Disclaimer:
Wie wäre es mit einem Blasorchester?
Nein.
Ein Chor netter kleiner Kinder die alle singen: Joanne K. Rowling hat Harry Potter erfunden?
Nein!
Och... du verstehst keinen Spaß.
Schatten der Wahl
17. Unheilbar
Teil 2
Draco strich noch einmal über die Stickereien auf seiner neuen Robe, die ihn als Heiler in Ausbildung kennzeichnete. Dies war sein erster Tag in St. Mungos, und er war nervös, auch wenn er sein Bestes tat, es sich nicht anmerken zu lassen. Er atmete noch einmal tief durch, und disapparierte.
Er apparierte inmitten von Chaos. Der Vorraum des Krankenhauses war voll mit Menschen und eine Hilfskraft schrie ihn an, aus dem Weg zu gehen, sobald er vollständig erschienen war. Draco sprang hastig zur Seite und versuchte, seinen Schock zu überwinden.
„Was stehst du da dumm herum wie eine Muggelstatue!", schrie eine rothaarige Hexe in den grünen Roben der Heiler ihn an. „Komm her und mach dich nützlich!"
Draco öffnete den Mund und schloss ihn wieder. „Ja, Ma'am." Er trat zu ihr und wunderte sich, wie er ihr helfen sollte. Sie war offenbar gerade dabei, eine Hexe mit schweren Brandwunden zu behandeln.
Die Heilerin griff grob nach seiner Hand und legte sie auf ihren Nacken. Draco wollte sie automatisch zurückziehen, da er es verinnerlicht hatte, dass es sich nicht gehörte, eine ältere Frau auf eine so intime Weise anzufassen, aber er ließ es, als die Heilerin ihm einen bösen Blick zuwarf. Sie rollte mit den Augen, griff nach seiner anderen Hand und legte sie auf die andere Seite.
„Muss man euch jungen Leuten denn heute jeden Handgriff zeigen?", rief sie ärgerlich.
Draco schwieg wohlweislich, da er nicht eine seiner zukünftigen Vorgesetzten an seinem ersten Tag noch mehr verärgern wollte, als sie es offensichtlich schon war, auch wenn er sich sehr merkwürdig vorkam.
Er begriff jedoch, welchem Zweck das Ganze diente, als er plötzlich einen Sog verspürte, der seine magische Energie auf die Heilerin übertrug, während sie begann, die Heilung der Frau einzuleiten. Natürlich, offensichtlich befanden sich eine Menge Leute mit schweren Verletzungen hier, die die Heiler sehr viel Kraft kosteten. Es machte Sinn, dass die erfahrenen Heiler die Lehrlinge benutzten, um sich nicht zu schnell zu erschöpfen.
Von da an wusste Draco, was er tun musste. Er blieb noch eine Weile bei der rothaarigen Hexe, bis diese Patienten mit leichteren Verletzungen übernahm. Anschließend hielt er nach anderen Heilern Ausschau, und half ihnen auf die gleiche Weise, wenn sie ihm winkten. Er fühlte seine magischen Reserven schnell schwinden, sehr viel schneller als wenn er selbst heilte. Dies musste daran liegen, dass all die Heilungen bei denen er Energie spendete sehr kompliziert waren.
Schließlich, er assistierte gerade einem älteren Heiler bei der Behandlung einer Fluchwunde, tippte ihm eine junge Hexe auf die Schulter, die wie er Lehrlingsroben trug.
„Geh und ruh dich eine Weile aus, ich löse dich ab." Sie legte ihre Hände über seine, und für einen kurzen Moment vermischte sich ihre Magie, bevor er seine Hände zurückzog. Draco errötete unwillkürlich.
Die Hexe grinste. „Du bist neu, richtig?"
Draco nickte. „Mein erster Tag heute."
Die Augen der Hexe wurden groß. „Na, das nenne ich mal einen höllischen ersten Tag. Ich bin Hilda. Der Pausenraum ist einen Stock über uns, auf der rechten Seite, hinter dem Portrait von Chauncey Oldrige."
„Danke.", sagte er. „Ich bin Draco."
Sie lächelte ihm zu. „Bis später, Draco."
Als Draco die Treppen hoch ging, merkte er erst, wie erschöpft er war. Er taumelte auf dem Weg nach oben, was die Zauberer in den Porträts an der Wand zu besorgten Ausrufen hinriss.
