Disclaimer:

Ich bin der Schatten, der...

... die Nacht durchflattert, ja ja. Wer bist du denn nun?

Ich bin der Verteidiger von Joanne K. Rowlings...

Robin Hood!

Nein!

Schatten der Wahl

11. Der Stein von Rosetta

Dies ist ein Alptraum, dachte Tigris. Ein Alptraum. Es passiert nicht wirklich.

Aber die gefallene Gestalt zu Füßen des al'Serab vor ihm machte jegliche Art von Verleugnung lächerlich. Sayyid war ganz offensichtlich tot. Das Schwert des al'Serab war einmal gerade durch seine Brust hindurchgegangen. Tigris sah nicht viel Blut, aber die Regungslosigkeit und der leere Blick des Körpers vor ihm waren genug, um zu wissen, dass es keine Hoffnung mehr gab. Der al'Serab hob sein Schwert und stieß einen triumphierenden Schrei aus. Seltsamerweise war der Rest der Anwesenden fast unnatürlich still, als könnten sie nicht begreifen, was passiert war. Tigris hatte erwartet, dass sie jubeln würden.

Er fühlte Panik in sich aufsteigen, gleich einem hässlichen Monster, welches sich nicht länger abwehren ließ. Er wusste weder, wo er war – irgendwo in Libyen, großartig – noch hatte er eine Idee, wie er es herausfinden sollte. Alle Orte, zu denen er hätte apparieren können, waren viel zu weit weg, um nicht zu splintern. Vielleicht würde er es schaffen, an den Teppich zu gelangen – aber er hatte nicht die geringste Idee, welche Fähigkeiten diese Leute besaßen. Selbst wenn er an den Teppich gelangen sollte, was würde er dann tun? Er wusste nicht, wohin er fliegen sollte, selbst Sayyid hatte einen Führer gebraucht. Auch wenn er es wüsste, er verstand die Landessprache nicht. Man konnte es drehen, wie man wollte, er war verloren. Tigris ballte die Fäuste und spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Das war es, was ihm all seine sorgfältigen Pläne gebracht hatten? Alles was er getan hatte war umsonst, nur wegen einem überheblichen Narren, der sich in einen unnötigen Kampf mit diesen... diesen Wilden stürzen musste, um sich zu beweisen? Es war nicht fair!

Bevor er sich noch mehr in Aufregung versetzen konnte, verspürte er plötzlich einen stechenden Schmerz hinter seiner Stirn, der ihn fast in die Knie zwang. Tigris brauchte einen Moment, um seine Orientierung wieder zu gewinnen und zu begreifen was geschah. Ein Moment der ausreichte, um alle Barrieren, die seine Okklumentik in seinem Geist errichtet hatte zu Staub zerfallen zu lassen. Alles was übrig blieb war der äußerste Wall seiner Verteidigung, und er klammerte sich an ihn wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Jeder, der in diesem Moment versuchte, Tigris' Gedanken zu lesen, würde unweigerlich merken, dass er Okklumentik benutzte, aber ihm blieb keine Wahl. Es war Jahre her, seit er diesen Schmerz zuletzt gespürt hatte. Damals war er noch Harry gewesen – der verbotenste aller Gedanken, aber er schien unfähig ihn in sein Unterbewusstsein zu verbannen, wohin er gehörte. Was geschah war unmöglich, seine Verbindung zu Voldemort sollte zu dieser Seite versiegelt sein. Und nun dachte er auch noch den Namen des Dunklen Lords in der Gegenwart von Menschen, die möglicherweise zu seinen Befürwortern gehörten! Tigris war so damit beschäftigt, rational genug zu bleiben, um seine Barrieren wieder zu errichten, dass er erst nach einer Weile merkte, was die Aufmerksamkeit der meisten auf dem Platz eingefangen hatte.

Über Sayyids Körper schwebte ein dunkler Schemen, der sich langsam verdichtete, bis er annähernd menschliche Form annahm. Es sah aus wie ein Bereich absoluter Schwärze, ein sinisteres Gespenst aus einem Stoff, der jedes Licht verschlang. Ein Gespenst mit Konturen, die Tigris nur zu bekannt waren – und er fragte sich, wie er hatte so dumm sein können. Die Gefühle, die Sayyid in ihm auslöste, die Tatsache, dass der Mann ihn Schüler nannte, Sayyids Rede am Tag zuvor – das alles waren Hinweise darauf gewesen, wer sein Führer wirklich war, aber Tigris hatte sie als Zufälle abgetan. Nun allerdings überraschte es ihn nicht, als schließlich die Augen in dem Schemen sichtbar wurden, rot leuchtend wie glühende Kohlen. Der Geist schwebte einen Moment lang regungslos über seiner Leiche, dann schien sich die Dunkelheit über den Körper auszubreiten. Der Körper zuckte heftig, wie durch einen elektrischen Schock, und der Schemen verschwand.

Als Sayyid seine Augen öffnete, waren sie blutrot. Der so überraschend Wiederbelebte sprang auf und stürzte sich auf seinen erstarrten Gegner, der zu entsetzt war, um rechtzeitig Widerstand zu leisten. Selbst wenn er geistesgegenwärtig genug gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich keine Chance gehabt.

Tigris hatte nie zuvor einen Menschen einen anderen mit bloßen Händen auseinanderreißen sehen, und er wollte es auch kein zweites Mal erleben. Seine Übelkeit nahm mehr und mehr zu, bis dass er all seine Selbstbeherrschung brauchte, um sich nicht wo er stand zu übergeben. Als Voldemort/Sayyid schließlich mit zu Klauen verformten Händen den Brustkorb des Mannes aufriss, und dessen Schreie schließlich erstarben, als sein Herz in Voldemorts Hand zu schlagen aufhörte, hielt Tigris es nicht mehr aus und floh. Er schaffte es bis hinter die nächstgelegensten Zelte, bevor sein Magen sich umdrehte. Dies war das Abartigste, was er den Schwarzmagier je hatte tun sehen, und er hatte eine Menge gesehen, während er ihn in seinen Gedanken beobachtete. Er übergab sich gleich ein zweites Mal, als ihm klar wurde, dass er dem al'Serab wahrscheinlich nachfolgen würde, wenn er nicht endlich seine Gedanken unter Kontrolle bekam. Er schloss die Augen, und versuchte, sich zu konzentrieren.

Der Schmerz hinter seiner Stirn hatte aufgehört, sobald der Geist Voldemorts – des Dunklen Lords! – in seinem Körper zurück war. Er wusste nicht warum, aber er würde es schon noch herausfinden. Der Dunkle Lord hatte mehr als einmal gesagt, dass er unsterblich sei, aber Tigris hatte es bis jetzt nicht geglaubt. Er hatte sich ihm angeschlossen, weil er ihn für den mächtigsten Zauberer aller Zeiten hielt – ja, das war besser – aber er hatte bezweifelt, dass selbst ein Zauberer wie der Dunkle Lord die Gesetze der Natur derart beugen konnte. Tigris atmete tief durch. Seine Barrieren waren noch immer nicht so stabil, wie es ihm lieb gewesen wäre, aber sie waren wieder da, Merlin sei Dank.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und Tigris zuckte heftig zusammen und fuhr herum. Der Dunkle Lord sah amüsiert auf ihn herunter. „Zuviel für dich, Junge?"

Tigris biss die Zähne zusammen und versuchte, den Eisengeruch des Blutes zu ignorieren, welches der Zauberer vor ihm nicht für nötig gehalten hatte verschwinden zu lassen.

„Es tut mir leid, mein Lord."

Der Dunkle Lord lachte. „Du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Bella war auch mal so empfindlich. Es ist wie Kaffee, wirklich. Das erste Mal findest du es noch widerlich, und nach einer Weile willst du es nicht mehr missen."

