Disclaimer:

Jingle Bells, Jingle Bells...

Nur weil es schneit, ist es noch lange nicht Weihnachten.

Na und? Harry Potter gehört mir ja auch nicht, und ich schreibe trotzdem über ihn. Rudolph the red-nosed reindeer had a very shiny nose. And if you ever saw him…

Fröhlich darüber zu sein, dass es kalt und nass ist, wenn jede vernünftige Katze nur auf der Heizung liegen möchte... Die spinnen, die Zweibeiner.


Schatten der Wahl

6. Samhainklänge

Die Tage vor Halloween vergingen wie im Fluge, und plötzlich, bevor sie alle es wirklich begriffen hatten, stand das Fest vor der Tür. Die Unterrichtsstunden am Nachmittag waren abgesagt worden, so dass alle genug Zeit hatten, sich auf den Ball vorzubereiten.

Tigris fühlte ein nervöses Flattern im Magen, als er Draco dabei zusah, wie er sich zurechtmachte. Was sein Bruder an einer perfekten Illusion noch verbessern wollte, war ihm schleierhaft. Ihr Jahrgang hatte es am einfachsten gehabt, die Kostüme auszusuchen. Es gab alte Jahrbücher, welche Photos vom Jahrgang 1945 enthielten. Sie hatten sich nur noch einigen müssen, wer wen darstellte. Draco hatte sich für Neleus Snape entschieden. Tigris hatte versucht ihn davon abzubringen, aber Draco glaubte, er sei nur nicht damit einverstanden, weil er Severus nicht mochte. Ausnahmsweise war einmal genau das Gegenteil der Grund, aber Tigris konnte das Draco nicht sagen, ohne ihm zu erzählen, was er über Neleus wusste. Draco hatte offensichtlich keine Ahnung von der Vergangenheit ihres Paten.

Der Junge, der nun wenig von ihm entfernt vor dem Spiegel stand und seine langen schwarzen Haare kämmte, war unverkennbar Neleus Snape, aber es gab auch entscheidende Unterschiede zu dem Mann, den Tigris aus Snapes Erinnerungen kannte. Dies war ein Teenager, und Dracos Mimik milderte die Anzeichen von Grausamkeit, die in dem Foto zu sehen gewesen waren. Es war unheimlich.

„Du weißt, dass Neleus im inneren Kreis des Dunklen Lords war, nicht wahr?", fragte Tigris gedehnt, und betrachtete seine Hände, die etwas dunkler waren, als seine normale Hautfarbe. Perfekt manikürte Fingernägel. Tom Riddle hatte offenbar auf sein Erscheinungsbild Wert gelegt.

Draco/Neleus lachte. „Ja, warum?"

„Ich meine nur, er hat diese Position sicher nicht umsonst eingenommen."

Sein Bruder zuckte mit den Schultern. „Was willst du damit sagen? Das ich mein Verhalten ändern soll, solange ich wie er aussehe? Es mag dir neu sein, aber die Hälfte der Schule hält mich bereits für den perfekten Todesser, wenn ich wie ich selbst aussehe. Davon abgesehen verkleide ich mich nur als Neleus Snape, ich will nicht wirklich Neleus Snape sein."

Tigris brummte etwas Undefinierbares. Draco hatte natürlich Recht.

„Du weißt aber, was Dumbledore gesagt hat… wir sollen uns wie die Personen verhalten, die wir darstellen, so dass wir nicht sofort erkannt werden."

Draco schnaubte. „Wir müssen nicht alles tun, was der alte Narr sagt. Außerdem wissen wir doch ohnehin, wer sich hinter welchem Kostüm verbirgt. Zumindest, was die Slytherin betrifft, und den anderen Häusern geht es sicher genauso. Der ganze Quatsch mit Leute kennen lernen, die man normalerweise nicht ansprechen würde, ist also ohnehin hinfällig."

„Hmm.", erwiderte Tigris.

Draco grinste ihm zu. „Du willst doch nur, dass wir alle unsere Ergebenheit dir gegenüber bezeugen."

Tigris zuckte mit den Schultern und grinste zurück. „Es muss doch einen Vorteil haben, den mächtigsten Zauberer der Welt zu imitieren."

Sein Bruder lachte. „Ich wusste doch, dass du ein verstecktes Motiv hast, ausgerechnet dieses Kostüm auszusuchen. Du erwartest hoffentlich nicht, dass wir alle vor dir niederknien, wenn du den Gemeinschaftsraum betrittst, mein Lord."

„Das hört sich gut an.", meinte Tigris amüsiert. „Würdet ihr auch den Saum meiner Robe küssen?"

Draco zog eine Braue hoch. „Irgendwie bezweifle ich, dass Tom Riddle so offensichtlich war. Es ist ziemlich verdachtserregend, wenn ein paar Schüler vor einem anderen auf die Knie fallen und ihn mit ‚mein Lord' anreden, selbst wenn derjenige Schulsprecher ist."

Tigris seufzte gespielt. „Zu schade. Dass du aber auch immer meine Träume mit der nüchternen Realität zerstören musst…"

„Ja, das Leben ist unfair, Bruder. Wie sollte ich dich nennen, Tom oder Riddle?"

„Wie wäre es mit Marvolo?", entgegnete Tigris, wissend, dass Voldemort beide Namen gehasst hatte.

„Fein, Marvolo. Bist du fertig?"

„Bin ICH fertig?", fragte Tigris empört. „Ich bin schon seit einer Stunde fertig, Neleus, und du hast noch immer verfärbte Finger. Was wohl daran liegen muss, dass es Teil der Illusion ist."

Eine Sache, die Neleus offensichtlich mit seinem Sohn gemein hatte – die Vorliebe für Tränke und die Spuren, die das hinterließ.

Draco schnaubte. „Du hast nur keine Ahnung, was das Wort Auftritt bedeutet." Er betrachtete seine Finger ärgerlich und rieb an ihnen herum. „Neleus auch nicht, offensichtlich."

„Es wird nicht abgehen, sosehr du es auch versuchst. Kommst du nun endlich?" Tigris war aufgestanden und wartete nun ungeduldig in der Tür.

Draco grummelte, aber folgte ihm schließlich in den Gemeinschaftsraum.

Die meisten anderen Slytherin warteten dort bereits auf sie. Es war seltsam, den Gemeinschaftsraum mit Erwachsenen angefüllt zu sehen, von denen sie die jüngsten waren. Zwischen den ganzen Zauberern und Hexen tummelten sich ein paar Kobolde, Fomore, Goblins, Veelas, Dunkelelben und Vampire. Die dunklen Magier hatten immer reichlich Unterstützung von magischen Wesen gehabt, da damals wie heute deren Rechte in der Zaubererwelt zu wünschen übrig ließen.

