2. Kapitel
Der Schlüssel der Vergangenheit
„Narcissa Malfoy, pah!"
Sie öffnete den Kleiderschrank. All ihre Kleidung die sie hier in der nicht-magischen Welt trug, verwaschen und abgetragen, kamen, meist recht unförmig und wüst zusammengelegt, hinter den Türen zum Vorschein.
Sie schloss ihn wieder, nahm den reich-verzierten Schlüssel aus der Schatulle neben ihrem Bett, steckte diesen ins Schloss des Schrankes und drehte ihn zwei Mal.
„Narcissa Malfoy...DRACO Malfoy. Welch normaler Mensch gibt seinem Kind so einen Namen." Murmelte Meredith, mit nun verschränkten Armen vor dem Schrank stehend.
Das Licht in ihrem Zimmer war sehr schwach. Der einzigen Lichtstrahlen kamen von den kleinen Fenstern neben ihr.
Sie schaute sich um. Nein, sie wollte die Türen nicht öffnen. Nicht jetzt. Nie wieder.
Sie blickte auf die Urlaubsbilder auf ihrem Schreibtisch, auf ihr Bett, ihre Bücher, ihr Leben.
Das alles würde in Nichtigkeit untergehen, würde sie die Türen öffen.
„Lucius" flüsterte ihr Kopf.
Aber war es das nicht schon längst?
Ist ihre Welt, die sie sich aus den kostbaren Trümmern ihrer alten Existenz als Hexe des alten Avalons aufgebaut hatte, nicht schon untergegangen, als Severus Snape, alter guter Freund, in der Tür stand? Oder davor, vor 13 Jahren, als dieser Streit...
Sie sah auf die Uhr. 19.47 UHR strahlte ihr alter Funkwecker sie an. Die Sonne war nun komplett verschwunden und die Rothaarige stand nun in der Dunkelheit.
Treppen knarrten und Sekunden später stand Granny im Raum
„Meredith, Kind. Was treibst du hier oben? Komm, lass uns eine Runde Rommé spielen!"
„Ja, Großmutter. Geh du nur schon mal vor und schenk den Tee ein, ich komme gleich."
Die Alte schickte sich an zu gehen, „Ach, Liebes?"
Meredith hatte jetzt wirklich keine Lust auf Gesellschaft. „Ja, Granny?"
„Wer war der Mann von heute Nachmittag eigentlich?"
„Ein alter Freund von mir." Vorsichtig versuchte sie ihre Großmutter aus ihrem Raum zu schieben.
„Ah." Ihre Miene verzog sich. „Ich hoffe es war nicht dieser rüde Mensch, dieser... dieser Laurence, oder wie der hieß. Der ist nicht gut für dich!" Ermahnend hob die betagte Frau einen verrunzelten Zeigefinger. Es war das erste Mal, dass Granny etwas über Lucius sagte.
„Nein. Granny. Die Sache hat sich schon erledigt. Geh du nur." Mit diesen Worten schloss Meredith die Tür vor Granny.
‚Sie hat Recht', dachte Meredith. Das war es nicht wert. Sie sah den Schlüssel, der immer noch in ihrer Hand lag, an. Wie aus sich aus einer Trance zu retten, schüttelte sie den Kopf.
‚Nein. Ich werde jetzt runter gehen und mit Granny Karten spielen, so wie jeden Donnerstag." Entschlossen wollte sie zur Tür, doch sie konnte nicht.
So wie jeden Donnerstag. Meredith Temper, eine der letzten Hexen die ihre Wurzeln im legendären Avalon haben, abgesehen von Granny, sitzt rum und spielt Karten, obwohl sie ein Teil des Plans sein könnte, Voldemort zu Fall zu bringen?
"Lucius und Narcissa Malfoy" hallte es in ihr wieder.
„Meredith!" Unsanft wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
„Ich komm' doch schon!"
Doch anstatt sich nach unten zu begeben, starrte sie wieder wie gebannt auf den Schlüssel.
Sie könnte es tun. Sie müsste sich nur schwören, Lucius nicht die Beachtung zu schenken, die er wollte, möglichst kalt zu wirken, möglichst unnahbar.