„Ein Auszug von Carica papaya, gemischt mit Budimun-Essenz, mein Junge!", rief ein graubärtiger Zauberer in mittelalterlicher Kleidung, der ihm durch die anderen Porträts bis in den Gang zum Pausenraum nachlief. „Das ist die einzig wirksame Hilfe!"
Draco rollte mit den Augen. „Ich habe kein Interesse daran impotent zu werden, danke vielmals!"
„Man muss Opfer für das große Ganze bringen!"
Draco seufzte, und schlug die Tür des Pausenraumes hinter sich zu.
Auf der Couch dort, die sehr verführerisch aussah, saß ein blasser blonder Mann etwas älter als Draco und lachte leise.
„Hat dich auch der gute alte Salernus verfolgt?"
„Keine Ahnung wie er heißt.", grummelte Draco, und ließ sich auf die Couch fallen.
Der Mann lachte erneut, und schwenkte seinen Stab, woraufhin sich die Couch verbreiterte. Draco sah ihn verwirrt an.
Der Mann zog eine Braue hoch. „Ich habe keine Lust auf dem Boden zu schlafen, und du siehst aus, als fällst du gleich im Sitzen um. Also?"
Er schubste Draco, so dass er nach hinten auf die verbreiterte Couch fiel und Draco ließ es zu, dass er ihn einmal kurz schweben ließ, bis er ganz darauf lag. Einen Moment später war es ihm völlig egal, da er bereits eingeschlafen war.
Er erwachte von der Bewegung eines Körpers neben sich.
„Schlaf nur weiter, ich muss wieder zum Dienst.", sagte die Stimme des Mannes, dessen Name Draco noch immer nicht kannte, eine beruhigende Hand auf Dracos Schulter legend. Einen Augenblick später war er gegangen, und Draco schlief wieder ein.
Als er das zweite Mal erwachte, lag eine junge Frau neben ihm, auch anscheinend eine der Lehrlinge. Neben ihm stand eine ältere Hexe, die ihn offenbar geweckt hatte.
„Es tut mir leid dich schon wieder zu holen, aber wir brauchen mehr Helfer.", sagte sie.
Draco nickte nur und setzte sich auf. Die Hexe die neben ihm gelegen hatte murmelte nur etwas und drehte sich auf die andere Seite, als er aufstand. Draco griff sich eine Tasse Kaffee, und folgte der älteren Hexe.
Unten in der Halle war es leer geworden, und die ältere Hexe unterhielt sich einen Moment mit dem Zauberer am Empfangsschalter.
„Vierter Stock.", sagte sie dann. „Sie sagen dir dann schon, wer Hilfe braucht."
Also ging Draco wieder die Treppen nach oben, bis er im vierten Stock angekommen war. Dort fand er die gleiche Hexe vor, die ihm am Tag zuvor so wütend angefahren hatte, und er versteifte sich unwillkürlich.
Sie wirkte erschöpft, aber nicht mehr so ärgerlich wie vorher. „Tut mir leid, dass ich dich gestern so angeschnauzt habe.", sagte sie. „Es fährt manchmal in mich, wenn ich unter Stress stehe. Ich bin übrigens Heilerin Galenus."
„Draco Malfoy.", stellte er sich vor.
„Ah, Smethwycks neuer Lehrling.", sagte sie. Dann hielt sie inne. „Solltest du nicht gestern anfangen?"
Draco nickte.
„Du liebe Zeit." Sie warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. „Nochmals Entschuldigung. Das wusste ich natürlich nicht." Sie lachte leise. „Du musst ja einen Eindruck von mir bekommen haben."
Draco grinste schief. „Es geht. Was ist eigentlich passiert?"
Ihr Gesicht verdüsterte sich. „Todesseranschlag in Huffleigh. Bisher gab es keine Toten, aber etliche Schwerverletzte. Einige schweben noch immer in Lebensgefahr. Ich verstehe nicht, was die da überhaupt wollten!", rief sie plötzlich, ärgerlich. „Dort ist nichts von Interesse für diese Bastarde, nur ein paar Familien mit Kindern und alte Leute!"
„Familien von Auroren oder anderen politisch wichtigen Personen?", vermutete Draco.