Draco/Neleus reichte einer schwarzhaarigen Vampirin die Hand. „Darf ich Sie zu diesem Ball bitten, Comtesse?"

„Aber natürlich, Chéri.", erwiderte die Vampirin, hinter der sich Athena Hector verbarg. Sie stellte Martine Larouge dar, welche zu Melusinas innerem Kreis gehört hatte. Sie hakte sich bei Draco ein. Da sie älter war, und zudem Stöckelschuhe trug, überragte sie ihren Partner ein Stück. Tigris war gespannt, wie sich das beim Tanzen auswirken würde. Bisher schien es Draco nicht zu stören.

Er ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und blieb schließlich an einer schwarzhaarigen Siebtklässlerin hängen. Sie hatte die klassischen Gesichtzüge der Black, Bellatrix' dunkle Augenlider und volle Lippen, und die blauen Augen seiner Mutter.

„Cassiopeia.", sagte er. „Du bist eine Vision." Sie trug eine reich bestickte Galarobe, welche ihre vollen Kurven betonte.

Cassiopeia/Blaise ergriff Tigris' Hand und lächelte ihm zu. „Ein Schmeichler wie immer, Marvolo. Wollen wir gehen?"

„Wann immer du willst, meine Liebe."

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Sie waren einige der ersten, die die Große Halle betraten. Die normalen Tische waren verschwunden. An ihrer Stelle waren Dutzende kleinerer Tische im Raum verteilt. In der Mitte war eine Tanzfläche freigelassen. Vorne vor dem Lehrertisch befand sich das Büffet. Dort fanden sich ein missmutig dreinblickender Taliesin, das Orakel von Delphi – wer das wohl sein mochte? - einer der sieben Zwerge, eine Alraune und Merlin, welcher sich vergnügt mit einer sehr prüde bekleideten Catwoman unterhielt. Auch die wahre Identität von Merlin ließ wenig zu raten übrig, denn nur einer würde Merlin darstellen, wie ihn sich Muggel vorstellten – mit einer lilanen Robe mit silbernen Sternen und Monden, komplett mit sternchenbesetztem Zauberstab mit einer glitzernden Kugel an der Spitze. Jedes Mal, wenn der Mann den Zauberstab schwenkte hinterließ er einen glitzernden Sternchenregen. Dumbledore hatte sich diesmal selbst übertroffen.

„Cool, Catwoman.", sagte jemand neben Tigris. „Ist das McGonagall?"

Tigris warf Marcellos Taltos, alias Richard, einen ungehaltenen Blick zu. „Ich vermute es. Könntest du uns deine Begeisterung für alles was muggel ist zumindest diesen Abend ersparen? Vergiss nicht, wen du darstellst."

Der Mann, der zehn Jahre nach seinem Abschluss einer von Voldemorts gefürchtetsten Killern werden sollte, rollte mit den Augen. „Krieg dich ein, Tigris. Es ist alles nur ein Spiel, vergiss das nicht. Sieh sie dir an! Es ist Catwoman! Ein Meisterstück an Verwandlungskunst, wenn du schon nichts anderes anerkennen kannst."

„Ich glaube kaum, dass es Cassiopeia gefallen würde, wenn ich dieses besondere Meisterstück der Verwandlungskunst zu lange betrachte.", entgegnete Tigris. „Davon abgesehen, es ist McGonagall!"

Ein paar der anderen Jungen verzogen das Gesicht und sahen hastig in eine andere Richtung. Wirklich, so faszinierend war ein bisschen Leder nun auch wieder nicht! Außerdem, wenn Tigris sich recht erinnerte zeigte die echte Catwoman bedeutend mehr Haut. Andererseits, für die konservativen Zauberer war wahrscheinlich bereits das eng anliegende Lederkostüm gewagt. Wer hätte gedacht, dass McGonagall es in sich hatte?

„Du bist so verklemmt.", sagte Richard. „Sieh dir ihre Brüste an. Ich meine, ich bin schwul und weiß das zu wertschätzen. Und ja, es ist McGonagall. Eben drum. Hast du gesehen, dass sie eine Peitsche hat?"

Amandus Lestrange neben Richard war rot angelaufen und stöhnte peinlich berührt. „Bitte, Rick. Muss das sein?"

Richard grinste und rubbelte Amandus/Theodore durch die Haare. „Tut mir leid, Liebling. Ich benehme mich, versprochen."

„Du weißt gar nicht, wie das geht.", sagte Theodore, aber die Röte in seinen Wangen ließ etwas nach.

„Marcellus, du musst ihn Marcellus nennen.", sagte Margarete Avery hinter ihnen. Es war Millicent, die sich bei Vincent eingehakt hatte, welcher, sehr phantasiereich, als sein Großvater, Horatius Crabbe, verkleidet war. Wären die langen Haare nicht gewesen, hätte man von der Verkleidung nicht das Geringste bemerkt.

Richard schlang die Arme um Theodores Taille. „Nenn mich Marc."

Theodore lächelte und lehnte sich gegen ihn. „Du bist unmöglich – Marc."

„Warum nicht Marcy?", spöttelte Millicent.

Richard warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. „Ich weiß nicht, was dein Problem ist, du alte Kuh!"

„Hey!", sagte Vincent ärgerlich. „Ich warne dich, rede nicht so mit meiner Freundin, Marcy." Er schüttelte seine Faust in Richards Richtung.

Tigris war überrascht von Vincent. Entweder hatte der Junge ein wirkliches Problem mit Richard, oder das zwischen ihm und Millicent war ernster als es aussah. Das erste wäre nicht wirklich eine Überraschung. Richards Weigerung, aus seiner Meinung über Muggel einen Hehl zu machen, hatte ihm nicht gerade Freunde in Slytherin eingebracht.

„Frieden, Kinder.", sagte er laut. „Lasst eure Streitereien im Gemeinschaftsraum."

„Er ist es doch, der sich nicht um den Codex schert.", grummelte Vincent.

„Horatius…", warnte Tigris.

Vincent sah trotzig zu Boden. „Entschuldigung, Riddle."

„Marvolo.", verbesserte Tigris.

Sie setzten sich an ein paar Tische, wo normalerweise der Slytherintisch stand.

„Was ist dein Problem?", fragte Tigris Millicent leise, als sie sich gesetzt hatten. „Du hast dich wie ein gemeiner Muggel verhalten, auf Richards sexuelle Orientierung anzuspielen. Das ist nicht gerade fair gegenüber Theodore."

