Disclaimer:
Die Augen meiner Mistress sind in nichts wie die Sonne...
Oh, hör auf, Francis Bacon zu zitieren, Bill!
JKR's oder nicht JKR's, das ist hier die Frage...
Schatten der Wahl
2. Zerrissenes Netz
Tigris ging den Zug entlang und beobachtete beiläufig die vorbeihuschende Landschaft vor den Fenstern. Abgesehen davon, dass ihr Vater sie persönlich zum Zug gebracht hatte, war der Beginn dieses Schuljahrs bisher nicht sehr aufregend gewesen. Tigris war enttäuscht, dass Blaise nicht mit Millicent in ihr Abteil gekommen war. Millicent sagte, seine Freundin wäre in ein Buch vertieft und aufgeregt wegen irgendwelcher Nacharbeiten, die sie noch nicht erledigt hatte. Es ärgerte ihn ein wenig. Er hatte sie seit der Geburtstagsfeier nicht gesehen, und hatte gedacht, Blaise wäre ebenso begierig, ihn wieder zu sehen, wie er sie.
Tigris kam zu der Tür des Vertrauensschülerabteils und zog sie mit etwas mehr Kraft als nötig auf. Er fand sich einer überraschten Hermione Granger gegenüber, die schockiert auf sein Abzeichen starrte.
„Malfoy! Du bist der Schulsprecher?"
Der Ausdruck in Hermiones Gesicht amüsierte und ärgerte Tigris zugleich. „In der Tat. Was, wenn ich fragen darf, ist so überraschend daran?"
Tatsächlich war er selbst recht überrascht gewesen, als er den Brief bekommen hatte, aber er hatte nicht vor, das Hermione zu sagen.
Sie starrte ihn an. „Aber… du bist erst ein Jahr in Hogwarts, und…"
„Und was?", fragte Tigris ungehalten. „Ein Slytherin vielleicht?"
„Nein, das meinte ich nicht!" Hermione atmete tief durch. „Es ist nur überraschend, das ist alles. Ich nehme an, deine Noten müssen sehr gut gewesen sein…"
Seine frühere beste Freundin warf ihm einen unsicheren Blick zu. Es war offensichtlich, dass sie ihm nicht traute.
„Das waren sie.", sagte Tigris kühl.
„Nun gut." Sie nickte zu sich selbst. Offensichtlich versuchte sie, die Fassung wieder zu gewinnen. „Weißt du, dass wir uns nach dem Willkommensfest mit Dumbledore treffen sollen? Wir müssen außerdem die Vertrauensschülertreffen organisieren und beaufsichtigen. Es gibt ohne Zweifel noch mehr Dinge. Ich hoffe, wir müssen uns nicht um die Schulfeiern kümmern, nicht dass wir nicht genug zu tun hätten, nun wo die NEWTs bevorstehen…"
„Redest du immer so viel?", unterbrach Tigris sie. Er wusste, sie redete soviel, weil sie nervös war, und es machte ihn zornig. Seit wann war Hermione so leicht nervös zu machen?
Hermione klappte den Mund zu und warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. „Ich wollte dir nur sagen, woran wir denken müssen."
„Ich weiß all das.", entgegnete Tigris. „Ich kann lesen, weißt du?"
Sie schnaubte und sah auf die Uhr. „Wo bleiben die restlichen Vertrauensschüler? Ich habe keine Lust den ganzen Tag hier zu verbringen."
„Collin kommt gleich.", sagte Ginny, die mit Hermione im Abteil gewesen war. „Er hat noch etwas mit Dennis zu besprechen."
Hermione verschränkte die Arme, was ihr eine beunruhigende Ähnlichkeit mit McGonagall verlieh. „Er muss doch wissen, dass dies hier wichtiger ist, als was immer er…"
In diesem Moment öffnete sich die Tür des Abteils und die restlichen Vertrauensschüler traten ein. Tigris lächelte Charles Moulsecombe und Lydia Grimstone zu, die die neuen Vertrauensschüler von Slytherin waren. Er kannte Lionel Thompson von Gryffindor, aber die anderen Fünftklässler waren ihm unbekannt. Er seufzte innerlich. Dies würde noch ein langer Tag werden.
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Nachdem sie die große Halle betreten hatten setzte Tigris sich neben Blaise, die noch immer in ihr Buch vertieft war. Sie zuckte zusammen und sah auf. Als sie ihn erkannte lächelte sie.
„Tigris! Es tut mir Leid, ich hatte noch soviel zu tun, ich habe es nicht geschafft, das Buch für Arithmantik zu Ende zu lesen und die erste Stunde ist Morgenfrüh. Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, aber können wir uns später unterhalten?"
„Natürlich.", sagte Tigris, und gab ihr einen flüchtigen Kuss.
Als seine Freundin sich wieder in ihr Buch vertiefte runzelte er die Stirn. Seltsam. Er hatte Blaise nie für jemanden gehalten, der seine Hausaufgaben vor sich her schob. Erst recht nicht Arithmantik. Aber Tigris' Gedanken wurden abgelenkt, da in diesem Augenblick der Sprechende Hut begann zu singen.
„Der Gründer Viere schufen mich
in Eintracht, doch zu teilen
so teilen muss ich, doch die Zeit
ruft mich zu warnen auf.
Klugheit verehrte Ravenclaw
doch herzlos wird Klugheit ohne Gewissen.
Loyalität und Akzeptanz erkämpfte Hufflepuff
doch darf Loyalität nicht Überlegung missen.
Tapferkeit schrieb Gryffindor auf seine Fahne;
Tapferkeit um ihrer selbst schafft rücksichtlose Toren.
Ehrgeiz ist im Banner Slytherins;
zu leicht geht unter Ehrgeiz Menschlichkeit verloren.
Stolz könnt ihr sein auf eures Hauses Gaben,
jedoch bedenkt, lasst nicht durch Stolz euch führen,
denn sonst, so fürchte ich, werdet ihr wie die Gründer einst
durch eben eure Gaben euer Wertvollstes verlieren."
Als
der Hut geendet hatte, herrschte einige Augenblicke eine betretene
Stille. Nicht einmal die
Erstklässler tuschelten. Schließlich
räusperte sich Professor McGonagall ein wenig verlegen und sah
auf ihre Rolle hinunter. „Alfalfa, Margarete!"
Ein maushaariges kleines Mädchen löste sich schüchtern aus der Masse der Erstklässler und hastete zu dem Stuhl. Als der Hut ausrief „Ravenclaw!" verschwand sie sichtlich erleichtert am Tisch der Falken. Danach verlief die Einteilung mehr wie gewöhnlich.
Als letztes wurde „Zabini, Sameth." nach Slytherin eingeteilt.
