hätte er die letzten Tage kaum Schlaf gefunden und eine unnatürliche Blässe hatte sich ausgebreitet.

„Wie gut, dass wir mir so etwas keine Probleme haben."

„Ja leider…."

„Leider…."

Frauen interessierten sich scheinbar doch meistens nur für dieselbe Art von Mann auf einem Schiff…. Allein deswegen sollte man sie wirklich nicht dabei haben. Jack hatte das natürlich immer anders gesehen.

Die Handelskogge war nun wieder auf dem offenen Meer. Kurz bevor das Wetter schlechter geworden war, hatten sie Port Elizabeth verlassen. Bei diesem Namen hatte Jacks Mundwinkel nur flüchtig gezuckt. Singapur lag jetzt zum Glück nicht mehr all zu fern. Bald hätten sie es geschafft. Aus irgendeinem Grund, wollten die Chinesen nicht zu den Holländern. Es sollte Jack aber nur Recht sein. Er konnte auf weitere Begegnungen mit weiteren Organisationen dieser Art gerne verzichten. Das eine P für Pirat reichte ihm vollkommen aus. Als nächstes würde er gleich erhängt werden. Oder besser gesagt: Sie würden es wieder einmal versuchen und er – Jack Sparrow - würde entkommen.

Kapitel 6:

Die Zeit verging und verging und verging. Jack hatte schon aufgehört die Tage auf dem Schiff zu zählen. Die Zeit floss nur zäh und langsam dahin. Sie hatten noch ein weiteres Mal an einem kleinen Hafen geankert um weitere Vorräte aufzunehmen. Mittlerweile hatte sich Jack wieder fast vollkommen erholt, so dass er an Bord helfen musste. Eigentlich war er insgeheim sogar dankbar dafür, denn sonst hatte er das Gefühl, dass er bald vor Langeweile sterben müsste. Tag ein Tag aus nur das blaue Meer, die kleine Kogge und niemandem außer Zhao mit dem er reden konnte. Doch auf manche Gespräche konnte er gut verzichten. Immer wieder wurde er von ihm über alles Mögliche in der Karibik ausgefragt, über sein Leben, wo er herkam und was er eigentlich früher immer den ganzen Tag lang gemacht hatte. Bisher hatte er es geschafft immer die Wahrheit zu verschweigen. Zwar hatte er sich als Jack Sparrow vorgestellt, aber nun hielten ihn die Chinesen für einen Schmuckhändler aus Port Royal. Mit einem breiten Grinsen hatte er auf seine Zähne gedeutet um es noch glaubhafter zu machen. Schon eigenartig, dass sie es wirklich abgenommen hatten. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet.

Im Gegenzug hatte er aber auch einiges über ihr Ziel herausbekommen. Bisher hatte er nur gewusst, dass es nach Singapur ging. Erst am Tag davor hatte er herausgefunden, wo genau es hinging. Die Antwort alleine breitete ihm schon genügend Vorfreude: Pulau Tekong. Eine kleine Insel im Nord-Westen von Singapur. Zwar konnte man, wenn man wollte sie fast an einem Tag – vielleicht ein wenig mehr - zu Fuß am Strand umrunden, aber dennoch was sie groß genug um einem Dort mit einem kleinen Hafen Platz zu bieten, dass starke Erinnerungen an Tortuga erweckte. Damals – vor ungefähr 15 Jahre - war er zum ersten Mal dort gewesen und hatte seine ersten Erlebnisse im fernen Asien gesammelt.

Die Nacht ließ das Wasser wie schwarzes Öl erscheinen, als die Handelskogge in den Hafen einlief. Er war klein und zur Zeit ankerten etwa ein halbes Dutzend in Pulau Tekong. Das Feuer der Fackeln an den Häusern und im Hafen tanzte im leichten Wind hin und her. Kleine Boote, die wahrscheinlich von den Einwohnern zum Fischen genutzt wurden, lagen überall an den kleinen, morschen Holzstegen. In der Ferne konnte Jack schon den Lärm aus einer Schenke hören. Durch den Gedanken allein an eine Flasche köstlichen Rum, wurde seine Vorfreude gleich nochmals gesteigert. Das Leben war wieder wunderbar.