Kein Problem. Sie war sowie schon auf 180... Narcissa zu heiraten! Gerade DIE!
Sie atmete schwer, als sie den Schlüssel näher ans Türschloss brachte.
Ihr Hirn sagte: „Oh Gott, tu's doch endlich. Oder willst du den Rest deines Lebens mit Granny Karten spielen?" Doch ihr Herz sagte:" Wenn du ihn mich noch einmal brechen lässt, töte ich dich. Und, vergiss nicht, ich bin dein Herz, ich höre einfach auf zu schlagen."
Sie wollte gehen, sie wollte es wirklich, doch wie von Geisterhand zog sich der Schlüssel die restlichen Millimeter, die zwischen ihm und dem Schrankschloss noch fehlten, selbst in die Öffnung, drehte sich mit einem leisen Knacken und eröffnete Meredith den Blick auf all die Dinge, die sei seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Vergessen wollte.
Ihre Bücher, der leicht verbeulte, angerußte Kessel, die alte Schuluniform und andere, der magischen Welt angehörende Kleidung. Aber auch Dinge, die der schwarzen Magie angehörten, mit denen sie aber umgehen konnte erkannte sie wieder. Und da, in der hintersten Ecke des Schrankes, neben dem alten Komet 300 war sie. Die Truhe mit all den gemeinsamen Erinnerungen an Lucius und sie.
Ihre Hände zitterten als sie die grobschlächtige Kiste öffnete. Ein altbekannter Geruch zog durch den Raum und lies sie erschaudern. Er roch so.
Der Inhalt war, bezogen auf die Größe der Truhe eher spärlich. Da waren Fotoalben, Ringe und Halsketten. Alles wunderbar gearbeitete, sehr wertvolle Schmuckstücke.
Doch sie suchte etwas anderes.
Wo war es nur? Es musste bei dem Schmuck sein. Oder hatte sie es aus Wut weg geschmissen?
Ah, jetzt erinnerte sie sich wieder. Es war in einem der Fotoalben. Irgendwo zwischen den Seiten des Bordeauxrotem. Wo war es nur... Wo...ah, da. Voller Staub.
Sie öffnete es.
Auf der ersten Seite war sie selbst als Mädchen von 13 Jahren in der Schuluniform von Slytherin. Ihre Mutter war nicht gerade begeistert gewesen...
Auf der nächsten Seite stand Severus neben Gregory Goyle. Snape war deutlich anzusehen, dass er schon damals nicht gerne angeglotzt wurde. Nicht mal durch ein Kameraobjektiv.
Sie fühlte etwas Unförmiges zwischen den Seiten und wusste, dass sie gefunden hatte, wonach sie die ganze Zeit so fieberhaft gesucht hatte. Schnell überschlug sie die Seiten, bis sie den Anhänger sah.
Ja. Ein dünnes, silbernes Armband auf dessen eckigem Anhänger kunstvoll ein edles „M" eingraviert worden war. Lucius hatte es ihr geschenkt, als er von der Schule abging und sie noch volle zwei Jahre durchhalten musste ohne ihn täglich sehen zu können.
Normalerweise tragen diese Anhänger nur Mitglieder der Familie Malfoy.
Doch sie liebten sich so sehr, dass beide dachten, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis sie heirateten.
Traurig besah sie sich des kleinen Quadrates, das zwischen den Seiten baumelte. Erst da bemerkte sie, welche Fotos zwischen den Seiten ruhten.
Auf der linken Seite klebte das Abschlussfoto aller vier Abgangsklassen der Schule und auf der Anderen sie und Lucius wie sie sich küssten. Sie hasste die magischen Bilder gerade jetzt am meisten, da sie es kaum ertragen konnte, zu sehen wie er sie immer wieder an sich drückte, und sich ihre Lippen sanft berührten.
Sie sah noch einmal aufs Klassenfoto. In den letzten Jahren war es nicht so gewesen, dass sie gar nicht wusste, was in der magischen Welt passiert war. Im Gegenteil. Sie studierte den Propheten recht häufig und von dem was sie wusste, konnte sie ohne Probleme abzählen, wie viele auf diesem Foto noch lebten...
Das Ergebnis schockierte sie. Und sie wusste was sie zu tun hatte.