„Ich denke, ich ziehe Avada Kedavra vor.", erwiderte Tigris, sich sehr schwer damit tuend, seinen Abscheu nicht in seiner Stimme wiederklingen zu lassen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht sofort den Blutfleck verschwinden zu lassen, den die Hand des älteren Magiers auf seiner Robe hinterlassen hatte.

Der Dunkle Lord warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. „Seltsam, ich hätte etwas anderes erwartet. Du wurdest schließlich von Muggeln aufgezogen, also solltest du mit primitivem Verhalten vertraut sein. Du hast es bestimmt nicht von Lucius. Vielleicht von deiner Mutter, sie war immer recht sensibel."

Tigris wusste nicht, was er darauf entgegnen sollte, also schwieg er. Er säuberte jedoch seine Robe mit einer Bewegung seines Stabs. Ganz gleich ob es sensibel war oder eitel, es ließ ihn sich etwas besser fühlen.

Der Dunkle Lord seufzte und stellte sein Erscheinungsbild mit einem Wink seiner Hand wieder her. Nur die roten Augen blieben.

Tigris wunderte sich, was die al'Serab zu all dem zu sagen hatten.

„Nichts, natürlich.", sagte der Dunkle Lord. „Sie kennen mich... die Älteren zumindest. Es ist über zwanzig Jahre her, seit ich das letzte Mal hier war. Es war dumm von den Beiden, mich herauszufordern, und sie alle wussten es. Aber so sind diese Leute, Rache ist sehr wichtig für sie – selbst wenn der Versuch vergeblich ist. Das ist auch der Grund dafür, warum ich lieber mit ihnen handele, als sie direkt anzugreifen. Letzteres schafft einem nur Generationen fanatischer Feinde. Ich ziehe Feinde vor, die aufgeben, wenn sie merken, dass ihr Gegner überlegen ist."

„Das ist der Nachteil von Menschen, die an etwas glauben, nicht wahr?", konnte sich Tigris nicht enthalten zu sagen.

Sein Lord sah ihn überrascht an. „Oh nein, das ist der größte Vorteil von Menschen, die an etwas glauben. Zumindest, wenn sie auf meiner Seite sind. Sie überwinden ihre menschlichen Schwächen. Sieh dir Bella an. Während so viele andere meiner Diener sich von ihren tierischen Instinkten überwältigen ließen und flohen, blieb sie mir treu. All die Zeit die sie in Askaban verbracht hat kann ihr ihre Belohnung dafür nicht trüben – sie hat einen Schritt weg von erbärmlicher Sterblichkeit und hin zu wahrer Größe gemacht, sie ist näher an unsere Bestimmung gelangt. Selbst wenn sie eines Tages in meinen Diensten sterben sollte, wird sie in dem Bewusstsein sterben, dass sie den meisten anderen Menschen weit überlegen ist. Nur wenige Menschen können das behaupten. Was die betrifft, die nicht auf meiner Seite sind... nun ja, die bin ich gezwungen umzubringen. Aber es gibt sie nur sehr selten."

o

Sie verließen das Dorf der al'Serab kurz darauf auf ihrem Teppich. Die meisten der Stammesmitglieder gingen ihnen aus dem Weg, aber der Sheikh hegte offensichtlich keinen Groll gegen seinen alten Freund. Die Beiden verabschiedeten sich herzlich.

Der Dunkle Lord sagte Tigris amüsiert, dass er ihn ruhig weiter Sayyid nennen könne, da dies schließlich nichts anderes hieße als „Lord". Tigris erinnerte sich, dass Bellatrix den Lord mit „ya Sayyid" angeredet hatte, ähnlich wie Sayyid Amir mit „ya Sheikh", und er kam sich erneut sehr dumm vor. Aber wie hätte er das auch wissen können, wenn er kein Arabisch verstand?

Sie flogen eine ganze Weile über die Wüste, anscheinend nach den Angaben der Karte, die der Sheikh dem Dunklen Lord gegeben hatte. Tigris war es flüchtig bewusst, dass dieser Tag der Tag vor Yule war. Seine Familie würde sich ohne Zweifel bereits auf das Fest vorbereiten. Er fragte sich beiläufig, warum sein Vater so unglücklich darüber gewesen war, dass er das Fest nicht mit ihnen verbringen würde. Vielleicht, weil er ohne das Ritual weniger Kontrolle über ihn hatte? Tigris lächelte bei dem Gedanken.

Schließlich landeten sie an einer Stelle, die für Tigris nicht anders aussah, als der Rest der Wüste, den sie bisher überflogen hatten. Roter Sand und Dünen.

Sein Lord murmelte ein paar Zauber und runzelte die Stirn, dann murmelte er erneut. Schließlich sah er erneut auf die Karte, und sein Stirnrunzeln verstärkte sich. „Es muss hier sein!", sagte er ungehalten. „Möglicherweise müssen wir einfach warten."

„Auf was, mein Lord?", fragte Tigris neugierig.

„Auf den Sonnenuntergang.", antwortete der dunkle Zauberer. Er schwenkte seinen Stab und über dem Teppich breitete sich ein Zeltdach aus, welches die Sonne abhielt. Der Lord ließ sich neben Tigris auf dem Teppich nieder, schwenkte seinen Stab ein weiteres Mal, und ein Tablett mit Essen erschien. „Iss. Es wird noch ein langer Tag."

„Esst Ihr nichts, mein Lord?", fragte Tigris.

Der Dunkle Lord schüttelte mit einem dünnen Lächeln den Kopf. „Ich brauche nichts zu essen. Ich tue es hin und wieder, wenn ich Lust dazu habe, aber ich verspüre keinen Hunger."

Tigris sah ihn fasziniert an, aber entschied sich, nicht zu fragen.

Die roten Augen fixierten Tigris, und er fühlte sich ein weiteres Mal an eine Schlange erinnert. „Du fragst dich, wie es möglich ist, dass ich unsterblich bin.", antwortete der Lord auf Tigris' Gedanken. „Viele meiner Getreuen haben dies schon angezweifelt. Viele von ihnen glaubten mich tot, nach jenem Unfall mit dem Potter-Kind. Sie haben mir nicht geglaubt, als ich ihnen gesagt habe, wie groß meine Macht ist. Sie mussten erkennen, dass sie sich irrten. Du musst wissen, meine Blutlinie hat mir von Beginn an eine große Bestimmung verliehen. Schon als ich ein Kind war, eine ahnungslose Waise, wusste ich, tief in meinem Inneren, dass ich bestimmt dazu war, zu erreichen, was keiner vor mir erreicht hat, bestimmt dazu, die Grenzen des Menschenmöglichen zu überschreiten und zu etwas Höherem zu werden – aber ich war noch unwissend und unvorbereitet. Meine Jahre der Suche und mein Glaube an meine Sache haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin, mir ermöglicht die menschlichen Schwächen abzustreifen. Es ist eine Gabe, die in der Magie selbst begründet liegt, und der Beweis dafür, dass meine Ziele gerechtfertigt sind."

Tigris kam nicht umhin, den Schwarzmagier skeptisch anzusehen. „Wollt ihr damit sagen, dass jeder Zauberer erreichen kann, was Ihr erreicht habt, wenn er genug Ehrgeiz besitzt? Wenn er an Euch glaubt?"

Der Dunkle Lord lachte. „Nein. Jeder Zauberer bestimmt nicht. Nur wenige Zauberer und Hexen sind rein genug, so weit zu gelangen. Vielleicht bin ich der einzige, dem dies bestimmt war. Es gibt kaum eine vergleichbare Blutlinie zu der Slytherins, und ich musste viele Prüfungen bestehen, um den Frevel auszulöschen, den meine Mutter beging. Aber es ist ohne Zweifel möglich, sich diesem Ideal anzunähern, auch wenn man es niemals erreicht. Wenn du genug daran glaubst, wer weiß? Du wirst vielleicht nicht Unsterblichkeit erreichen, aber du wirst mächtiger werden als die meisten Zauberer und Hexen vor dir. Wie sehr dir das gelingt liegt natürlich einzig und allein an dir selbst."