Millicent sah ihn verwirrt an. „Was? Ich verstehe nicht was du meinst. Weil ich ihn Marcy genannt habe? Das hat doch nichts damit zu tun, dass er auf Männer steht."

„Warum dann?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Weil es ihn sauer macht? Ich mag ihn nicht. Er ist viel zu besessen von Muggeln. Man könnte denken, er ist ein Schlammblut."

Tigris lehnte sich zurück und fragte sich, ob er ihr glauben konnte. Die Antwort war sehr wahrscheinlich Ja. Millicent war reinblütig, und in der Zaubererwelt waren gleichgeschlechtliche Paare nicht ungewöhnlich. Nicht ungewöhnlich genug, um Homophobie eine Grundlage zu bieten. Ein weiteres Laster, das die Muggelgeborenen eingeschleppt hatten. Er vermutete, es war nur seine Muggelherkunft, die ihn auf Millicents Beleidigung so empfindlich reagieren ließ. Und Richard? Millicent hatte wahrscheinlich Recht, Theodores Freund verbrachte zuviel Zeit mit Muggeln. Richard hatte selbst seinen Urlaub in der Muggelwelt verbracht, wenn er es richtig mitbekommen hatte. Wie man von Ferien unter Muggeln so begeistert sein konnte, war Tigris unverständlich.

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Nach und nach füllte sich die große Halle. Es gab eine weite Bandbreite an Fabelwesen und berühmten Persönlichkeiten – unter ihnen auch, zu Tigris' Missmut, mehr als einmal Harry Potter. Er versuchte, ihnen allen Namen zuzuordnen, aber gab schnell auf. Er erkannte Ron – weil nur Ron sich als der Sucher der Chudley Cannons verkleiden würde – und er nahm an die Feuerfee neben ihm war Ginny. Möglicherweise war dann die Marilyn Monroe daneben Hermione, auch wenn er es für unwahrscheinlich hielt. Es saß eine weitere blonde Frau an diesem Tisch, ohne Zweifel auch eine Muggel- Berühmtheit, aber sie war ihm unbekannt. Sie trug einen grauen Anzug und einen Hut, was sie fast wie einen Mann wirken ließ, aber ihre Haare waren im Stil der fünfziger Jahre aufgesteckt. Vielleicht war das Hermione, aber wer war dann die Monroe? Tigris hätte natürlich seine Legilimentik benutzen können, um es herauszufinden, aber er wagte es nicht, dafür seine Okklumentik- Schilde zu senken. Dumbledore war ihm mit seinen Blicken gefolgt, seit er die Halle betreten hatte. Er hatte wohl gesehen, wie der Schulleiter Hagrid beruhigte, der als Riese verkleidet war. Natürlich hatte Hagrid den Jungen erkannt, der für seinen Schulverweis verantwortlich war.

Tigris fragte sich, ob Ginny ihn erkannte. Allerdings wusste er nicht, ob Ginny Tom Riddle jemals gesehen hatte. Soweit er wusste, hatte sie das Tagebuch immer nur zum Schreiben benutzt, und als Riddle das Buch verließ, war sie bereits bewusstlos.

Sie aßen, tranken und amüsierten sich. Ein paar Mal tanzte Tigris mit Blaise. Dabei beobachtete er den Lehrertisch, und wartete darauf, dass sich Merlin mit Taliesin unterhielt. Weniges an Dumbledore war berechenbar, aber diesmal war Tigris sicher, dass er seine Wette gewinnen würde. Er sollte Recht behalten.

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Severus Snape hatte Feiern immer gehasst. Zu laute und zu fröhliche Ansammlungen zu vieler Menschen in stickigen Räumen, welche vollkommen vernünftigen Leuten Anlass gaben sich zu betrinken und sich unmöglich zu benehmen. Nicht nur das, man erwartete immer wieder von ihm dass er an dieser lächerlichen Fröhlichkeit teilnahm oder anderweitig einen Narren aus sich machte. Wirklich, Feiern waren die Quintessenz dessen, was er an Menschen allgemein verabscheute.

Was ihn zu einem Menschen brachte, den er im Moment ganz besonders verabscheute – Tigris Malfoy. Der Bengel war sein Patensohn, leider. Gerade im Moment verfluchte Snape den Moment, an dem diese Höllenbrut in sein Leben getreten war. Tigris Malfoy rangierte auf Platz eins in der Liste der Menschen, die der Grund dafür waren, dass er sein Leben hasste… zusammen mit jenem bewussten anderen Menschen – oder war das eher eine Kreatur - welcher ihn jede Woche aufs Neue daran erinnerte, warum er ihn so hasste. Diese Beiden, die sich ausgerechnet diesen Tag ausgesucht hatten, um sich gegen ihn zu verbünden, zusammen mit dieser Feier, und nicht zu vergessen dem Ausbund aller Fröhlichkeit und Unwissenheit, Dumbledore, ließen ihn wünschen er könnte eine Flasche Mondschatten trinken und zwanzig Jahre im Nirwana schwelgen. Aber nein, seine Anwesenheit zu diesem illustren Anlass war unerlässlich – laut aller seiner Herren. Er hatte zu viele Herren. Er hätte Lucius an jenem schicksalhaften Tag vor zwanzig Jahren zur Hölle schicken sollen… das würde etliche seiner Probleme lösen. Eingeschlossen dieses Bastards, welcher vor den ignoranten Augen der gesamten Schülerschaft als der Dunkle Lord herumstolzierte – oh, er hatte auf den ersten Blick gewusst, wer DAS war. Und sein Vater war aus dem Grab auferstanden… Draco vermutete er. Der unwissende Junge. Süße, unbarmherzige Moiren. An Tagen wie diesem bedauerte er seinen Entschluss, niemals Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken.

„Was für eine wunderhübsche Harfe."

Snape sah auf und warf dem Sprecher einen Blick zu, der jedem anderen unmissverständlich mitgeteilt hätte, dass er VERDAMMT NOCH MAL NICHT INTERESSIERT daran war, sich zu unterhalten. Nur nicht diesem Mann. Dieser Mann hatte eine nervenzerreibende Immunität gegenüber allen subtilen Hinweisen und verbalen wie nicht verbalen Zaunpfählen, die in seine Richtung geschleudert wurden.

„Albus.", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.

„Taliesin.", erwiderte der Schulleiter so fröhlich, als hätte er ihn auf das herzlichste begrüßt. „Du erinnerst dich, sicherlich, an unsere Abmachung, zu diesem Anlass nicht unsere richtigen Namen zu benutzen."

„Sicher erwarten Sie nicht, dass ich mich an dieser lächerlichen Charade beteilige.", knurrte Snape.