Sameth streckte Blaise die Zunge heraus, die ihm zugrinste. Der kleine Junge kam jedoch nicht zu ihnen, sondern gesellte sich zu den Erstklässlern am Ende des Tisches, wo er sich schnell mit einem breitschultrigen Rothaarigen in ein Gespräch vertiefte. Die beiden tuschelten und warfen verschlagene Blicke in ihre Richtung. Tigris unterdrückte ein Grinsen. Wenn er von den Weasley-Zwillingen etwas über Unruhestifter gelernt hatte, dann dass diese beiden garantiert welche waren.
Dumbledore hielt seine Ansprache wie jedes Jahr. Das einzig Interessante war die Vorstellung des neuen Lehrers für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Verdandi Hatkee war offenbar nach Nigeria zurückgekehrt. Der neue Lehrer, sein Name war Tilo Fides, war ein bebrillter Mann mittleren Alters, der Tigris mehr an einen Bürokraten erinnerte als an einen Kämpfer. Fides lächelte beinah schüchtern, als Dumbledore ihn vorstellte. Aus irgendeinem Grund verabscheute er den Mann vom ersten Augenblick an.
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Nach dem Fest ging Tigris neben Hermione zum Büro des Schulleiters hoch. Zwischen ihnen herrschte ein unangenehmes Schweigen. Tigris hasste seine neue Position bereits, bevor das Schuljahr richtig begonnen hatte.
„Also…", begann Hermione schließlich. „Hast du deine Ferien genossen?"
„Ja.", antwortete er. „Du?"
„Ja, das Wetter in Frankreich war wunderbar dieses Jahr."
Tigris sagte nichts darauf und die Stille kehrte zurück.
„Die Mutter von Dean Thomas wurde von Todessern angegriffen.", sagte Hermione plötzlich.
„Ja, ich weiß.", erwiderte er abwesend.
„Du weißt…", stammelte sie. „Aber wie, ihr Name war nicht in den Zeitungen?"
„Ich habe in den Ferien im Ministerium gearbeitet.", sagte Tigris kühl. „Ich habe Thomas dort nach dem Vorfall getroffen."
„Oh.", sagte sie etwas verlegen. „Tut mir leid."
Tigris verzog das Gesicht.
Sie erreichten den Gargoyle.
„Zuckerstangen.", sagte er gelangweilt. Snape hatte ihm das Passwort bei seiner Ankunft gegeben.
Dumbledore wartete wie immer hinter seinem Schreibtisch auf sie. Nach dem obligatorischen Zitronenbonbon, das Tigris ablehnte, folgte eine langweilige Zusammenfassung ihrer Pflichten als Schulsprecher. Zum Glück fiel die Organisation der Feiern nicht darunter. Tigris fragte sich, warum Dumbledore sie überhaupt zu sich gerufen hatte. Übernahm dergleichen nicht normalerweise McGonagall?
„Bitte, bleiben sie noch einen Moment, Mister Malfoy.", sagte Dumbledore, als Hermione aufstand um zu gehen. Sie warf Tigris einen neugierigen Blick zu, ging jedoch.
„Wie waren deine Ferien?", fragte der Schulleiter mit einem prüfenden Blick über seine halbmondförmigen Brillengläser hinweg.
„Ereignislos.", entgegnete Tigris. „Der Yorkshirepudding unserer Hauselfen ist allerdings wirklich gut. Ich kann ihn sehr empfehlen."
„Wie ich hörte hast du ein Praktikum im Ministerium gemacht."
„Ja, Madame Ringwood war so freundlich."
„Hast du dir bereits Gedanken über deine Zukunft gemacht?", fragte Dumbledore.
Tigris starrte ihn an und versuchte den Ärger, der in ihm kurvte im Zaum zu halten. Sechs Jahre lang hatte Dumbledore sich nicht im Geringsten darum gekümmert, wie seine Ferien verliefen, und nun plötzlich interessierte es ihn?
„Tatsächlich, das habe ich. Ich habe vor, nach Hogwarts im Ministerium zu arbeiten. Wenn meine Ausbildung abgeschlossen ist, suche ich mir vielleicht eine nette Hexe und lasse mich irgendwo nieder. Ein paar Kinder wären nicht schlecht. Was halten sie davon?"
Das Zwinkern in Dumbledores Augen ließ kaum merklich nach. „Das hört sich sehr nett an."
„Ja, das finde ich auch. War das alles, Schulleiter? Ich bin nämlich recht müde von der Reise, wissen Sie? Wenn nichts wirklich Wichtiges mehr ansteht, dann würde ich gerne gehen."
„Nein, sonst gibt es nichts.", sagte Dumbledore etwas niedergeschlagen.
„Nun dann." Tigris stand auf. „Einen schönen Abend noch, Schulleiter."
„Dir ebenso."
Er ging.
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Als Tigris von Dumbledore nach Slytherin hinunter kam war der Gemeinschaftsraum noch voll mit diskutierenden Schülern. Tigris hatte keine rechte Lust sich mit irgendjemand zu unterhalten. Er hielt flüchtig Ausschau nach Blaise, aber fand sie nicht, also zog er sich in seinen und Dracos Raum zurück. Das Passwort war bereits gesetzt (Draco und er hatten sich zuvor auf „Hyoscyamus" geeinigt), also war Draco bereits da gewesen, aber war offenbar wieder gegangen. Es war ihm nur Recht.
Tigris suchte die Phiole mit einem Trank hervor, den er am Tag zuvor gebraut hatte, und machte sich daran, die Schutzzauber auf dem Raum zu erneuern. Es wäre töricht gewesen anzunehmen, dass sie den Sommer überdauert hatten.
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Tigris sah Blaise den gesamten verbleibenden Tag nicht. Draco kam ebenfalls erst sehr spät, was bedeutete, dass er seine Zeit mit Athena Hector verbracht hatte. Das besserte Tigris' Laune nicht gerade. Er fiel in einen unruhigen Schlaf.
Ihr Stundenplan war der gleiche wie im Jahr zuvor, was bedeutete, dass Tigris als erstes am nächsten Morgen Alte Runen hatte. Normalerweise mochte er Toths immer energetische Art, aber dieses Mal ging sie ihm etwas auf die Nerven.
Tigris verbrachte die Zeit bis zum Mittagessen damit, in Büchern über die Dunklen Künste… nein, natürlich Verteidigung gegen die Dunklen Künste… zu blättern und fragte sich, ob er am Abend Zeit finden würde, in Slytherins Kammer zu gehen. Er sehnte sich danach, wieder ein Basilisk zu sein.
Der Nachmittag kam schneller, als erwartet. Tigris stellte fest, dass er sich nicht besonders auf Verteidigung gegen die Dunklen Künste freute. Er hatte wirklich gehofft, Hatkee wieder zu sehen, vielleicht spielte das eine Rolle bei seiner Abneigung gegen Fides. Sie war ein sehr guter Lehrer gewesen, und irgendwie hatte er nicht das Gefühl, dass das auf Fides zutraf.
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Die Klasse betrat den Raum zögernd und mehr als einer von ihnen bedachte den Lehrer, der hinter dem Pult in ein Buch vertieft war, mit neugierigen Blicken.