Tigris entschied sich nichts dazu zu sagen, und trank stattdessen den kühlen Tee, den das Tablett bereit hielt. Er glaubte ohnehin an den Dunklen Lord, aber er war nicht sicher, ob er an diese Theorie glauben sollte. Schließlich war er Bellatrix begegnet, und sie kam ihm nicht sonderlich mächtig vor.

Der Dunkle Lord vertiefte sich erneut in die Pergamentrollen, welche, wie Tigris nun sehen konnte, mit merkwürdigen Hieroglyphen beschriftet waren, und sie warteten, während die Stunden des Tages verstrichen.

o

Schließlich näherte die Sonne sich dem Horizont, und der Dunkle Lord erhob sich, das Zelt um sie herum verschwinden lassend. Die sinkende Sonne tauchte die Wüste in ein bizarres Farbenspiel.

Tigris folgte seinem Lord an die Stelle, wo er zuvor gestanden hatte. Der Sand vor ihnen leuchtete nun in einem rotgoldenen Schimmer, so als würde er von innen heraus glühen.

Der Lord wartete einen Moment, die Augen auf die Sonne gerichtet, dann sagte er etwas in einer Sprache, die fremdartig und doch zugleich merkwürdig vertraut klang. Er breitete die Arme aus, und das goldene Glühen vor ihnen verstärke sich. Ein Grollen ertönte.

Tigris trat unwillkürlich einen Schritt zurück, aber hielt sich an dem Gedanken fest, dass der Lord wusste, was er tat.

Das Grollen verstärkte sich, bis sich endlich, einem aus dem Schlaf erwecktem Urzeitwesen gleich, die Spitze einer Pyramide vor ihnen aus den Sand erhob. Sie wuchs, beleuchtet von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne, in die Höhe, bis sie majestätisch vor ihnen aufragte und sie in ihren Schatten tauchte. Der Dunkle Lord sprach erneut. Was er sagte klang geheimnisvoll und melodisch, beinahe wie ein Gesang – und in der Wand der Pyramide öffnete sich ein Tor, und offenbarte stockdunkle Finsternis.

Der Lord winkte ihm und Tigris trat zögernd näher, ein wenig eingeschüchtert von dem Geschehenen. Sein Lord erschuf eine Laterne und leuchtete in die Dunkelheit. Hinter der Tür begann ein Gang, der in die Tiefe führte, doch das Licht der Laterne wurde schon nach wenigen Metern von der Schwärze verschluckt. Tigris wollte seinen Stab ziehen, aber der Lord hielt ihn mit einer Handbewegung auf.

„Es ist besser, keine Magie an diesem Ort zu verwenden.", sagte er. „Das könnte Dinge wecken, die besser unberührt bleiben."

Tigris schluckte, und steckte seinen Stab weg.

Der Lord holte etwas aus seiner Tasche, und vergrößerte es mit seiner Handbewegung. Es waren Stiefel und Handschuhe. „Zieh sie an.", sagte er. „Du wirst sie brauchen."

Tigris gehorchte verwirrt. Als er die Kleidungsstücke berührte, fühlte er die glatten Schuppen von Schlangenhaut, und war überrascht von dem Gefühl des Widerwillens, das ihn durchfuhr. Er unterdrückte es als lächerlich, und zog sie an. Sie passten wie angegossen.

„Dies ist Basiliskenhaut.", sagte der Lord. „Sie wird dich vor dem Gift der Allghoi Khorkhois schützen, mit dem diese Steine sehr wahrscheinlich bedeckt sind." Er reichte Tigris die Laterne. „Wenn du diesen Gang hinunter gehst, wirst du am Ende in eine große Kammer gelangen. In der Mitte dieser Kammer befindet sich ein steinerner Sarkophag. Öffne ihn. Darin wirst du zwei Stäbe finden – einen, der einem Papyrusstängel gleicht und einen, dessen Spitze gebogen ist wie der Kopf eines Hundes. Bring mir den zweiten, und du wirst dafür belohnt werden."

Tigris umklammerte die Laterne und sah nervös zu dem Eingang der Pyramide. „Werdet Ihr nicht mit mir kommen, mein Lord?"

„Nein. Ich kann, aus Gründen, die dich nicht zu interessieren brauchen, diesen Ort nicht betreten. Aber du kannst es. Nun geh. Du hast Zeit bis zur Morgendämmerung. Und vergiss nicht – keine Magie."

„Ja, mein Lord." Tigris machte einen unsicheren Schritt auf den dunklen Gang zu, dann riss er sich zusammen und betrat die Dunkelheit. Die Luft in dem Gang war trocken, aber erstaunlich frisch. Er ging steil abwärts. Es dauerte nicht lange, bis das schwache Licht des Eingangs hinter ihm verschwunden war, und nur das Licht der Laterne noch seinen Weg erleuchtete.

Als er weit genug gegangen war, blieb Tigris stehen und atmete tief durch. Er hatte keine Wahl, als es zu versuchen – der Dunkle Lord würde nicht zögern, ihn umzubringen, wenn er sich weigerte. Aber er war kein Narr. Einen Sarkophag in einer magischen Pyramide öffnen und einfach etwas daraus nehmen und wieder gehen – er bezweifelte, das es so einfach war. Voldemort hatte bestimmt gute Gründe, warum er es nicht selbst tun wollte. Tigris biss sich auf die Lippen. Er war der Junge, der das Unmögliche möglich machte, richtig? Richtig. Der Gryffindor in ihm war noch nicht ganz tot. Er griff die Laterne und straffte sich. Was war schon so eine dumme Pyramide gegen die Kammer Slytherins?

Er wollte gerade weitergehen, da hörte er es. Ein Raunen in der Tiefe. Ein Murmeln, das sich aus den Wänden um ihn herum erhob. Ein zischendes Flüstern, vor und hinter ihm, welches er, als er schließlich Worte ausmachen konnte, als Parsel erkannte.

Wer ist dort?", wisperte es. „Wer wandelt im Heiligtum der Neith? Wer stört die Ruhe ihrer Priester?"

Ist es ein Mensch?"

Ist es ein Gott?"

Tigris ging entschlossen ein paar Schritte weiter, aber das Flüstern hörte nicht auf.

Magie umgibt es."

Ich hör es."

Ich fühl es."

Ein Geist ist es nicht."

Ist es ein Tier?"

Ist es ein Mensch?"

Ist es sterblich?"

Tigris hatte kaum wahrgenommen, dass er schneller und schneller gegangen war, bis er über etwas stolperte. Er unterdrückte einen Aufschrei. Vor ihm lagen Stiefel und Handschuhe, ähnlich wie er sie trug, doch von dem Menschen, der sie wahrscheinlich einmal getragen hatte, war nichts mehr übrig. Er machte einen Schritt zurück und sah entsetzt, dass ein Teil seiner Robe verschwunden war, wo er damit die Wand gestreift hatte. Die Ränder erschienen angesengt, so als hätte er sie ins Feuer gehalten. In diesem Moment entschloss er sich, umzukehren. Was immer Voldemort mit ihm machen mochte, weiterzugehen war reiner Selbstmord. Selbst wenn er es bis zu dem Sarkophag schaffte, es würde ihm nie gelingen zurückzukehren. Er drehte sich um, und machte ein paar Schritte auf den Ausgang zu – und seine Laterne erlosch. Tigris erstarrte. Für einen Moment ergriff ihn nackte Panik, und er brauchte all seine Selbstbeherrschung, um nicht einfach vorwärts zu stürzen – wäre er gefallen, oder auch nur gegen eine Wand getaumelt, wäre das sein sicherer Tod gewesen. Er ging langsam die Schritte zurück, und die Laterne erwachte wieder zum Leben. Tigris fluchte innerlich. Er hätte niemals etwas vertrauen sollen, das Voldemort erschaffen hatte.

