Disclaimer:

Ich bin der Schatten, der die Nacht durchflattert...

Du warst doch schon mal da.

Ich bin der Rächer von Joanne K. Rowlings Werken...

Ah, du bist Zorro!

/beißt in seinen Hut/

Schatten der Wahl

10. Sayyid

Tigris lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Er versuchte, eine kleine Spinne, die dort hang, mit einem Hex zu treffen, aber bisher war es ihm nicht gelungen. Wie es schien, hatten Melvyn und Sameth eine ihrer Krabbeltiersammlungen im Vorraum zur Kammer der Schattengemeinschaft freigelassen. Blaise war außer sich gewesen, aber Tigris fand es amüsant.

Er dachte an sein Treffen mit Voldemort zurück. Es war wirklich faszinierend, wie der Dunkle Lord mit den Zaubern umgehen konnte, die Tigris aus den Büchern gelernt hatte. Da war zum Beispiel ein Zauber, der eine Barriere aus Tageslicht erschuf, die einen Vampir wie einen Mantel umgab. In dem man sie veränderte, konnte man den Vampir in jede beliebige Richtung dirigieren, wie eine Marionette. Der Dunkle Lord schaffte das selbst ohne Zauberstab.

Bellatrix war zum Glück nach ihrem unerfreulichen Zusammentreffen am Morgen nicht wieder aufgetaucht. Der Austausch mit Tigris' Vater war ebenfalls problemlos verlaufen, auch wenn sich Draco und Athena aus irgendeinem Grund gestritten hatten, den Blaise zu amüsant fand, um ihn Tigris mitzuteilen. Es musste wohl etwas mit ihm zu tun haben, da Athena ihm ständig böse Blicke zuwarf.

Tigris warf einen Blick zu der Karte an der Wand, und sah einen Punkt mit dem Namen „Severus Snape", der sich in der Nähe des Gemeinschaftsraums bewegte. Snape war ihnen auf der Spur, und Tigris hatte bisher nichts dagegen getan. Er hatte zu viel im Kopf, um sich um den Tränkmeister zu kümmern, auch wenn er wusste, dass es ein großes Problem war. Vielleicht würde Snape auf ihn hören, wenn Tigris ihm befahl, sich aus der Sache herauszuhalten, aber Tigris bezweifelte es. Tigris' Drohung, Snape an Voldemort zu verraten, hatte kein großes Gewicht mehr, nun, da er Snape schon wochenlang gedeckt hatte. Er würde sich nur selbst mit in Schwierigkeiten bringen, wenn er sie wahr machte, und Snape wusste, dass Tigris das nicht riskieren würde. Nicht jetzt, wo er gerade so hoch bei dem Dunklen Lord in der Gunst stand.

Tigris seufzte. Zum Glück war es nicht mehr lange bis zu den Weihnachtsferien. Er runzelte die Stirn. Sein Vater hatte ihm noch immer nichts Genaueres über Yule gesagt. Er musste sich wohl darauf verlassen, dass sein Vater das Problem gelöst hatte. Er hatte wirklich keine Lust, sich plötzlich als Oberhaupt der Malfoys wieder zu finden. Es war eine Position, die er weder ausfüllen konnte noch ausfüllen wollte. Sein Vater erfüllte sie gut genug. Voldemort war offenkundig zufrieden mit seiner Arbeit im Ministerium.

Er beobachtete auf der Karte, wie ein paar Punkte mit den Namen von Erstklässlern Snape umringten und sich mit ihm von dem Ausgang des Gemeinschaftsraums wegbewegten. Währendessen kamen eine Reihe anderer Punkte langsam in Richtung der Kammer. Tigris lächelte zufrieden. Snape würde lange brauchen, bis er der Schattengemeinschaft auf die Schliche kam, wenn überhaupt. Sie hatten ihre Schüler gut ausgebildet.

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Die Winterferien kamen schneller, als Tigris es gedacht hatte, und bevor er es sich wirklich bewusst war saßen sie alle im Zug, auf dem Weg nach Hause. Richard trug eine rote Nikolausmütze, und erzählte jedem, der es hören oder nicht hören wollte, dass er und Theodore die Ferien in der Schweiz verbringen würden, um Ski zu fahren. In einem Muggelhotel natürlich, wo bliebe sonst der Spaß dabei? Theodore lächelte ein wenig gequält, auch wenn die Idee den Urlaub mit seinem Freund zu verbringen ihn aufzuheitern schien. Sie alle wussten, dass Theodore es hasste, Weihnachten bei seiner Stiefmutter zu verbringen. Vincent und Gregory mampften fröhlich die süßen Plätzchen, die Gregorys Mutter ihm geschickt hatte, während Gregory darüber spekulierte, wie groß der Weihnachtskuchen dieses Jahr werden würde.

Draco blickte düster auf die schneeweiße Landschaft, die am Fenster vorbeizog, während sie Schottland hinter sich ließen. Die Mädchen waren vor einer Weile in ihr eigenes Abteil gegangen, und Tigris vermutete sein Bruder fühlte sich so missmutig wie er selbst, wenn er an die herannahende Yulefeier dachte. Tigris streichelte Sarin geistesabwesend. Die Schlange war in der Kälte des Winters träge geworden, und verbrachte die meiste Zeit unter seinem Bett, um zu schlafen. Selbst jetzt, wo die Wärme seines Körpers sie munterer werden ließ, war sie schläfrig und nicht so gesprächig wie in der wärmeren Jahreszeit. Tigris hatte gelesen, dass manche Schlangenarten über mehrere Monate hinweg Winterruhe hielten. Die Tigerottern gehörten offenbar nicht dazu, aber dennoch war der Winter nicht Sarins aktivste Jahreszeit.

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Es war diesmal ihre Mutter, die sie vom Bahnsteig abholte. Sie umarmte sie beide, und nachdem sie sich von Blaise und Athena verabschiedet hatten, brachte sie der Portschlüssel zum Herrenhaus. Ihr Vater erwartete sie in der Eingangshalle, und sagte Tigris nach der Begrüßung, dass er in seinem Studierzimmer mit ihm sprechen wollte. Tigris hatte ein mulmiges Gefühl, als er ihm folgte. Sein Vater hatte ihn seit seinem Geburtstag nicht mehr bestraft, und seine Worte während Tigris' letztem Besuch wiesen darauf hin, dass er es auch in Zukunft nicht tun würde, dennoch weckte diese Art von Gespräch keine guten Gefühle in ihm.

Sein Vater musterte ihn amüsiert, als er sich zögernd setzte, so als wüsste er genau, was Tigris dachte.

„Wie ich dir geschrieben habe, hatte ich eine Lösung für unser Problem an Yule gefunden.", sagte er. „Doch wie sich herausstellt, werden wir sie nicht brauchen. Unser Lord wünscht dich zu sehen, morgen nach dem Frühstück. Wie es scheint, wirst du den Großteil der Ferien bei ihm verbringen." Sein Vater zögerte einen Moment. „Mir persönlich wäre es lieber, wenn du Yule bei uns verbringen würdest, aber es ist nicht an mir, das zu entscheiden. Ich schlage vor, du packst, was immer du meinst zu brauchen. Er sagte mir, du wüsstest, wo du ihn findest."

Tigris nickte, zu überrascht um etwas zu sagen. Voldemort hatte bei ihrem letzten Treffen nichts davon erwähnt. Er nahm an, Voldemort wollte, das er zum Hauptquartier apparierte, und es begeisterte ihn noch immer, dass es ihm erlaubt war, das zu tun. Es war ein Privileg, was er sich mit nur den allerwenigsten Todessern teilte, jenen, die dem Dunklen Lord über Jahre hinweg ihre Treue bewiesen hatten - und er war erst siebzehn. Er war stolz darauf, auch wenn eine kleine Stimme in seinem Inneren ihm sagte, dass er es nicht sein sollte.

Sein Vater betrachtete ihn mit einem prüfenden Blick, und Tigris fragte sich flüchtig, wie viel er wusste. Lucius war nicht mehr Teil des Inneren Kreises, hatte Voldemort seine Erinnerung gelöscht? Oder war es vielmehr so, dass ein Zauber auf dem Anwesen lag, ähnlich dem Fidelius, der seinen Standort vor allen verbarg, die der Dunkle Lord nicht einweihte? Vielleicht beides. Tigris hatte es bei seinen Ausflügen in die Gedanken des Dunklen Magiers nie herausfinden können. Es war eins von vielen Dingen, die er lernen würde. Plötzlich war die Aussicht auf die kommenden Wochen weitaus interessanter als zuvor.

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Tigris apparierte in die Eingangshalle des alten Klosters, die kalt und leer war. Die Feuerstelle an der Seite war aus. Er wartete einen Moment, dann betrat er den Gang, von dem man in den Hof hinausblicken konnte. Der Hof des Anwesens war ein viereckiger Platz, großteils von Gras bewachsen. Auf gut der Hälfte fanden sich alte, verwitterte Grabsteine, mit den Namen von Mönchen aus längst vergangenen Zeiten. Keiner der Blacks oder Nigellus war jemals hier beerdigt worden. Tigris konnte nur spekulieren, warum sie den Friedhof niemals eingeebnet hatten. Vielleicht hatten selbst Schwarzmagier einen gewissen Respekt vor den Toten – oder vielleicht hatten sie andere, sinisterere Gründe.

In der Mitte des Hofs standen zwei Personen, die sich unterhielten, eine davon in der Kleidung der Todesser. Tigris betrachtete die zweite Person neugierig. Es war offensichtlich kein Gefangener, der Mann unterhielt sich ungezwungen mit der maskierten Person.

Der Fremde trug fernöstliche Kleidung, eine blaue Robe und einen Turban. Seine Bewegungen waren elegant und geschmeidig, und er war offenkundig vertraut mit der Person, mit der er sich unterhielt, oder verstand es zumindest meisterhaft, diesen Eindruck zu erwecken. Plötzlich drehte der Mann sich um, und die beiden blickten gradewegs in Tigris' Richtung.

Tigris fühlte sich ertappt. Er erkannte nun Bellatrix hinter der weißen Maske. Der Mann neben ihr war ein Araber, oder zumindest aus dieser Gegend. Er hatte schwarze Haare und dunkle Augen, und seine Haut hatte die Farbe von dunklem Karamell.

Bellatrix winkte, und Tigris trat zögernd auf den Hof hinaus. Die dunklen Augen des Arabers musterten ihn, und Tigris fühlte sich unwohl. Bellatrix grinste, und das trug nicht zu seinem Seelenfrieden bei.

„Da bist du ja endlich, kleiner Vogel.", sagte die Hexe. „Ich dachte schon, mein lieber Schwager hätte vergessen, dir unsere Nachricht auszurichten. Sei brav und zoll deinen Vorgesetzten Respekt."

Tigris verbeugte sich widerwillig. Was immer sie auch sonst sein mochte, Bellatrix war ranghöher als er, und solange der Dunkle Lord nicht anwesend war, hatte er keine Entschuldigung, das zu missachten. „Guten Morgen, Mrs. Lestrange."

Bellatrix lachte hämisch. „Ist er nicht reizend, ya Sayyid?" Sie deutete auf den Mann neben sich. „Dies, Junge, ist Master Tau'am al Uh'Djey-yah. Unser Lord wünscht, das du ihn begleitest. Du wirst ihn mit dem Respekt behandeln, den er verdient. Für die Dauer dieser Reise bist du sein Diener, und du wirst tun, was immer er verlangt. Verstanden?"