Tigris suchte sich einen Platz in den hinteren Reihen. Er hatte gehofft, dieses Jahr neben Blaise zu sitzen, aber diese hatte sich bereits mit Daphne in die vorderste Reihe gesetzt, also saß er wie ein Jahr zuvor mit Draco zusammen.
Nachdem alle sich gesetzt hatten, sah Fides von seinem Buch auf, räusperte sich und stand auf. Die leisen Gespräche im Raum verstummten.
Tigris musterte den neuen Lehrer und versuchte ihn besser einzuschätzen. Fides trug eine einfache braune Robe, die sein bürokratisches Äußeres noch verstärkte. Was ihm in der großen Halle entgangen war, war dass Fides ein Teil seines rechten Arms fehlte. Der Ärmel seiner Robe war kurz unter dem Ellenbogen zusammengenäht.
„Willkommen.", begrüßte sie der Lehrer mit einem etwas unsicheren Lächeln. „Wie ich gesehen habe, hatten Sie im Laufe Ihrer Ausbildung einen häufigen Wechsel an Lehrkräften in diesem Fach. Dies ist Ihr NEWT- Jahr, das wichtigste Jahr in ihrer Schullaufbahn, und ich hoffe, Sie ausreichend auf Ihre Abschlussprüfung vorbereiten zu können. Da Sie mit so unterschiedlichen Lehrern zu tun hatten, habe ich mich entschieden, den zweiten Teil dieses Jahres großteils mit Wiederholung zu füllen, in der Hoffnung einige Lücken die Sie vielleicht haben zu schließen."
Fides räusperte sich. „Da Sie im NEWT-Kurs sind, sind diese Lücken hoffentlich nicht zu groß. Das Thema dieses Jahres sind Dunkle Artefakte. Ein sensibles Thema, besonders in Zeiten wie diesen… Da Sie in diesem Kurs sind nehme ich an, dass die Dunklen Künste Sie besonders interessieren. Vielleicht, weil sie Auror werden wollen, und es ihnen wichtig ist alles über das zu wissen, wogegen Sie kämpfen werden."
Weasley schien bei diesen Worten ein Stück zu wachsen und Fides lächelte flüchtig und nickte ihm zu. „Ja, ja, das dachte ich mir. Oder vielleicht haben Sie andere Gründe…" Der Blick des Lehrers wanderte unwillkürlich zu der Seite des Raums, auf der die Slytherins saßen. „Wie auch immer. Bevor wir beginnen, liegt es mir am Herzen, ein paar Worte dazu zu sagen."
Fides hielt einen Moment inne und betrachtete sie ernst.
„Es sind leider dunkle Zeiten, in denen Sie diese Schule verlassen werden. Ein Krieg ist dabei zu beginnen, sehr wahrscheinlich einer der hässlichsten, die unsere Welt je erlebt hat.
Ich erinnere mich gut, es war eine Zeit ähnlich wie diese in der ich meinen Abschluss machte. Wie Sie war ich begierig, Teil der Welt dort draußen zu werden, für meine Ideale einzutreten… Ich kann das verstehen. Aber vergessen Sie eines nicht…
Auf welcher Seite Sie auch stehen… was immer sie sich erhoffen… wenn ich aus dem letzten Krieg eines gelernt habe, dann, dass die Ideale der Jugend nichts anderes sind, als das: Ideale. Nun, in der Sicherheit dieser Mauern, malen Sie sich diesen Krieg in romantischen Farben aus. Sie glauben für eine gerechte Sache zu kämpfen. Sie erhoffen sich Ruhm. Sie glauben, dass Sie unsere Welt zum Besseren verändern werden. Hören Sie auf meine Warnung, die Realität ist alles andere als romantisch.
In der Jugend sieht man so oft alles nur schwarz und weiß, und diese Zeiten sind kaum geeignet, es besser zu lernen, im Gegenteil. Nun glauben Sie noch, Ihre Seite würde niemals Fehler begehen, Sie glauben, alle ihre Opfer seien schuldig, oder wertlos… ja, es ist faszinierend, mit welchen Entschuldigungen der menschliche Verstand Unmenschlichkeit rechtfertigt… aber an einem Punkt Ihres Lebens werden Sie erkennen, dass Sie sich selbst belogen haben. Krieg kennt keine Schuldigen oder Unschuldigen. Bald schon werden Menschen gegeneinander kämpfen, welche einst beste Freunde waren, und jeder von ihnen wird ohne Zweifel daran glauben, im Recht zu sein. Ihr Ruhm wird schal schmecken, wenn Sie sich an die Verwandten und Kameraden erinnern, die an Ihrer Seite starben. Wenn sie denn nur sterben… Schließlich haben wir brillanten Zauberer genug Flüche erfunden, die ein weit schlimmeres Schicksal bescheren.
Sehen Sie sich um! Noch sitzen Sie friedlich beisammen, Rivalen vielleicht, aber nicht Feinde darauf aus einander zu töten. Wenn ich Sie in zwanzig Jahren erneut hier zusammenrufen würde, wie viele Plätze würden wohl leer bleiben? Zu viele, fürchte ich. Ich weiß, dies sind Worte, die Sie nicht hören wollen. Auch ich hätte Sie wahrscheinlich ignoriert, als ich in Ihrem Alter war. Aber als ich Sie heute vor mir sah, konnte ich nicht anders, als sie auszusprechen. Sie erinnern mich an meinen alten Jahrgang… Jahrgang 1973. Von meinen damaligen Klassenkameraden ist nur noch einer außer mir am Leben."
Fides Blick wanderte zu Neville. „Sie sollten ihn kennen, Mister Longbottom, denn es ist Ihr Vater. Ein mutiger Mann, Frank, aber er ist nicht durch seinen Mut berühmt geworden. Ich wünsche mir für Sie, dass Ihrer aller Zukunft besser verlaufen wird als die meines Jahrgangs."
Fides lächelte freudlos und schwenkte seinen Stab in Richtung der Tafel. „Das war alles, was ich zu sagen hatte, ich hoffe, es fällt nicht völlig auf taube Ohren. Ich wünsche es mir für Sie. Machen Sie nicht die gleichen Fehler die wir gemacht haben. Handeln Sie weiser."
Der Lehrer machte eine nachdenkliche Pause und nickte zu sich selbst. „Nun aber haben wir eine Stunde zu beginnen. Bitte schlagen Sie ihr Buch auf Seite 240 auf. Nächste Stunde werde ich einen Test über die folgenden drei Kapitel stellen, also sollten Sie am besten jetzt zu lernen beginnen. Wenn Sie Fragen haben, beantworte ich sie gerne."
Tigris holte missmutig sein Buch aus der Tasche und schlug es auf der bezeichneten Seite auf. Er hatte es bereits gelesen.
Hermione hatte bereits ihre Hand gehoben, um eine Frage zu stellen, und Fides nickte ihr zu.
„Wann beginnen wir mit dem praktischen Teil, Professor?"
