McGee's Lieder flatterten kurz auf, als er langsam wieder zu Bewusstsein kam. Das Erste, was er spürte war ein regelmäßig pulsierender Schmerz im Kopf. Er kniff die Augen fest zusammen, in der Hoffnung, den Schmerz irgendwie vertreiben zu können, doch es gelang ihm nicht.

Reflexartig fuhr seine Hand in Richtung Kopf. Die Bewegung wurde jedoch abrupt gestoppt. Irgendetwas hielt seinen Arm zurück. Noch immer nicht wieder voll bei Bewusstsein, versucht er es mit der anderen Hand und scheiterte erneut. Vorsichtig öffnete er schließlich die Augen, um zu sehen, was los war.

Im ersten Moment war Tim verwirrt. Er hatte doch gerade die Augen geöffnet, oder nicht? Warum war alles so verdammt dunkel? In einem Anflug von Panik begann er wild um sich herum zu tasten. Erst jetzt bemerkte er, dass er mit allen Viere von sich gestreckt auf dem Boden lag. Er setzte sich auf, was durch die offenbar gefesselten Hände erschwert wurde. Bei dem Geräusch von rasselnden Ketten hinter ihm bekam er schlagartig ein flaues Gefühl in der Magengegend. Wo zur Hölle war er? Was war passiert? Alles woran er sich erinnern konnte war, dass er Faith und Tony in den Club gefolgt war.

Langsam begannen McGees Augen, sich an die tiefe Dunkelheit zu gewöhnen. Er erkannte schwache Umrisse und grobe Formen, die sich nur wenig von dem einheitlichen Schwarz abhoben. Er drehte sich um und tastete an den Ketten, die an seinen Handgelenken befestigt waren entlang, bis hin zu einer Verankerung in der Wand. Mit ein paar kraftvollen, rückartigen Bewegungen versuchte er, sie aus der Wand zu lösen, doch sie gaben keinen Millimeter nach. Die Dinger saßen bombenfest.

Frustriert schlug er gegen die Wand und setzte sich schließlich, mit dem Rücken gegen sie gelehnt auf den kalten Steinboden. Er war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, um Hilfe zu rufen. Abgesehen davon, dass er nicht wusste, wo er war, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass irgendwelche blutsaugenden Monster für diese Situation verantwortlich waren. Er seufzte und rieb sich erschöpft die Augen. Der Schmerz in seinem Kopf, den er in den letzten Sekunden komplett vergessen hatte, kehrte schlagartig zurück.

Dann, plötzlich hörte er einen Atemzug, ein paar Meter von ihm entfernt. In Sekundenbruchteilen flog sein Kopf in Richtung des Geräusches. Er ging in die Hocke und bereitete sich mental auf das Schlimmste vor.

„Hallo?", fragte er mit zitternder Stimme.

Keine Antwort.

„Wer ist da?"

Wieder nichts. Er wartete ein paar Sekunden, dann war ein kurzes, leises Schluchzen zu hören.

„Wer sind sie?" Seine Stimme klang jetzt entschlossen.

„Bitte tun sie mir nichts", flehte eine zarte Mädchenstimme. Sie schnaufte ein paar Mal und begann dann leise zu weinen.

McGee starrte angestrengt in die Dunkelheit. Direkt neben ihm, ein paar Meter weiter musste ein kleines Mädchen sein, offenbar zu Tode geängstigt. „Ich werde dir nichts tun", versicherte er in einem sanften Ton. Langsam kroch er auf das wimmernde Mädchen zu um es nicht weiter zu erschrecken. „Mein Name ist Timothy McGee. Ich bin ein Bundesagent. Wie heißt du?"

Erneut war ein Schnaufen zu hören, dann ein Kettenrasseln. „Jody", antwortete sie leise.

„Okay, Jody", entgegnete McGee und versuchte dabei so zuversichtlich wie möglich zu klingen. „Hör' zu. Weißt du, wo wir hier sind?"

Sie antwortete nicht.

„Jody? Ich muss wissen wo wir sind."

„Wo die Toten sind", sagte sie schließlich und begann laut zu weinen. „Da ist einer… neben mir."

Dann war ein lauter Knall zu hören. Sekunden später fiel ein schwaches Licht in den Raum. McGee blickte direkt in die Augen eines kleinen, blonden Mädchens. Ihr Gesicht war blass, die Augen rot und aufgequollen vom Weinen. Sie war, ebenso wie er mit Ketten gefesselt. Neben ihr starrten ihm die leeren Augenhöhlen eines Totenkopfs entgegen.