„Ja, Mrs. Lestrange.", antwortete Tigris, es irgendwie schaffend, seine Abneigung aus seiner Stimme herauszuhalten. Dieser Mann war offenkundig sehr wichtig für ihren Lord, sonst wäre er nicht hier. Er schloss aus, dass Bellatrix ihn in eine Falle zu locken versuchte, schließlich wusste der Dunkle Lord, dass er hier war. Nicht einmal Bellatrix war so dreist, eine Anordnung ihres Lords zu missachten oder zu fälschen, um einen Rivalen auszuschalten. Es widerstrebte ihm, sich so ohne weiteres einem Unbekannten unterzuordnen, aber er war auch neugierig. Weshalb war dieser Mann so wichtig für den Dunklen Lord?

„Gut.", sagte Bellatrix. „Ma'a al'salaamah, ya Sayyid." Sie neigte den Kopf leicht in Richtung des Arabers, dann wandte sie sich ab und verschwand in einem der Gebäude.

Tigris betrachtete den Mann vor sich verhalten. Der Araber überragte ihn ein Stück. Er war gutaussehend, aber da war auch etwas Wildes, Gefährliches an ihm, was Tigris nicht ganz einordnen konnte. Nun, der Mann war wohl kaum harmlos, wenn er das Vertrauen des Dunklen Lords genoss.

Der Araber lächelte, und zeigte damit eine Reihe makelloser weißer Zähne. „Du bist also Tigris Malfoy. Ich habe schon viel von dir gehört." Der Blick des Mannes ging in die Richtung, in die Bellatrix verschwunden war.

„Ich hoffe nur Gutes... Sir.", fügte Tigris nach einem Moment des Zögerns hinzu.

„Dieses und jenes.", erwiderte der Mann amüsiert. Seine Stimme war wie Honig, seidig und melodisch. Tigris versuchte vergeblich, sich seinen Namen ins Gedächtnis zurück zu rufen, doch alles was ihm einfiel war, dass er fremd klang, und dass er den Tonfall gehasst hatte, mit dem Bellatrix ihn aussprach.

Das Lächeln des Mannes verbreiterte sich. „Du kannst mich Sayyid nennen.", sagte er. „Ich weiß, die Europäer haben oftmals Probleme mit meinem Namen."

„Danke, Master Sayyid.", sagte Tigris, und fragte sich, ob der Mann seine Gedanken gelesen hatte.

Der Mann lachte. „Nicht Master Sayyid, Junge. Einfach nur Sayyid. Hast du alles gepackt, was du für eine längere Reise benötigst? Ich nehme nicht an, dass du die passende Kleidung bei dir trägst, aber darum kümmern wir uns, wenn wir angekommen sind."

„Ich habe das Notwendigste bei mir.", antwortete Tigris. „Darf ich fragen, wohin wir reisen werden?"

Sayyid lächelte. „Das wirst du sehen, wenn wir angekommen sind. Im Moment solltest du dich lediglich von dieser Robe und dieser Maske trennen, denn dort, wo wir hin wollen, kannst du sie nicht gebrauchen."

Tigris murmelte „Morsaturabat", und seine Todesserkleidung machte seiner gewöhnlichen Robe Platz.

„Gut.", sagte der Mann, in die Hände klatschend. „Ma'ee!"

Tigris fand sich plötzlich in den Armen des Mannes wieder, und bevor er reagieren konnte, hatten sie ihn umschlungen und sie disapparierten.

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Als sie apparierten, trafen Tigris die lauten Geräusche, die von allen Seiten auf sie einprasselten wie ein Schlag. Es war ein Schock nach der Stille des alten Klosters. Nach einem Moment der Desorientierung löste er sich aus Sayyids Armen und sah sich um. Sie befanden sich unter der Erde, in einer großen Höhle, in der es vor Zauberern und Hexen wimmelte. Er sah Gruppen und Familien mit Kindern, einzelne Personen die geschäftig zwischen den anderen hindurcheilten, selbst Zauberer mit Käfigen voller Tiere an ihrer Seite.

Mitten zwischen den vielen Menschen befanden sich Stände, vor denen lange Schlangen anstanden.

„Alle Reisenden an Portal vierzehn, bitte zu Schalter acht!", ertönte plötzlich eine laute Stimme, die in der Halle ohrenbetäubend schien. „Ihr Portal öffnet in zwanzig Minuten. Reisende an Portal vierzehn, letzter Aufruf zu Schalter acht!"

Eine Hexe mit einem Haufen Koffer hastete plötzlich an ihnen vorbei, gefolgt von einer Horde Kinder, die sie eins nach dem anderen an sich vorbei schob. „Wo ist Kevin?", keuchte sie plötzlich, rot im Gesicht. „Sagt nicht, wir haben ihn schon wieder vergessen!"

„Hier ist er, Mum!", piepste eines der Mädchen, einen roten Kniesel am Nackenfell hochhaltend. „Er hat sich in Dads Koffer versteckt und seine Seezunge aufgefressen!"

„Gut, gut!", rief die Hexe. „Los dann! Beeilt euch! Schnell, schnell!"

Die Gruppe rannte weiter, eine Reihe empörter Passanten beiseite stoßend, und verschwand in der Menge.

Tigris fühlte plötzlich eine Hand auf seiner Schulter und fuhr erschrocken herum.

„Komm.", sagte Sayyid amüsiert. „Unser Portal öffnet in einer Stunde, es kann nicht schaden, etwas früher am Schalter zu sein."

Tigris sah sich beeindruckt um, während Sayyid ihn zielsicher durch die Massen hindurch führte. Er ahnte, wo sie sich befanden. Das internationale Reisezentrum in Irland. Er hatte davon gelesen, aber es sich niemals bildhaft vorgestellt. Es zu erleben war atemberaubend. Tigris wusste, dass von diesem Ort magische Portale in aller Herren Länder aufgingen, Hexen und Zauberern ermöglichend in Sekunden auf die andere Seite der Erde zu reisen, über Distanzen, für die Apparieren und Portschlüssel nicht ausreichten. Er hatte sich nie intensiv damit beschäftigt, welche Zauber dazu befähigten, aber es war faszinierend.

Sie erreichten schließlich einen Bereich, an dem sich eine schier endlose Reihe von Torbogen befanden, vor denen sich bereits Schlangen gebildet hatten, manche länger, manche kürzer.

Die Schlange, in der Tigris und Sayyid sich anstellten, gehörte zu den kürzeren. Vor jedem Torbogen befand sich ein Pult, hinter dem ein Zauberer oder eine Hexe saß, die die Zauberstäbe der Durchreisenden auf einer Waage wog. Sie waren bereits fast an ihrem Torbogen, als neben ihnen ein Tumult ertönte.

Eine dicke Hexe war durch einen der Torbogen hindurchgegangen, als ihr Kleid plötzlich aufplatzte und duzende kleiner Fellknäuel darunter hervorpurzelten. Einen Augenblick lang wirkte sie verblüfft, dann raffte sie ihren Rock auf und sprintete mit überraschender Behändigkeit durch den Bogen hindurch. Sie kam nicht weit. Ein paar grüngekleidete Auroren stoppten sie nur weniges später.

„Sie verstehen das nicht!", ertönte ihre schrille Stimme, als sie abgeführt wurde. „Ich tue das zur Rettung einer magischen Spezies! Meine Süßen verdienen es, wieder in der freien Natur zu leben, wo sie ihren Ursprung haben!"

Ein alter Zauberer neben ihnen schüttelte den Kopf. „Schon wieder eine von diesen Verrückten von der Knuddelmuff-Freiheitsbewegung. Man sollte meinen, langsam würden sie begreifen, dass es verboten ist, diese Dinger in die Vereinigten Staaten einzuführen."

„Du verstehst das einfach nicht, Odo.", sagte die Hexe neben ihm. „Die Kleinen sind so niedlich, und sie schnurren! Ich begreife nicht, was die Amerikaner gegen sie haben."

„Sie sind eine Plage!", sagte ein hochgewachsener Zauberer mit einem dicken schwarzen Schnurrbart. „Sie vermehren sich schneller als Ratten! Wegen diesen Viechern war das gesamte Blaue Haus letztes Jahr infiziert mit Chizpurfles! Damit nicht genug, Minister Kirk ist über sie gestolpert und hat sich ein Bein gebrochen! Verdammt richtig, sie zu verbieten!"

Die ältere Hexe schniefte nur, offensichtlich nicht überzeugt.

In diesem Moment waren Tigris und Sayyid am Schalter, und er konnte der Unterhaltung nicht länger zuhören.

„Mister Aludada und Mister Malfi, Portal dreizehn.", nuschelte die Hexe am Pult gelangweilt, nachdem sie ihre Stäbe gewogen hatte. „Ihre Reservierungen wurden bestätigt, ihr Portal öffnet sich in einer halben Stunde. Bitte unterschreiben Sie hier, dass sie mit den Richtlinien des Ministeriums für Zauberei für internationales Reisen vertraut sind." Sie knallte ein dickes rotes Buch vor sich auf den Tisch. Tigris konnte vage die Worte ‚Ausreise' und ‚Zoll' auf dem Einband ausmachen. „Wenn sie einer Gruppe angehören, der die Ausreise nach Paragraph siebentausendeinhundertvierzig A, Abschnitt B der zuvor genannten Richtlinie verboten ist, treten Sie bitte jetzt aus der Reihe zurück."

Tigris griff nach dem Federkiel, den sie ihm hinhielt, und unterschrieb an der gleichen Stelle wie Sayyid, obwohl er keine Ahnung hatte, wovon die Frau redete.

Sie gab ihnen ihre Stäbe zurück. „Danke und gute Reise." Sie richtete ihre trüben Augen auf die nächsten in der Reihe.

Sayyid griff nach Tigris' Arm, und steuerte ihn durch den Torbogen hindurch. Sie gingen einen langen Gang hinunter, und fanden sich schließlich in einer weiteren Halle wieder, in der sich eine Reihe von Bänken befand, auf denen bereits einige Zauberer und Hexen saßen und warteten. Am Ende der Halle befand sich ein großer steinerner Torbogen, der Tigris beunruhigend an den Bogen in der Mysteriumsabteilung des Zaubereiministeriums erinnerte. Wie dort waren Runen in den Stein eingegraben, doch diese waren weit weniger obskur. Tigris studierte sie mit Interesse, im Versuch, ihren Sinn herauszufinden.

Sie hatten die harmlose Wirkung, die Magie des Ortes an dem sie sich befanden zu fokussieren, um eine Verbindung mit einem weit entfernten Ort herzustellen. Tigris wusste, dass sich das Reisezentrum aus diesem Grund in Irland befand. Es war einer der Orte, an dem eine Menge natürliche Magie konzentriert war.

Sayyid winkte ihm, und Tigris setzte sich neben den Araber auf eine der Bänke. „Verstehst du die Zauber auf dem Portal?", fragte der Mann.

„Zum Teil.", antwortete Tigris. „Ich verstehe die Runen, aber ich kenne nicht alle Zauber, die sie binden."

„Es ist ganz einfach.", sagte Sayyid. „Siehst du die Rune dort unten? Sie dient als Ankerpunkt."