Fides lächelte ihr zu. „In drei Wochen, Miss…" Sein Blick wanderte auf ein Blatt Pergament auf dem Tisch. „…Granger. Wie ich schon sagte, dunkle Artefakte sind ein sensibles Thema, es wäre nicht gut, wenn Sie sich unvorbereitet damit auseinandersetzen würden."
Hermione schien damit zufrieden und vertiefte sich in ihr Buch.
Tigris blätterte lustlos eine Seite um, ohne sie gelesen zu haben. Er wusste schließlich bereits, was darauf stand. Nicht nur das, er wusste auch, dass das Buch bedauernswert unvollständig war. Er hatte einige Bücher über dunkle Artefakte, die nicht nur vollständiger, sondern auch korrekter waren.
„Ich wusste vom ersten Moment an, dass Hatkee um Längen besser war.", murmelte er.
Draco warf ihm einen Seitenblick zu. „Gib ihm etwas Zeit. Noch hat er nicht wirklich angefangen."
„Ja, genau das ist es. Bisher hat er uns nicht das Geringste beigebracht. Alles was er gesagt hat war nur sentimentales Gerede. Dies wird das langweiligste Jahr, das wir je hatten."
„Haben Sie eine Frage, Mister Malfoy?", ertönte Fides Stimme vom Lehrerpult aus.
„Nein, Professor.", sagte Tigris, unsanft eine weitere Seite seines Buchs umblätternd.
„Fünf Punkte von Slytherin für Reden während des Unterrichts. Bitte beschränken Sie ihre privaten Unterhaltungen auf Ihre Freizeit."
Der Rest der Stunde verlief, wie vorherzusehen, sehr still und sehr inhaltslos.
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Als sie nach dem Abendessen zum Gemeinschaftsraum zurückkehrten, beeilte Tigris sich, Blaise einzuholen.
„Ist deine Arithmantikstunde gut verlaufen?"
Sie zuckte leicht zusammen. „Ja. Ja, sehr gut, ich konnte alles aufholen. Hör zu, Tigris…" Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt.
„Sag mir nicht schon wieder, du hast etwas Wichtiges zu tun.", sagte er ärgerlich. „Hältst du mich für so blöd, dass du glaubst ich würde nicht bemerken, wie du mir aus dem Weg gehst? Wenn du Schluss machen willst, dann sag es mir gerade heraus!"
Sie sah Tigris erschrocken an. Ein paar Leute im Gemeinschaftsraum bemühten sich sichtlich, uninteressiert zu erscheinen, insbesondere Pansy, die mit dem Rücken zu ihnen auf einer nahe stehenden Chaiselongue saß und nicht gerade unauffällig ein Stück näher zu ihnen gerückt war.
„Nein, das ist es nicht!", sagte Blaise eilig. „Wirklich, ich… bin nur etwas im Stress, das ist alles."
„Erzähl das jemand anderen.", entgegnete Tigris ungehalten. „Komm mit, es wird höchste Zeit, dass wir uns unterhalten."
Blaise wirkte beinahe ängstlich, aber sie nickte mit einem hastigen Blick in die Runde und folgte ihm zu seinem Raum.
Tigris schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf sein Bett. Blaise zupfte nervös an ihren Ärmeln, aber setzte sich auf die Kante des Bettes, allerdings auf der Seite, die am weitesten von ihm entfernt war.
„Also, warum gehst du mir aus dem Weg?", fragte er.
Sie presste die Lippen zusammen und gestikulierte vage in den Raum hinein. „Hast du…"
„Ja, die Schutzzauber sind erneuert.", sagte er, nun neugierig. Was war Blaises Problem?
Sie vergrub ihre Finger in dem Bezug des Bettes und schien sich einen Moment zu sammeln. Dann sah sie zögernd auf.
„Ich weiß, dass du über den Sommer beigetreten bist."
Tigris gefror für einen Moment. „Und?", schnappte er dann. „Erzähl mir nicht, dass du deshalb Angst vor mir hast!"
Sie schüttelte hastig den Kopf. „Nein… Es ist nur… Ich…" Sie schien keine Worte für das zu finden, was sie sagen wollte.
Ein Gedanke kam ihm. „Moment… Wie kannst du davon wissen?"
Blaise wich etwas zurück, wie ein in die Enge getriebenes Tier. „Ich habe dich gesehen.", antwortete sie kaum hörbar.
Tigris öffnete den Mund, um nachzufragen, aber plötzlich schienen die Worte nur so aus ihr heraus zu sprudeln.
„Ich habe dich sofort erkannt, trotz der Maske. Ich würde dich überall erkennen. Es schien dir so leicht zu fallen, Lucius zu foltern." Sie schluckte und wandte den Blick ab. „Ich dachte, es wäre einfach, als ich beitrat. Nur Zauber wie alle anderen… aber dann konnte ich einfach nicht aufhören… Circe, ich sehe noch immer die Augen dieser Frau vor mir. Sie flehte die ganze Zeit, zu mir oder ihrem Gott, ich weiß es nicht… und ich fühlte nichts als Vergnügen. Vergnügen, und diese furchtbare Gier nach mehr…" Sie schluchzte und machte keine Bewegung, die Tränen zu trocknen, die ihr über das Gesicht liefen. „Er hatte Recht… Fides, meine ich. Ich habe es selbst vorgeschlagen, weißt du!" Sie lachte hysterisch auf und schniefte. „Ich hielt es für passend und unser Lord stimmte mir zu… er sagte, Rache wäre in der Tat ein nobles Motiv… ich habe mir niemals vorgestellt, dass es so sein würde…" Sie zitterte und schlang die Arme um sich.
Tigris hatte eine Weile gebraucht, bis er aus ihren Worten schlau wurde. Nun rutschte er zu ihr hinüber und legte den Arm um sie. „Redest du von Mrs. Thomas, Blaise?", versicherte er sich. „Das warst du? Als deine Initiation?"
Sie nickte schaudernd. „Ich verlor alle Kontrolle über mich. Ich dachte nur noch…" Sie hielt inne und sah ihn mit rot geweinten Augen an. „Wie konnte es dir anders gehen?"
Er strich ihr sanft über die Haare. „Das ergeht allen so, Blaise. Es ist die Natur der dunklen Künste. Mein Vater hat dafür gesorgt, dass ich Übung hatte." Zum ersten Mal war er seinem Vater wirklich dankbar dafür. „Mit Übung lernt man, sie zu beherrschen. Du hattest keine Chance."
„Warum hat er es mir nicht gesagt?", flüsterte sie. „Er hat nie etwas gesagt."
„Mein Vater?", fragte er verblüfft.
