„… und ich rede hier nicht von Bram Stoke's Dracula, obwohl Gary Oldman keine schlechte Figur als Graf abgegeben hat. Nein, ich rede hier von dem Klassiker, mit Christopher Lee als Dracula. Ich kann's nicht fassen, dass ihr Beide den noch nie gesehen habt."

Faith verdrehte die Augen. Noch vor ein paar Stunden hätte sie so einiges dafür gegeben, nicht mehr in dem kleinen Verhörraum sitzen zu müssen. Doch jetzt, als sie in einem Wagen vor dem ‚Plan B' neben Special Agent DiNozzo saß, der unentwegt von irgendwelchen Vampir-Filmen erzählte, wünschte sie sich, wieder in dem kleinen, ruhigen Raum zu sein. Alleine.

„Was ist mit Königin der Verdammten?" Tony drehte sich mit fragender Mine von Faith nach hinten zu McGee. „Komm schon, Probie. Interview mit einem Vampir?"

„Fangen sie bloß nicht damit an!" Faith versuchte mit den Händen nach Tonys Hals zu greifen, die Handschellen, die sie an den Türgriff des Wagens fesselten verhinderten das jedoch.

„Ha, sie haben den gesehen." DiNozzo strahlte sie mit einem breiten Grinsen an.

Faith brachte ihr Gesicht so dicht wie möglich vor das ihres Sitznachbarn und kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen. „Nein, aber da draußen laufen genug Vampire rum, die sich für Lestat, Louis oder Armand halten. Ganz zu schweigen von der süßen kleinen Claudia."

Tony wich ein paar Zentimeter zurück. „Kirsten Dunst, definitiv der Beginn einer großen Karriere."

Faith spürte, wie das Blut durch ihre Adern schoss. Der Typ konnte verdammt froh sein, dass sie die Hände nicht frei hatte. Frustriert ließ sie schließlich den Kopf auf das Armaturenbrett fallen und schlug ihn noch zwei weitere Male hart auf.

Es waren Momente, Situationen wie diese, die sie zum Nachdenken brachten. Über sich und ihre Vergangenheit. Das Richtige zu tun schien einfach nicht ihr Ding zu sein, es passte irgendwie nicht zu ihr. Es passte eher zu Buffy, die sie immer beneidet hatte. Obwohl die beiden Jägerinnen das gleiche Schicksal teilten, waren sie doch grundverschieden, wie der Tag und die Nacht. Buffy war der Tag. Sie hatte ihre Familie, ihre Freunde, Menschen die sie akzeptierten, wie sie war, mit ihren Fehlern und Schwächen. Faith war die Nacht. Ihr leben war dunkel und einsam. Die Jagd nach Vampiren und Dämonen war nicht halb so hart, wie der tägliche Kampf um Anerkennung, die sie am Ende doch nie zu bekommen schien.

Faith seufzte leise, als ihr bewusste wurde, dass sich ihr Leben geändert hatte. Als das Ende der Welt – mal wieder – bevorstand hatte sie einen Menschen kennen gelernt, der sich nicht für ihre Vergangenheit interessierte, der sie nicht ansah wie eine Mörderin. Jemanden, der ihr das Gefühl gab irgendwo hin zu gehören, irgendwo zu Hause zu sein.

Zwar hatte ihre Beziehung zu Robin Wood angefangen, wie jedes ihrer kurzen Abenteuer - mit heißem, leidenschaftlichen Sex. Doch nachdem er in der entscheidenden Schlacht gegen die Armee von Über-Vampiren schwer verletzt worden war, hatte Faith nach langer Zeit wieder ein Gefühl verspürt, von dem sie dachte es längst vergessen zu haben. Sorge.

Nach der Zerstörung von Sunnydale war Robin nach New York, seiner Heimatstadt zurückgekehrt. Faith war ihm nur wenige später gefolgt und Beide hatten beschlossen neu anzufangen. Sie hatte nie gelernt, was es heißt wirklich zu lieben, wie es sich anfühlt, bedingungslos geliebt zu werden, ohne dem anderen irgendetwas beweisen zu müssen. Jetzt, zwei Jahre später war sie nicht mehr auf der Flucht vor sich selbst, sie war auf eine Art zur Ruhe gekommen und wusste tief in sich drin, wer sie wirklich war.

Es gab nur noch selten Momente, in denen sie zweifelte, an sich und dem was sie tat. Momente, wie der im Verhörraum, als sie alleine war und die Dunkelheit sie wieder einzuholen schien. Alles was sie brauchte, war Robins Stimme zu hören. Er hätte ihr nicht einmal sagen müssen, dass alles gut werden würde. Der Klang seiner Stimme war genug gewesen um Sicherheit zu haben, dass es jemanden gab, der einfach nur für sie da war.

"...überragend, Antonio Banderas als Armand..." Langsam drangen die Stimmen der beiden Agenten wieder an Faith Ohren. Sie richtete sich wieder in ihrem Sitz auf und sah aus dem Fenster. Draußen war es schon lange dunkel und es war fast eine halbe Stunde vergangen, seit Agent Gibbs und Officer David im 'Plan B' verschwunden waren. Bei dem Gedanken schüttelte Faith unbewusste den Kopf. Die Idee, einen Vampir festzunehmen, war kompletter Schwachsinn. Es gab nur eine Art mit denen umzugehen und die beinhaltete einen spitzen Pflock.