„Sie liebt dich nicht mehr."

„Wer?"

„Na dein Püppchen. Vorausgesetzt, dass sie doch vorher geliebt hat."

„Was?" Will starrte John fassungslos an, der äußerst lässig in seiner Hängematte lag. Beide befanden sich zur Zeit unter Deck.

„Ja, was wohl? Also pass mal auf Kleiner: Jeder, der nicht vollkommen blind ist sieht das."

„Ich denke nicht, dass das Ganze dich etwas angeht.", erwiderte Will nur noch kühl und wandte sich ab.

„Es geht mich nichts an – natürlich – schon verstanden." Er richtete sich urplötzlich auf und schwang die Beine aus der Hängematte heraus. „Habe ich aber so Unrecht, wenn du dich so darüber aufregst?"

„Sei still..." Er wollte das Ganze nicht hören. Irgendwie hatte John vielleicht Recht. Wer wusste schon, was Elizabeth fühlte und was sie nicht fühlte?

„Also habe ich Recht?" Zufrieden grinste John vor sich hin.

„Nein…" Immer noch widersprach Will, doch längst war er nicht mehr so überzeugt. Je mehr er sich Gedanken darüber machte, desto mehr geriet er auch ins Zweifeln.

„Ich habe wirklich Recht." Seine Stimme klang triumphierend. Natürlich. Da hatte er einmal wieder die Wahrheit gewusst. Nun sprang er endgültig aus seiner Hängematte heraus und trat neben Will. Freundschaftlich klopfte er ihm einmal auf die Schultern. „So sind nun einmal die Frauen. Sie benutzen sich so lange, du ihnen hilfreich bist und dann schmeißen sie dich weg, als wärst du nie zu etwas nütze gewesen.

Will sah nur noch schweigend zu John. In seinem Kopf arbeitete es. Hatte Elizabeth ihn wirklich nur benutzt und benutzte ihn und die gesamte Crew immer noch wegen Jack? Das konnte nicht sein. Warum tat sie ihm das nur an?

„Du wirst es wahrscheinlich überleben.", meinte John noch aufmunternd bevor er Will verließ und hoch aufs Deck ging. Wie er es schon erwartet hatte, fand er dort Elizabeth. Sie lehnte am Bug an der Reling wie sie es schon so oft in den letzten Tagen gemacht hatte und dachte nach. Langsam ging John zu ihr herüber.

„Du musst echt etwas verdammt Schlimmes angestellt haben.", bemerkte er und stützte sich neben ihr rücklings an der Reling ab.

Elizabeth bedachte ihn nur mit einem kurzen Blick und schüttelte dann den Kopf. Wovon hatte dieser eingebildete Kerl denn schon eine Ahnung? Von rein gar nichts.

„Ich meine… der Junge ist echt fertig wegen dir. Er redet kaum, isst kaum und du solltest ihn mal nachts erleben. Er spricht ihm Schlaf. Furchtbar. Niemand anderes bekommt dann mehr ein Auge zu." Kurz bedachte er sie mit einem Blick, doch sie antwortete ihm immer noch nicht. „Nun es ist äußerst Schade. Wirklich. Ich kann das kaum mehr mit ansehen."

„Was wollt ihr damit erreichen Mr. Shields?", entgegnete Elizabeth nun doch aufgebracht.

„Gar nichts. Ich weiß ja nicht, was passiert ist." Vollkommen unschuldig sah er sie an. „Ich dachte nur, dass es interessant sein könnte. Und außerdem habe ich ein wenig Mitleid. Auch wenn mir hier wohl kaum wer an Bord glauben würde, dass ich Gefühle besitze. Dabei weiß ich noch nicht einmal, woran das liegt."

„Vielleicht daran, dass ihr ein kleiner, arroganter, aufgeblasener Mistkerl seid!"

„Wirklich?" Seine stimme klang mehr als erstaunt. „Das habe ich nicht verdient."