„Ja!", rief sie. „Wie glaubst du, bin ich beigetreten? Ich habe bei dem Quidditchspiel mit ihm geredet, erinnerst du dich? Wir schrieben uns danach… Wir haben viele gemeinsame Interessen. Lucius ist ein brillanter Politiker… er bot mir an, mich bei einer Karriere im Ministerium zu unterstützen. Wir trafen uns in den Ferien. Wir haben viel geredet. Ich habe es genossen, mit ihm zu reden. Es gibt so wenige Leute, mit denen ich wirklich reden kann, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie wirklich verstehen, was ich sage… Ich habe dir nichts erzählt, weil ich dachte, du würdest mich für närrisch halten… oder vielleicht weil ein Teil von mir wusste, dass es zu gut war um wahr zu sein, und ich fürchtete, du würdest mir die Wahrheit sagen. Ich wusste natürlich, dass er ein Todesser ist. Ich habe schon lange darüber nachgedacht, mich dem Dunklen Lord anzuschließen. Er wird diesen Krieg gewinnen, nun da Harry Potter tot ist, das ist offensichtlich. Ich war so dumm." Sie lachte erneut, diesmal bitter. „Ich dachte, ich könnte meine Bekanntschaft mit Lucius zu meinem Vorteil nutzen, dabei war ich nur eine Karte in seinem Spiel. Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es von Beginn an wissen müssen."
Tigris wusste nicht genau, was er fühlen sollte. Ärger auf seinen Vater, sicherlich. Doch andererseits war es verständlich, dass sein Vater sich nicht sehr um Blaises Wohlergehen sorgte. Es war ihre eigene Verantwortung, sich vorzubereiten, wenn sie dem Dunklen Lord beitreten wollte. Schließlich hatte Hatkee sie vor den Dunklen Künsten gewarnt, oder? Dass sein Vater sich von Blaise benutzen lassen hatte, um ihr den Beitritt zu ermöglichen, war nur zu verständlich. Vielleicht respektierte sein Vater sie sogar. Sicherlich schätzte er ihre Intelligenz. Umso weniger Grund hatte er gehabt, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Eine begabte, intelligente Hexe, so jung noch dazu? Der Dunkle Lord musste hoch erfreut gewesen sein.
„Du bist doch nicht dumm, Blaise.", sagte er zögernd. „Du musst doch gewusst haben, was es heißt, sich unserem Lord anzuschließen. Zumindest ungefähr. Du kannst nicht geglaubt haben, dass die Zeitungen nur Märchen erzählen."
„Natürlich nicht!", erwiderte sie aufgebracht. Sie presste die Lippen zusammen. „Ich wusste es… aber ich war auf gewisse Weise illusionistisch." Sie rang mit sich. „Ich dachte, es wäre anders… Es… es ist ein Unterschied, etwas zu wissen, vom Verstand her, und es zu erleben. Es hat mir Angst eingejagt, dass ich so vollkommen die Kontrolle verlieren konnte. Über mich selbst, über die Situation, über alles. Es ist als würde man sich die ganze Zeit für den Puppenspieler halten und merkt plötzlich, dass man selbst nichts anderes ist, als eine Marionette. Ich habe nie gedacht, dass meine Magie mir auf diese Weise in den Rücken fallen könnte."
Tigris seufzte. Er konnte nicht vollkommen nachvollziehen, was sie meinte, aber er konnte sehen, dass sie ernsthaft erschüttert war. „Ich verstehe noch immer nicht, warum du mir aus dem Weg gegangen bist."
Sie wandte den Blick ab. „Ich weiß es selbst nicht genau. Ich glaube, ich wusste einfach nicht, was ich zu dir sagen sollte. Ich wusste, wir sollten über alles reden, aber ich konnte einfach nicht. Ich denke, ich habe mich geschämt. Ich hätte dir sagen sollen, was ich tat, und ich habe bei etwas versagt, was dir so leicht fiel. Ich weiß, es ist irrational. Aber ich bin auch manchmal irrational." Sie lächelte ironisch.
Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich. „Willst du aussteigen?", fragte er leise.
Blaise schüttelte den Kopf. Ihre Haare verfingen sich in den Falten seiner Robe und er strich sie zurück.
„Nein. Nein, ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war. Es sind nur meine dummen Gefühle, die mir in den Weg kommen." Sie atmete tief durch. Er fühlte, wie sie zitterte. „Ich muss mich einfach besser unter Kontrolle bekommen. Es ist nur… es ist noch nie einer meiner Pläne derart schief gegangen. Vielleicht war ich mir meiner selbst zu sicher. Ich dachte, ich könnte keine Fehler begehen. Nun verfolgt mich der Gedanke, dass es erneut passieren könnte."
Tigris streichelte über ihren Rücken und lächelte. Das war so typisch für Blaise. Immer die Strategin. Aber auch Strategen konnten sich irren. „Du warst nicht genug vorbereitet. Du hattest nicht genug Informationen. Wenn du genau gewusst hättest, wie dunkle Magie wirkt, wäre das niemals geschehen."
Sie sah zu ihm auf und vergrub ihre Finger in seiner Robe. „Bring es mir bei.", sagte sie. Es war ein wilder, fast verzweifelter Unterton in ihrer Stimme. „Du kannst es, zeig mir, wie man es beherrscht. Es kann nicht erneut geschehen."
„Weißt du, was du da verlangst?", fragte er heiser.
„Nein. Aber du kannst es mir zeigen. Du weißt es. Bitte." Ihr Griff verstärkte sich noch, brachte ihn näher zu ihr. „Bitte."
Blaises Augen leuchteten in einem fieberischem Glanz, und trotzdem ihr Gesicht vom Weinen verquollen war, machte ihre Leidenschaft sie wunderschön. Dies war der Grund dafür, dass er sie begehrte: Ihre leidenschaftliche Entschlossenheit, ihr Wille, alles für das zu tun, was sie für richtig hielt. Wie konnte er diesem Wesen irgendetwas abschlagen? „Also gut.", sagte Tigris. „Ich werde es tun."
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Ein wenig später schlug die Tür auf. Draco stürmte herein und warf seine Tasche ärgerlich gegen die Wand. Sie ging auf und die Bücher verteilten sich auf dem Boden. Draco fluchte und warf ein Buch, das auf dem nahe stehenden Tisch lag gegen die gleiche Wand, so dass es sich zu dem restlichen Haufen gesellte.
Blaise war zusammengezuckt, als die Tür aufflog. Tigris selbst sah seinen Bruder verwundert an. Es war nicht alltäglich, dass Draco so die Kontrolle über sich verlor.
Als Dracos Blick auf ihn und Blaise fiel, atmete er tief durch. „Entschuldigt.", sagte er. „Ich habe euch nicht gesehen."
„Schon gut.", murmelte Blaise, sich von Tigris lösend. „Ich werde gehen. Ich habe ohnehin noch einen Aufsatz zu schreiben."
Bevor Tigris etwas sagen konnte, war sie gegangen.
Zu seiner Besorgnis über Draco mischte sich Ärger. Er hatte noch etwas Zeit mit seiner Freundin verbringen wollen. „Was ist los?", fragte er dennoch.
Draco ballte die Faust. „Ach… es ist nur diese verdammte, bigotte, voreingenommene Kuh McGonagall!"