Seinen Weg zurück in der Dunkelheit zu finden war ein unmögliches Unterfangen. Aber vorwärts zu gehen war genauso unmöglich. Und warum hatte Voldemort ihm eine magische Laterne gegeben, wenn er ihn zuvor vor Magie gewarnt hatte? Wollte er, dass Tigris versagte? Das jagte einen Schauer über seinen Rücken. Aber nein – Voldemort hätte sich niemals so viel Mühe gegeben, wenn er diesen Stab nicht wirklich wollte. Er musste geglaubt haben, die Magie wäre zu schwach, um von den Wächtern, oder was immer es war, bemerkt zu werden. Offensichtlich hatte er sich geirrt. Tigris stand hilflos auf der Stelle. Er brauchte eine Lösung, und das bald.

Schließlich traf er eine Entscheidung. Er setzte die Laterne ab – sie begann auf der Stelle sich langsam aufzulösen – dann schloss er die Augen und dachte an Sarin.

Pandora."

Er fühlte, wie sich die Armschienen an seinen Unterarmen lösten, nahm sie ab, und steckte sie in seine Tasche. Er konzentrierte sich auf seine Magie, und fühlte schließlich, wie er begann, sich zu verwandeln. Als die Verwandlung abgeschlossen war, befand er sich in pechschwarzer Dunkelheit. Das störte ihn jedoch nicht sehr. In der Zeit, die er zuvor als ein Basilisk verbracht hatte, hatte er gelernt, sich an Wärme und den Schwingungen der Luft zu orientieren. Basilisken sahen zwar im Gegensatz zu den meisten anderen Schlangen recht gut, aber die Kammer in Hogwarts war auch oft dunkel gewesen, wenn seine Zauber nachließen. Nach einer Weile hatte er sich nicht mehr um Helligkeitszauber gekümmert, da die Schlange sie nicht brauchte.

Er genoss es, wieder ein Basilisk zu sein. Es machte alles so viel klarer, besonders nach allem was passiert war. Sein zuvor so gut organisierter Geist war völlig durcheinander. Er würde die Zeit, die er brauchte, um diesen Stab zu finden, dazu nutzen, das wieder in Ordnung zu bringen. Er kroch langsam den Gang weiter nach unten. Wie er herausfand, war das sehr viel einfacher in dieser Form. Nicht nur das, die Stimmen waren auch verstummt. Anscheinend kümmerte eine Schlange sie nicht – oder vielleicht war es wirklich nur die Magie der Laterne, die ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.

Eigentlich hatte er sich geschworen, keine seiner besonderen Fähigkeiten in der Nähe Voldemorts einzusetzen. Erst recht nicht, solange er sie nicht wirklich beherrschte, und bisher war das einzige, worin er wirklich sicher war, die Verwandlung in den Basilisk. Natürlich, er hatte schon das ein oder andere Mal Handmagie benutzt, aber das waren alles nur kleine Dinge gewesen, oder Affekthandlungen. Er hatte es niemals zuvor gewagt, die Armschienen außerhalb der Kammer abzunehmen - und auch in der Kammer gelang es ihm nicht, ohne sie lange genug in seiner menschlichen Form zu bleiben um sein Potential wirklich einzusetzen. Außerdem hatte er in der letzten Zeit keine Gelegenheit mehr gehabt, zu üben. Aber nun war ihm keine Wahl geblieben. Er hoffte nur, Voldemort war weit genug entfernt, und die Magie der Pyramide stark genug, dass der Schwarzmagier nichts davon mitbekam.

Er erneuerte abwesend seine geistigen Barrieren, während er weiter nach unten kroch. Eigenartig, dass seine Blockade nicht gewirkt hatte, als Voldemort starb. Vielleicht kam es daher, dass ihre Verbindung bei dem letzten Tod des Zauberers entstanden war. Soweit er es sehen konnte, war die Abschirmung nun wieder intakt. Er konnte fühlen, dass Voldemort ungeduldig war, und auch, dass ehrlich glaubte, dass Tigris es vielleicht schaffen würde zurück zu kommen – wie ermutigend – doch er fand nicht das geringste Anzeichen, dass der Magier etwas von der Verbindung wahrnahm. Voldemorts Tod. Tigris hatte gewusst, das der Zauberer sich selbst für unsterblich hielt. Er hatte gewusst, dass es noch viel gab, was er in Erfahrung bringen musste, bevor er sich auch nur annähernd mit ihm messen konnte – aber es zu sehen war doch eine andere Sache. Wie konnte der Mann so einfach wieder auferstehen? Das letzte Mal hatte er dreizehn Jahre gebraucht! Aber das letzte Mal war Voldemorts Körper zerstört gewesen. Vielleicht war das der entscheidende Unterschied. Diesmal konnte er den Schaden noch einfach durch Magie heilen. Eine Schwertwunde war keine große Sache für einen Zauberer. Dennoch, das erklärte noch lange nicht, warum der Zauberer ÜBERHAUPT unsterblich war. Tigris glaubte nicht an den Unsinn, den Voldemort ihm erzählt hatte. Das war nichts als Propaganda. Voldemort hatte etwas getan, um zu werden, was er war, und Tigris würde herausfinden was.

Die Gedanken des Basilisken kamen zu einem Halt, als der Gang vor ihm plötzlich endete. Er züngelte neugierig und schloss sein Maul angewidert, als er unappetitliche kleine Schlangen schmeckte. Es gab nur wenige Schlangen, die ein Basilisk nicht fressen konnte, und die auf die das zutraf konnte er nicht ausstehen.

Öffne dich.", zischte er ungehalten. Er konnte schmecken, dass die grässlichen kleinen Schlangen jenseits dieser Wand gewesen waren, also musste auch er dorthin gelangen können.

Seine Strategie war einfach, aber sie hatte Erfolg. Die Tür öffnete sich, und jenseits von ihr war Licht. Dämmriges grünes Licht, das von Pilzen stammte, die an den Wänden der Kammer vor ihm wuchsen. Es war eine ovale Kammer, in deren Zentrum sich, wie Voldemort gesagt hatte, ein steinerner Sarkophag befand, in den sehr viele Zeichen eingemeißelt waren. Die unteren Wände der Kammer, unberührt von den leuchtenden Pilzen, zeigten Gemälde, vermutlich Szenen aus dem Leben des hier Beerdigten. Tigris beachtete sie nicht lange, und kroch zur Mitte des Raumes. Er stieß den Deckel des Sarkophags mit seiner Schnauze an, aber dieser rührte sich nicht.

Frustriert sah er darauf hinunter. Was nun? Er mochte eine große Schlange sein, aber auch die größte Schlange hatte keine Hände. Er hatte keine andere Wahl, als sich zurück zu verwandeln, wenn er an den Inhalt des Sarkophags gelangen wollte. Zum Glück waren keine der grässlichen kleinen Schlangen in Sicht, auch wenn er die Löcher in der Wand sehen konnte, in denen sie hausten. Er züngelte noch einmal in der Luft, um sicher zu gehen, dass er keine übersehen hatte, dann verwandelte er sich zurück.

Ohne zu zögern stieß er den Deckel des Sarkophags beiseite. Im Inneren befand sich eine in goldene Tücher gewickelte Mumie, die auf ihrer Brust überkreuzt die beiden von Voldemort beschriebenen Stäbe hielt. Tigris packte den Stab mit dem gebogenen Ende ohne nachzudenken, und zog ihn mit einem Ruck aus dem Sarkophag.

Ein grollendes Geräusch bewies ihm, welch eine schlechte Entscheidung das gewesen war. Er umklammerte den Stab und verwandelte sich wieder in einen Basilisk, keinen Augenblick zu spät.

