Wenig später erreichten sie das Haus der Familie Evans, ein Reihenhäuschen, das sich nicht sehr von dem unterschied, in dem Jenny bei ihren Eltern wohnte. Sirius sprach gleich an die Haustüre und klingelte, während Jenny das Moped in der Einfahrt parkte.

Es dauerte eine ganze Zeit bis endlich die Türe geöffnet wurde und ein rothaariges Mädchen in Sirius Alter hinaus sah. Sie war offensichtlich an die Türe gerannt, denn sie hatte errötete Wangen, als hätte sie einen Dauerlauf gemacht, atmete schnell und ihre Haare waren völlig durcheinander.

"Hey Lily, gut dass du da bist", begann Sirius ohne Umschweife, "ist James bei dir?"

"Hi Sirius", antwortete Lily zögernd, "Jimi ist nicht da. Was ist denn los? Wer ist denn eigentlich das Mädchen?"

"Oh, das ist Jenny", erklärte Sirius, dem es fast peinlich war, dass er nicht daran gedacht hatte, sie miteinander bekannt zu machen. "Sie ist meine Freundin. Jenny, ich habe dir ja schon von Lily erzählt. Hier ist sie!"

Die beiden Mädchen schüttelten einander freundlich die Hände, aber Lily machte keinerlei Anstalten, die beiden hereinzubitten.

"Du musst uns helfen, Lily", meinte Sirius schließlich, "ich bin ziemlich in Schwierigkeiten. Mein Alter dreht völlig durch. Dürfen wir reinkommen?"

Endlich öffnete Lily die Haustüre ganz und ließ die beiden eintreten. Sie folgten ihr durch den Hausflur und eine Treppe nach oben, wo sie ihr Zimmer hatte.

"Es ist... nicht so wie ihr denkt", begann Lily zögernd während sie nach oben stiegen, "er hat mir... wir haben... Nachhilfe... Zaubertränke..."

Sirius verstand nicht, worauf sie hinaus wollte, erst als sie das Zimmer betraten, begriff er, wieso sie ihn nicht längst herein gelassen hatte.

"Hallo Snivellus!", begrüßte Sirius den dünnen Jungen, dessen lange schwarze Haare noch schrecklicher durcheinander waren. "Ich nehme an, ihr... was treibst eigentlich gerade DU denn hier?"

"Hi Sirius", begann Severus mit weinerlicher Stimme. Er sah aus, als wollte er am liebsten sofort im Erdboden versinken. "Wir haben... ein paar Zaubertränke... geübt. Evans wollte... ich habe... du weißt schon, die Prüfungen im nächsten Schuljahr..."

Tatsächlich stand Lilys Tisch voll mit geheimnisvoll aussehenden Flaschen, Reagenzgläsern und kleinen Schüsselchen, in denen verschiedene Pulver, Blütenblätter und Kräuter klein gerieben worden waren. Ein frischer, blumiger Geruch entströmte einem Kessel, unter dem eine blaue Flamme brannte und in dem ein schimmernder Trank brodelte.

"Severus war so freundlich, mir die Zubereitung einiger... recht praktischer Tränke beizubringen", erklärte Lily und sah dabei auf den Boden.

"Oh, ihr macht Parfüm", rief Jenny begeistert, "darf ich das mal sehen?"

"Ja, so kann man's auch sagen", seufzte Lily, "Sevie hat einen Weg gefunden, ein paar alte Muggelrezepturen mit einigen einfachen Zaubertränken zu kombinieren. Die Wirkung ist absolut faszinierend."

Sie reichte Jenny ein dünnes Fläschchen und öffnete den Verschluss. Jenny roch vorsichtig hinein, dann tupfte sie sich vorsichtig ein Tröpfchen auf das Handgelenk und hielt es Sirius unter die Nase.

"Da, riech mal!", forderte sie ihn begeistert auf und sah Severus an, der ganz erbärmlich aussah, "das ist klasse! Und das hast du dir wirklich ausgedacht?"

"Ich... äh...", stotterte er.

"Ja sicher", antwortete Lily für ihn, "hab ich doch gerade eben gesagt, oder?"

Sie probierten einige weitere Düfte aus und Sirius sah Severus giftig an.

Als Jenny eine schlanke, bläuliche Flasche in die Hand nahm und öffnen wollte, unterbrach Severus sie. "Nein, nicht die...", begann er, brach aber gleich wieder ab und wurde rot.

Jenny öffnete das Fläschchen. "Wow, das ist... großartig!"

"Pass aber auf", kicherte Lily, "Sevie hat einen alten Liebestrank hinein gemischt. Leider ein bisschen viel... Außer du möchtest Sirius heute Nacht besonders glücklich machen..."