Dumbledores Blick sagte ihm, dass er es sehr wohl erwartete. „Du weißt, als Lehrer haben wir eine Vorbildfunktion für die Kinder."

Snape verzog das Gesicht. „Meinetwegen. Sie werden mir allerdings sagen müssen, was das da" – er gestikulierte mit der Hand in Richtung des kopfschmerzauslösenden Erscheinungsbilds des Schulleiters - „darstellen soll."

Dumbledore schien ein wenig beleidigt. „Also wirklich, Severus. Ich weiß, du kümmerst dich nicht viel um Muggel, aber selbst du solltest Merlin erkennen."

„Das habe ich.", erwiderte er beißend. „Ich hoffte nur, ich wäre im Irrtum."

Dumbledore bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick. „Du solltest ein wenig lockerer werden, mein Junge. Hab ein wenig Spaß an dieser wundervollen Feier. Es gibt Karamell-Toffeys am Büffet!"

Snape schnaubte. „Sie wissen sehr wohl, dass ich Süßigkeiten verabscheue."

Dumbledores Augen zwinkerten. „Na, na. Ich weiß, du magst Schokolade. Schokolade macht glücklich, das weiß jeder."

„Offensichtlich.", sagte der Tränkemeister trocken. „Wollten Sie etwas Bestimmtes? Wenn nicht, möchte ich Ihnen Minerva als Gesprächspartnerin empfehlen. Sie teilt offensichtlich Ihren Geschmack, was Kostüme angeht."

Dumbledores Blick wanderte zu der Harfe. „Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte den Gedanken, wo wir schon einmal den berühmtesten Barden aller Zeiten unter uns haben…"

„Fragen Sie es nicht.", sagte Snape, entgegen aller Wahrscheinlichkeit hoffend, dass Dumbledore EINMAL, nur EINMAL in all der Zeit in der er ihn kannte auf ihn hören würde. „Ich flehe Sie an, fragen Sie es nicht." Er konnte nicht mehr sagen, nicht einmal seine regungslose Maske fallen lassen, um ihn wissen zu lassen...

„Nun, nun…", sagte Dumbledore augenzwinkernd. „Kling nicht so tragisch, mein Junge. Schließlich will ich dich nur um ein einziges Lied bitten. Das ist doch sicher nicht zuviel verlangt von dem größten Barden der je gelebt hat."

Snape schloss die Augen und atmete tief durch. Als er sie öffnete sah er Tom Riddle und seine Gefährtin die Halle verlassen. Das würde ihm Zeit lassen, bis sie zurückkehrten. Zeit, in der er nichts tun konnte. Nichts außer zu warten.

„Danke, Merlin.", sagte er, sich in Gedanken den kleinen, unzuverlässigen Vogel vorstellend, welcher ebenfalls Merlin genannt wurde. Vor langer Zeit hatten die Zauberer des Nordens Merline zum Ausliefern von Botschaften benutzt. Noch heute sagte man in diesen Gebieten, verlorene Post sei wohl mit einem Merlin versandt worden. „Dank Ihnen habe ich soeben eine Wette verloren. Also, so sehr es mich auch quält, das zu sagen: Ja, ich werde ein Lied singen."

Dumbledore strahlte. Der arme Narr. Wenn er wüsste, wenn Snape ihm sagen könnte was ihn erwartete, würde er nicht länger strahlen.

„Aber nicht jetzt.", sagte Snape, ausatmend. „Später." Noch ein paar wenige, kostbare Momente später.

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Blaise sah auf Tigris herunter. „Weißt du, ich habe mich immer gefragt, wie es wäre, mit dem mächtigsten Zauberer der Erde ins Bett zu steigen."

Tigris starrte sie an.

„Wenn er so aussieht wie jetzt natürlich.", fügte sie hastig hinzu.

Er grinste. Für einen Moment hatte sich da ein wirklich beunruhigendes Bild in seinem Kopf geformt. „Bin ich nicht genug für dich?"

„Du bist mehr als genug für mich.", erwiderte sie. „Aber ein Mädchen kann träumen, oder nicht?"

„Wie ich schon sagte…", sagte er. „Wir haben noch etwas Zeit, bevor der Tanz beginnt, nutzen wir sie." Er zog die Vorhänge um das Bett zu. „Bereit, Liebling?"

„Jederzeit.", wisperte sie zurück.

Er schloss die Augen, und umarmte die Dunkelheit.

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Draco war beunruhigt. Sein Bruder und Blaise waren mitten während der Feier plötzlich verschwunden. Er hatte Dumbledore mit Snape reden sehen, der Schulleiter hatte die bewusste Frage gestellt, daran gab es keinen Zweifel. Wo blieben die Beiden? Der Tanz war kurz davor, zu beginnen.

Schließlich sah er die Beiden an der Tür stehen. Draco drängte sich durch die Masse der Schüler hindurch.

„Da seid ihr ja endlich.", zischte er. „Dumbledore hat die Frage schon vor über einer halben Stunde gestellt. Wo wart ihr?"

Blaise machte eine seltsame Handbewegung, aber Tigris legte seine Hand auf ihren Arm. Dracos Bruder sah ihn nicht an. Sein Blick ruhte mit einem eigenartigen, gierigen Ausdruck auf der großen Halle, fast als sähe er sie nach langer Zeit zum ersten Mal.

„Das braucht dich nicht zu kümmern, Neleus.", sagte Blaise kalt. „Du solltest ein wenig mehr Respekt gegenüber…"

Tigris' Finger gruben sich in ihren Arm und sie verstummte, ein ärgerliches Glitzern in den Augen.

Draco öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber etwas an den Beiden hielt ihn davon ab. Etwas an ihnen war seltsam, aber er konnte nicht wirklich sagen, was.

Tigris Blick richtete sich auf den Lehrertisch und seine Lippen kräuselten sich zu einem arroganten, fast boshaften Lächeln, das Draco einen Schauer über den Rücken jagte. Sein Bruder ging entschieden zu sehr in seiner Rolle auf.

Draco bemerkte, dass Dumbledores Blick auf ihnen ruhte. Der Schulleiter starrte sie geradezu an. Das übliche Zwinkern in seinen Augen war verschwunden. Er schien angespannt, doch gleichzeitig verwirrt, als wäre er nicht sicher, was er sah.

„Lass uns tanzen, meine liebe Cassiopeia.", riss die samtige Stimme seines Bruders in seiner Verkleidung Draco aus den Gedanken. „Es findet sich schließlich nicht jeder Tage die Gelegenheit, in der großen Halle von Hogwarts zu tanzen."