Die nächsten Minuten hörte Tigris fasziniert zu, wie Sayyid erklärte, wie der Zauber auf dem Portal funktionierte. Manches davon war weit fortgeschrittene Arithmantik, und ging über Tigris' Verständnis des Stoffs hinaus, aber das grobe Prinzip verstand er.

„Ich habe nie Arithmantik in der Schule belegt.", gab er zu, als Sayyid geendet hatte.

„Ah.", sagte der Zauberer. „Wie schade. Arithmantik ist einer der wichtigsten Bestandteile magischer Theorie. Das Land, das wir im Begriff sind zu besuchen, ist nah am Ursprung der Arithmantik, und das ist ebenso der Ursprung magischer Theorie überhaupt. Vor Griechenland, vor China und erst recht vor Britannien wurde dort der Grundstein zur Entdeckung der magischen Prinzipien gelegt."

„Ägypten?", vermutete Tigris.

Sayyid warf ihm einen anerkennenden Blick zu. „Wie ich sehe bist du zumindest vertraut mit Geschichte. Nicht ganz, aber fast."

In diesem Moment ertönte ein lauter Ton in dem Raum, und die Leute auf den Bänken erhoben sich, ihr Gepäck zusammenraffend. Die Runen auf dem Steinbogen begannen zu leuchten, und die Luft in dem Bogen flimmerte. Dann plötzlich blickten sie auf eine fast bizarre Felsenlandschaft aus rotem Sandstein, über der der Himmel sich in einem undurchbrochenen Blau erstreckte, das für Tigris' Wolken gewöhnte Augen fast schmerzhaft erschien.

Die versammelten Menschen traten vorwärts durch den Torbogen hindurch, und apparierten, sobald sie die andere Seite erreicht hatten. Tigris und Sayyid gehörten zu den Letzten, die das Portal durchquerten. Tigris fühlte einen leichten Ruck, aber nichts wie den schwindelerregenden Sog eines Portschlüssels, oder den rasanten Schub des Floonetzwerks. Er machte einfach einen Schritt vorwärts, und von einem Augenblick zum nächsten hatte er die kühle Reisehalle verlassen, und brütende Hitze schlug ihm entgegen.

Er holte Luft und atmete unglaublich trockene, sandige Luft ein, ein Schock nach der feuchten Kälte in England.

Sayyid breitete die Arme aus und legte den Kopf zurück, genießerisch durchatmend. „Ah, die Hammada. Wie ich sie vermisst habe." Er richtete seinen Stab auf Tigris, und Tigris fühlte, wie seine Kleidung sich veränderte.

Die erstickende, der englischen Kälte angepasste Robe die er getragen hatte, wich einem luftigeren Gewand und Sandalen, und einem Turban ähnlich wie Sayyid ihn trug. Tigris tat sich noch immer schwer mit der plötzlichen Hitze, aber es ging ihm besser.

Sayyid schlang erneut die Arme um ihn, und sie apparierten zum zweiten Mal.

Diesmal erschienen sie in einer etwas freundlicheren Gegend. Tigris verharrte fasziniert.

Vor ihm erstreckte sich eine Landschaft aus sandig-gelben Kalkstein, Häuser, so dicht aneinander gebaut, dass sie miteinander verwachsen schienen. Sie erhoben sich mehrere Stockwerke hoch inmitten eines trotzig grünen Palmenwaldes, über dem der Himmel vor Hitze flimmerte. Weiter hinten sah man die Anfänge der Wüste, Kreideberge, die sich in den Himmel erhoben. Die Häuser selbst verschmolzen fast mit den Felsen, ihre Zinnen wie eine bizarre Nachahmung der kargen Natur um sie herum, nur überragt von den weißen Kuppeln eines Tempels – oder war es ein Palast – der Tigris' Blick unwiderstehlich auf sich zog. Es erschien fast wie die Verbildlichung eines orientalischen Märchens, surreal.

Die Schatten der Häuser erstreckten sich in tiefer Schwärze über den Steinboden, undurchdringlich für Tigris' Augen, die von der Reflexion der Wüstensonne an dem Kalkstein geblendet waren. Die Kontraste waren nahezu unerträglich, und für einen Augenblick verschwamm das Bild, als seine Augen versuchten, sich an die fremdartige Landschaft anzupassen. Schließlich gab er es auf, die Schatten mit seinem ungeübten Blick durchdringen zu wollen, und studierte stattdessen das Puzzle hell erleuchteter Flächen, das sich aus dem Dunkel der von der Sonne abgewandten Mauern hervorhob.

„Komm.", sagte Sayyid, auf die Gasse vor ihnen deutend. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns."

„Wo sind wir?", fragte Tigris atemlos.

Sayyid grinste ihm zu. „Bacher-el-Alfrid Siwa.", sagte er, und Tigris war nicht schlauer als zuvor.

„Wir sind in Libyen.", fügte der Araber hinzu. „Südwestlich von Alexandria."

Tigris war geographisch nie sehr bewandert gewesen, also sagte ihm das nicht viel mehr, außer das er sich etwas westlich von Ägypten, und südlich des Mittelmeers befand.

Sayyid seufzte ärgerlich. „Die Welt zu kennen, und die Natur ihrer Länder, ist der erste Schritt zur Erlangung der Schätze, die sie bergen.", sagte er. „Wie willst du das Schicksal der Menschheit beeinflussen, wenn du ihre Menschen und die Umgebungen die sie prägen nicht kennst?"

Tigris biss sich auf die Lippen. Es war nun offensichtlich, dass Sayyid seine Gedanken las. „Ich versuche, mehr zu lernen.", sagte er.

„Ich will hoffen, dass du das tust.", erwiderte Sayyid. „Gha-bee talibee."

Sie durchwanderten eine Reihe enger Gassen, und begegneten ein paar Einwohnern dieser Siedlung, deren dunkle Augen ihnen neugierig folgten. Die meisten von ihnen waren Männer, ähnlich gekleidet wie Sayyid, aber Tigris sah auch einige Frauen. Sie trugen keinen Schleier, wie er halb erwartet hatte, aber Kopftücher, und lange, fließende Gewänder. Eine von ihnen ließ eine Reihe von Tonkrügen um sich herum schweben, dass erste Anzeichen dafür, dass die Bewohner dieses Ortes magiebegabt waren.

Schließlich wurden die Gassen breiter, und füllten sich zunehmend mit geschäftigen Treiben. Die Luft füllte sich mit dem Duft exotischer Pflanzen und Gewürze, die Männer und Frauen an wackeligen Holzständen mit lauter Stimme feilboten, in einer Sprache, die Tigris nicht verstand. Ziegen und Hühner rannten zwischen ihnen umher, und Tigris beobachtete einen kleinen barfüßigen Jungen, der hinter einer ausgerissenen Ziege her rannte, sie mit zweifelsohne blumigen Namen bedenkend. Schließlich streckte der Junge die Hand aus und rief etwas, und die Ziege erhob sich zappelnd in die Luft und flog in seine Arme, fast größer als der Junge selbst. Junge und Ziege landeten in einem Korb voller Melonen, die in alle Richtungen kullerten. Der Junge rappelte sich schnell auf und flüchtete mit seiner Beute, während der Melonenverkäufer ihm zornig hinterher schimpfte.

Ein grimmig dreinblickender Mann diskutierte mit einer energischen Marktfrau über Orangen, bis die begehrten Früchte sich plötzlich in die Luft erhoben und seinen Kopf umkreisten, worauf er der grinsenden Händlerin ärgerlich eine Reihe glitzernder Münzen zuwarf, die sie mit einem lachenden „Shukran!" gekonnt auffing. Der Mann pflückte die Früchte aus der Luft und stapfte ungehalten von dannen.

Sayyid machte schließlich vor einem Stand mit Teppichen halt, in dessen Mitte ein kleiner hagerer Mann saß und eine gefährlich aussehende Schlange mit seiner Flöte hypnotisierte. Als sie vor ihm stehen blieben, hielt er bedächtig inne, und die Schlange glitt in den kübelförmigen Korb zurück, aus dem sie gekommen war.

Der Mann fixierte sie mit dunklen kleinen Vogelaugen, bis Sayyid etwas sagte, das Tigris nicht verstand. Es rief ein Aufblitzen in den Augen des Mannes hervor. Sayyid und er tauschten ein paar Sätze in schnellem, unverständlichen Arabisch, und die zu Beginn interessiert wirkende Miene des Händlers wurde zunehmend verschlossener und feindseliger.

„Laa.", war schließlich das einzige Wort, das Tigris verstand, und aus den Gesten des Mannes zu schließen bedeutete es Nein.

Sayyid griff in seine Robe, und holte eine Reihe goldener Münzen hervor, und ein gieriges Glänzen tauchte in den Augen des Mannes auf. Dennoch zögerte er. Wie es schien, war das was Sayyid verlangte nicht einfach zu bekommen. Schließlich jedoch schien der Händler doch einverstanden zu sein, denn Sayyid gab ihm die Münzen und der Mann redete etwas mehr, mit seinen Händen gestikulierend. Schließlich nickte Sayyid und griff nach einem der zusammengerollten Teppiche, ihn Tigris zuwerfend, der überrascht stolperte.

Er schulterte den Teppich, der alles andere als leicht war. Als er seinen Stab ziehen wollte, um den Teppich zu schrumpfen, oder zumindest leichter zu zaubern, hielt Sayyid ihn auf. „Nein. Trag ihn so wie er ist."

„Ja, Sayyid." Tigris verbarg seinen Unwillen, und gehorchte. Wie es schien war er recht buchstäblich Sayyids Diener, wie seine liebe Tante Bella gesagt hatte. Aber er hatte kaum eine Wahl. Nicht nur war es das, was der Dunkle Lord von ihm wollte, er war nun auch in einem fremden Land, das er nicht kannte, wo die Leute eine Sprache sprachen, die er nicht verstand. Er war verloren ohne Sayyid, und das hieß, dass er alles tun musste, was der Mann ihm sagte. Tigris sah ärgerlich zu Boden und folgte seinem blaugekleideten Herrn zwischen den ihm fremden Menschen hindurch, das Gewicht des Teppichs auf seiner Schulter eine unangenehme Erinnerung an seine Hilflosigkeit. Vielleicht war das der Grund, warum ihn der Dunkle Lord hierher geschickt hatte, dachte er grimmig. Um ihm ‚Demut' beizubringen, eine Fähigkeit an der es ihm anscheinend so mangelte. Also gut. Er würde lernen, was immer er ihm beibringen wollte, und vielleicht würde der Lord ihn mit mehr Respekt behandeln, wenn er zurückkehrte.

Er rannte beinahe in Sayyid, als der Mann abrupt stehen blieb, und wunderte sich, was seinen zeitweiligen Herrn aufgehalten hatte. Sayyid ließ seinen Blick über die Menschenmenge wandern, und Tigris nahm an er hatte etwas gesehen, was ihn innehalten ließ. Was immer es war, es hielt Sayyids Aufmerksamkeit nicht für lange, denn nach einigen Augenblicken wandte der Mann sich ab und setzte seinen Weg über die Marktstraße fort.

Sie erreichten schließlich den Rand des Ortes, wo sich schiefe Häuser geduckt an die Mauer kauerten, die die Wohnstätten von der Wüste trennte. Die Häuserwände hier waren grau und schäbig, der Verputz rissig, und die Gassen schmal und dunkel. Sayyid blieb vor einer schmalen Holztür stehen und klopfte. Es ertönte keine Antwort, und Sayyid klopfte ein weiteres Mal. Schließlich polterte es, und die Tür flog mit einem Ruck auf. Der Mann der geöffnet hatte sah so heruntergekommen aus, wie die Gegend, in der er wohnte. Er trug eine zerschlissene Hose und ein ebensolches Hemd, und sah aus als hätte er sich seit Tagen nicht gewaschen.