Faith ließ ihren Blick über das Gebäude schweifen. Von außen sah es fast ein wenig heruntergekommen aus. Ihre Augen wanderten über das große Schild über der Tür, die Feuerleiter entlang, bis auf das Dach. Sie stutzte, als sie eine schattenartige Silhouette auf dem Gebäude entlanglaufen sah.

"DiNozzo!" Die Stimme von Gibbs lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Funkgerät.

"Was ist los, Boss?", fragte Tony in das Funkgerät in seiner Hand.

"Wir brauchen –" Es knackte ein paar Mal, dann war nur noch ein Rauschen zu hören.

"Boss!" – Keine Antwort.

Ohne ein weiteres Wort griff Tony in seine Hosentasche, zog einen kleinen Schlüssel hervor und begann an den Handschellen rumzufummeln. Faith sah ihn verwirrt an.

"Soll das heißen, dass sie mir vertrauen?"

"Nein", antwortete Tony knapp. "Aber ich hab' keine Wahl."

Sein Blick traf für eine Sekunde ihren. In seinen Augen sah sie etwas, was sie früher entweder kalt gelassen, oder einfach übersehen hätte. Etwas, das sie nicht benennen konnte, ihr gleichzeitig das Gefühl gab gebraucht zu werden und trotz der wahrscheinlich einmaligen Chance nicht weglaufen zu wollen.

"Dann los." Tony griff nach seiner Waffe und öffnete die Wagentür, McGee tat es ihm gleich.

"Moment!" Faith stieg ebenfalls aus dem Auto und stellte sich den beiden Agenten in den Weg. "Glauben sie, das Ding nützt ihnen da drinnen was?", fragte sie ernst, auf die Waffe in Tonys Hand deutend. "Ich gehe rein, sie bleiben hier", befahl sie. "Ihr zwei würdet eh nur im Weg herumstehen." Sie drehte sich um und lief zur Tür des Nachtclubs. Die Schritte hinter ihr verrieten, dass die beiden Agenten beschlossen hatte, ihre Warnung zu ignorieren, doch im Moment hatte sie definitiv keine Zeit um länger über Kompetenzen zu diskutieren.

Plötzlich drang das angsterfüllte Schreien und Kreischen mehrerer Menschen aus dem Inneren des Gebäudes und Sekunden später flog Faith die Eingangstür entgegen. Mühsam bahnte sie sich den Weg in den Club durch den Garderobenbereich, an den panischen Massen vorbei. Im Hauptsaal angekommen sah sie zunächst Ziva, die von zwei Vampiren gegen eine Wand gedrückt wurde, ein Dritter zerrte ihren Kopf an den Haaren zur Seite und versenkte seine spitzen Zähne im ihrem Hals. Ziva schrie kurz auf, verstummte dann.

Reflexartig griff Faith nach einem Billardqueue, brach ihn über ihrem Knie entzwei und rannte rüber, zu der hilflosen Frau. Kraftvoll rammte sie das Stück Holz von hinten in das Herz des Angreifers, Sekunden später zerfiel dieser zu einem Häufchen Staub.

Die zwei anderen Vampire ließen von Ziva ab, worauf hin die erschöpft und erschrocken zu Boden sank.

"Machen sie, dass sie hier raus kommen", rief Faith ihr zu, während sie einem der beiden Vampire einen kräftigen Tritt gegen das Kinn verpasste. Einen Augenblick später traf sie die Faust des anderen ins Gesicht. Unbeeindruckt schlug Faith zurück, setzte einen weiteren Schlag hinterher und trieb dem taumelnden Vampir ebenfalls das zersplitterte Ende des Queues ins Herz. Sie drehte sich um, um auch den dritten ins Jenseits zu befördern, doch er war verschwunden.

Schnell ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. In einigen Metern Entfernung sah sie, wie Tony einen weiteren Vampir zu Boden riss, der zuvor offenbar seinen Boss ein paar Mal kräftig ins Gesicht geschlagen hatte. Trotz seiner überlegenen Körpergröße schien der Agent machtlos. Der Vampir drückte ihn zu Boden, bereit zuzubeißen.

Faith rannte los, um Tony zur Hilfe zu kommen, doch noch bevor sie ihn erreicht ließ der Vampir von ihm ab. Sie stutzte und beobachtete, wie der Blutsauger aufsprang und begann in Richtung Ausgang zu laufen. Sie blieb stehen, zielte und warf dem Vampir das eine Ende des zerbrochenen Queues wie einen Sperr hinterher. Im Laufen bohrte es sich durch den Mann und mit einem überraschten Schrei zerfiel auch er zu Staub.

Im selben Moment hörte Faith einen lauten Knall, wie die Explosion einer Bombe und der Raum füllte sich schlagartig mit einem dichten Nebel. Das Gas brannte mit jedem Atemzug in ihren Lugen, reflexartig begann sie zu husten. Die ohnehin im Rauch versunkene Umgebung verschwamm vor ihren tränenden Augen.

Plötzlich spürte Faith, wie jemand von hinten nach ihren Schultern packte und sie in Richtung Boden drückte. Sie griff nach den Armen der Person hinter sich und warf sie über die Schulter auf den Boden. Vor ihr landete die schwarze Silhouette eines Mannes. Sie ging neben ihm in die Knie und riss seinen Oberkörper an den Schultern nach oben, um sein Gesicht besser sehen zu können, welches jedoch von einer Maske verdeckt war. Mit einer schnellen Handbewegung riss sie dem Mann den Atemschutz vom Gesicht und traute ihren Augen nicht.

"Du?"