Kapitel Einundzwanzig: Das letzte Gebet
Das Wetter hatte sich im Laufe des Tages gebessert und der Himmel war nun wolkenlos, sodass der aufgehende Vollmond alles in ein angenehmes Licht tauchte.
Lady Integra Wingates Hellsing war auf dem Weg in das Museum für Kunstgeschichte und Literatur in der Wellingsstreet, wo sie sich mit Enrico Maxwell dem Leiter der Iskariot Organisation treffen wollte. Es hatte sie mindergesagt etwas überrascht, als Maxwell sie am Vormittag angerufen hatte und sie zu ebenen diesem Museumsbesuch eingeladen hatte. Sie hatte seiner Einladung nur aus blanker Höflichkeit statt gegeben und sogar das Essen mit Lara im Rush abgesagt. „Alucard", bluffte die Blonde befehlend. „Ja meine Herrin", kam es prompt aus den Schatten ihrer Limousine. „Ich warne dich, halte dich zurück! Ich will nicht wieder so einen Tumult wie den, in der U- Bahn, vor einem Jahr. Lass Anderson in Ruhe!" sagte sie kalt. „Wie Ihr wünscht, mein Meister". Mit diesen Worten war der Schatten auch schon verschwunden.
Die Hallen des Museums waren bis auf drei Personen menschenleer. Lady Hellsing, Enrico Maxwell und Pater Ronaldo schlenderten von einem Bild zum anderen und betrachteten diese schweigend. Das Mondlicht flutete den Raum durch die im Dach eingelassenen Fenster und kleine Wandlampen erleuchteten den Raum. Innerlich kochte Integra vor Wut, auch wenn man es ihr äußerlich nicht ansehen konnte. Als sie hier angekommen war, hatte Maxwell bereits vor der Türe auf sie gewartet und sie nach einer knappen Begrüßung ohne weitere Worte von einem Bild zum anderen geschleift. So ging es nun schon eine ganze Stunde und der Leiter der Iskariot Division hatte sich bisher noch mit keinen einzigem Wort zu seinen Beweggründen bezüglich seiner Einladung geäußert.
„Jetzt reicht es mir!", dachte Integra und blieb mit stolz erhobenen Haupt stehen. „Maxwell, weshalb hab Sie mich hier her bestellt?", fuhr ihn das Oberhaupt der Hellsing Organisation zornig an. Dieser drehte sich nur mit einem gehässigen Grinsen auf dem Gesicht um und blickte sein weibliches Gegenüber herablassend an. „Weshalb ich dich hier her bestellt habe, du britische Drecksschlampe, deren Mutter eine Hure war? Die Iskariot Division wird deine kleine Organisation zerquetschen und du wirst auf dem Scheiterhaufen brennen du Kleine..", weiter kam Maxwell mit seinen Beschimpfungen nicht, da in diesem Moment Alucards Stimme den Raum durchschnitt. „Hüte deine Zunge Judaspriester. Niemand nennt meine Herrin ungestraft eine britische Drecksschlampe und beschimpft die verstorbene Lady Hellsing als Hure", kam es aus den Schatten hinter Integra. Etwas geschockt sah Maxwell zu wie sich die schlanke Figur von Alucard hinte! r seiner Herrin, mit gezogener Waffe manifestierte.
„Ah, Nosferatu Alucard! Hellsing s Schosshündchen und Retter der Menschheit", entgegnete er sarkastisch nachdem er sich einigermaßen wieder gefangen hatte. „Anderson!"
Wie zuvor schon Alucard erschien Pater Alexander Anderson aus den Schatten seines "Mentors" und bezog mit gezogenen Bajonettschwertern hinter Enrico Maxwell Stellung. „Na dann, bringen wir doch das Versprochene von vorhin zu Ende", meinte Enrico selbstsicher und zog nun seinerseits eine Handfeuerwaffe aus seiner Robe. Doch weiter kam er nicht mehr, da in diesem Moment alle Lichter im Raum erloschen und eines der oberen Dachfenster mit einem lauten Knall in tausende von Einzelteilen zersplitterte, während eine in einem schwarzen Ledermantel bekleidete Gestalt zu Boden fiel und in einer leicht knienden Haltung aufkam.