Blaise lachte gackernd, ein Lachen, das Draco beunruhigend an seine Tante Bella erinnerte.

Die Beiden gingen hinunter zur Tanzfläche. Draco folgte ihnen mit seinem Blick. Ihm fiel zum ersten Mal an diesem Abend auf, wie sehr sich der Tanzstil seines Bruders verbessert hatte. Es war eine Eleganz in seinen Bewegungen, die er während des Weihnachtsballs noch stark vermisst hatte. Die Beiden boten ein eindrucksvolles Paar, auch wenn Blaise ein wenig steif erschien, fast als hätte sie Hemmungen, Tigris zu berühren. Draco fragte sich, ob die Beiden sich gestritten hatten. Sie benahmen sich ein wenig merkwürdig.

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Sie waren zurück. Severus Snape ballte unter dem Tisch seine Hand zur Faust. Ein seltsames Paar, wie sie sich zwischen den anderen Schülern auf der Tanzfläche bewegten. Die Schüler hielten Abstand zu ihnen, als umgäbe sie eine Aura der Unnahbarkeit. Die Beiden waren merkwürdig. Tigris' Augen wanderten über die große Halle, als wolle er sich jedes winzige Detail einprägen. Blaise hingegen schien völlig eingenommen von ihrem Tanzpartner zu sein. Ihre Augen waren halb geschlossen, fast als hätte sie Drogen genommen. Snape wusste, dass das Mädchen erbärmlich verschossen in seinen Patensohn war, aber das war einfach krank.

Er bemerkte, das Dumbledore die Beiden nicht aus den Augen ließ und fragte sich, was der Schulleiter so faszinierend an dem Paar fand. Snape konnte sich jedoch nicht lange Gedanken darüber machen, er musste eine Wette einlösen. Er beugte sich zu Dumbledore hinüber.

„Dieses Lied, das Sie von mir verlangt haben…"

Dumbledore wirkte erschrocken, als wäre er intensiv auf etwas anderes konzentriert gewesen. „Ja richtig, das Lied, Severus. Willst du es jetzt singen?"

Snape nickte.

„Gut, gut…" Dumbledore schien ein wenig abwesend, aber erhob sich und klopfte gegen sein Glas. Das helle Geräusch hallte in vielfacher Lautstärke in der Halle wieder. Die Musik verstummte und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf den Lehrertisch.

„Ich habe eine Ankündigung zu machen.", begann Dumbledore fröhlich. „Unser allseits beliebter Tränkemeister, aus dem heutigen Anlass als der berühmte Barde Taliesin bei uns, hat sich bereiterklärt, uns eine Kostprobe seiner Kunst darzubieten."

Aufgeregtes Murmeln erfüllte die Halle.

„Ruhe, Ruhe…", sagte Dumbledore. „Wie ich erfahren habe gibt es da einen Zusammenhang mit einer Wette, auch wenn ich nicht genauer ins Detail gehen will…"

Einige der Anwesenden lachten. Typisch, dass sie sich auf die Kosten ihres Tränkelehrers amüsierten. Gryffindors natürlich.

„Ich möchte Sie alle bitten, die Tanzfläche zu räumen, da das Haus Slytherin anscheinend einen kleinen Auftritt für uns geplant hat. Sie sind sicher alle ebenso gespannt wie ich, was uns erwartet."

Dumbledore setzte sich wieder und die Tanzfläche klärte sich, während Snape die Harfe stimmte. Es war eine sehr gute Harfe, ein kostbares Stück. Wenn Snape selbst Harfe spielte, dann in Erinnerung an seine Mutter, die dieses Instrument geliebt hatte, aber sein Instrument kam nicht annähernd an dieses Stück heran. Er hätte es genossen, seine Finger über diese Seiten gleiten zu lassen, wäre es ein anderer Anlass gewesen.

Snape schloss die Augen und rief sich die Zeilen ins Gedächtnis, die er am Tag zuvor auswendig gelernt hatte, dann begann er.

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Draco ließ seinen Blick nervös über die anderen Slytherin wandern. Er hatte bis zuletzt nicht geglaubt, dass Severus wirklich singen würde, nur wegen einer verlorenen Wette. Offenbar hatte er sich geirrt. Tigris hatte wieder einmal das Unmögliche geschafft. Dracos Blick ging zu seinem Bruder und er zuckte unwillkürlich zusammen. Tigris und Blaise standen ein wenig abseits von den anderen. Nicht, weil sie sich abgesondert hatten, sondern weil niemand in ihre Nähe kam. Draco fühlte die Wirkung eines Zaubers um sie herum, der die anderen fern hielt. Er hatte keine Ahnung, warum die Beiden einen solchen Zauber für nötig hielten. Er hätte sie fragen können, aber er zögerte, sie anzusprechen. Vielleicht war er der Wirkung des Zaubers auch ausgesetzt, ohne es bewusst zu merken.

Die anderen Slytherin waren aufgeregt, insbesondere diejenigen, die an der Vorführung beteiligt waren. Draco dachte daran zurück, wie schnell sie alle mit der ganzen Sache einverstanden gewesen waren. Tigris hatte inzwischen einen fast erschreckenden Einfluss auf das Haus, und sein Bruder war sich dessen nicht einmal bewusst.

Draco unterdrückte ein Kichern.

Tigris war der irrigen Überzeugung, alle würden sich immer seiner Meinung anschließen, weil er überzeugende Argumente hatte. Er hatte sich selbst für arrogant gehalten, aber die Arroganz seines Bruders schlug seine eigene um Längen. Tigris glaubte wirklich, immer im Recht zu sein, immer alles besser zu wissen als alle anderen und immer die besten Lösungen für alles zu haben. Also natürlich mussten sich alle seiner Meinung anschließen. Draco bestaunte noch immer die schiere Selbstverliebtheit, deren eine solche Ansicht bedurfte. In Wirklichkeit hätte Tigris die Slytherins wahrscheinlich selbst davon überzeugen können, Muggelkleidung zu tragen und um einen Weihnachtsbaum zu tanzen, wenn er es gewollt hätte. Die Slytherins verehrten ihn wie einen Halbgott, und Tigris war zu blind es zu sehen. War er eifersüchtig? Natürlich. Es hatte eine Zeit gegeben, da war er der unangefochtene Prinz Slytherins gewesen, aber diese Zeit war vorbei. Sie hörten noch immer auf ihn, ja. Aber letzten Endes war es Tigris, der das letzte Wort hatte.