Rote kleine Schlangen begannen, aus den Wänden der Kammer hervorzuquellen wie Maden. Er schlug mit seinem Schwanz nach ihnen und schleuderte sie gegen die Wand. Er konnte sie nicht fressen, aber das bedeutete nicht, dass er sie nicht töten konnte.

Als Schlange merkte er noch viel stärker das Vibrieren des Bodens unter sich, aber er erkannte die Bedeutung zu spät. Er war noch immer mit den Allghoi Khorkhois beschäftigt, als er begriff, aus welcher Richtung das Vibrieren kam. Er wandte sich gerade rechtzeitig zu dem Ausgang der Kammer um, um einen großen runden Stein den Gang herunter rollen zu sehen, der ihn verschloss.

Er züngelte aufgeregt, dankbar für seine Schlangensinne, die ihm sagten, aus welcher Richtung Frischluft kam. Er richtete sich auf und kroch so schnell er konnte in einen der Tunnel, welche die Khorkhois gegraben hatten. Sie waren kleiner als er, aber da sie so viele waren, waren ihre Tunnel zum Glück gerade breit genug für ihn – und es war sein Vorteil, dass er noch kein ausgewachsener Basilisk war. Die kleinen Schlangen waren klug genug, ihm aus dem Weg zu weichen, als er durch ihre Tunnel sauste. Das Grollen hatte noch nicht aufgehört, und er konnte spüren, wie Magie über ihm gegeneinander kämpfte. Die Pyramide war dabei in den Boden zurückzusinken, aber etwas hielt sie davon ab. Voldemort war zumindest bei etwas hilfreich. Schließlich fiel er aus der Decke in den Gang hinunter, der zum Ausgang mündete. Sein Geruchssinn sagte ihm, dieser war nicht weit entfernt. Er kroch noch ein Stück weiter, bevor er sich in einen Menschen verwandelte.

Tigris taumelte kurz, dann begann er zu rennen, das schwache Licht des Ausgangs vor sich, das weitaus heller war, als zu dem Zeitpunkt, zu dem er seinen Abstieg begonnen hatte. Die Armschienen schlangen sich wieder um seine Unterarme, während er rannte, und er schaffte es irgendwie, gleichzeitig den Stab festzuhalten.

Als er näher an den Ausgang kam, sah er, woher die Helligkeit stammte. Zu jeder anderen Zeit hätte er es für ein beeindruckendes Feuerwerk gehalten. Der Dunkle Lord stand vor dem Eingang der Pyramide, die Arme ausgesteckt. Seine Verkleidung als Sayyid war vollkommen zusammengebrochen. Er trug seine gewöhnliche schwarze Robe, welche im Wind flatterte. Um ihn herum entlud sich magische Energie, flackernd wie die Aurora, während er die uralte Magie der Pyramide im Zaum hielt.

Als er Tigris sah, weiteten seine Augen sich. „Schneller!", schrie er, seine Stimme harsch über dem Getöse der magischen Entladungen. „Lauf!"

Tigris fand das ziemlich überflüssig, da er schon so schnell rannte, wie er konnte. Wie gut, dass er so fit geblieben war.

Er sprintete auf den Ausgang zu, und wäre an seinem Lord vorbeigerannt, doch der Zauberer packte ihn um die Hüfte, bevor er so weit laufen konnte. Tigris sah die Pyramide vor ihnen in der Erde versinken, und rote Schlangen aus dem Boden hervorquellen wie eine abartige Schlingpflanze, kurz bevor sie apparierten.

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Als Tigris wieder zu sich kam, lag er auf etwas Weichem. Sein erster Gedanke war, dass es etwas Verwandeltes sein musste, denn um ihn herum waren Felsen. Der zweite Gedanke war die peinliche Erkenntnis, dass er das Bewusstsein verloren hatte, als sie apparierten.

Der Dunkle Lord saß nicht weit von ihm auf einem Stein und studierte den Stab in seinen Händen. Er wirkte ausgesprochen zufrieden.

Der Lord saß auf und betrachtete ihn lächelnd. „Oh ja, ich bin zufrieden, Tigris. Du kannst stolz auf dich sein. Dir ist gelungen, worin sechs deiner Vorgänger versagt haben."

„Ihr habt dies zuvor versucht?", fragte Tigris entsetzt. „Aber die Pläne... Ich verstehe nicht..."

„Unglücklicherweise wandert die Pyramide von Jahr zu Jahr, aber die al'Serab sind sehr gut darin, ihre Position zu bestimmen. Ich wusste natürlich, wie man sie öffnet und wann sie erscheint. Aber wenn ich dir gesagt hätte, dass alle anderen vor dir versagt haben, hätte dich das nur beunruhigt, denkst du nicht?"

Tigris öffnete seinen Mund, klappte ihn wieder zu und nickte.

„Ich war von Beginn an sehr zuversichtlich, das du Erfolg haben wirst.", sagte der Lord. „Deine kleine Schlange, sie war ein gutes Zeichen. Keiner meiner früheren Schüler war so vertraut mit Schlangen, obwohl sie alle Slytherin waren. Es wird gesagt, das nur ein Schlangenkind die Pyramide betreten und wieder verlassen kann." Er betrachtete den Stab in seiner Hand. „Weißt du überhaupt, was du mir hier gebracht hast?"

Tigris schüttelte stumm den Kopf.

Der dunkle Zauberer lächelte selbstzufrieden. „Es ist das Zepter des Re. Im alten Ägypten war es das Symbol der Herrschaft über die gesamte Zaubererwelt. Es hat nicht viele magische Eigenschaften, die ägyptischen Zauberer hatten das nicht nötig. Seine wahre Macht liegt hierin." Der Lord strich mit seinem Finger den Stab entlang, und eine Reihe von Symbolen wurden sichtbar. „Es ist ein Rosettastein. Es ist der Schlüssel zur Übersetzung alter ägyptischer Texte, deren Entschlüsselung längst aufgegeben wurde. Die alten ägyptischen Zauberer waren sehr auf ihre Geheimnisse bedacht. Sie verfassten ihre Schriften in einem Code, welcher mit ihrem Tod in Vergessenheit geriet. Dies hier ist der einzige noch existierende Rosettastein dieser Art. Also ja, ich bin sehr zufrieden."

Tigris starrte auf den unscheinbaren Stab. „Und nun? Was machen wir jetzt?"

Der Dunkle Lord lächelte. „Wir besuchen die Muggelwelt. Schließlich ist dies ein magisches Artefakt, und Auroren sind so furchtbar neugierig, was magische Artefakte angeht. Andererseits haben sie nie gelernt, die Muggeltransportwege zu überwachen. Ironisch, denkst du nicht? Aber vielleicht ist es auch gerade passend, dass dieser Abschaum mir bei seinem eigenen Untergang hilft."

Der Lord richtete seinen Stab auf Tigris, und Tigris fühlte zum zweiten Mal, wie seine Kleidung sich veränderte, diesmal zu einem hellen europäischen Muggelanzug.

„Ich muss dir übrigens noch für etwas anderes danken.", sagte sein Lord. Er holte eine goldene Halskette aus der Tasche und betrachtete sie nachdenklich. „Deine interessanten Artefakte sind die einzigen Illusionszauber, die noch auf mich wirken. Es hat auch einen Nachteil, sehr mächtig zu sein. Immer seit meine Magie einen gewissen Grad überschritten hat, hat sich mein wahres Erscheinungsbild nicht mehr verbergen lassen. Es war wirklich eine lange Zeit, seit ich zuletzt hier war." Er legte sich die Kette um, und sein Aussehen verwandelte sich zu dem eines älteren, weißhaarigen Mannes im Khakianzug und mit Panamahut. „Wenn Leute dich fragen sollten – mein Name ist Elvis T. Jedusor, Archäologe und Mitarbeiter der französischen Botschaft. Du wurdest von meinen Verwandten in England geschickt, um mich abzuholen. Wir werden am 30. Dezember mit dem Flugzeug nach London fliegen."