Lady Lara von Crosswell hatte das Geplänkel zwischen Integra und Enrico Maxwell aufmerksam verfolgt und hatte eigentlich nicht vorgehabt sich einzumischen, doch nun da ihr Vater ihre einzige wirkliche Freundin mit einer Waffe bedrohte und auch Xander in großer Gefahr schwebte entschied sie sich doch dazu einzugreifen. Schnell zog sie einen kleinen silbernen Ball aus ihrer Manteltasche und legte diesen auf die Fensterscheibe, nachdem sie dies erledigt hatte schwang sie sich in einer fließenden Bewegung auf die Scheibe und zertrat den Ball. Sogleich wurde durch das zertreten des Balles ein elektrischer Impuls ausgelöst, welcher zum einen stark genug war um einen Stromausfall zu bewirken und zum anderen das Glas zum zersplittern brachte. Elegant ließ sie sich durch das Fenster auf dem Dach, von wo aus sie die ganze Szenerie bis jetzt verfolgt hatte fallen und landete in leicht kniender Haltung mit nach unten gerichteten Kopf auf dem Boden des Museums.
Alle Beteiligten starrten auf die schwarzhaarige Gestalt die immer noch in kniender Haltung und mit vor dem Gesicht hängenden Haaren keine zwei Meter neben Enrico Maxwell heruntergekommen war. Ganz langsam, schon fast so als wäre die Zeit stehen geblieben erhob sich Lara und sah ihren Vater aus funkelnden Augen aufmerksam an. Dieser schien mit jeder Sekunde mehr Panik zu bekommen, was er jedoch nach außen hin extrem gut zu verbergen wusste und wich mit erhobener Waffe immer weiter zurück. „Du!", raunzte er. „Maxwell!", sagte sie mit monotoner Stimme. Dieser wich nun schneller zurück und versuchte sich hinter den Patern Ronaldo und Anderson zu verstecken. „Ich hatte dich gewarnt", fuhr Lara mit gleichgültiger Stimme fort und ging Schritt für Schritt auf Maxwell zu. „Du...du glaubst doch wohl nicht, dass ich Angst vor dir habe du kleine Missgeburt", entgegnete Maxwell und gab Pater Ronaldo ein, nur von La! ra bemerktes, Zeichen. Sogleich stürzte der Pater auf Lara zu und versuchte sie mit geweihten Dolchen zu treffen.
Die Dolche wirbelten nur so umher, doch Lara wich diesen mit dem einem und anderen Salto und Rad aus, sodass keines der Wurfgeschosse sie traf. Im Gegenzug zu Ronaldos Dolchen zog die junge Frau nun während sie weiteren auf sie zufliegenden Dolchen auswich ihre Jacull 454 und schoss. Der Schuss durchschlug den Schädel des Iskariotjünger mit solch einer Wucht, sodass es diesem den Schädel in viele kleine Einzelteile zerschlug. Mit Entsetzen starrte das Oberhaupt der Iskariot Organisation die Überreste seines persönlichen Sekretärs an und verkroch sich noch weiter hinter Anderson.
„Xander geh zur Seite, bitte", flüsterte Lara sanft, aber bestimmt. Andersons und Laras Augen trafen sich und der Pater schaute die Schwarzhaarige aus weichen Augen an. Mit einem letzten Blick auf Enrico Maxwell und mit leichten Schritten entfernte er sich von diesem. „Er gehört dir. Ich werde für seine Seele beten", erklärte Anderson noch und verließ das Museum durch einen Seitenausgang.
Integra sowie Alucard hatten die ganze Szenerie die ganze Zeit schweigend beobachtet und waren über das plötzliche Erscheinen von Lara von Crosswell sehr überrascht gewesen. „Wovor hat Lara, Maxwell gewarnt? Und warum hat dieser so große Angst vor Lara?", die Gedanken wirbelten nur so in Integras Kopf und lösten einen Sturm von unbeantworteten Fragen aus.
„Peng", ein einsamer Schuss durchbrach die Stille, die sich wie ein eisernes Tuch über den Raum gelegt hatte. Maxwell hatte es tatsächlich gewagt auf Lara zu schießen und diese sogar an der Hand gestreift. Ungerührt dessen ging Lara immer weiter auf ihren Vater zu und zielte nun mit ihrer Handfeuerwaffe auf sein linkes Bein, ehe sie ungerührt von dessen Zurückweichen schoss. Die Kugel traf zielsicher ihren Bestimmungsort und Maxwell fiel mit einem lauten Aufschrei zu Boden und blieb wimmernd dort liegen.