„Das ich nicht lache…" Elizabeth reichte es. Sie löste sich von der Reling.

„Warte doch!" John setzte ihr nach. Sie konnte jetzt nicht so einfach abhauen. Vor allem da er erster sehr interessantes im Augenwinkel entdeckt hatte. Augenblicklich hatte er sie wieder erreicht und hielt sie am Arm fest. Sanft drehte er sie wieder zu sich herum, so dass sie dicht bei ihm stand.

„So ein schlimmer Kerl bin ich wirklich nicht. Es wäre wirklich nur besser, wenn du mit ihm reden würdest, denn so geht er nur kaputt. Außerdem könnt ihr euch hier auf dem Schiff eh nicht aus dem Weg gehen.", erklärte er dann gleich viel versöhnlicher.

Elizabeth öffnete den Mund um etwas zu erwidern. Es stimmte doch, was er sagte. Sie hielt einen Moment inne und überlegte es sich dann anders. „Ja, womöglich habt ihr… du…. Recht."

„Na also." John lächelte Elizabeth sogar schon fast liebevoll. Er wusste genau, dass Will sie beide im Moment genau sehen konnte.

Kapitel 7:

In der Zwischenzeit frönte Jack wieder seiner liebsten Freizeitbeschäftigung. Dem Rum. Zufrieden saß er in der Schenke in einer hinteren Ecke. Nur er und der Krug. Mehr wollte er im Moment gar nicht. Wie lange hatte er denn jetzt auch auf dieses geliebte Getränk verzichten müssen? Die Chinesen hatten keinen einigen Tropfen an Bord gehabt. Glücklich seufzte er und ließ sich auf seinem klapperigen Holzstuhl zurücksinken, der bedrohlich unter seinem Gewicht knarrte.

Sein Blick wanderte langsam durch den schwach beleuchteten Raum. Hier und da saßen Männer allein oder auch in Gruppen zusammen. Jeder mit einem Becher vor sich und gut jeder dritte mit einem Mädchen, dass wohl zum Inventar des Betriebes gehörte. Hier hatte sich nichts verändert und es war fast genau so wie in Tortuga. Doch insgesamt war es eher ruhig. Gelegentlich war nur ein lautes Lachen zu vernehmen. Die meisten unterhielten sich sogar schon unnatürlich gedämpft miteinander. Neugierig wanderte sein Blick weiter bis er an der Tür kleben blieb. Eine Frau hatte den Raum betreten und Jack konnte sofort sagen, dass sie ihm sehr gefiel. Sie mochte gut noch ein paar Jahre vor der 30 sein. Sie trug ein eng anliegendes Oberteil mit einem tiefen Ausschnitt und wiederum weiten Ärmeln. Anders als alle anderen anwesenden Damen war sie mit einer Hose bekleidet, zwar ein wenig weiter, aber dennoch betonte sie gut ihre schlanke Figur bis sie in den hoch geschnürten Lederstiefeln verschwand. Die langen brauen Locken fielen ihr lang über den Rücken und ihre klaren Augen wanderten genau so suchend wie Jacks zuvor durch den Raum. Wahrscheinlich war sie auf der Suche nach Arbeit.

Doch es schien nichts zu geben, was sie hier wirklich interessierte. Ihr Blick schweifte flüchtig Jack und kehrte dann wieder zu ihm zurück. Einen Moment lang glaubte Jack, dass sie fast erstaunt aussah, aber dann machte sich ein verführerisches Lächeln auf ihrem Gesicht breit, was Jack gleich zu einem dreckigen Grinsen veranlasste. Mit geschmeidigen Bewegungen nährte sie sich ihm und ließ sich auf dem Stuhl neben ihm elegant nieder.

„Seid ihr neu hier in unserem bescheidenen Hafen?", fragte sie gleich und blickte ihn neugierig an.