„Man anta?", fragte er unfreundlich, sie mit zusammengezogener Stirn musternd.

Sayyid antwortete mit seidiger Stimme, und was immer er sagte schien den Mann zu versöhnen. Er warf den Hähnchenknochen, den er in der Hand gehalten hatte hinter sich ins Haus, wo zwei abgemagerte Hunde sich knurrend darauf stürzten.

„Alaykum salam, Effendi.", sagte er, missmutig, aber mit einem Hauch von Respekt in der Stimme. „Ismee Abdul Gamal bin Abbas."

Sayyid diskutierte erneut mit dem eigenartigen Menschen, und schließlich schienen sie zu einer Einigung zu gelangen, denn Sayyid gab dem Mann eine Reihe Goldstücke, woraufhin dieser in seinem Haus verschwand, nur um kurz darauf mit einer Robe bekleidet wiederzukommen.

Er winkte Sayyid, Tigris nicht einmal ansehend. Offensichtlich hielt er ihn nicht für seiner Aufmerksamkeit würdig.

Sie verließen den Ort und gingen weiter, bis die Palmen immer spärlicher wurden und die Wüste begann. Hier blieb der Mann stehen und gestikulierte zu Tigris, dabei etwas sagend, was Tigris nicht verstand. Es klang jedoch nicht sehr höflich, eher so wie jemand mit einem sehr niedrigen Dienstboten spricht, und obwohl er Sayyids Diener war, machte es Tigris ärgerlich. Er stand noch immer weit über dieser hässlichen Ratte.

„Er sagt, du sollst den Teppich ausrollen.", sagte Sayyid.

Tigris schluckte widerwillig seinen Zorn hinunter und tat was er sagte, auch wenn ihm der Sinn entging. Erst als die beiden sich auf dem Teppich niederließen, und Sayyid ihm bedeutete, es ihnen gleich zu tun, erinnerte er sich, dass man in dieser Gegend Teppiche als Fortbewegungsmittel benutzte. Er hatte dies kaum gedacht, als der Teppich sich auch schon mit einem Ruck in die Luft erhob.

Tigris musste sich zusammenreißen, um sich nicht panisch festzuklammern. Er war Besenfliegen gewohnt, aber dies hier war etwas anderes. Es war ein Stück Stoff, welches sich entgegen aller Natur in der Luft befand, und er hatte das Gefühl, es müsste jeden Augenblick in sich zusammenfallen und sie alle abwerfen – auf den Sand, der sich plötzlich sehr weit unter ihnen befand.

„Du bist noch nie auf diese Weise geflogen, wie ich sehe.", meinte Sayyid erheitert.

„Nein.", antwortete Tigris gepresst, die Finger in seiner Robe vergrabend.

Sayyid lachte. „Keine Sorge, solange wir uns nicht über dem Schott befinden, sind ein paar gebrochene Knochen das Schlimmste, was dir zustoßen kann."

„Dem Schott?", fragte er mit einem flauen Gefühl im Magen.

„Den Salzsümpfen.", antwortete Sayyid, Tigris' Unbehagen offensichtlich genießend. „Sie sind nicht weit von hier. Ich weiß nicht wo genau. Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin, deshalb habe ich Abdul Gamal hier bezahlt, um uns den Weg zu zeigen."

Er deutete zu dem schäbigen Mann, der vor ihnen auf dem Teppich saß, seinen Blick konzentriert auf die Wüste vor ihnen gerichtet. Die Bewegungen seiner Hände dienten anscheinend dazu, ihren Teppich zu lenken.

„Wohin fliegen wir?", fragte Tigris.

„Du wirst schon sehen."

Tigris sah kurz auf die Landschaft unter ihnen und fixierte seinen Blick dann auf das Gewebe des Teppichs vor ihm. Es war recht grob, ganz und gar nicht wie die kunstvollen Perserteppiche, die seine Mutter für ihr Herrenhaus erworben hatte. Die Farben waren blasser, und die Wolle fühlte sich rau unter seinen Fingern an. „Sind sie gefährlich, diese Salzsümpfe?", fragte er zögernd.

Sayyid grinste. „Wenn du dorthinein fällst, werden dich das Salz und die Sonne langsam aber unvermeidlich umbringen. Ein hässlicher Tod, sagt man. Magie hat keinen großen Nutzen, wenn du in den Sümpfen versinkst. Aber sie soll dafür sorgen, dass Zauberer länger am Leben bleiben als Muggel. Ich weiß nicht ob das stimmt, ich habe es nie ausprobiert."

Er musste wohl mehr von seinem Entsetzen gezeigt haben als er wollte, denn Sayyid lachte erheitert.

Danach stellte er keine Fragen mehr, und ihre Reise verlief schweigend. Mit der Zeit stieg die Sonne höher am Himmel, und es wurde heißer und trockener. Sayyid schlug sich den Teil seines Turbans vors Gesicht, der ihm über die Schulter hing, so dass nur seine Augen frei blieben. Tigris folgte seinem Beispiel. Es sorgte dafür, dass die Luft nicht ganz so in seinen Lungen brannte. Mit der Zeit machte die Hitze ihn müde und schwindelig. Er schloss die Augen und döste eine Weile vor sich hin, bis ihn die streitenden Stimmen Sayyids und ihres Führers aus den Träumen rissen.

Sayyid deutete zu einem Teil der Wüste vor ihnen, wo sich in weiter Ferne wie dunkle Schatten Felsen erhoben. Offensichtlich wollte er, dass sie in diese Richtung weiter flogen. Ihr Führer war da anderer Meinung, den er protestierte lautstark, seine Worte mit zornigen Gesten unterstreichend. Als Tigris ihn näher ansah, erkannte er die Furcht in den Augen des Mannes, und ihm wurde ein wenig mulmig zu Mute. Was war dort draußen, was dem Mann so viel Angst einjagte?

Tigris bekam nicht mit, wann genau der Streit der beiden eskalierte, aber plötzlich hatte Sayyid seinen Stab in der Hand, und ihr Führer erstarrte wie die Schlange des Teppichverkäufers beim Anblick der Flöte.

Sayyid zischte etwas zorniges, und der Mann antwortete, eingeschüchtert, doch offensichtlich noch immer ablehnend. Sayyids Augen verengten sich, und er machte eine Handbewegung.

„Crucio."

Der Mann brach nicht zusammen, wie Tigris es von Opfern dieses Fluches gewohnt war. Das wäre auf dem Teppich so weit über der Erde auch fatal gewesen. Stattdessen war er mitten in seiner Bewegung eingefroren, und nur seine Augen zeigten den Schmerz, den er empfinden musste.

Sayyid lächelte selbstzufrieden und wartete eine zeitlang, bis er den Zauber löste. Erst dann sackte der Mann in sich zusammen, Sayyid mit einem angsterfüllten Blick bedenkend.

Sayyid fragte etwas, aber zu Tigris' Erstaunen schüttelte der Mann noch immer den Kopf. Er hätte nicht gedacht, dass der schäbige kleine Wicht so zäh war.

Sayyid stieß einen wütenden Schrei aus und packte den Mann an der Kehle, ihm in die Augen starrend.

Tigris stieß unwillkürlich einen Schrei aus, als der Teppich plötzlich taumelte, und zur Seite kippte.

„Du bist nutzlos für mich!", rief Sayyid ärgerlich, und bevor Tigris wirklich begriff was vor sich ging, hatte er den Mann mit einer einzigen Bewegung von ihrem immer erratischer werdenden Fortbewegungsmittel heruntergeschleudert.

Tigris klammerte sich panisch am Rand des Teppichs fest, als dieser beinahe einen Salto vollzog. Dann hatte Sayyid plötzlich die Hände zu beiden Seiten hin ausgestreckt, und der Teppich flog wieder still. Tigris blieb liegen, wo er war und wartete darauf, dass sein Herzschlag sich beruhigte. Sayyid packte ihn an den Haaren und zog ihn zum Rand ihres Gefährts. „Du wolltest doch wissen, was ein Salzsumpf ist. Da, sieh und lerne."

Tigris starrte wie gelähmt auf die weiß-graue Landschaft unter ihnen. Ihr Führer war bereits bis zur Hüfte in die weißliche Masse eingesunken, und kämpfte offenbar darum, an der Oberfläche zu bleiben. Es bestand kein Zweifel daran, dass er diesen Kampf verlieren würde. Es gab weit um ihn herum nichts, was ihn hätte retten können. Tigris war übel.

„So gern ich mir dies auch noch länger ansehen würde", sagte Sayyid, „wir haben Wichtigeres zu erledigen."

Mit diesen Worten gewann der Teppich wieder an Geschwindigkeit, und der Mann unter ihnen entfernte sich weiter und weiter, bis Tigris ihn aus den Augen verlor.

„Der Narr.", sagte Sayyid, ohne jedes Bedauern. „Er hätte ein reicher Mann sein können."

„Wovor hatte er so viel Angst?", fragte Tigris zögernd. Ganz plötzlich war er eingeschüchtert von Sayyid. Was hinderte ihn schließlich daran, Tigris ebenso über Bord zu werfen wie den unglücklichen Abdul Gamal?

„Dem Teufel.", lachte Sayyid. „Und seinen Dämonen, die darauf aus sind ihm die Seele zu stehlen. Sie leben dort hinten, weißt du?"

Tigris bedachte Sayyid mit einem unsicheren Blick. „Es war nur Aberglauben?"

Sayyid betrachtete ihn belustigt. „Glaubst du nicht an den Teufel? Es gibt eine Menge Leute, die ihn für sehr real halten."

„Es gibt keinen Teufel.", sagte Tigris ungehalten.

Sayyid grinste. „Wenn du das sagst. Wenn es so ist, hast du ja nichts zu befürchten, nicht wahr?"

Tigris nickte, aber er fühlte sich nicht im geringsten so sicher. Es mochte keinen Teufel geben, aber er wusste aus eigener Erfahrung, dass es Wesen gab, die einem Zauberer die Seele stehlen konnten – und er hatte nicht das geringste Interesse daran, einem von ihnen zu begegnen.

Sie verlangsamten sich schließlich ein ganzes Stück vor dem Felsmassiv, dass in der letzten Stunde immer deutlicher geworden war. Die Sonne stand inzwischen glühend heiß am Himmel, es war Mittagszeit. Tigris hatte sich diesmal an den Rat seiner Mutter erinnert, und einen kühlenden Zauber gesprochen, aber das gleißende Sonnenlicht war trotzdem kaum erträglich. War dies nicht eigentlich die Tageszeit, in der die Araber sich in ihre Wohnungen zurückzogen, bis die größte Mittagshitze vorbei ging?

„Das ist richtig.", sagte Sayyid, aber Tigris war zu benommen um sich darüber aufzuregen, dass Sayyid in seinen Gedanken las wie in einem offenen Buch. „Aber je früher wir unser Ziel erreichen, um so besser." Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als ihr Teppich auch schon auf dem Boden aufsetzte. Sie hatten das helle Schott schon seit einer Weile hinter sich gelassen, und die Landschaft die sie nun umgab war rote Steinwüste.