„Aber das ist ja noch über eine Woche, mein Lord!", sagte Tigris.

„Nenn mich Monsieur Jedusor, und wir sollten Französisch reden, wenn möglich. Ja, es ist noch eine Woche. Warst du schon jemals in Kairo?"

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Sie verbrachten die folgende Woche in Kairo – eine Stadt die nach Tigris' Meinung sehr laut und sehr hässlich war und viel zu viele Muggel enthielt, eine Ansicht, in der sein Lord ihm vollkommen zustimmte. Selbst die Luft war verpestet vom Gestank ihrer Industrie. Glücklicherweise schirmte sie das Hotel in dem sie logierten für die meiste Zeit von all diesen Unannehmlichkeiten ab.

Am Ende gelangten sie ohne Probleme mit dem Flugzeug zurück nach London. Tigris sah zum ersten Mal einen Flughafen, und er war froh, als er ihn wieder verließ. Insgesamt war es beinahe zu einfach, und Tigris fragte sich, warum Ali Bashir nicht daran gedacht hatte, als er versucht hatte, seine fliegenden Teppiche nach Britannien zu schmuggeln.

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Tigris' Belohnung für die ganzen Anstrengungen bestand darin, dem Dunklen Lord bei der Übersetzung seiner Sammlung alter ägyptischer Schriftrollen mit Hilfe des Re-Zepters behilflich zu sein. Die Bibliothek des Dunklen Lords allein war es wert – sie kam nicht an die seines Vaters heran, aber sie enthielt eine große Anzahl obskurer und seltener Texte, die der Lord offenbar auf seinen Reisen gesammelt hatte. Die ägyptischen Schriftrollen selbst waren faszinierend. Das Re-Zepter stellte sich als ein Übersetzungsschlüssel für eine Reihe verschiedener Schriften und Dialekte heraus.

Ein gefährlicher Augenblick war es, als Tigris an eine Schriftrolle geriet, die allem Anschein nach in Englisch abgefasst war. Zum Glück erkannte er noch rechtzeitig, dass sie in Parsel geschrieben war, und schaffte es, seine Fähigkeit diese Sprache zu lesen genug zu verdrängen, um den Anschein zu erwecken, erfolglos zu versuchen, sie zu übersetzen. Es war kein Zufall, dass sie sich unter den Schriftrollen befand, offenbar hatte der Dunkle Lord testen wollen, ob man das Zepter zur Übersetzung der Schlangensprache benutzen konnte. Etliche Priester von Seth und Neith hatten diese Fähigkeit besessen, aber offensichtlich hatten sie nicht vorgehabt, ihr Wissen zu teilen. Parsel blieb den Fähigkeiten des Zepters verschlossen. Es zeigte Tigris auch, dass der Lord, im Gegensatz zu ihm, nicht fähig war, seine Parselbegabung zu blockieren. Eine sehr interessante Erkenntnis.

Die Ferien verstrichen auf diese Weise schneller als gedacht, und bevor er sich versah musste Tigris das Hauptquartier wieder verlassen, um nach Hogwarts zurück zu kehren.

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Tigris war nicht überrascht, als sein Vater ihn schon kurz nach seiner Ankunft im Malfoy – Herrenhaus in sein Büro zitierte. Es amüsierte ihn fast, wie sehr der Mann sich bemühte, es erscheinen zu lassen, als seien seine Fragen alles andere als pure Neugier.

„Ist dein Auftrag für unseren Lord erfolgreich verlaufen?"

Tigris begegnete dem prüfenden Blick mit einem selbstsicheren Lächeln. Er hatte es sich schließlich verdient. „Unser Lord war zufrieden. Er hat bekommen, was er wollte, und war beeindruckt von meinen Fähigkeiten. Anscheinend bin ich der erste seiner Lehrlinge, der bei diesem speziellen Auftrag nicht versagt hat." Er ließ wohlweislich aus, dass er auch der einzige war, der überlebt hatte – und wie verängstigt er gewesen war, wie verloren, als er gedacht hatte, er würde nicht zurückkehren. Sein Vater brauchte nichts davon zu wissen. Es genügte, das der Mann wusste, das er in der Gunst ihres Lords weiterhin weit oben stand. „Du erwartest sicher nicht, dass ich dir genaueres über unsere Unternehmung mitteile.", fügte er hinzu, nur um Salz in die Wunde zu reiben. „Es steht mir nicht zu, vertrauliche Informationen weiterzugeben."

Es war für jeden, der seinen Vater näher kannte, offensichtlich, wie sehr der Mann es hasste, nicht mehr Teil des Inneren Kreises zu sein. Es musste quälend sein, dachte Tigris gehässig, sich nach so vielen Jahren als einer der engsten Berater ihres Lords in den untersten Rängen wiederzufinden, als Fußvolk. Gezwungen, seinen eigenen Sohn für Krumen an Informationen zu umwerben, die er so lange als selbstverständlich erachtet hatte. Malfoys machten sich nicht gut als Fußvolk. Armer Lucius, hatte er sich als unentbehrlich betrachtet? Niemand war unentbehrlich für Voldemort. Tigris lächelte, als er sah, wie sein Vater seinen Ärger unterdrückte. Wie gut der Mann plötzlich mit seiner Selbstbeherrschung geworden war. Er hatte sich mit Sicherheit nicht so viel Mühe gegeben, als er Tigris blutig gepeitscht hatte. Aber damals hatte er ja auch nichts durch Selbstbeherrschung gewinnen können, nicht wahr? Außer vielleicht die Zuneigung seines Sohnes anstelle von Hass. Doch wie hatte Lucius so schön gesagt – es kümmerte ihn nicht, wenn Tigris ihn hasste, solange er ihn respektierte. Wie man sich bettet, so liegt man.

„Wie auch immer, es ist ein Anlass darauf anzustoßen."

Tigris sah zu wie sein Vater zwei Gläser Wein eingoss, und ihm eines davon reichte. Er nahm das andere. Die Hand seines Vaters verkrampfte sich kaum merklich um das Glas, bevor er es losließ.

„Du musst eine wirklich erbärmliche Meinung von mir haben, wenn du glaubst, ich würde meinen eigenen Sohn vergiften.", zischte er, seine kalte Maske mehr und mehr verlierend.

Tigris schwenkte das Glas nachdenklich in der Hand und betrachtete die Spiegelung des Lichts in der roten Flüssigkeit. „Vergiften? Nein. Aber wir beide wissen doch, dass man weitaus mehr in Wein verbergen kann als Gift, ist es nicht so, Vater? Wein löst die Zunge, wie bekannt ist... und mancher mehr als anderer." Er begegnete den Blick seines Vaters fest, ihn stumm herausfordernd, seiner Anschuldigung zu widersprechen. Graue Augen verengten sich ein wenig, aber keine Entgegnung kam. Tigris lächelte triumphierend, und hob sein Glas. „Heil dem Dunklen Lord."

Sein Vater zögerte einen flüchtigen Moment, aber er hatte nun keine Wahl mehr, als den Wein in seiner Hand zu trinken, es sei denn er wollte offen zugeben, dass er etwas hineingemischt hatte. Er nahm es zumindest mit Fassung. Nachdem er den Toast erwidert hatte, leerte er sein Glas in einem Zug.

Tigris trank lediglich einen Schluck. Es mochte immerhin sein, dass sein Vater ein Gift gewählt hatte, gegen das er selbst immun war, und es sich in der Flasche selbst befand. Es wäre mit Sicherheit das, was Blaise getan hätte. Das Verhalten des Mannes suggerierte etwas anderes, aber das mochte eine Täuschung sein. Sein Vater hatte schließlich eine Menge mehr Übung in solchen Dingen als Tigris selbst. Sie musterten sich einen Moment lang.