Als sein Bruder und er unterschiedlicher Meinung waren, was diese Kostüme anging, hatte Draco gewusst, er musste klein bei geben, oder er würde sein Gesicht noch mehr verlieren, als es ohnehin der Fall war. Es war demütigend, und er hasste es. Aber Tigris war sein Bruder, und auch wenn er neidisch war, konnte er es ihm nicht wirklich übel nehmen. Ein großer Teil dieser Einstellung beruhte darauf, dass Tigris nicht einmal wusste, was er hatte. Blaise wusste es. Blaise hatte es gefördert, wo sie nur konnte. Die machtverliebte kleine Gans. Aber Tigris war ahnungslos. Er würde es nicht glauben, wenn man es ihm ins Gesicht sagte. Es war liebenswert naiv… und zugleich so gefährlich. Manchmal jagte es Draco Angst ein. Er fragte sich, was aus Tigris werden würde, wenn sie die Schule verließen. Der Dunkle Lord würde ein solches Potential sicher zu nutzen wissen. Ihr Meister brauchte Leute mit der Begabung, die Massen für sich einzunehmen. Ihr Vater hatte diese Begabung, aber sein Nutzen hatte sich verringert, seit er das zweite Mal als Todesser verhaftet worden war. Die Menschen zögerten, ihm zuzuhören. Tigris hingegen – Tigris war ein unbeschriebenes Blatt.

Draco dachte über die Slytherins nach. Wenn er sich fragte, wer von ihnen wahrscheinlich dem Dunklen Lord beitreten würde, musste er zugeben: Die meisten. Überraschender Weise erfüllte ihn das nicht mit Freude. Er hatte einmal geglaubt, es würde Macht und Ehre bedeuten, sich dem Dunklen Lord anzuschließen. Er hatte geglaubt, es wäre ein Kampf für die richtige Sache – die Erneuerung der Zaubererwelt unter einer neuen, besseren Herrschaft. Und nun? Er weigerte sich, diesen Gedanken weiter zu denken. Er war ein loyaler Todesser. Das würde er immer sein. Aber Draco war nicht glücklich darüber, dass der Dunkle Lord soviel Zulauf hatte.

Es gab Ausnahmen, sicherlich. Richard zum Beispiel.

Richard war ein solcher Narr. Der Freund seines besten Freundes würde sich noch umbringen, wenn Theodore nicht aufpasste. Richard besaß die Unvernunft eines Gryffindors und den Ehrgeiz eines Slytherin. Eine tödliche Kombination, wenn sie den falschen Zielen diente.

Theodore.

Es hatte Draco überrascht, dass sein Freund nicht beitreten wollte. Aber dann – Theodore war immer ein Einzelgänger gewesen, ein Misanthrop. Wie sein Onkel Severus, in vieler Hinsicht. Draco hatte nie begriffen, warum Severus zum Todesser geworden war. Severus war einfach nicht der Typ, der vorbehaltlos an einen charismatischen Anführer glaubte. Charisma war an ihn vergeudet, er misstraute Menschen zu sehr.

Aquila.

Dracos Augen suchten den Jungen aus der Menge heraus. Ein weiteres Sinnbild an Unvernunft. Der Junge hatte Krabat als sein Kostüm gewählt, mit der Argumentation, dass jener ja einmal ein Gefolgsmann Corne Mlynks gewesen war. Agrippa Avery, der Corne Mlynk darstellte, war außer sich gewesen. Aquila hatte Avery schließlich besänftigt, indem er vor ihm auf die Knie fiel. War er der einzige, der diese Geste als den Hohn erkannte, der sie war? Krabat hatte schließlich den Hauptteil der Macht, derer er bedurfte, um Corne Mlynk zu besiegen, dadurch bekommen, dass er jahrelang vorgab ein loyaler Gefolgsmann zu sein.

Dann waren da die Erstklässler, über die sich noch nicht viel sagen ließ. Draco hoffte wirklich, Sameth und sein Freund würden dem Leitbild der Zabini- Familie folgen und neutral bleiben. Sameth war so anders als seine Schwester, voller Lebenslust und Unabhängigkeit. Er würde es hassen, mit ansehen zu müssen, wie das unter der Hand des Dunklen Lords zerstört wurde.

Dracos Blick wanderte zu Blaise und seinem Bruder zurück und er schauderte. Etwas stimmte nicht mit den Beiden. Er hatte ein ungutes Gefühl. Aber er konnte den Gedanken nicht weiter verfolgen, da Severus zu singen begann.

Als die erste Strophe begann, betraten Philomela und Barnabas, in den Kostümen von Morgana und Samael, die Tanzfläche und begannen zu tanzen.

„Ihr wollt also ein Lied von mir...", begann Severus, im becircenden Singsang der Barden des Mittelalters. Der Klang der Harfe umschmeichelte seine Stimme.

„So lasst ein Lied mich singen

Ich sing von denen die vor uns kamen

Geschichten so alt

Wie die Eiben von Schottland

Hört, was sie berichten...

In Aelwyd'ollam lebte einst

Die letzte der Druiden

Morgana, klug und voller Stolz

Sie wollte das Schicksal besiegen

Der Zauberer einstige Göttermacht

Zerbrach in ihren Händen

Ihr Tod durch den, der sie verriet

Machte sie zu Legenden."

Philomela und Barnabas verbeugten sich vor dem Lehrertisch, und setzten ihren Tanz am Rand der Tanzfläche fort. Douglas und Irene, als Mordraud und Jezebeth, lösten sie in der Mitte ab. Gemurmel hatte sich in der Halle erhoben, teils verwundert, teils empört. Draco vermutete, die neugierigen Gesichter gehörten den Ravenclaws, die empörten den Gryffindors und die neutralen den Hufflepuffs. Er wollte nicht wissen, wer sich hinter den bewundernden verbarg, die er nicht kannte.

„Der erste aus der Dunklen Reihe

Unheil schuf er reuelos

Er suchte, was bereits verloren

Dennoch, Hass machte ihn groß

Verwaist durch seines Paten Hand

Strebte nach Rache Mordraud

Viele beugten sich seiner Macht

Doch durch Arthur fand er den Tod."

Wie Philomela und Barnabas zuvor verbeugten sich auch Douglas und Irene. Fiona und Kira betraten die Tanzfläche. Baba Yaga und Polednice. Die Königin der Dunkelelben war ein einschüchternder Anblick. Schwarze Haut, die wie verbrannt erschien, und quecksilberfarbene Augen, die nirgendwo und überall zugleich hinzusehen schienen. Aber Baba Yaga, die zu jeder Zeit ihres Lebens mehr oder weniger wahnsinnig gewesen war, stand ihr um nicht viel nach.