„Roll den Teppich ein.", sagte Sayyid, aufstehend. „Wir werden ihn später noch brauchen."

„Ja, Sayyid.", sagte Tigris müde, und gehorchte. Er schulterte den Teppich, der nun sehr viel schwerer erschien als noch am Morgen, und schlurfte Sayyid nach, der ihm mit weit ausgreifenden Schritten voraus ging. Er fragte sich, ob sie an diesem Ort wirklich richtig waren. Um sie herum war nichts als Wüste. Nicht einmal eine Schlange regte sich. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie hier finden sollten, was für ihren Lord wichtig war.

Sie waren eine Weile gelaufen, als Sayyid plötzlich stehen blieb. Anders als in der Stadt konnte Tigris diesmal spüren warum. Es war ein seltsames Gefühl im Nacken, so als würde sie jemand beobachten. Er hatte es schon seit einer Weile bemerkt, aber plötzlich war es intensiver geworden.

„Ja.", sagte Sayyid, die Landschaft um sie herum mit zusammengekniffenen Augen musternd. „Al'Serab."

Das Wort hatte kaum seinen Mund verlassen, als um sie herum plötzlich Staub aufwirbelte, obwohl kein Wind wehte. Der Staub verdichtete sich, und in ihm formten sich schemenhafte Gestalten. Tigris' Hand fuhr zu seinem Stab, aber Sayyid stoppte ihn.

„Nicht.", sagte er. „Lass mich mit ihnen reden."

Die Gestalten wurden langsam klarer, und es waren offensichtlich Menschen und keine dämonischen Kreaturen. Sie trugen blaue Beduinengewänder, dunkler als Sayyids, und Turbane die ihre Gesichter verbargen. Es waren vielleicht ein Dutzend, und sie hatten ihn und Sayyid völlig eingekreist.

Sayyid hob die Hände. „As salaam alaykum."

Sie kamen näher, bis der Kreis um sie geschlossen war, lautlos wie Gespenster. Schließlich antwortete einer von ihnen auf Sayyids Gruß, aber Tigris verstand nicht, was er sagte. Sayyid erwiderte etwas, und der Mann schien zu überlegen. Dann machte er eine Handbewegung und die anderen Wüstenbewohner kamen näher zu ihnen, bis sie sie fast berührten. Sayyid legte eine Hand auf Tigris' Schulter, und hielt ihn nah bei sich. Seltsamerweise fühlte Tigris sich dadurch beruhigt. Sie schoben sie vorwärts, sie so dicht umgebend, dass sie nicht sehen konnten wohin sie gingen. Einer von ihnen zog Tigris den Teppich von der Schulter, und er ließ ihn auf einen Wink von Sayyid hin widerwillig gehen.

Sie gingen weiter, Tigris wusste am Ende nicht, wie lange sie gegangen waren, und schließlich traten die Männer zur Seite. Der Anblick, der sich ihnen bot überraschte ihn. Vor ihnen befand sich ein Zeltdorf, in einer Senke die er vom Teppich aus nicht gesehen hatte. Er sah Pferde, selbst Kamele, und eine Reihe dicht an dicht gebauter Zelte, aus denen nun ein paar weitere Menschen hervortraten. Nur von einem von ihnen war das Gesicht zu sehen. Es war ein alter Mann, aber er wirkte dennoch stark und kräftig. Seine Haut war dunkel und wettergegerbt und er hatte einen dichten grauen Bart, der ihm bis auf die Brust fiel. Als er näher kam, wichen alle anderen Männer beiseite.

Sayyid sagte etwas, dass den Mann innehalten und ihn intensiv mustern ließ. „As salaam alaykum, ya Sheikh al'Serab Amir bin Numair Karam bin Khalis.", sagte er dann. „Ismee Tau'am al Uh'Djey-yah."

Das Gesicht des Mannes zeigte für einen Augenblick Unglauben, dann trat er plötzlich auf Sayyid zu, packte ihn bei den Schultern und zog ihn in eine Umarmung. „Abu al Za'laam! Alaykum saalam! Kayf haluk?"

Er schob Sayyid von sich, ein breites Grinsen auf dem Gesicht, und fuhr fort, in Arabisch auf ihn einzureden. Tigris verstand nicht das Geringste, aber offensichtlich kannten die beiden einander, und das war sehr erleichternd zu wissen. Außerdem hatte er aus Sayyids Anrede das Wort Sheikh herausgehört, und dass ließ ihn vermuten, dass es sich bei diesem Mann um den Anführer dieser Leute handelte.

Er war überrascht, als der Mann auf ihn deutete. „Man haadhaa? Ahuwa ibnuka?" Der Sheikh klang neugierig.

Ein eigentümlicher Ausdruck huschte über Sayyids Gesicht. „Laa.", antwortete er. „Huwa talibee."

Der Sheikh grinste wissend. „Abu al Za'laam, laka haliqu."

Sayyid sah einen Augenblick lang fast ärgerlich aus, aber dann grinste er ebenfalls. „Innaku, huwa jameelun."

Die beiden lachten, dann wurde Sayyid ernst. „Amir Bei, ismuhu Tigris Malfoy. Tigris, dies ist Sheikh Amir bin Numair Karam bin Khalis vom Stamm der al'Serab."

Tigris verbeugte sich, unsicher, was er sonst tun sollte.

„As salaam alaykum, al'ufuuru.", sagte der Sheikh.

„Alaykum saalam.", erwiderte er unsicher. Er hatte es jetzt schon ein paar Mal gehört, dennoch war er sicher, er betonte es völlig falsch. Den Sheikh schien das nicht zu stören, er lachte nur.

„Alaykum saalam, ya Sheikh.", verbesserte Sayyid ihn.

Tigris spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. „Alaykum saalam, ya Sheikh.", wiederholte er.

Der Sheikh lachte erneut und klopfte ihm mit der Hand auf die Schulter. „Ta'ala."

Die meisten der al'Serab, die sie umringt hatten, waren inzwischen verschwunden. Der Rest war anscheinend aus Neugier geblieben, und sie folgten ihnen nun, als sie in Richtung des Zeltdorfs gingen.

„Worum ging es gerade eigentlich?", fragte er Sayyid leise, als der Sheikh ihnen voran ging.

Sayyid lächelte schief. „Er wollte nur wissen, ob du mein Sohn bist. Ich habe ihm gesagt, du bist mein Schüler. Wie du siehst ist es von Vorteil, fremde Sprachen zu beherrschen."

„Ich spreche Französisch und Lateinisch.", murmelte er missmutig. „Nur eben nicht Arabisch."

„Drei Sprachen sind garnichts für einen Zauberer.", sagte Sayyid. „Ich selbst spreche etwas über fünfhundert Sprachen, und die meisten von ihnen kann ich auch lesen und schreiben."

Er sah Sayyid erst ungläubig, dann beeindruckt an. „Das müssen fast alle Sprachen sein, die es gibt!"

Sayyid lachte. „Schön wäre es. Nein, Junge, auf der Welt gibt es Tausende von Sprachen, ich spreche lediglich die häufigeren... und manche von ihnen sind nicht einmal mehr lebendig. Um alle Sprachen der Welt zu lernen, braucht selbst ein Zauberer mehr als ein Leben." Er schien etwas anfügen zu wollen, doch dann schüttelte er amüsiert den Kopf und schwieg.

Der Sheikh führte sie in eines der Zelte, welches innen weitaus geräumiger wirkte als von außen. Die Zelte waren offenbar miteinander verbunden, und ihre Kuppeln befanden sich weit über ihnen, was dem ganzen das Erscheinungsbild eines bizarren Palastes mit leinernen Wänden verlieh. Der Boden war mit unzähligen Teppichen ausgelegt. Sayyid und der Sheikh zogen kurz hinter der Tür ihre Schuhe aus, und Tigris folgte ihrem Beispiel. Anschließend folgte er den Beiden, aber er war mehr von seiner Umgebung fasziniert als an ihrer Unterhaltung, von der er ja doch nichts verstand.

Es war angenehm kühl innerhalb des Zeltes, ohne Zweifel die Wirkung von Zaubern. Die Teppiche auf dem Boden waren weitaus wertvoller als der, mit dem sie gereist waren. Sie fühlten sich wundervoll unter seinen nackten Füßen an, und es waren kunstvolle Muster und Bilder hineingewebt. Als er länger auf einer Stelle stehen blieb fühlte er plötzlich ein Kitzeln unter den Fußsohlen, und als er verblüfft zur Seite trat blickte er auf einen Faun, der ihm lachend aus dem Gewebe zuwinkte und dann in der künstlerischen Märchenstadt verschwand, die der Teppich zeigte. Auch die Wände des Zeltes bestanden nicht aus schmucklosen Leinen. Sie waren mit Glastückchen, Stickereien und Perlen verziert, die sich veränderten, wenn er länger auf die gleiche Stelle sah. Er sah zu, wie Tausende glitzernder Steinchen langsam eine leuchtende Pflanze formten, die sich bald als Baum bis an die Kuppel des Zeltes erstreckte und schließlich in einem glitzernden Regen in sich zusammen fiel. Trotz all der Zeit, die er in der Zaubererwelt verbracht hatte gab es noch immer Dinge, die ihn in Erstaunen versetzten, dachte er bewundernd. Er würde niemals genug davon bekommen. Wie manche Muggelgeborene all dies hinter sich lassen konnten, um sich in die beschränkte Welt der Muggel zurückzuziehen, würde er niemals verstehen können.

Eine helle Stimme riss ihn aus den Gedanken. Er sah auf einen Jungen – oder war es ein Zwerg? – hinunter, der ein Tablett mit ein paar Gläsern darauf zu ihm hoch hielt, anscheinend wollte er ihm etwas zu Trinken anbieten. Zögernd nahm er eines der Gläser.

„Danke.", sagte er zögernd; dann, auf gut Glück: „Shukran."

Es schien das richtige Wort zu sein, denn der Junge grinste ihm zu, deutete eine Verbeugung an und verschwand zwischen zwei überlappenden Zeltwänden.

Das Getränk, was immer es war, schmeckte fremdartig, aber es war kühl und angenehm nach der langen Zeit in der trockenen Hitze. Als er ausgetrunken hatte tauchte der Junge wie aus dem Nichts wieder auf, und nahm das Glas mit.

Sie erreichten schließlich einen Raum, an dessen Ende sich ein voluminöser Diwan befand, auf dem der Sheikh sich nieder ließ, Sayyid winkend, ebenfalls Platz zu nehmen. Neben dem Diwan befand sich ein Tisch mit einem Teller voller getrockneter Früchte und einer Wasserpfeife, aus der der Stammesführer einen tiefen Zug nahm. Als er den Rauch ausstieß, bildete sich daraus ein Schwarm bunter kleiner Vögel, die in alle Richtungen davonstoben und schließlich verschwanden. Der Sheikh grinste Tigris zu, offenkundig von seiner Faszination amüsiert.

Tigris war mit seinen Gedanken noch bei all den interessanten neuen Dingen, die ihm hier begegneten, als Sayyid seine Schulter packte und ihn neben das Kissen dirigierte, das dem Sheikh am nächsten war. Als Sayyids Griff sich plötzlich verstärkte und er ihn auf die Knie stieß, war Tigris so überrascht, dass er es einfach geschehen ließ. Sayyid ließ sich auf dem Kissen nieder, ohne seine Hand von Tigris' Schulter zu nehmen. Er führte seine Unterhaltung mit dem Sheikh fort, ohne Tigris auch nur anzusehen.