Tigris zog überrascht die Brauen hoch. Es war nicht neu, dass Draco McGonagall nicht mochte, aber es war nicht seine Art, sie auf diese Weise zu beschimpfen. Sein Bruder musste wirklich wütend sein. „Was hat sie getan?"
Draco schnaubte. „Es geht mehr darum, was sie nicht getan hat. Sie weigert sich, mich in ihren NEWT-Kurs zu lassen." Sein Bruder trat wütend eins der Bücher.
„Glauben Sie wirklich, dass dieser Berufsweg der richtige für Sie ist, Mister Malfoy?", äffte Draco die Lehrerin nach, eine imaginäre Brille auf seiner Nase zurecht rückend. „Um die Wahrheit zu sagen, ich kann Sie nicht als jemanden sehen, der die nötigen Vorraussetzungen für einen Heiler aufweist. Ich fürchte, ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, ihrem Wunsch stattzugeben."
Draco trat ein weiteres Buch. „Sie kann mich mal. Warum sagt sie nicht gleich: Ich nehme Sie nicht, weil ich eine parteiische, heuchlerische Dumbledore-Nutte bin und Sie nicht ausstehen kann. Danke, Professor, das beruht auf Gegenseitigkeit! ‚Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren' – was für eine hirnverbrannte Scheiße!"
Tigris räusperte sich verlegen, etwas erstaunt über Dracos Wortwahl. „Was wirst du nun tun?"
Draco stieß die Luft aus und ließ sich auf sein Bett fallen. „Ich weiß es nicht." Er strich sich fahrig mit den Händen über das Gesicht. „Ich vermute, ich werde das praktische Jahr machen müssen, wenn ich noch immer Heiler werden will. Was bleibt mir anderes übrig? Es ist nur die Frage, wo."
„Vielleicht kann Vater etwas mit St. Mungos deichseln.", meinte er unsicher.
Draco lachte zynisch auf. „Vater? Bestimmt nicht. Du hast ihn doch gehört, er will keinen Heiler in der Familie. Ihm kommt McGonagalls Absage gerade recht."
Tigris biss sich auf die Lippen. Er wusste nicht, was er noch sagen konnte. Ihm fiel nichts mehr ein, was Draco helfen konnte.
Sein Bruder lächelte schwach. „Nun, wer weiß, was sich ergibt. Dies heißt einfach nur, dass ich definitiv nicht nächstes Jahr mit der Heilerausbildung anfangen kann. Bei allem anderen werde ich wohl abwarten müssen."
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Es war ein Tag später, als ihn Professor Snape auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum abfing. Tigris kam mit Blaise und Theodore von Verwandlungen und war bereits innerlich aufgebracht. McGonagall hatte ihnen einen Vortrag über die Wichtigkeit der NEWTs gehalten, bevor sie mit ihrem Lehrplan fort fuhr. In Verwandlungen würde es keine Wiederholung geben. Das, so McGonagall, war jedermanns persönliche Verantwortung. Ihr Thema war interessant, und sie bot für Interessierte einen Erweiterungskurs über Animagi an, aber er war noch zu verärgert über ihr Verhalten Draco gegenüber, um der Lehrerin die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie gewöhnlich in ihm geweckt hätte.
Professor Snape bat ihn, ihn zu seinem Büro zu begleiten.
Tigris verabschiedete sich von Blaise und folgte ihm.
Er fragte sich, was der Mann von ihm wollte. Da der Professor mit seinem Vater geredet hatte, musste er wissen, was in den Ferien geschehen war. Es war dem Mann nicht anzumerken, was er dachte.
Sobald sie das Büro betreten hatten, nahm Professor Snape seinen Stab und errichtete ein paar Schutzzauber. An diesen hatte Tigris, im Gegensatz zu Dumbledores, nichts auszusetzen. Gut, es mochte sein, dass Dumbledores Zauber so subtil waren, dass er sie nicht bemerkte, aber irgendwie bezweifelte Tigris das. Schließlich hatte er bereits Gespräche in Dumbledores Büro überhört, während er vor der Tür wartete. Er verdrängte seine Gedanken an den alten Mann und richtete seine Aufmerksamkeit auf Snape. Was konnte der Tränkemeister wollen? Es gab viele Möglichkeiten, keine davon gefiel ihm sonderlich.
Snapes Blick wanderte erneut über ihn, blieb einen Moment an seinem linken Arm hängen und huschte dann zu seinem Gesicht zurück.
„Wie ich erfahren habe, hast du dich entschieden dich uns anzuschließen."
Tigris schwieg. Snapes Blick war schwer zu deuten. Er bohrte sich in ihn, als würde Snape versuchen, seine Gedanken zu lesen, doch er benutzte keine Legilimentik. Was glaubte der Professor zu sehen? Nach all der Zeit, die Tigris den Mann kannte, konnte er ihn noch immer nicht einschätzen.
„Unser Lord wünscht, dass du Okklumentik lernst. Da ich ein gewisses Talent in dieser Hinsicht besitze, habe ich die zweifelhafte Freude, dein Lehrer zu sein."
Tigris blinzelte. Es kostete all seine Selbstbeherrschung, nicht laut aufzulachen. Belustigend, dass der Dunkle Lord und Dumbledore die gleiche Idee hatten. Nicht nur das, sie bedienten sich auch der gleichen Person dafür. Vielleicht sollte er den Professor bedauern.
Snapes Augen verengten sich ein wenig. „Erheitert dich etwas?"
„Wie sie wissen, bin ich bereits ein Okklumens, Professor.", erwiderte er, unfähig, sein Amüsement zu verbergen.
„Wir werden sehen müssen, wie fortgeschritten deine diesbezüglichen Fähigkeiten sind.", entgegnete Snape, mit einem Hauch seiner üblichen Boshaftigkeit in seiner Stimme. Vielleicht hatte seine Erheiterung ihn beleidigt.
Tigris' Gedanken schweiften einen Moment ab, so dass er keine Zeit hatte zu reagieren, als Snape seinen Stab auf ihn richtete.
„Legilimens!"
Tigris reagierte aus Instinkt heraus und stieß den angreifenden Geist gewaltsam zurück, anstatt einfach auf seine mentalen Schilde zu vertrauen. Eine Sekunde später fühlte er sich vorwärts gerissen, ähnlich wie in seinem fünften Schuljahr, als er den Protego-Zauber benutzt hatte. Nur, dass er nun mehr Erfahrung besaß.
Snapes Konzentration auf Legilimentik hatte einen Bruch in seinen Schilden hinterlassen, der Tigris einen Blick auf seine Gedanken gab, wie er ihn sonst niemals erhalten hätte. Er dachte nicht nach, bevor er die Chance ergriff.
Ein Teil von ihm war schon immer fasziniert von dem Rätsel gewesen, das Snape darstellte. Wäre er nicht ein Narr gewesen, nicht die Gelegenheit wahrzunehmen, es zu lösen?
