Stolz und Vorurteil
1.
Ein Schweißtropfen rann quälend langsam unter dem dichten heißen Haarschopf meine Kopfhaut entlang.
Ich fühlte mich, als hätte ich einen Dschungel auf dem Kopf. Jeder Millimeter den dieser warme und klebrige Tropfen zurücklegte führte mich einen Schritt näher an einen Wutanfall.
Jetzt war er von meinem Scheitel an den Schläfen entlang hinter dem Ohr vorbei geronnen und bahnte sich langsam seinen Weg durch das zu einem strengen Zopf zusammen gezurrte Haar bis zum sauber ausrasierten Nacken, wo er, nicht länger auf seinem Weg behindert beschleunigte und eine klebrige, schnell auskühlende Spur bis zum Kragen meines Seidenhemdes zeichnete. Dort versickerte er in dem schon längst nassen Stoff um zu dem unerträglichen feuchtheißen Klima das mich umgab seinen Teil beizutragen.
Als sich ein weiterer Tropfen aus der Union zweier kleinerer bildete wurde mir klar, dass ich seit Minuten ohne zu blinzeln auf die Tischplatte vor mir starrte.
Meine Finger umklammerten die Armlehnen meines weichen Sessels, die auch schon langsam feucht und klebrig wurden, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Ich mochte gar nicht an den Zustand meines Hemdes, der Weste des Jacketts und meiner Hosen denken.
Ich setzte mich gerade auf und löste meinen Rücken von dem Stoff des dick gepolsterten Sessels der mich von unten aufwärmte als säße ich auf einer Herdplatte. Fast erwartete ich ein deutliches Geräusch zu hören, wie wenn man etwas sehr Klebriges von einer Oberfläche abzieht, aber mein Schneider war sein Geld wert.
Ich konnte sicher davon ausgehen, dass niemand dem ich nicht durch mein Verhalten Anlass dazu gab etwas von meinem nun wahrlich bedauerlichen Zustand ahnen würde.
Es war mir völlig unverständlich, wieso die Menschen den Sommer so liebten.
Schon seit einiger Zeit hatte ich auf dasselbe Dokument gestarrt, ohne mehr als die ersten zwei Zeilen gelesen zu haben.
Es war hoffnungslos. Gerade, als ich mich dem Dokument wieder mit neuem Ehrgeiz widmete kam zu der Union der zwei Schweißtropfen noch ein dritter hinzu der das ganze Gebilde groß und schwer genug machte für den langen und beschwerlichen Weg durch mein Haar über meinen Nacken bis zu meinem Hemdskragen.
Mit einem frustrierten Schrei sprang ich auf und fegte meinen Schreibtisch leer.
Mit einer einzigen Bewegung hatte ich meinen Zauberstab gezückt und schleuderte Flüche in jede Richtung. Kleine Explosionen und Feuer trugen noch mehr Wärme zu mir, und als vor mir die verkohlten Reste des Dokuments langsam zu Boden schwebten und dabei den ekelhaften Geruch verbrannten Pergaments verbreiteten schlug ich noch einmal mit der Faust auf den Tisch und verließ wutschnaubend mein Arbeitszimmer, ungeachtet der kleinen Brände und des Rauchs.
Die Hauselfen würden das übernehmen, einschließlich der Reproduktion des Dokuments.
Eiskaltes Wasser lief über meinen mit Gänsehaut bedeckten Körper. Jeder Zentimeter meiner Haut schien zu klingeln und zu vibrieren. Dann wurde sie taub. Dann wurde mir Kalt.
Ich stellte den Wasserhahn auf lauwarm und dann wieder etwas kälter, dann wärmer, dann wieder kälter…
Mit knirschenden Zähnen schloss ich den Wasserhahn. Obwohl ich keinen einzigen Tropfen warmen Wassers aus dem Hahn hatte kommen lassen wurde ich sofort von einer Wolke Wasserdampf umwallt.
Es war frustrierend.
Gab es denn keine Macht auf Erden die es mir erlaubte meine Arbeit bei einer angemessenen Temperatur zu erledigen?
Warum musste ich mich überhaupt mit solchen Nebensächlichkeiten abgeben?
Warum hatte in all den Jahrtausenden unserer Existenz kein einziger verdammter Zauberer einen Zauberspruch oder einen Trank gegen Hitze entwickelt?
War es im alten Ägypten vielleicht nicht heiß genug gewesen?
Meine Stirn sank gegen die kalten Fliesen. Die hohe Luftfeuchtigkeit verhinderte, dass meine Haut trocknete, und so mischte sich die Feuchtigkeit auf meinem nackten Körper schnell mit einer brandneuen Ladung Schweiß und ich fühlte mich wie in Honig gewälzt.
Irgendjemand sollte sich wirklich einen Trank ausdenken, der eine solche Folter verhinderte…
Ich notierte mir in Gedanken dies dem dunklen Lord als neue Methode zur Gewinnung von Informationen vorzuschlagen. Lasst sie schwitzen bis sie den Verstand verlieren und euch alles sagen für eine kalte Dusche.
Einen Zaubertrank… Severus wäre sicher im Stande so einen Trank zu brauen…
Ich stellte das Wasser noch mal an und wusch mir die honigdicke Schweißschicht ab.
Eisiges Wasser tropfte durch mein immer noch warmes Haar und brachte wunderbare Abkühlung.
Vielleicht, wenn ich diesmal lange genug unter dem kalten Strahl aushielt, vielleicht würde ich es dann ja schaffen auch meinen Kopf abzukühlen?
Aber schon konnte ich meine Zehen nicht mehr spüren und meine Fingernägel wurden blau.
Ich würde Severus definitiv auf mein Problem ansprechen müssen.
Das Wasser das durch mein hüftlanges Haar sickerte floss oben kalt hinein und unten warm wieder hinaus.
Ich fragte mich, ob ich Severus mein Problem überhaupt würde erklären können. Der Mann hatte keinerlei Konzept von Hitzewellen oder zu viel Sonne… er hockte ständig in seinem Kerker… kalt und schattig war es dort….
Weniger als eine Stunde später trat ich aus Dumbledores Büro.
Natürlich hatte der alte Narr sofort eingesehen, dass es mehr als angebracht – nein, notwendig war, dass ich meinen allerärmsten Sohn aus nächster Nähe im Auge behielt.
Der Ärmste war – wie ich gerade erst zu meiner eigenen Überraschung herausgefunden hatte – zu einem Achtel eine Veela und es bestand das Risiko, dass sein Trieb einen Partner zu finden innerhalb der nächsten Wochen ausbrach. In einem solchen Fall wäre es natürlich notwendig ihn aus der Schule zu entfernen, damit er sich nicht die Nächstbeste aussuchte.
Immerhin war er ein Malfoy.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und einer verkleinerten Kiste voller Metflaschen unter dem Arm machte ich mich an den langen Abstieg von Dumbledores Turmzimmer hinunter bis in die Kerker.
Mit jedem Schritt wurde das Licht dämmriger, die Luft kühler, und mein Grinsen breiter.