Seine Augen richteten sich in Sekundenschnelle auf die Quelle des Lichts. Eine Tür am anderen Ende des Raumes – offenbar eine kahle Gruft, in deren Mitte ein massiver, steinerner Sarg stand – hatte sich geöffnet. Im Rahmen stand ein bleicher Mann, der abgesehen von seinen dämonischen Gesichtszügen ganz normal aussah. Er zerrte an dem Arm einer anderen Person, eine schwarzhaarige Frau, wie sich wenig später herausstellte. Er zog sie dicht an sich, ihr Gesicht war ebenso angsterfüllt wie das des kleinen Mädchens neben ihm. Langsam strich der Mann ihr über den Hals, woraufhin sie verzweifelt das Gesicht verzog. Dann packte er sie ruckartig an den Schultern und stieß sie in die Gruft. Die Frau fiel hart auf den Sarg und brach dann auf dem Boden zusammen.

„Soll ich sie fesseln?", fragte der Vampir mit kühler Stimme.

„Nicht nötig", erwiderte ein Anderer, der sich außerhalb von McGees Sichtfeld befand. „Es ist ohnehin bald soweit."

Ein widerliches Lächeln umspielte die Lippen des Mannes, bevor er die Tür wieder ins Schloss warf.


Sich unauffällig zu verhalten war schwieriger, als Robin Wood es sich vorgestellt hatte. Ein Großteil der Leute schien gleich vom Schlimmsten auszugehen, wenn sie einem Schwarzen nachts auf der Straße begegneten. Die Polizei war nun wirklich das Letzte, was er gebrauchen konnte. Um nicht die Aufmerksamkeit der Soldaten, die teilweise in Zivil ihr Zielobjekt überwachten, auf sich zu ziehen, hatte er sich in die direkt vor dem Friedhof stehende Telefonzelle begeben und war nun seit etwa einer halben Stunde dabei, einen Streit mit seiner Freundin vorzutäuschen.

Endlich klingelte das Handy in seiner Tasche.

„Wo bist du?", fragte Faith' Stimme zur Begrüßung.

„Ist dir eigentlich klar, dass ich mich seit einer halben Stunde mit dir über das Schulgeld unseres dritten Kindes streite?"

„Was?"

„Warum hab' ich nur immer das Gefühl, dass du mir nicht richtig zuhörst?"

„Wir haben nicht die Zeit für dumme Scherze", hörte Robin plötzlich eine männliche Stimme sagen.

„Vergiss das Schulgeld, Baby. Betrügst du mich etwa?" Er grinste das Handy an. „Wer war das?"

„Ein ziemlich wütender NCIS Special Agent", antwortete Faith, die sich offenbar ebenfalls ein Lächeln nicht verkneifen konnte.

„NCIS? Nie davon gehört."

„Typisch", beschwerte sich eine andere männliche Stimme.

Robin sah das Handy für einen Moment mit einem Stirnrunzeln an „Ich fange an mir wirklich Sorgen zu machen."

„Das solltest du", antwortete Faith scherzhaft.

„Als du gesagt hast, dass du in Schwierigkeiten steckst, hab' ich eher an Dämonen gedacht."

„Bundesagenten, Dämonen… wo ist da der Unterschied?", war Faith' betont gleichgültig klingende Antwort. Robin grinste breit

„Ich wiederhole die ursprüngliche Frage", meldete sich die mürrische, männliche Stimme wieder zu Wort. „Wo zur Hölle sind sie?"

Ein wenig erschrocken zog Robin die Augenbrauen hoch. „Telefonzelle vor dem Oak Hill."

„Wie ist ihr Status?"

Status? „Wenn sie die Soldaten meinen", antwortete er schließlich, „es sind so weit ich sehen kann zwei Zivileinheiten, je zwei Mann, unterwegs. Keine Ahnung, wo die ihre Basis haben." Robin ließ den Blick durch die Dunkelheit schweifen. Von der Telefonzelle aus hatte er einen guten Blick auf die Gruft, die den Vampiren offenbar als Versteck diente – und somit auch auf die äußerst unauffälligen Männer, die sie aus diskretem Abstand bewachten.

„Dürfte schwer werden, an denen unbemerkt vorbei zu kommen."

Er grinste ein weiteres Mal. Wer sprach den von Vorbeikommen? Zwei Soldaten, die man eigentlich noch als normale Menschen bezeichnen konnte, waren ein Witz im Vergleich zu den Über-Vampiren, die sie vor mehr als zwei Jahren am Höllenschlund bekämpft hatten. „Was meinst du, Faith. Zwei für dich, zwei für mich?"

„Klingt gut."

„Sind sie wahnsinnig?", fragte die Stimme entrüstet.

„Regen sie sich ab", entgegnete Faith in bestimmenden Ton. „Schon vergessen, meine Regeln."

„Soweit ich das beobachten konnte, melden sich unsere Jungs alle 10 Minuten bei der Basis", unterbrach Robin die Kompetenzstreitigkeiten. „Wenn wir direkt nach der Kontaktaufnahme zuschlagen –"

„- haben wir die Vampire zehn Minuten für uns, bevor die G.I. Joes stören". Beendete Faith seinen Gedanken. „Klingt nach einem Plan."

„Wo treffen wir uns?"

„Ich bin in fünf Minuten bei dir."