„Tief im Wald vor Menschen verborgen

Lebte mit Elben sie und Tier

Doch der Muggel Furcht und Misstrauen

Ließen nicht den Frieden ihr

Baba Yaga, hassgetrieben

Säte Tod wohin sie schritt

Aus den Wassern der Nusalki

Kehrte niemals sie zurück."

Dann kam der Auftritt für Agrippa Avery. Draco war überrascht zu sehen, dass Avery sich entschieden hatte, mit Aquila zu tanzen, anstatt mit seiner Freundin Minerva, die als Roberta Nigellus verkleidet war. Er konnte an Aquilas Haltung sehen, dass dieses Arrangement von dessen Seite nicht wirklich freiwillig war, und vermutete, es war Machtgehabe Averys. Es war natürlich eine wunderbare Gelegenheit für Avery, seinen Rang klar zu stellen.

„Hochgeboren, mit Macht gesegnet

Beendet er Chaos mit Leichtigkeit

Corne Mlynk, gefürchtet, gehuldigt

Tauchte Jahrzehnte in Dunkelheit

Hexen und Zauberer, weise und mächtig

Küssten voll Demut seine Hand

Krabat war's in dem der Meister

Schließlich seinen Meister fand."

Aquila konnte sein Grinsen am Ende der Strophe nicht ganz verbergen. Als Antwort zwang ihn Avery abrupt in eine Neigung nach hinten. Als er Aquila wieder hoch zog, war das Grinsen verschwunden. Draco musste zugeben, Avery hatte Stil, auch wenn er Aquila lieber mochte. Aquila war eine Herausforderung für Avery als Anführer seines Jahrgangs. Draco hatte solche Spielchen zu lange selbst gespielt, um sie nicht wertschätzen zu können. Er bezweifelte jedoch, dass Avery Aquilas jemals wirklich Herr werden würde, ebenso wie er Richards niemals wirklich Herr geworden war. Die beiden machten Helena und Athena Platz. Draco warf der selbstzufriedenen Helena einen ärgerlichen Blick zu. Auf dieses spezielle Machtspielchen hätte er verzichten können. Insbesondere auf Helenas Hand an Athenas Hüfte, die ein wenig zu weit oben lag.

„Vom Vater verstoßen

Als Hexe verfolgt

Blieb von ihrem Erbe

Ihr nur Hochmut und Stolz

Nicht weniger als die allumfassende Macht

Das war Melusinas Bestreben

Ihre eigene Schwester, geliebt und gehasst

Sie nahm im Kampf ihr das Leben."

Charles und Ninive waren eine angenehm langweilige Abwechslung, was die Machtspiele in Slytherin anging. Hier ging es nur um einen Jungen und seinen Schwarm. Ein erfolgreicher Eroberungsfeldzug, wie es schien. Umso interessanter war dagegen Dumbledores Gesichtsausdruck.

„Gemordet ward ihm Kind und Weib

Von Muggeln ohne Erbarmen

Er suchte die Macht die verloren einst ward

Von denen die vor ihm kamen

Sein Zorn übertraf seine Klugheit

Er herrschte mit Furcht übers Land

Lord Grindelwald, der Große, er starb

Durch seines besten Freundes Hand."

Eisige Stille herrschte in der Halle. Dumbledore kochte, es war deutlich zu sehen, was alleine schon einen Erfolg darstellte. Die Tanzenden verbeugten sich erneut.

„Die Welt sollte zu ihren Füßen liegen

Dennoch, trotz all ihrer Klugheit und Macht

Gelang es keinem von ihnen, zu siegen."

Alle auf der Tanzfläche wichen zum Rand, bis sie einen Halbkreis zwischen Raum und Lehrertisch bildeten. Und dann kam der Auftritt von Tigris und Blaise.

„Von Beginn an gefürchtet und verbannt

Verwaist und arm

Doch schon als Kind brillant

Des Gründers Erbe hier sein Schicksal fand

Der größte Zauberer unserer Zeit

Er erreichte das Ziel der Unsterblichkeit

Seine Macht ist so groß wie keine zuvor

Wo die anderen versagten, triumphiert er."

Jeder hörte das letzte Wort, das nicht gesprochen wurde, den Namen, den auszusprechen verboten war – Voldemort.

Einige empörte Ausrufe wurden laut. Die blonde Muggelfigur, deren Name Marilyn Irgendetwas war, wie Tigris zuvor gesagt hatte, stieß einen erstickten Schrei aus und floh aus der Halle. Die Blondine neben ihr zögerte einen Moment, hin und her gerissen zwischen den Geschehnissen in der Halle und ihrer Freundin, dann folgte sie ihr.

Tigris und Blaise verharrten in der Mitte der Tanzfläche und sahen zum Lehrertisch. Beide sahen sehr selbstzufrieden aus.

„Wollt ihr dem Beispiel eurer Mitdarsteller nicht folgen, und euch verbeugen?", fragte Dumbledore. Seine Stimme war ohne jede Wärme.

Tigris lächelte süffisant. „Sie hätten besser zuhören sollen, Schulleiter. Ich verbeuge mich vor niemandem. Es sind andere, die sich vor mir verbeugen. Wenn Sie mit gutem Beispiel vorangehen wollen…"

Dracos Atem stockte. War sein Bruder verrückt geworden? Was zum Hades bezweckte er damit?

Dumbledore stand ruckartig auf. Die Luft um ihn herum schien zu knistern und sein Kostüm wirkte nicht mehr im Geringsten lächerlich. Der Schulleiter war wütend.

„Ich verlange, dass Sie diese Charade auf der Stelle beenden, wer immer Sie wirklich sind!"

Tigris lachte, und Blaise neben ihm fiel leiser ein. „Sie enttäuschen mich, Dumbledore. Ich hätte erwartet dass Sie, von allen hier Anwesenden, am ehesten wissen, wer ich bin. Ihr Beharren darauf, mich bei einem Namen zu nennen der nicht länger meiner ist, hat mich schließlich oft genug gereizt."

In einer überraschenden Bewegung richtete Dumbledore seinen Stab auf Tigris. „Restituo formam!", rief er, mit einer Stimme voller Autorität.

Tigris machte keinen Versuch, den Zauber zu blocken, obwohl er – wie war Draco entgangen – seinen Stab in der Hand hielt. Stattdessen lachte er.

Während Tigris lachte löste sich die Illusion um ihn auf. Offensichtlich hatte Dumbledores Zauber dazu gedient, das wahre Aussehen unter dem Kostüm zu offenbaren. Aber das Aussehen der Person unter dem Kostüm war nicht das, was Draco erwartet hatte.