„Ich bin eben erst eingetroffen.", antwortete er und seine Augen musterten sie neugierig. Jetzt wo sie direkt vor ihm saß, gefiel sie ihm sogar noch um einiges besser. Die Lippen, die Haut, die Nase… Nein, da gab es wirklich nichts daran auszusetzen. Es war sogar ein so vertrauter und dennoch aufregender Anblick, als würde er sie ewig kennen.

„Dann hoffe ich, dass ihr einen sehr interessanten Aufenthalt haben werdet.", wünschte sie ihm jetzt schon und beugte sich ein wenig zu ihm vor. „Ihr seht aus wie ein Seefahrer. Ein mutiger, tapferer Seefahrer. Habe ich recht mit meiner Annahme?"

„Falsch liegt ihr damit auf keinen Fall." Direkt wollte er nicht nennen, wer er war. Ein Captain, der sein Schiff verloren hatte…. Nein, so konnte er sich hier keinen guten Ruf machen. Jack musste sich allerdings auch keine weiteren Gedanken darum machen. Die fremde Frau war aufgestanden und hatte sich mitten auf seinem Schoß niedergelassen. Nur in der letzten Sekunde konnte Jack noch seinen Rum auf den Tisch retten, der sich sonst über den Boden ergossen hätte. Ingesamt wurde Jacks Grinsen gleich noch ein wenig dreckiger, als sich ihr Gesicht direkt vor seinem befand. Er liebte einfach Singapur!

„Übrigens…", hauchte sie noch leise kurz bevor ihre Lippen Jacks berührten. „Mein Name ist Lucia…"

Direkt nachdem sie dies sagte, schoss Jack ein Gedanke durch den Kopf, den er aber eben so schnell wieder vergessen hatte wie er gekommen war. Sie küsste ihn urplötzlich sinnlich und fordernd zugleich, dass Jack überhaupt keine Gelegenheit mehr hatte sich zu werden, selbst wenn er es gewollt hätte. Viel lieber genoss er diese Behandlung und die Nähe einer Frau, die ihm die letzten Wochen auf See ebenfalls verwehrt geblieben war.

Abrupt endete der Kuss ebenso schnell wie er gekommen war. Verwirrt sah Jack sie an und zu spät bemerkte er die Bewerbung an seinem Unterarm. Lucia hatte den Ärmel seines Hemdes nach oben geschoben und starrte auf das P für Pirat genau so wie auf den tätowierten Vogel.

„Jack Sparrow… ich wusste es.", zischte sie wütend und gab Jack eine schallende Ohrfeige. „Das ihr euch überhaupt noch mal in euren Leben hier hertraut!"

Schmerzhaft verzog Jack das Gesicht. Wofür hatte er die verdient? Es war über 15 Jahre her, das er hier gewesen war. Sie musste fast noch ein Kind gewesen sein. „Was…?" Weiter kam er nicht. Lucia war schon aufgebracht aufgesprungen.

„Helft mir! Hier ist der Mörder meiner Schwester und gleichzeitig der Mörder ihres Kindes!", rief sie laut durch den gesamten Raum. Sofort begann überall ein hektisches Treiben. Die Männer standen auf und griffen nach ihren Waffen. Anscheinend war Lucia keine Unbekannte bei ihnen. „Nehmt ihn fest Tod oder Lebendig!"

Langsam wich sie rückwärts ein paar Schritte von Jack fern, starrte ihn dabei aber immer noch aus eiskalten Augen an. Das was vorher an ihren Zügen so lieblich und verführerisch gewesen war, war jetzt berechnend und gefährlich.

Immer noch war Jack vollkommen erstaun von der Situation. Er verstand nicht, was hier los war. Auf jeden Fall war es nichts Gutes. „Ich denke, dass es sich hierbei um ein riesengroßes Missverständnis handelt." Seine Hand wanderte zu seinem Gürtel und mit einer schnellen Bewegung hatte er seinen Degen gezogen, den er schützend vor sich hielt. „Egal welches Verbrechen mir vorgeworfen wird… Ich kann es nicht begangen haben. Ich bin erst vor ein paar Stunden eingetroffen!"

„Hört nicht auf ihn!"