„Dies ist eine sehr... frustrierende Form der Unterhaltung.", sagte sein Vater, sich setzend. „Geh und rede mit deiner Mutter, sie ist sehr viel angetaner von deiner Gesellschaft als ich."

Er betrachtete seinen Vater fasziniert, während dieser sich ein zweites Glas Wein einschenkte. „Im Gegenteil, ich denke, diese Unterhaltung beginnt gerade erst interessant zu werden. Wie wäre es, wenn ich dir ein paar Fragen stelle, deren Antwort mich schon lange interessiert?"

Sein Vater lehnte den Kopf zurück und schwenkte sein Weinglas in der Hand. „Impertinent. Das ist es, was du bist. Verzogen und impertinent. Es kann nicht an mir liegen, dein Bruder ist nicht so. Ein weiterer Grund dafür, die Muggel vom Erdboden tilgen, nehme ich an."

„Was hast du in den Wein getan?"

Sein Vater zog eine Braue hoch. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir diese Frage beantworte. Das einzig Schlimme daran etwas Unmoralisches zu tun, ist, dabei erwischt zu werden."

Tigris lachte, sich ebenfalls setzend. „Ich denke, wenn du nicht erwischt werden willst, ist es bereits zu spät."

Sein Vater trank einen weiteren Schluck Wein. „Du wirst es nie beweisen können, mein Sohn. Das ist einer deiner größten Fehler – du übersiehst immer die offensichtlichsten Dinge."

Tigris runzelte die Stirn. Der Gedanke gefiel ihm ganz und gar nicht. „Ich denke, du bist es, der das Offensichtliche hier übersieht. Du hast dich selbst mit was du auch immer benutzt hast vergiftet – nicht gerade klug, wenn du mich fragst."

„Impertinent.", wiederholte sein Vater. „Impertinent. Respektlos. Ausfallend. Ohne die geringste Ehrfurcht vor den Sitten unserer Vorfahren. Ich bin dein Vater, Junge. Du solltest mir dankbar dafür sein, das du überhaupt am Leben bist."

„Vielleicht hast du es mir nicht genug eingeprügelt.", zischte er, plötzlich nicht mehr so glücklich über den Verlauf dieser Unterhaltung.

Sein Vater bedachte ihn mit einem kalkulierenden Blick. „Vermisst du es?" Er beugte sich plötzlich vor, und Tigris wich unwillkürlich zurück. „Wenn du darauf bestehst, komme ich dir gerne entgegen. Ein wenig Schmerz bildet Charakter. Du weißt unser Lord stimmt da mit mir überein. Ihr beide hättet eure Initiation niemals überstanden, hätte ich euch nicht vorbereitet. Ihr solltet mir dankbar sein. Bist du dankbar, Sohn?"

Tigris sah ihn ungläubig an. „Dankbar?" Er lachte fassungslos. „Wofür, dass du mich fast totgepeitscht hast?"

Sein Vater ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. „Ich bedaure diesen Vorfall." Er klang nicht so, als würde er es wirklich bedauern. „Du weißt, deine Mutter hat mich unter Drogen gesetzt. Ich wäre subtiler vorgegangen, hätte ich mich besser unter Kontrolle gehabt. Ich denke dennoch, du solltest mir dankbar sein. Du hättest niemals solche Fortschritte gemacht, ohne meine Hilfe. Du wärst niemals dort, wo du heute bist. Aber willst du das akzeptieren? Nein. Du schwelgst lieber in deinem Selbstmitleid. Dem tragischen Melodrama deines Lebens. Verwaiste Bettelkinder müssen sich die Augen ausweinen vor Mitgefühl, wenn sie dich sehen, so miserabel ist deine Existenz."

Tigris fühlte heiße Wut in sich aufsteigen. Wie konnte dieser Mann vor ihm sich erdreisten, sich über ihn lustig zu machen? Was behauptete er denn? Es ging Tigris besser als manchen anderen Kindern auf der Welt. Na und? Rechtfertigte das etwa, was sein Vater getan hatte? War das ein Grund, ihm dankbar für alles zu sein, was er getan hatte? Tigris atmete einmal tief durch, um nicht dem Drang nachzugeben, den Mann zu schlagen oder zu verhexen, irgendetwas zu tun, um ihm Schmerz zuzufügen. Schließlich begnügte er sich mit Worten. „Ist das der Grund, warum du Neleus Snape ermordet hast?", zischte er. „Weil du dich selbst so sehr bemitleidet hast?"

Sein Vater erstarrte und setzte langsam sein Glas auf dem Tisch ab. „Was weißt du davon?"

„Mehr als du ahnst.", sagte Tigris wütend.

Sein Vater stand ruckartig auf. Er trat um Tigris' Stuhl herum und legte die Hände auf seine Schultern. Sein Griff war hart und unangenehm. Tigris gefror wie ein Kätzchen welches im Genick gepackt wurde. „Wie hast du Severus dazu gebracht, dir etwas darüber mitzuteilen, mein dummer kleiner Junge?", schnurrte sein Vater mit einem bedrohlichen Unterton, sich zu ihm hinunter beugend. „Sag es mir."

Die Daumen seines Vaters gruben sich in seinen Nacken und Tigris wand sich in seinem Griff. „Legilimentik.", zischte er. Sollte sein Vater doch wissen, wie viel er wusste. Es würde ihn hoffentlich zusätzlich verletzen.

Der Griff seines Vaters verstärkte sich. „Severus", fauchte er, „ist einer der herausragendsten Okklumenten auf der Welt. Willst du mir etwa weismachen, du könntest in seine Gedanken eindringen?"

„Ich habe ihm einen guten Grund gegeben, es mir zu gestatten.", gab er boshaft zurück. „Einen Grund den ich nicht vorhabe, dir mitzuteilen. Er hat sich als viel zu wertvoll dafür erwiesen."

Die Hände verließen Tigris' Schultern abrupt. Sein Vater trat vor ihn. Er erschien kalt, aber seine Hände spielten nachlässig mit seinem Spazierstock, den er zuvor nicht in der Hand gehalten hatte. Tigris zuckte unwillkürlich zurück, als sein Vater mit der Spitze des Stocks seinen Hals berührte.

„Mein Onkel starb", sagte er, „weil er ein unbeherrschter, geldgieriger Mörder war, der seinen Gegner unterschätzte. Zwei dieser vier Dinge bin ich nicht, und letzterer Fehler ist einer, welchen ich nur einmal begehe. Oh ja, ich habe Neleus gehasst... und so kann ich, zu einem gewissen Grad, deine Gefühle verstehen. Aber der Unterschied zwischen mir und Neleus, mein Sohn, ist, dass er niemals einen Grund gebraucht hat – und du hast mir mehr als genug Gründe gegeben. Wäre ich Neleus, würde ich keine dieser reizenden philosophischen Unterhaltungen mit dir führen. Wenn du tatsächlich so viel über ihn wüsstest, wie du behauptest, dann wärst du in der Tat sehr, sehr dankbar dafür, dass ich dein Vater bin."

Sein Vater trat zwei Schritte von Tigris weg und griff nach seinem Weinglas, als wäre nie etwas geschehen, den Spazierstock beiseite legend. Tigris atmete auf.

Sein Vater drehte sich zu ihm um und betrachtete ihn kalt. „So sehr ich dich auch manchmal verabscheue, du bist mein Sohn. Deshalb gebe ich dir eine gut gemeinte Warnung, aber ich werde es nur einmal sagen: Mach dir Severus Snape nicht zum Feind. Du spielst in einer Liga, die zu hoch für dich ist."