Snape versuchte nun, Tigris aus seinem Geist zurückzudrängen. Offensichtlich hatte der Mann erkannt, was passiert war. Es war jedoch zu spät, Tigris war bereits tief in Snapes Gedanken, und nun war er zu stark um einfach verdrängt zu werden.
Also, was interessierte ihn am meisten? Die Frage, die ihn beschäftigt hatte, seit er Snape zum ersten Mal im Malfoy-Herrenhaus gesehen hatte: Wie war es dem Tränkemeister gelungen, den allwissenden Dumbledore zu hintergehen? Es war nicht nur Neugier, die ihn antrieb, es war auch ein praktisches Interesse. Wenn es Snape gelungen war, so konnte es auch ihm gelingen, richtig?
Tigris drang tiefer in den anderen Geist vor, dabei auf jedem Schritt gegen Snapes Bewusstsein ankämpfend, das zunehmend verzweifelter wurde. Snape wurde bewusst, dass er dabei war, zu verlieren. Snapes Gefühle kümmerten ihn in diesem Moment nicht, er war auf sein Ziel fixiert.
Die Erinnerungen, die er suchte, waren überraschend gut verborgen. Snape war offensichtlich klug genug gewesen, ein Denkarium zu benutzen. Was wenige wussten, war, dass auch Gedanken die sich in einem Denkarium befanden nicht vollständig aus der Erinnerung verschwanden. Sie lagen tief im Unbewussten und waren dadurch weit schwerer zu finden, aber sie waren noch immer da.
Tigris folgte seinem Instinkt, tief in die Erinnerungen des anderen. Flüchtige Bilder zogen an ihm vorbei, aber er beachtete sie nicht. Dann, plötzlich, war es als stieße er nach einem langen Tauchgang an die Oberfläche. Erinnerungen und Gedanken strömten ihm entgegen, überfluteten ihn. Sie fühlten sich anders an, als der Rest des Bewusstseins.
Ihm wurde klar, dass ein großer Teil dieses ‚äußeren' Bewusstseins verändert, zensiert worden war. Was er nun fand, war alles andere, als was er erwartet hatte. Einen Augenblick lang war er schockiert genug, um sich zurück stoßen zu lassen. Snape kämpfte noch immer gegen ihn an, auch wenn es nun keinen Sinn mehr hatte. Tigris wusste nun, was der Mann so heftig zu verbergen gesucht hatte.
Zurück in seinem eigenen Körper war er ein wenig benommen, aber nicht genug, um nicht sofort zu reagieren.
„Expelliarmus!", rief er.
Snapes Stab flog in seine Hand und Tigris steckte ihn ein.
Als er wieder mehr zu sich gekommen war, erkannte Tigris, dass sein Gegenüber sehr wahrscheinlich ohnehin nicht in der Lage war, etwas gegen ihn zu unternehmen. Der schwarzhaarige Mann kniete vor ihm und hatte mit beiden Händen seinen Kopf umklammert. Sein Atem ging abgerissen und hektisch.
Tigris wusste nicht genau, warum das, was er erfahren hatte, ihn mit solchem Zorn erfüllte. Er hätte die Möglichkeit in Betracht ziehen sollen, hatte es sogar vor einiger Zeit. Dennoch, in diesem Augenblick fühlte er nichts außer einer blinden Wut. Er richtete seinen Stab auf Snape.
„Verräter!"
Snape sah auf. Tigris konnte den Blick in seinen Augen nicht deuten. Dann lachte der Professor plötzlich, rau und abgehackt.
„Erheitert dich etwas, Snape?", zischte er, unabsichtlich die Worte seines Lehrers von einigen Minuten zuvor wiederholend.
„Ich halte es nur für ironisch…", keuchte Snape. „Nach all diesen Jahren unter Dumbledores idiotischen Lakaien, die alle ihre großen Mäuler nicht halten können… und was mich schließlich zu Fall bringt ist ein bloßes Kind…"
Tigris dachte nicht nach, einen Moment lang war alles was zählte die Wut die an ihm nagte und ihn verschlang. „Crucio!"
Snape hörte schlagartig auf zu lachen. Er fiel auf den Rücken und wand sich. Einige Augenblicke später schrie er.
Tigris beendete den Fluch schließlich, Snape verkrampft und zitternd auf dem Steinboden zurücklassend. Die Euphorie der dunklen Magie vermischte sich mit seinem Zorn und machte es schwerer für ihn zu denken. Aber er musste nachdenken, es war sehr wichtig.
„Wie konntest du es wagen!", schrie er, während er versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen.
Irgendetwas stimmte nicht mit seinem Zorn, er war zu plötzlich, zu intensiv. Tigris wünschte sich die Kühle und Rationalität des Basilisken, er musste nachdenken.
„Wie konntest du es wagen, deinen Meister zu hintergehen! Du hast dem Dunklen Lord Loyalität geschworen!"
Snape sog keuchend die Luft ein und stemmte sich hoch, schaffte es aber nur bis auf die Knie. Sein Blick war zornig. Tigris hatte gedacht, er hätte den Tränkemeister schon oft zornig erlebt, aber nun wurde ihm klar, dass das die meiste Zeit nur übertriebener Ärger gewesen war. Was er nun sah, war ehrlicher, gerechter Zorn.
„Wie konnte ich nicht?", spie Snape. Der Tränkemeister hustete und rieb sich Blut vom Mund. „Ich hatte einmal eine Patentochter. Ich musste mit ansehen wie sie zu Tode gefoltert wurde, nicht einmal drei Jahre alt. Ihr Körper war nicht mehr wieder zu erkennen, als wir sie begruben, und warum? Weil ihr törichter Vater sich entschied, sich seinem Herrn zu widersetzen, nur um eines Erbens willen! Was ist Bewundernswertes daran, sag es mir? Sie war reinblütig, ein kleines Kind, und ihre Eltern glaubten an ihn! Wo ist unser glorreiches Ziel dabei? Unser verehrter Lord ist ein psychopathischer, egomanischer Wahnsinniger!" Snape lachte erneut, hysterisch. „Er ist ein Verrückter, und wir sind genauso verrückt, weil wir ihm folgen."
Tigris fühlte, wie der Adrenalinrausch nachließ, ein dumpfes Gefühl der Übelkeit in seinem Magen zurücklassend. Er richtete seinen Stab erneut auf Snape. Er fühlte noch immer Wut, eine blinde, haltlose Wut und wenn er ihr nachgegeben hätte, hätte er alles zerstört was ihm in den Weg kam, wie eine tollwütige Katze… Doch das Gefühl war in die Distanz gewichen, als würde es zu einem unabhängigen Teil seines Selbst gehören, von dem er durch eine unsichtbare Mauer getrennt war. „Sprich nicht auf diese Weise über deinen Meister."