Fieberhaft arbeitete es hinter Jack Stirn. Zwischen ihm und dem Ausgang der Schenke stand mehr als ein Dutzend Männer, die ihn nicht einfach vorbeilassen würden. Die ersten hatten ihn auch nun fast erreicht. Schnell sprang er hoch auf den Tisch und konnte so dem Angriff des ersten entgehen und einen zweiten so überraschen, dass es ihm gelang ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Das sollte aber schon sein gesamter Erfolg gewesen sein. Jack spürte wie etwas Schweres seinen Rücken traf, was ihn überrascht aufstöhnen und zu Boden stürzen ließ.

Gegen das was danach kam, konnte er sich nicht mehr wehren. Ein schwerer Tritt in den Magen raubte ihm dem Atem und das nächste, was er mitbekam war der Schlag in sein Gesicht.

Lucia stand daneben und sah zufrieden zu wie immer mehr Schläge und Tritte auf dem am Boden liegenden niedergingen. Er hatte es verdient. Doch jetzt sollten sie ihn noch nicht umbringen. Sie hatte noch etwas Besonderes mit ihm vor. „Halt!"

Gehorsam hielten die Männer inne.

Jack blinzelte und fragte sich, warum es auf einmal aufgehört hatte. Die wenigen Schläge alleine hatten ausgereicht um ihm klar zu machen, dass wehren genau so wie ein Fluchversuch sinnlos wären. Die dumpfen Schmerzen, die sich pochend in seinem Körper ausbreiteten ließen ihn leise aufstöhnen. „Verdammtes Miststück…", fluchte er vor sich hin. Lucia tauchte in seinem Blickfeld auf und legte ihm sanft einen Finger auf die Lippen.

„Spar dir deinen Atem. Du wirst ihn noch brauchen.", flüsterte sie in einem beruhigenden Tonfall. Dann zog sie einen Dolch und hob ihn so hoch, dass Jack ihn sehen konnte. Sollte er doch glauben, dass es jetzt schon vorbei wäre. In der letzten Sekunde bevor sie zuschlug drehte sie ihn aber noch und raubte Jack mit einem Schlag des stumpfen Griffes das Bewusstsein.

Etwas kitzelte in seiner Nase. „Hatschi!...Oh….." Jack wachte in einem kleinen, staubigen Raum auf. Gleichzeitig war aber auch der Schmerz präsent. Wo er überall herkam, konnte er nicht sagen. Besser ausgedrückt. Er wusste nicht, woher er nicht kam. Es dauerte einige Momente bis ihm wieder klar wurde, was passiert war. Der Raum in dem er jetzt war, war aufgebaut wie eine Zelle. Der hintere Teil war mit einem Gitter von dem Rest abgetrennt, dass ihn von der Tür und dein kleinen Fenster trennte, durch das ein wenig Tageslicht hereinfiel. Er musste einige Zeit lang bewusstlos gewesen sein.

„Endlich wach?"

Jack hatte nicht bemerkt, dass sich noch jemand anderes im Raum befand. Lucia saß in einer Ecke auf einem Holzschemel und hatte darauf gewartet, dass er wieder aufwachte.

„Was willst du Schätzchen?", brummte Jack. „Ich fand das Ganze nicht so berauschend wie du."

„Natürlich hast du es vergessen Jack. Einfach vergessen!" Schon wieder war sie außer sich vor Wut. „Aber ich gebe dir einen Tipp. Denk an die Wicked Wench zurück! Hast du sie etwa vergessen? Und denke noch an Elena! Ich werde dir alles, was du ihr angetan hast dreifach heimzahlen, Sparrow!" Die Tür knallte laut hinter ihr zu, als sie darauf so gleich den Raum verließ.

Für einen Herzschlag aber schien die Welt um Jack herum still zu stehen. Die Wicked Wench sein Schiff… und in Gedanken befand er sich wieder in der Zeit, als er noch ein treuer Gefolgsmann von Cutler Beckett gewesen war. Die East India Trading Company, die Zeit bevor er ein Pirat war. Alles war wieder präsent.