Das Lachen wurde höher und höher, bis es sich in das bösartige Lachen verwandelt hatte, das Draco nur zu gut kannte. Der Dunkle Lord richtete seinen Stab auf Dumbledore. „So sehen wir uns wieder, alter Mann."

Neben ihm grinste Bellatrix triumphierend. Anscheinend war sie von einem Teil des Zaubers getroffen worden, oder vielleicht hatte sie von sich aus ihre Verkleidung aufgegeben.

Den Bruchteil einer Sekunde lang schien alles gefroren. Dann durchbrach ein schrecklicher Klageschrei die Stille. Es klang wie eine Frauenstimme, nur dass es um ein Vielfaches lauter war und ihn bis ins Mark erschütterte.

„Gefahr! Gefahr! Gefahr!"

Der Schrei riss die Anwesenden aus ihrer Erstarrung, und Hysterie brach aus. Einige der Gryffindors schienen bereit, zu kämpfen, aber sie wurden von denen überrannt, die zum Ausgang drängten, um zu fliehen. Das war jedoch nicht der furchterregenste Anblick.

Die Wände der Großen Halle waren mit Fresken verziert, denen Draco nie viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Es waren Darstellungen magischer Wesen, die nun zum Leben erwachten.

„Verlass diesen Ort, oder du wirst untergehen.", sagte Dumbledore kalt. Draco konnte nun sehen, warum man ihn als mächtiger als den Dunklen Lord bezeichnete. Die Magie des Schulleiters knisterte um ihn und es schien, als gäbe die Burg selbst ihm noch zusätzlich Macht. „Es war ein Fehler, hierher zu kommen."

Das Gesicht des Dunklen Lords verzerrte sich vor Wut und er hob seinen Stab. „Avada Kedavra!"

Eine der Steinfiguren sprang aus der Mauer und in den Weg des Fluches, bevor er Dumbledore erreichte. Sie zersprang in tausend Stücke. Ein Knirschen ertönte und Draco sah mit Entsetzen, das der Boden unter den Füßen des Dunklen Lords Risse bekam.

Der Blick des Dunklen Lords huschte über die Gestalten vor ihm, von denen die meisten die Stäbe auf ihn gerichtet hatten. Er lächelte.

„So amüsant unsere kleine Unterhaltung auch ist, ich werde gehen. Für dieses Mal. Bis zum nächsten Mal, alter Mann. Morsmordre!" Das dunkle Mal erschien grün und abscheulich über ihnen allen an der Decke der Halle. Die Schlange schien sich über sie lustig zu machen.

Es gab einen Knall und Rauch erfüllte die Luft. Als sich das Blickfeld wieder klärte, waren der Dunkle Lord und Bellatrix verschwunden. Wo sie gestanden hatten befand sich ein Krater von mehr als einem Meter Durchmesser, dessen Ränder sich wie ein gigantisches Maul aus dem Boden erhoben. Als hätte sich die Burg daran gemacht, die Beiden zu verschlingen. Draco schauderte. Die Klageschreie der Burg verstummten. Eine Todesstille war die Folge.

Sie wurde von einem Schrei durchbrochen. Es dauerte einen Moment, bis Draco erkannte, dass er von der Göttin Isis stammte. Hooch, verbesserte sein noch halb im Schock befindliches Gehirn. Ihre Hand ruhte auf einer reglosen Gestalt neben ihr. Sie sah mit geweiteten Augen zu Dumbledore.

„Sybill… Sie ist tot."

Dracos Gehirn wiederholte gegen seinen Willen die Szene, die sich gerade abgespielt hatte und er erkannte, im Nachhinein, dass Bellatrix zusammen mit dem Dunklen Lord ihren Stab gehoben hatte. Niemand hatte ihr viel Beachtung geschenkt, da aller Augen auf den Dunklen Lord gerichtet gewesen waren. Grünes Licht war aus ihrem Stab hervorgebrochen, aber niemand hatte beachtet, wohin es ging, alle hatten nur auf den Zauber geblickt, der Dumbledore bedrohte.

Sybill Trelawney. Was hatte der Dunkle Lord davon, sie umzubringen? Sie war nur eine aufgeblasene Scharlatanin… gewesen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, dass eine Person, die Draco einen Großteil seines Lebens gekannt hatte, tot war. Er hatte es noch nicht ganz begriffen.

Dumbledore war außer sich. Es war daran zu erkennen, wie seine Aura noch immer von ihm ausstrahlte und an dem grimmigen Ausdruck in seinem Gesicht.

„Mister Malfoy."

Draco zuckte zusammen.

„Wo ist Ihr Bruder?"

Draco zitterte. Zum ersten Mal in seinem Leben jagte ihm der alte Zauberer, der immer lächelte und Süßigkeiten verteilte, wirklich Furcht ein. „Ich weiß es nicht."


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Eine dunkelhaarige Frau wanderte einen Hügel hinauf, auf dem sich ein verlassenes griechisches Gebäude befand. Sie setzte sich davor auf eine Bank und sah sich vorsichtig um, dann lächelte sie einer Reihe Leuten zu, die sie neugierig betrachteten, sich offensichtlich wundernd, was sie hier tat.

Hallo.", sagte sie. „Mein Name ist Thalia. Ich bin eine der Musen, falls mich jemand nicht kennt. Wie es aussieht darf man nicht mehr auf Reviews antworten. Natürlich tun die Autoren immer das, was fanfictionbla sagt. Deshalb werde ich hier in Zukunft einfach ein wenig vor mich hinreden.

Wie ich hörte hatte jemand von euch sich darüber gewundert, was mit Harry Potter passiert ist. Dem Sohn von James und Lily, heißt das. Wahrscheinlich waren die Hinweise in der Geschichte zu subtil, oder vielleicht vergisst man einige Details auch einfach wieder, bei einer Geschichte die so lang ist wie diese, deshalb sage ich es noch mal. Das Baby Harry Potter ist tot. Die Dunkelelben haben es getötet, damit Tigris seine Identität annehmen konnte. Es spielt keine besondere Rolle in dieser Geschichte, nicht mehr als Neville. Da die Dunkelelben ziemlich boshafte Kreaturen sind und mehr über die Zaubererwelt wissen als man annehmen sollte, angesichts dessen, dass sie Zauberer nicht besonders mögen, kann man sich fragen, ob es wirklich Zufall war, dass sie dieses bewusste Paar als Tigris' Ersatzeltern ausgewählt haben... Aber das ist eine andere Geschichte, und soll (vielleicht) ein anderes Mal erzählt werden. Bis zum nächsten Mal!"

Die Muse winkte den Leuten zu, und wanderte, vor sich hin pfeifend, den Hügel auf der anderen Seite wieder hinunter.