Tigris schloss nach einem Moment des Aufbegehrens, dass es keinen Sinn hatte, zu versuchen aufzustehen und versuchte, sich zu entspannen. Sayyids Hand verließ seine Schulter und griff nach der Schale mit getrockneten Früchten auf dem Tisch, sich beiläufig etwas daraus nehmend.

Die Beiden führten ihre Unterhaltung fort, die sich als sehr lang und sehr langweilig erwies, da Tigris kein Wort verstand. Sayyid schien jedenfalls sehr leidenschaftlich mit dem zu sein, was er dem Sheikh darzulegen versuchte, denn er stand zwischenzeitlich auf und ging aufgeregt vor dem Diwan auf und ab, mit ausgreifenden Gesten unterstreichend was er sagte. Einige Male verlor seine Stimme den ruhigen, einnehmenden Tonfall der sie auszeichnete und verformte sich zu einem frostigen, bösartigen Zischen, das Tigris einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagte. Sayyid hatte so geklungen, kurz bevor er ihren Führer getötet hatte. Was immer ihn so aufregte, der Sheikh schien mit ihm übereinzustimmen, denn er nickte, auch wenn er weitaus ruhiger war. Er rauchte gelassen seine Wasserpfeife und schien Sayyids Dramatik mit der Anerkennung zu betrachten, die jemand einem gekonnten Schauspiel widmet.

Schließlich winkte Amir mit der Hand, und ein weiterer Junge erschien, dem der Sheikh ein paar Anweisungen gab. Der Junge nickte eifrig, Sayyid mit großen Augen betrachtend, und verschwand wieder, kurz darauf mit einer Reihe Pergamentrollen wieder erscheinend, die der Sheikh Sayyid reichte. Sayyid nahm sie, und ließ sich wieder auf seinem Platz nieder, offensichtlich sehr zufrieden. Er überflog die Pergamentrollen, und die Beiden unterhielten sich noch etwas mehr, nun offenbar über was immer in den Rollen enthalten war.

Tigris betrachtete die Wandstickereien und bemühte sich, nicht frustriert zu erscheinen. Nach langer Betrachtung waren die Wände und Teppiche nicht mehr so interessant wie zu Beginn, und die Motive begannen sich zu wiederholen. Eine Dryade in dem Teppich auf dem er kniete machte sich ganz offensichtlich über ihn lustig, und ein Feuergeist mit flammenden Haaren imitierte Sayyid, eine grimmige Miene ziehend und mit seinem Feuer obskure Symbole formend, auf sie deutend als seien sie sehr wichtig. Es amüsierte Tigris, aber dann winkte Sayyid zu seiner Enttäuschung mit der Hand über den Teppich – ohne auch nur wirklich darauf zu sehen – und der Feuergeist ging mit stummen Kreischen in Flammen auf und wurde von seinem eigenen Element verschlungen. Die Dryade wirkte schockiert und flüchtete, wonach Tigris nicht einmal mehr die Bilder hatte, um sich abzulenken.

Der süße Duft der Wasserpfeife erfüllte den Raum und begann ihn müde zu machen.

Er war erleichtert, als der Sheikh schließlich in die Hände klatschte, und Sayyid die Pergamentrollen mit einer Handbewegung schrumpfte und in seine Tasche steckte. Ein langer Tisch erschien vor ihnen und eine Reihe Sitzkissen zu beiden Seiten.

„Du kannst aufstehen und dich setzen.", sagte Sayyid, auf das Kissen links neben ihm deutend. Tigris folgte dem Angebot dankbar.

„Haben Sie erreicht, was unser Lord wünscht?", fragte er leise.

Sayyid lächelte amüsiert. „Ich habe erfahren, wie wir an das gelangen, wofür wir hier sind. Du wirst es früh genug herausfinden. Benutz nicht deine linke Hand zum Essen, das gilt als unhöflich."

„Ja, Sayyid.", erwiderte Tigris etwas mürrisch. Wofür war er überhaupt hier, wenn er nichts wusste und zu nichts Nutze war? Um Sayyids Teppich zu tragen?

Sayyid lachte. „Vielleicht bist du hier, um etwas zu lernen, al'ufuuru."

Tigris gewann das Gefühl, das war kein schmeichelhafter Ausdruck. Er verzog das Gesicht. Er hasste es, nichts zu verstehen.

„Und was lernst du daraus?", fragte Sayyid, sich eine Frucht in den Mund schiebend.

„Besser vorbereitet zu sein?", vermutete Tigris. „Mehr zu lernen?"

„Hmm.", meinte Sayyid lächelnd. Er erinnerte Tigris plötzlich an eine große Schlange, die sich in der Abendsonne ausruhte. Zufrieden und täuschend harmlos. Er verbannte diesen Gedanken schnell, bevor der Mann ihn auffangen konnte. „Vielleicht lehrt es dich aber auch, dass jene, welche ihre Arroganz aus Wissen allein beziehen Narren sind... denn du wirst niemals genug wissen um sicher zu sein, dass du nicht in eine Situation geraten kannst in der all dein Wissen nicht das Geringste zählt, und du so hilflos bist wie der ignoranteste Narr über den du dich überlegen dünkst."

Tigris starrte ihn schockiert an, und dann wand er sich unbehaglich, weil ihm klar wurde, dass was Sayyid sagte wahr war. All sein Wissen brachte ihm nichts an diesem Ort, den er nicht verstand, unter diesen Menschen, die ihm unbekannt waren, und deren Fähigkeiten und Bräuche ihm fremd waren. Ihm wurde mit einem kalten Gefühl klar, das dies wahrscheinlich das war, was sein Lord ihm beibringen wollte. Mein arroganter kleiner Schüler, hatte er gesagt. Tigris senkte den Kopf und starrte auf den Tisch, der sich langsam mit fremdartigen Speisen füllte. Der Raum füllte sich mit Leuten, als die restlichen Stammesmitglieder sich zu ihnen gesellten. Nur Männer, keine Frauen.

Er weigerte sich anzuerkennen, dass Wissen nicht das Geringste zählte, wie Sayyid gesagt hatte. Wenn er gewusst hätte, wohin sie gingen, hätte er sich vorbereitet – und er hätte gewusst, was sie erwartete. Er hätte gelernt, was ihm fehlte. Das wäre natürlich der Lehre abträglich gewesen, die sein Lord ihm offenkundig erteilen wollte. Ihm war klar, dass man nie auf alles vorbereitet sein konnte, dass man niemals alle Situationen vorhersehen konnte. Aber die, die man vorhersah? Konnte man sich nicht mit Recht denen als überlegen erachten, die noch weniger wussten, als man selbst? Je mehr man wusste, auf desto mehr war man vorbereitet, und diejenigen, welche nichts wussten, waren auf nichts vorbereitet und würden in jedem Fall verlieren... Tigris biss sich auf die Lippen. Er hasste es, unsicher zu sein. Hilflos. Verwundbar. Abhängig von anderen. Ausgeliefert. Er hasste es, und im Moment hasste er Sayyid aus vollem Herzen dafür, dass er ihn in diese Situation gebracht hatte. Und Bellatrix, weil sie es genossen hatte, ihn in diese Situation zu bringen. Und... Er unterbrach seine Gedanken. Er sollte seinem Lord dankbar sein, dass er ihm etwas beibrachte. Er hatte ihn schließlich darum gebeten, ihn als seinen Lehrling anzunehmen. Aber, dachte er trotzig, nichts in dieser Abmachung sagte, dass er es mögen musste. Gerade im Moment war dies eine Lektion, welche er verabscheute.

Als er aufsah, begegnete er Sayyids Blick, der ihn aus halb geschlossenen Augen betrachtete, in der Hand den Schlauch der Wasserpfeife, aus der blauer Rauch aufstieg. Er lächelte wie eine sehr zufriedene, sehr boshafte alte Katze... eine von der Art die dem umschwärmten Papagei den Hals durchbeißt nur weil sie es kann... und Tigris hoffte plötzlich, sie würden diese Aufgabe, was immer sie war, schnell hinter sich bringen, und er würde den Mann niemals wieder sehen.

Er sah hastig zur Seite und folgte dem Beispiel der anderen am Tisch, die Stücke von Fladenbrot benutzten, um das Fleisch und das Gemüse welches sich in den Schüsseln befand aufzunehmen. Das Essen war so interessant und exotisch wie alles andere an diesem Ort, aber er konnte sich nicht wirklich darauf konzentrieren. Er trank den zu süßen und zu heißen roten Tee, der an seinem Platz erschienen war, und versuchte die Welt um sich herum zu ignorieren, nicht dass es ihm gelang.

Der Mann der neben Tigris saß fiel ihm auf die Nerven, da er ständig etwas auf Arabisch zu ihm sagte, was er nicht verstand... es hörte sich auch nicht besonders freundlich an. Tigris sagte ihm, dass er ihn nicht verstand, was den Mann nicht zu stören schien – im Gegenteil, er schien es amüsant zu finden. Als wenn das nicht genug wäre, fuhr er ihm immer wieder durch die Haare, als wäre er eine Art Schosstier. Tigris wich ihm aus und schlug seine Hand zu Seite, und hatte das Gefühl er diente dabei zur Unterhaltung nicht nur von Sayyid, sondern auch der restlichen Anwesenden.

Das Essen wechselte von den reichhaltigen Vorspeisen zu ebenso fürstlichen Hauptgerichten, und schließlich zu süßem Kuchen und Pudding, der nach Rosen und Pistazien schmeckte. Tigris versuchte, das Verhalten von Sayyid zu imitieren, da er nicht das geringste darüber wusste, was unter diesen Leuten als unhöflich galt, aber das fiel ihm alles andere als leicht.

Am Ende machten die Speisen kunstvollen Wasserpfeifen Platz, der deren Schläuche unter den Anwesenden weitergegeben wurden, während sie Tee und schwarzen Mokka tranken, und sich unterhielten. Tigris wusste nicht, ob es beleidigend war, die Pfeife abzulehnen, also nahm er zögernd einen Zug und gab sie weiter, ein Husten unterdrückend als der Rauch seine Lungen füllte. Ein süßer Nachgeschmack blieb in seinem Mund zurück, wie Cider, und er fühlte sich ein wenig benebelt.

Er vermochte sich erst wieder entspannen, als arabische Musik zu spielen begann und ein paar sehr hübsche Frauen auftauchten um zu tanzen. Eine von ihnen im besonderen war atemberaubend schön, und ihr Tanz hatte etwas Hypnotisches an sich. Nach einer Weile des Zusehens vergaß Tigris die Welt um sich herum, und ein Teil von ihm fragte sich, ob dies mehr war als nur ein Tanz. Es schien auch Magie im Spiel zu sein, aber es kümmerte ihn nicht sehr. Er war froh, dass es seine Gedanken ablenkte. Was sollte er auch tun, wenn eine Gefahr von den Frauen ausging? Er konnte nicht das Geringste tun. Sollte Sayyid sich darum kümmern.

Als der Tanz endete tauchte Tigris aus seiner Traumwelt auf, und war zorniger als zuvor, insbesondere da alle um ihn herum es sehr erheiternd zu finden schienen, dass er sich hatte beeinflussen lassen. Er hatte die Blicke zuvor bemerkt, mit denen sie ihn bedachten. Sie machten sich über ihn lustig, wenn auch auf eine verhaltene Weise. Das sie es nun offenkundig taten machte ihn wütend auf eine Weise, wie er seit langer Zeit nicht mehr wütend gewesen war.