Snape lachte noch immer, verschluckte sich und hustete erneut. Die Hand, die er sich vor den Mund gehalten hatte war rot gesprenkelt. „Was willst du dagegen tun? Mich verfluchen?" Snape breitete die Arme aus. Er schwankte. Es war offensichtlich, dass er sich kaum auf den Knien halten konnte. „Los verfluch mich! Fluch mich zu Tode, es wird die Wahrheit nicht ändern!"
Tigris drehte seinen Stab unschlüssig zwischen den Fingern, dann steckte er ihn weg. „Nein."
Snape schloss resigniert die Augen und lächelte bitter. Die Kraft schien ihn zu verlassen. Er sank vornüber und stützte sich mit einem zitternden Arm auf dem Boden ab. „Nein, natürlich nicht.", murmelte er. „Es war kaum zu erwarten, dass das Schicksal einmal gnädig ist."
Tigris sah auf den Mann hinunter. Was sollte er mit ihm tun? Da war die offensichtliche Antwort: Seinem Vater mitteilen, was er erfahren hatte. Er würde sicherstellen müssen, dass Snape ihn nicht verriet, aber das war einfach. Der Professor mochte gegen seine Zauber ankämpfen, aber es würde ihm nicht gelingen, sie zu überwinden, bevor er von ihrem Lord gerufen wurde. Der Tränkemeister würde einfach spurlos verschwinden, bis seine Leiche auftauchte natürlich. Aber wann war die offensichtliche Antwort schon jemals die wahre?
Tigris empfand auf eine seltsame Art Respekt für diesen Mann. Snape war auf schmalem Grad gewandert, hatte beide Seiten gegeneinander ausgespielt und hintergangen, um seinen eigenen Zielen zu genügen. Dennoch, am Ende gehörte seine Loyalität mehr Dumbledores Seite als dem Dunklen Lord, und das war das Problem.
„Ich schulde dir mein Leben.", sagte er schließlich.
Snape sah ruckartig auf, einen Ausdruck der Überraschung auf dem Gesicht.
„Aber ich kann dich nicht einfach so gehen lassen. Würde ich das tun würdest du uns erneut verraten. Es ist schon irgendwie bewundernswert…", sinnierte Tigris. „Dieses Versprechen gegenüber Lily Potter zu benutzen unseren Lord dazu zu bringen dir wieder zu vertrauen, als er dich bereits verdächtigte… Weiß Dumbledore, wie viele seiner kostbaren Geheimnisse du geopfert hast?"
Etwas flackerte in Snapes Augen auf, Beunruhigung.
„Nein, das dachte ich mir. Ziemlich arrogant, dein Urteilsvermögen allen anderen für überlegen zu erachten. Oder ging es nur darum, deine Haut zu retten?"
Snape ballte die Fäuste, sagte aber nichts.
„Es wäre pedantisch von mir, das einem Slytherin zum Vorwurf zu machen. Wir sind schließlich keine Gryffindors, die fröhlich aus Pflichtgefühl ihr Leben opfern, nicht wahr?"
Snape starrte ihn an, offensichtlich bemüht herauszufinden, wohin sein Monolog führte.
Tigris grinste schief, doch innerlich war ihm übel. „Sag mir, Severus… Was bist du bereit zu tun, um dein Leben zu retten?"
Snapes bleiches Gesicht wurde noch ein wenig weißer. Er wandte das Gesicht ab. „Was willst du?"
Tigris setzte sich in einen der Stühle vor dem Schreibtisch und dachte nach. „Du hast mich und Draco bisher nicht an den alten Mann verraten, das halte ich dir zu Gute… Du verstehst sicher, dass ich nicht zulassen kann, dass dein kleines Spiel weiter geht."
Snape sah ihn nicht an.
„Von nun an wirst du nur einer Seite in diesem Krieg dienen. Unserer Seite. Ich riskiere mein Leben dabei, dich nicht auszuliefern, also zweifle nicht daran, dass ich dich umbringen werde, wenn du mich hintergehst. Du wirst mir freien Zugriff auf deine Gedanken gewähren. Ich verlange, dass du einen Zauberereid darauf schwörst. Darauf, und darauf, dass du geheim hältst, dass Draco und ich Todesser sind und das in deiner Macht stehende tust, um unsere Sicherheit zu gewährleisten."
„Ich brauche meinen Stab.", sagte Snape.
Tigris reichte ihn ihm, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Begeh keinen Fehler."
Snape lächelte humorlos und balancierte den Stab auf seiner Handfläche, wie Tigris es Dumbledore hatte tun sehen.
„Ich gebe dir mein Wort als ein Zauberer, mich an die von dir genannten Bedingungen zu halten." Der Stab wirbelte auf Snapes Handfläche herum, ein wenig länger als bei Dumbledore, aber kam schließlich zum Stillstand.
Tigris hatte dieses Ritual inzwischen nachgelesen und wusste, dass dies der Beweis dafür war, dass der Eid ernst gemeint war. Hätte Snape gelogen, wäre der Stab aus seiner Hand gefallen.
„Gut.", sagte er. Er zögerte einen Moment, dann ging er, Snape auf dem Steinboden kniend zurücklassend.
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Als Tigris in seinem Raum in Slytherin ankam, fühlte er sich erschöpft. Er setzte sich auf die Kante seines Bettes und vergrub den Kopf in den Händen. Manchmal wurde es einfach zuviel. Er wollte nicht mit dieser Sache umgehen müssen. Nicht jetzt, niemals.
„Was ist los?", fragte die Stimme seines Bruders vom anderen Bett.
„Nichts.", antwortete er. „Ich bin nur müde."
„Du lügst.", sagte Draco geradeheraus. „Bitte lüg mich nicht an. Ich habe genug von all unseren Lügen."
Tigris seufzte. „Ich kann es dir nicht sagen, und ich bin wirklich müde." Er sah auf und traf auf Dracos forschenden Blick. „Ich kann es dir nicht sagen.", wiederholte er.
Nach einer Weile nickte Draco. „Wenn du deine Meinung änderst… du weißt wo ich bin."
Vielen Dank für eure Reviews an: HermyBookworm, Dax, Adelaide, Mohnblümchen, Lobarie, Condor, betzi, Nissa7, SoleilNoir, Morwena, VirginiaBlack, Hed, Alanija, Esta, Papabear und an Plasmagun für ihre Fanart. Danke für alle eure lieben Wünsche.
A/N: Wie einige von euch bemerkt haben: Ja, die Ministerin war meine kleine Hommage an JKR. Ich hatte den Anfang erst ein wenig anders geplant, aber Amelia wollte sich nicht abwimmeln lassen...
Ja, die Ministerin ist Amelia Bones.
In der Tat, Ron wird erwachsener... Aber er wird dennoch immer Ron bleiben, fürchte ich. Er hatte eine Weile mit den Geschehnissen in seiner Familie zu kämpfen. Schließlich war er plötzlich „der Große", nachdem die Zwillinge ausgezogen sind, und das hat ihn ein wenig überfordert. Harrys Tod wird ihn noch eine Weile verfolgen.