„Du...du gottverdammte!", schluchzte er als Lara vor ihm stehen blieb. „Dein Gott wird dir nichts mehr nützen, Enrico. Ich habe dich gewarnt, abzureisen und nie, nie wieder zu kommen. Du hast mein Leben schon schwer genug gemacht", zischte Lara mit emotionsloser Stimme. Mit einer fließenden Bewegung schob die Schwarzhaarige nun ihren Mantel ein kleines Stück nach hinten und was darunter zum Vorschein kam ,brachte Maxwell dazu seine Augen weit auf zu reißen und so gut es ging von seiner Tochter zurück zu weichen. Nach wenigen Meter jedoch berührte sein Rücken die Wand und er kauerte sich angstüberwältigt zusammen. „Nein... nein", weinte er. Ja tatsächlich Enrico Maxwell der sonst so für seinen Spott und seine herablassende Art bekannt war, weinte wie ein Baby, dem man den Schnuller weggenommen hatte!
Doch selbst sein Weinen konnte Lara nicht mehr erweichen, zu viel Schmerz und Hass hatten sich in all den Jahren angesammelt und die "umgängliche Art" ihres Vaters auf dem Wohltätigkeitsball hatten das Fass, dass eh schon übergelaufen war, Sintflutartig umgekippt. Noch einen Augenblick länger als nötig gewesen wäre weidete sie sich an den Todesängsten ihres Erzeugers und folgte seiner Blutspur die er am Boden hinterlassen hatte. Hierbei zog sie nun, dass Objekt welches Maxwell´ s Ängste heraufbeschworen hatte und ließ es spielerisch durch die Luft schwingen.
Das sirrende Geräusch von Laras Schwert durchschnitt die Stille wie ein Glockenschlag und veranlasste Maxwell zu weiteren für ihn total untypischen Flehorgien. „Bitte, bitte verschone mich! Lara! Lara! Du…du wirst doch wohl nicht deinen eigenen…eigenen Vvvvvater töten wollen…oder? Überleg doch!", flehte er die junge Frau die vor ihm mit erhobenen Schwert Stellung bezogen hatte an.
„Vater!", durchfuhr es Integra wie ein Schlag. Das konnte doch unmöglich sein! Maxwell hatte keine Kinder soweit sie informiert war. Weshalb also behauptete er jetzt so etwas? Andererseits warum sollte er Laras Leben schwerer gemacht haben? All diese Fragen brachten Integras Gehirn an den Rande der Verzweiflung und auch Alucard schien diese Neuigkeit nicht kalt zu lassen. Er stand mit zu Schlitzen verengten Augen, die stur auf Lara fixiert waren, da und beobachtete jede Regung in deren Gesicht, jede Bewegung ihres Körpers. Nun schien sich etwas in seinem Gesicht zu regen. Die Muskeln um seinen Mund fingen verdächtig an zu zucken, bis er schließlich anfing zu lächeln. Es war kein aufgesetztes Lächeln, eher ein schadenfrohes und grausames Lächeln welches Integra nur all zu gut von Alucards Missionen her kannte. Anscheinend bereitete es ihm größte Freude seiner Kommandantin zuzusehen wie sie ihren eigenen Vater und den Erzfeind der Hellsing Organisation in Angst und Schrecken versetzte.
Lady Lara von Crosswells Antwort bestand in einem kalten und grausamen Lachen das von den Wänden wieder hallte wie ein Donnerschlag. „Du flehst mich an dein Leben zu verschonen? Ausgerechnet du! Du der du mein Leben für ein bisschen Geld sofort hättest beenden lassen! Du der zugesehen hat wie ich in den Tiefen der Themse versunken bin und fast gestorben wäre! Du der mich im Vatikan hast eingeschlossen und mir jede noch so kleine Bitte in Gottes Namen hast verboten! Du, ja du willst das ich dich verschone? Du hast dein Urteil selbst gesprochen und wirst nun endlich für alles bezahlen was du mir und allen anderen zugemutet hast!", spie Lara förmlich aus. „In Enomine Patres. Armen!", mit diesen Worten ließ Lara ihr Schwert niedersausen und durchspießte Maxwell direkt durch dessen Hals hinein in dessen Körper. Mit aufgerissenen Augen starrte Maxwell in die Höhe und ehe ein letztes gurgelndes Geräusch seinen letzten qualvollen Atemzug abschloss erschlaffte sein Körper.
Mit leicht angewidertem Blick zog die Schwarzhaarige ihr Schwert aus dem Körper ihres Vaters und wischte die Klinge an ihrem Mantel ab, ehe sie sich auf dem Absatz umdrehte und schweigend, mit den Gedanken woanders, an Integral Wingates Hellsing und Alucard vorbei zum Ausgab ging.