Tigris sah seinen Vater ungläubig an und musste sich sehr bemühen, nicht zu lachen. Er hasste den Tränkemeister nicht mehr, wie er es früher getan hatte. Er hatte in den letzten Monaten sogar etwas wie Sympathie für den Mann entwickelt, aber dass sein Vater ihn vor ihm warnte, war einfach nur lächerlich. Er nahm an, Lucius wollte seinen alten Freund beschützen, aber Tigris hatte Snape gut genug kennen gelernt, um zu wissen, dass er eine zahnlose Katze war. Snape war ein verbitterter, boshafter Einzelgänger, dessen sadistisches Vergnügen darin bestand, denjenigen das Leben zur Hölle zu machen, die schwächer waren als er. Er war ein brillanter Tränkebrauer, aber abgesehen davon war er ein ziemlich schwacher, im Grunde erbärmlicher Mensch. Tigris lächelte gutmütig. „Ich habe nicht vor, mir Snape zum Feind zu machen, Vater. Ich habe nichts gegen ihn, und wir haben eine Abmachung, von der wir beide profitieren."

Sein Vater betrachtete ihn nachdenklich, dann stellte er bedächtig sein Weinglas ab und fuhr mit seinen Finger über den Rand. „Als ich ein Kind war, hat mir meine Mutter einmal eine Geschichte über einen Mungo erzählt. Ich habe sie im Gedächtnis behalten, denn meine Mutter war normalerweise keine Frau, die Geschichten erzählt."

Tigris beobachtete seinen Vater fasziniert und fragte sich, was genau in dem Wein gewesen war. Was auch immer, es war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm jemand eine Geschichte erzählte, das hatte er nicht vor zu verpassen. Sein Vater sah ihn nicht an, er schien weitaus interessierter an dem Glas vor ihm zu sein.

„Es war einmal ein Mungo, der berühmt dafür war Schlangen zu töten. Viele Schlangen aus dem ganzen Land hatten versucht ihn zu töten, aber keiner gelang es, der Mungo war immer zu schnell. An dem Wasserloch, wo der Mungo jeden Tag trinken ging, lebte eine kleine grüne Schlange. Immer, wenn der Mungo kam, floh die kleine Schlange unter einen Stein, und der Mungo kam nicht an sie heran. Das erste Mal, als der Mungo zum Wasserloch kam, verfolgte er die Schlange noch hitzig. Doch als die Zeit verstrich, gewöhnte er sich an die kleine Schlange. Er jagte schließlich den ganzen Tag viel größere und gefährlichere Schlangen, was kümmerte ihn eine kleine grüne Grasschlange, die unter einem Stein an dem Wasserloch lebte, an dem er jeden Tag trinken ging? Die Schlange, als ihr klar wurde, dass der Mungo ihr nicht mehr nachjagte, versteckte sich nicht mehr so schnell, wenn der Mungo kam. Es dauerte nicht lange, und der Mungo sah sie oft auf ihrem Stein in der Sonne liegen, wenn er an das Wasserloch kam. Wenn er näher kam, verschwand sie, aber das tat er nur selten. Schließlich war er satt und müde von seiner erfolgreichen Jagd. Eines Tages, als der Mungo erschöpft von einem harten Kampf an das Wasserloch kam, war die Schlange nicht auf ihrem Stein. Der Mungo dachte sich nicht viel dabei. Er ging zu derselben Stelle am Wasserloch, wo er immer trank - und dort, inmitten der grünen Schilfblätter, wartete die Schlange auf ihn, wie sie es geplant hatte, während der vielen Tage, die sie dem Mungo beim trinken zugesehen hatte. Sie biss ihn, und er starb – weil sie eine sehr giftige Schlange war, und weil der Mungo zu erschöpft und zu überrascht war, um sich zu verteidigen."

Tigris sah seinen Vater nachdenklich an. „Ich bin kein Mungo.", sagte er schließlich. „Und selbst wenn ich es wäre, wäre ich nicht töricht genug eine Schlange am Leben zu lassen, die dort lebt, wo ich am verletzlichsten bin, so klein und unscheinbar sie auch sein mag."

Sein Vater sah auf und hob sein Glas in seine Richtung. „Das ist ein guter Satz, um darauf zu trinken. Umso mehr, wenn er wahr ist."

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Als Tigris ging, dachte Lucius darüber nach, wie jung sein Sohn doch im Grunde noch wahr. Jung, mit all der übertriebenen Selbstsicherheit der Jugend. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so gewesen zu sein... aber andererseits, er hatte Neleus umgebracht, also vielleicht war er einmal ganz genauso gewesen. Lucius lachte trocken und füllte sein Glas erneut. Dies war ein exzellenter Burgunder, ein hervorragendes Jahr und ein auserlesenes Weingut – er besaß ein makelloses Bukett und entfaltete sein Aroma so harmonisch wie ein Renoir. Es wäre ein Verbrechen, etwas in diesen Wein zu mischen, selbst wenn es Ambrosia wäre.

„Auf den Mungo.", sagte er leise. Dann schüttelte er den Kopf über seine eigene Torheit und hob sein Glas, um den Wein zu genießen.


Vielen Dank für eure Reviews an: Nissa7, Indy, des sang noir, Sancte-Diabolus, Minnilein, alge28, Lijenna, Avallyn Black, Dax


Eine Muse wirft beharrlich Stöcke auf einen aufgeschichteten Haufen Feuerholz, wo eine arme kleine Flamme unermüdlich versucht gegen den herunterprasselnden Regen anzukämpfen.

Robin sieht ihr fasziniert zu. „Denkst du wirklich, das wird funktionieren?"

Es muss funktionieren!", sagt sie trotzig. „Ich will Osterfeuer!"

Plötzlich breitet sich die Flamme mit einem Zischen über den gesamten Holzhaufen aus, und das Feuer lodert fröhlich trotz dem Regen vor sich hin. Die Muse grinst zufrieden und spießt einen Marshmallow auf einen bereits vorbereiteten Stab. „Siehst du, ist doch ganz einfach. Also, was will man heute von uns wissen?"

Robin holt einen pinkfarbenen Sonnenschirm hervor, spießt ihn in die Erde und spannt ihn auf. Anschließend stellt er sich darunter und blättert in seinem Notizblock.

Was hat es denn mit Tigris' grauen Haaren auf sich? Er hat Dschinnenblut in sich?"

Ne, ne... Alles bloß Aberglaube. Die al'Serab glauben, ein junger Mensch mit grauen Haaren hat Dschinnenblut in sich und das bringt Glück. Wie ein Schornsteinfeger..." Sie stupst einen vorbeilaufenden Schornsteinfeger an. „Ha, Glück!"

Der Schornsteinfeger wirft erbost seinen Besen nach ihr und sie und färbt sie damit schwarz.

Na ja, vielleicht doch nicht..."

Robin blättert in seinem Block. „Kennt sich pilarius eigentlich in der Wüste aus?"

Hmm... Kann sein, dass ein paar Leute pilarius schon mal in die Wüste schicken wollten, aber waren sie erfolgreich? Nein. Pilarius ist ein Feuchtbiotoplebewesen. Wir kennen allerdings ein paar Leute, die sich in der Wüste auskennen und lesen... über Wüste. Und auch sonst."

Das war alles... nein, Moment. Was heißt eigentlich Aqrabi?"

Also wirklich Robin, das ist eine vorwegnehmende Frage, und wir beantworten keine vorwegnehmenden Fragen. Aber etwas verrate ich. Das –i ist eine grammatikalische Endung."

Na dann. Bis zum nächsten Mal. Bis dahin... Bekomme ich einen Marshmallow?"

Thalia klammert ihren Beutel Marshmallows schützend an sich. Robin verwandelt sich in einen Hundewelpen und starrt mit traurigen Augen zu ihr hoch.

Das ist unfair. Na gut, meinetwegen. Frohe Ostern!"


A/N: Ich entschuldige mich für die zurzeit so seltenen Updates, aber leider habe ich im Moment ziemlich viel Stress. In meinem Benutzerprofil steht ein wenig mehr dazu. Bis zum nächsten Mal, und frohe Ostern euch allen! pilarius