Rasch verschloss Jenny die Flasche wieder. Sie hatte nicht vor, sich durch irgendeinen Zaubertrick zu irgendetwas hinreißen zu lassen, doch fühlte sie bereits ein Kribbeln im Bauch, das sich sehr gefährlich anfühlte...

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Sie diskutierten mit Lily und Severus lang und breit, was geschehen war und dass Sirius beschlossen hatte, von zu Hause abzuhauen. Schließlich erklärte Lily:

"So ein Mist aber auch, dass Jimi, Remus und Peter nicht da sind. Bei mir könnt ihr nicht bleiben, dazu reicht unser Platz nicht."

"Also wenn ihr mich fragt...", begann Severus.

"Klappe, Snape", unterbrach ihn Sirius grob, "die Erwachsenen reden."

"Aber Sirius", wies Jenny ihn zurecht, "lass ihn ruhig auch mal zu Wort kommen!"

Sirius sah sie erstaunt an. Er hatte diese Reaktion von Jenny nicht erwartet. Nun sahen alle Augen auf Severus.

"Ich weiß nicht, was ihr damit bezwecken wollt", begann er zögernd und doch überzeugt, "aber die Erfahrung zeigt doch, dass Zauberer und Muggel einfach nicht zusammen gehören. Glaubt mir in diesem Punkt einfach mal, ich kenne da genug Geschichten."

Einen Moment herrschte eine Stille, die nichts Gutes verhieß. Dann traf eine Faust das Gesicht von Severus und seine Nase begann heftig zu bluten.

Severus Snape reagierte sofort, riss seinen Zauberstab aus der Tasche und richtete ihn auf Sirius, doch Lily reagierte sofort. "Nein, lass das bitte!", rief sie ihm zu und Severus ließ enttäuscht seinen Stab sinken.

"Sirius, was ist nur mit dir los?", wollte Jenny von Sirius wissen, während Lily Severus ein Taschentuch reichte, "ist es denn nötig, gleich derartig aggressiv zu werden?"

"Er hat es verdient", antwortete Sirius trotzig, doch ihr Blick ließ ihn an seinen Worten zweifeln.

"Du hast ihm die Nase gebrochen", warf ihm nun auch Lily vor und richtete ihren Zauberstab auf die Nase von Severus, um sie mit einem geschickten Zauber wieder zu richten.

Lily nützte die nun eintretende, peinliche Stille und meinte: "Auf jeden Fall sollten wir Mädels mal rasch telefonieren. Jennys Eltern sollten doch wissen, dass sie ein paar Tage bei mir übernachtet, meint ich nicht!"

Damit erhob zog sie Jenny mit sich aus dem Zimmer. Von der Treppe aus rief sie den beiden Jungs zu: "Und ihr überlegt euch mal, wohin die beiden gehen sollen. Und bitte tut mir den Gefallen und fangt nicht wieder an zu streiten, okay?"

Sirius unterdrückte einen Impuls, Severus zu schlagen, sobald Lily außer Sichtweite war. Stattdessen fauchte er ihn böse an: "Pass nur auf, dass ich Jimi und den anderen nicht erzähle, dass du hier mit Lily rummachst. He, ich sehe doch, dass du scharf auf sie bist! Ständig siehst du sie an, meinst du, das wäre uns nicht auch schon längst aufgefallen? Wenn du nicht sowieso nicht den geringsten Hauch einer Chance bei ihr hättest, würde ich dir vorsichtshalber mal richtig die Fresse polieren, dass dir hören und sehen..."

"Bitte sag James nichts davon", unterbrach ihn Severus. Er sah aus, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen.

"Und wieso sollte ich das meinem besten Freund verschweigen, Snivellus?", fuhr Sirius ihn an und nahm ihn in den Schwitzkasten. "Ich finde, er sollte das dringend wissen!"

"Was ist, wenn ich euch helfe?", antwortete Severus, der nun langsam blau anlief.

"Wie kommst du darauf, dass ausgerechnet du uns helfen kannst?", spottete Sirius.

"Eine Gartenlaube", meinte Severus mit erstickter Stimme.

"Was?" Sirius lockerte seinen Griff und sah ihn an.

"Meine Oma hat eine Gartenlaube", fuhr Severus mit schwacher Stimme fort, "in einer Schrebergartenkolonie. Viele der Gartenhäuschen sind gut ausgebaut, so dass ihr da bequem pennen könnt. Nach Anbruch der Dunkelheit ist da niemand mehr. Liegt zu weit draußen, als dass sie Strom hätten. Das ist eure Gelegenheit."

"Mensch, Sevie, du hast recht!", antwortete Sirius überrascht. "Die Idee ist genial, könnte fast von mir sein!"

Er lachte laut und schlug Sevie die Faust auf die Schulter, so dass dieser zusammenzuckte. Rasch rannte er aus dem Zimmer und die Treppe hinunter, um Jenny und Lily von "seiner" genialen Idee zu erzählen.