Das war der Grund dafür, dass er die Beherrschung verlor, als ihm klar wurde, dass der aufdringliche Mann neben ihm seine Geistesabwesenheit anscheinend genutzt hatte, um ihm seinen Turban vom Kopf zu ziehen und ihm eine Strähne seines Haars abzuschneiden.

Es war ihm egal, ob es ein Scherz war oder etwas mehr Boshaftes... eine Haarsträhne im Besitz eines anderen Zauberers war in jedem Fall etwas, was sich als gefährlich erweisen konnte. Aber er hätte wahrscheinlich einen anderen Weg finden können, damit umzugehen, als die Haarsträhne in der Hand des Mannes kurzerhand in Flammen aufgehen zu lassen. Insbesondere da diese Flammen in einem Sekundenbruchteil auch die besagte Hand und den anschließenden Ärmel mit einschlossen. Der Mann schaffte es, die Flammen zu löschen, bevor er wütend aufsprang um Tigris anzugreifen. Tigris war zum ersten Mal wirklich froh über seine Nahkampfübungen mit Draco. Er schaffte es, auszuweichen, und war ziemlich überrascht, als Sayyid zwischen ihn und seinen Angreifer trat und den Mann zum Innehalten zwang.

Ein kurzer Streit war die Folge, dem der Sheikh ein Ende setzte, indem er den Mann aus dem Raum verwies.

Die Art, wie Sayyid ihn im Nacken packte und auf seinen Platz zurück zog zeigte Tigris, dass er es geschafft hatte, seinen zeitweiligen Herrn ärgerlich zu machen. Umso überraschter war er, als alle so taten, als wäre nicht viel geschehen. Sayyid und der Sheikh wechselten ein paar Worte, und der Sheikh schien sogar amüsiert zu sein, bevor die Unterhaltungen einfach weiter gingen.

Der Abend wurde noch lang. Der Sheikh erzählte Geschichten, untermalt von dem Rauch seiner Wasserpfeife, aus dem sich während seiner Erzählung bunte Gestalten bildeten, in denen über ihrer aller Köpfe die Geschichten Form annahmen. Auch wenn Tigris nicht viel verstand, die Bilder gaben ihm zumindest eine Ahnung, wovon die Rede war. Er betrachtete kleine Figuren auf Teppichen, welche hinter solchen auf Kamelen herjagten, um mit ihnen einen ungleichen Kampf zu führen, der mehr einer Treibjagd glich als einem Kampf, aber offenbar von allen als sehr unterhaltsam empfunden wurde. Gestalten tauchten aus buntem Nebel auf, ließen Autokarawanen im Wüstensand verschwinden und sorgten dafür, dass andere Figuren mit Entsetzen flohen – und je mehr der Abend voran schritt desto sicherer war Tigris, dass es sich bei den Geschichten des Sheikhs um alles andere als Märchen handelte. Abdul Gamal hatte guten Grund gehabt, nicht in dieses Gebiet fliegen zu wollen. Die Dämonen, die er fürchtete, gab es wirklich – oder vielmehr, sie waren Menschen aus Fleisch und Blut. Tigris war sich nicht sicher, ob er das als Beruhigung empfinden sollte oder als das Gegenteil, und er fragte sich einmal mehr, welche Rolle Sayyid in dem Ganzen spielte.

Schließlich ging das Fest dem Ende zu, und Sayyid und er wurden von einem der Jungen hinaus begleitet.

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„Was du getan hast war töricht.", sagte Sayyid, ihn auf den Teppich stoßend, der ihm anscheinend als Schlafstätte dienen sollte. Tigris hatte nicht damit gerechnet, wie viel Kraft der Mann besaß, und fiel ohne großen Widerstand auf den Rücken, besorgt zu Sayyid aufsehend.

Der Mann lächelte amüsiert. „Er hätte dich natürlich erst garnicht anrühren sollen, aber ich verstehe, was ihn gereizt hat. Sie glauben, es hat magische Eigenschaften, weißt du? Dein Haar.", fügte er auf Tigris verständnislosen Blick hinzu. „Weil es silbern ist. Sie glauben, du hast Dschinnenblut in dir."

„Es ist nicht silbern, es ist grau.", entgegnete Tigris ungehalten. „Ich sehe nicht ein, warum ihnen das das Recht gibt..."

Sayyid unterbrach ihn mit einer Handbewegung. „Du musst es nicht verstehen, es ist einfach so. Ich habe mit Amir geredet, es wird nicht wieder passieren. Deine Reaktion allerdings hätte leicht als Bruch der Gastfreundschaft aufgefasst werden können. Glücklicherweise respektieren mich die al'Serab genug um nicht anzugreifen was mir gehört. Dennoch... du verdienst eine Strafe."

Sayyid schwenkte seinen Stab mit einer beiläufigen Bewegung. Tigris erwartete halb den Cruciatus-Fluch, doch der vertraute Schmerz kam nie. Stattdessen explodierte ein gleißendes Licht um ihn herum, welches sich auch als er die Hände vor die Augen schlug nicht abschirmen ließ. Die Luft um ihn herum wurde heißer und heißer, bis dass er kaum noch atmen konnte.

„Weißt du, was die al'Serab mit denjenigen machen, die die Regeln der Gastfreundschaft brechen?", ertönte Sayyids gleichmütige Stimme von irgendwo über ihm. „Sie verbannen sie in die Wüste, ohne Kleidung und ohne Wasser. Abseits der Felsen, wo nirgendwo Schatten ist. Nichts als Steine und Sand. Am Mittag, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht steigt die Temperatur der Luft auf über fünfzig Grad an, aber die Steine werden sehr viel heißer."

Tigris unterdrückte einen heiseren Schrei.

„Und dann, in der Nacht – wenn du so lange überleben solltest – wird es kälter und kälter, bis das die Feuchtigkeit deines Atems gefriert."

Er wimmerte und rollte sich zusammen, unfähig die Empfindungen auszuschalten, die der Zauber ihn fühlen ließ. Dann plötzlich waren sie verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.

„Sieh zu, dass es nicht wieder geschieht."

„Ja, Sayyid.", brachte er hervor, dankbar dafür, dass es vorbei war, dass es nur eine Illusion gewesen war. „Es wird nicht wieder geschehen."

„Gut.", sagte Sayyid seidig. „Weißt du, warum ich die Menschen hier so mag?"

Tigris sah zitternd auf. Sayyid hatte sich auf der anderen Schlafstätte im Raum niedergelassen und hielt eine Tasse Tee in der Hand, die aus dem Nichts aufgetaucht war.

„Warum?"

„Sie glauben an etwas. Sie haben Leidenschaft. Ich hasse die Winter in Britannien. Sie sind so kalt, sie machen einen träge, apathisch. Der Nebel ist überall. Und genauso sind die Menschen dort. Gleichgültig. Sie glauben an nichts. Sie leben vor sich hin wie Vieh. Warum sollte man sie anders behandeln als Vieh? Ich respektiere Dumbledore dafür, dass er der einzige in der ganzen Masse ist, der zumindest Überzeugungen hat. Alle anderen sind nur Schafe – und sie werden geschlachtet werden wie Schafe. Bei der Herrschaft der Dunkelheit, die heranbricht, handelt es sich nicht nur um einen Triumph von überlegenen Überzeugungen und die Bestimmung der Magie die in unserem Blut liegt. Es ist die unvermeidliche Konsequenz eines Makels der menschlichen Natur – Trägheit. Alle diese braven kleinen Lemminge, welche ohne Beachtung der Geschehnisse um sie herum vor sich hinschwimmen, zu beschäftigt mit dem Preis des neusten Besens und der Gesundheit ihrer Kniesel, um sich darum zu kümmern, dass die Seite des Lichts mehr und mehr an Boden verliert – sie schreien geradezu nach einem Führer, nach jemandem, der ihr Schicksal für sie bestimmt. Also wird es auch das sein, was sie bekommen." Sayyid lehnte sich zurück, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. „Ich mag die Wärme hier. Sie macht mich lebendiger. Es gibt mir das Gefühl ich hätte endlos Energie. Ich bin guter Hoffnung, dass wir beide zusammen erreichen werden wofür wir hier sind. Das ist gut. Ich bin schon lange nicht mehr so zuversichtlich gewesen." Er hob seine Tasse in Tigris' Richtung in einem stummen Salut.

Tigris wusste nicht genau, was er darauf entgegnen sollte. Es beunruhigte ihn. Das Licht im Zelt verdunkelte sich langsam, bis nur noch eine Kerze die Nacht erhellte, aber trotz der Anstrengungen des Tages dauerte es lange, bis er einschlief.

o

Als er am nächsten Morgen erwachte, befand sich Sayyid an der gleichen Stelle wie zuvor, lesend. Es wirkte, als hätte er sich in der ganzen Nacht kein Stück bewegt.

„Ah, du bist wach.", sagte er nur, als Tigris sich aufsetzte. „Gut. Es ist Zeit, aufzubrechen."

Sie aßen etwas, Früchte und Brot, die einer der Jungen ihnen brachte, und tranken den Mokka, der noch immer viel zu süß war. Dann verließen sie das Zelt, durch das Sayyid auf merkwürdige Weise unbeirrt seinen Weg fand. Es war früh am Morgen, und die Kälte der Nacht lag noch auf den Felsen.

Wenn Sayyid gehofft hatte, das Zeltdorf unbehelligt zu verlassen, so wurde seine Hoffnung enttäuscht. Die meisten al'Serab waren auf dem Vorplatz versammelt, und etwas sorgte für große Unruhe unter ihnen.

Die meisten wichen zur Seite, als sie kamen, bis sie die Mitte des Ganzen erreichten, wo zwei der Männer sich zornig mit dem Sheikh unterhielten. In ihrer Nähe lag eine Gestalt auf dem Boden, um die jene, welche anscheinend auf der Seite der streitenden Männer waren, einen bewegten Halbkreis bildeten. Als Sayyid und Tigris näher kamen ging ein Raunen durch die Menge, das Tigris mehr als feindselig erschien.

Sobald er nah genug an den auf dem Boden liegenden Menschen herankam, um ihn genauer zu sehen, krampfte sich sein Magen zusammen. Es war der Mann mit dem es am Abend zuvor die Auseinandersetzung gegeben hatte, und er war sehr offensichtlich tot.

Der Sheikh sah auf, und wechselte einen Blick mit Sayyid, dann fragte er etwas. Sayyids Blick wanderte flüchtig zu der Leiche am Boden, dann antwortete er in einem spöttischen Tonfall, der die beiden Männer die mit dem Sheikh diskutierten noch mehr aufzubringen schien. Der Sheikh reagierte wütend, aber nicht mit Sayyid. Der Streit zwischen den Dreien begann erneut.

„Was ist passiert?", fragte Tigris leise, mit einem besorgten Blick zu den bedrohlich erscheinenden Leuten um sie herum.

Sayyid lächelte abfällig. „Der Mann da, Abbas bin Mashur, er wurde von einer Schlange gebissen. Diese Beiden sind seine Brüder. Sie glauben anscheinend, ich hätte etwas damit zu tun."

Tigris sah den Araber ungläubig an. „Mit einem Schlangenbiss? Das ist doch absurd. Was wollen sie erreichen?"

Ein seltsamer Ausdruck huschte über Sayyids Gesicht. „Sie bestehen auf dem Recht der Blutrache."

Er fühlte einen Ansatz von Panik in sich aufsteigen. Das hörte sich alles andere als gut an. Sayyid jedoch erschien unbekümmert.

„Mach dir keine Gedanken.", sagte er mit einem verächtlichen Unterton. „Es gibt nichts, was sie dir oder mir anhaben könnten, selbst wenn sie Recht bekämen."

„Sie können doch nicht etwa Recht bekommen!", sagte Tigris. Sein Herz schlug nervös in seiner Brust. Sayyids Gesichtsausdruck beunruhigte ihn. „Oder?"

„Es ist aus ihrer Sicht nicht völlig grundlos.", sagte Sayyid langsam. „Es mag einen gewissen Anlass dafür geben, dass sie denken, was sie denken."

„Einen gewissen Anlass?", fragte er tonlos. „Warum...?"

„Du fragst zuviel.", unterbrach Sayyid ihn. „Lass uns abwarten, was Amir entscheidet. Selbst wenn sie keine Gründe haben – er mag ihnen stattgeben, nur um den Frieden zu bewahren."

„Und dann?", fragte Tigris, zunehmend nervöser.

„Werden sie mich zum Kampf fordern."

„Und wenn Sie sich weigern?"

„Wird uns der ganze Stamm angreifen."

Tigris schluckte. Das klang nicht sehr gut. Insbesondere, da der Sheikh zunehmend frustriert aussah. Es wirkte, als wäre er dabei, nachzugeben. Sayyid schien sich keine großen Sorgen zu machen, aber was, wenn er verlor? Sie würden seinen Führer umbringen und Tigris wäre allein inmitten dieser Wildnis, ohne die geringste Vorstellung, wie er nach Hause gelangen sollte. Wenn sie ihn überhaupt gehen ließen. Hatte Sayyid nicht am Abend zuvor gesagt, diese Leute hielten ihn für eine Art glücksbringende magische Kreatur? Vielleicht würden sie ihn als Talisman behalten. Tigris fühlte hysterisches Gelächter in sich aufsteigen und unterdrückte es mit aller Gewalt. Dies war ein sehr, sehr schlechter Zeitpunkt, um in Panik zu geraten.

Er sah, wie die beiden Männer sich umdrehten, und Sayyid etwas Wütendes zuriefen, was dieser in einem gelangweilten Tonfall beantwortete. Seine Augen wanderten zur Sonne, und sein Tonfall wurde ungehaltener. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass sie aufgehalten wurden.

Sie fuhren fort zu streiten, und Tigris bemerkte mit Sorge, wie Sayyid langsam seine Ruhe verlor. Schließlich sagte er etwas Zorniges, und die Beiden schwiegen triumphierend. Tigris begriff mit einem Gefühl der Übelkeit, dass Sayyid gerade eingewilligt hatte. War der Mann lebensmüde? Und was war mit dem Auftrag, den sie erfüllen sollten? Der Dunkle Lord hatte sicher kein Verständnis dafür, wenn seine Leute versagten, weil sie sich in merkwürdige Stammesrituale hineinziehen ließen.

Sayyid wandte sich zu ihm um und strich mit der Hand über sein Gesicht. Seine Finger fühlten sich seltsam kalt an. „Keine Sorge, Aqrabi. Sie können nicht gewinnen."

Aqrabi? dachte er. Er wünschte sich, er würde nur einmal alles verstehen, was der Mann sagte.

Sayyid grinste. „Ein Spitzname, den du dir gestern Abend verdient hast. Er gefällt mir, du passt zu ihm." Damit drehte er sich um und schritt in die Mitte des Kreises, den die Umstehenden langsam bildeten.

Tigris sah ihm mit einem unwohlen Gefühl nach, sich wünschend, dass er ihn aufhalten könnte, und wissend, dass es sinnlos war, es zu versuchen. Die beiden Brüder folgten Sayyid mit unverhohlener Genugtuung. Sie waren offensichtlich ebenfalls sicher zu gewinnen – oder vielleicht war es ihnen egal, vielleicht war alles was für sie zählte ihre Chance Rache zu nehmen. Doch sie hatten keinen Grund zu bezweifeln, dass sie gewinnen würden, schließlich waren sie zu zweit und Sayyid war allein. Es sah nicht so aus, als würden sie einen fairen Kampf austragen und ihn nur einer nach dem anderen angreifen.

Irgendwo in der Menge begann jemand eine Rassel zu schlagen. Es klang wie das Warngeräusch einer Klapperschlange, das lauter und lauter wurde. Einige der Anwesenden riefen etwas, Anfeuerungsrufe sehr wahrscheinlich, und Tigris bezweifelte dass es Sayyid war, den sie anfeuerten. Ihm war schlecht.

Dann begann es. Einen flüchtigen Moment lag fragte Tigris sich, ob er vielleicht einfach nur in ihrem Herrenhaus eingeschlafen war. Vielleicht hatte ihm sein Vater etwas gegeben, um Yule zu überstehen, und dies alles war nur eine drogeninduzierte Halluzination, ein Alptraum. Aber dann fühlte er die Körper der al'Serab neben sich, zu nah, und roch den Geruch von Sand und Schweiß und Kamelen und er wusste, dass es kein Alptraum war, sondern sehr, sehr real.

Sayyid stand im Zentrum des Kreises, unberührt von dem Chaos um ihn herum, still und abwartend. Die beiden Brüder nährten sich ihm langsam, wie zwei sich anschleichende Löwen. Der Sheikh rief etwas, und sie griffen an.

Tigris hatte noch nie zuvor etwas Vergleichbares gesehen. Stäbe erschienen aus dem Nichts in den Händen der al'Serab und wo sie gestanden hatten flog Sand auf. Er sah sie kaum noch. Sayyid verschwand und erschien hinter ihnen. Er sagte etwas, das Tigris aus der Entfernung nicht verstand, aber es machte sie offensichtlich wütend.

Sie kämpften, mit einer Mischung aus den sichtbaren Waffen und Magie, und das einzige was Tigris verstand war das grüne Licht des Todesfluchs, was wirkungslos an Sand und Staub verpuffte. Sayyid schien sie zu verspotten, erscheinend und verschwindend wie ein Trugbild. Er hatte nun ein Schwert in der Hand, aber er benutzte es kaum. Dunkelheit zog sich über ihnen zusammen, und Wind kam auf. Es donnerte. Tigris sah nach oben und starrte auf eine Wolke, die unmöglich dort sein konnte, dies war Wüste, es gab keinen solchen Zauber – selbst Magie musste sich an gewisse Regeln halten, es gab keinen Schnee im Sommer und keinen Sandsturm in den Tropen – doch die Wolke wiedersprach aller Logik und es begann zu regnen, in dicken schweren Tropfen, wie ein Wasserfall, ihn bis auf die Haut durchnässend.

Die al'Serab waren schließlich sichtbar, nass, wirkend wie Fische auf dem Land. Der Staub hatte keinen Bestand im Regen. Sie schrieen ärgerlich, und warfen ihre Stäbe auf die Erde, wo sie sich in dicke, gelbe Schlangen verwandelten, die sich bedrohlich erhoben. Sayyid warf seinen Kopf zurück und lachte, und Tigris dachte einen Augenblick lang, er musste verrückt sein. Dann machte der blaugekleidete Mann eine Bewegung, und sagte etwas, und die Schlangen fuhren herum und stürzten sich auf ihre Herren. Einer von ihnen wich aus, seine Schöpfung in einem Blitz grünen Lichts zerstörend, doch der andere reagierte zu spät. Die Kreatur grub ihre Zähne in ihn und Mensch und Schlange fielen und standen nicht mehr auf.

Der Regen wurde dichter und dichter, doch der zweite al'Serab schien dagegen anzukommen. Beide Kämpfer benutzten nun ihre Schwerter, in einem bizarren Tanz, beide nur halb sichtbar, mal erscheinend, mal verschwindend. Je länger der Kampf andauerte, desto zuversichtlicher wurde Tigris, dass Sayyid dabei war zu gewinnen, dass er lediglich mit dem al'Serab spielte, wie eine Katze... eine boshafte alte Katze, die ihre Beute am Leben lässt um das Töten zu genießen.

Doch dann, so abrupt wie ein Donnerschlag, hörte der Regen auf. Die zwei Männer standen in der Mitte des Kampfplatzes, und Tigris sah wie in Zeitlupe, wie der al'Serab sein Schwert aus Sayyids Rücken zog und die blaugekleidete Gestalt fiel, einen Ausdruck ungläubiger Überraschung auf dem Gesicht, wie eine Marionette mit zerschnittenen Fäden.


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Eine Muse lauert in einem Feld voller gelber Butterblumen auf einen unschuldigen blauen Schmetterling. Ihre Augen verengen sich, sie streckt die Hände aus, sie springt... und landet kichernd in einer Wolke von gelbem Blütenstaub. Robin betrachtet sie fasziniert.

Ich dachte immer, nur Katzen würden von Baldrian high... nun ja. Sie ist auf jeden Fall bedeutend bessere Gesellschaft auf diese Weise."

Er jongliert mit ein paar Äpfeln, bis sich einer davon in ein Blatt Papier verwandelt. „Was haben wir denn diesmal? Wie, nur so wenige Fragen?" Er wirft den Leuten, die ihn ein wenig entfernt skeptisch beobachten einen kritischen Blick zu. „Thalia hat euch vergrault, nicht wahr? Ich wusste es. Ein totaler Fehlschlag von Muse. Inspirationsfaktor Null."

Hey, das habe ich gehört!", ruft Thalia aus dem Feld heraus, wird aber dann von einem vorbeilaufenden Igel abgelenkt. Robin ignoriert sie.

Oder vielleicht war das letzte Kapitel zu lang, und ihr seid alle eingeschlafen, bevor ihr am Ende der Seite angekommen wart? Sagt die Wahrheit, oder wir müssen raten... und wir sind absolute Versager im Raten." Er sieht sich zu Thalia um und murmelt: „Deswegen animieren wir auch immer andere dazu. Wie auch immer..."

Er setzt sich eine Brille auf und betrachtet das Blatt Papier intensiv. „Updated pilarius unsere Homepage früher als fanfictionbla? Nein. Aber fanfictionbla befindet sich von Zeit zu Zeit auf Kriegsfuß mit unseren Kapiteln. Alle unsere gebratenen Tauben und Ölzweige verhallen ungehört... aber vielleicht sind sie auch einfach für die Katz." Er wirft pilarius' Katze einen strafenden Blick zu. Pilarius' Katze grinst unschuldig, bis sie sich daran erinnert, dass sie beleidigt sein sollte. „Jedenfalls scheinen unsere Kapitel hier manchmal später aufzutauchen als auf unserer Homepage, auch wenn sie gleichzeitig hochgeladen wurden. Die Mysterien von fanfictionbla, die wir bisher unfähig waren zu ergründen... Ja."

In diesem Moment kann sich Thalia schließlich von den Tieren der Wildnis losreißen und entdeckt ihre Faszination mit Robins Hörnern.

(Der Rest dieser Geschichte musste leider zensiert werden. Sie endet jedoch mit einem glücklichen Robin, vielen geretteten Schmetterlingen, einem satten Igel und einer sehr traumatisierten Katze... für diejenigen von euch, die solcherlei interessiert.)