„Nein!", erwiderte sie, noch immer zornig. „Nichts dergleichen. Der einzige, der überhaupt etwas mit dem Ministerium zu tun hat, ist ein alter Wachmann, der vor fünfzehn Jahren in den Ruhestand gegangen ist."
„Vielleicht wollten sie nur Aufmerksamkeit auf sich lenken.", sagte Draco unsicher.
„Ja, indem sie unschuldige Kinder umbringen und ihnen ihr Zuhause rauben.", sagte Galenus bitter. Sie machte eine abwehrende Handbewegung. „Genug davon, wir haben Arbeit zu erledigen."
In dem Gang von dem die Patientenzimmer abgingen warteten eine Reihe Angehörige. Galenus wechselte leise ein paar Worte mit einem übernächtigt wirkenden Mann, in dessen Schoss ein kleines Mädchen schlief, reichte einer erschöpften jüngeren Frau eine Decke und brachte einen unruhig auf und ab gehenden Mann dazu sich hinzusetzen und eine Tasse Tee zu trinken. Anschließend winkte sie Draco in eines der Patientenzimmer und sie begannen mit ihrer Arbeit.
Die Frau die sie behandelten war mit einem Fluch belegt worden, der ihre Eingeweide langsam auflöste, und die Heiler hatten bisher nichts finden können, um ihn zurückzudrängen. Draco kannte diesen Fluch sehr gut. Sein Vater hatte ihn ihm und Tigris im Jahr zuvor beigebracht, nur dass sie ihn lediglich auf Ratten angewandt hatten. Draco hatte Dunkle Magie nie sonderlich gemocht, aber zu sehen welche Auswirkungen dieser Fluch auf einen Menschen hatte, machte ihm erst richtig klar, wie abartig er war. Die Heiler fuhren fort, Heilenergie in die Frau zu leiten, aber es war ein vergeblicher Kampf. Drei Stunden später starb die Frau direkt unter Galenus' Händen.
Galenus ließ sich erschöpft gegen die Wand sinken und schloss die Augen.
„Ich sage es ihnen.", sagte die junge Hexe, die neben Draco assistiert hatte.
Die Heilerin schüttelte müde den Kopf. „Nein, Lydia, danke, aber... ich bin es ihnen schuldig es ihnen selbst zu sagen." Sie atmete tief durch und straffte sich.
Draco folgte ihr auf den Gang. Sie trat zu dem Mann mit dem kleinen Mädchen, der inzwischen eingedöst war, und schüttelte ihn vorsichtig an der Schulter.
Der Mann wachte auf und sah sie einen Augenblick hoffnungsvoll an, dann wurde ihm offenbar ihre ernste Miene bewusst und er seine Augen weiteten sich ängstlich.
„Kann ich einen Augenblick mit Ihnen reden, Mister Farland?", sagte Galenus in einem sanften Tonfall. „Lassen Sie Ihr kleines Mädchen für einen Augenblick bei Draco hier, ich verspreche Ihnen, er kümmert sich gut um sie."
Der Mann erhob sich wie in Trance und überließ das schlafende Mädchen Dracos Armen. Die Kleine murmelte für einen Moment, aber schlief weiter.
Galenus führte den Mann ein wenig zur Seite und redete mit leiser Stimme auf ihn ein. Der Gesichtsausdruck des Mannes wandelte sich langsam zu Verzweiflung, und Galenus zog ihn in eine Umarmung, als er zu weinen begann.
Draco wiegte das kleine Mädchen ein wenig steif. Er fühlte sich miserabel. Das Mädchen begann sich in seinen Armen zu regen und sah mit großen, verschlafenen Augen zu ihm auf.
„Bist du ein Heiler?", fragte sie mit der unschuldigen Neugier einer Fünfjährigen.
Draco schluckte. „Noch nicht ganz.", sagte er. „Aber ich will einer werden."
„Das ist toll.", sagte sie, ihre kleinen Hände in seiner Robe vergrabend. „Dann wirst du meine Mama wieder gesund machen, nicht wahr? Mein Papa sagt, Heiler machen Leute wieder gesund."
„Ja, das ist richtig.", sagte Draco mit rauer Stimme. „Aber manchmal, weißt du..." Er schaffte es nicht, den Satz zu Ende zu sagen.
Das Mädchen sah ihn mit verständnislosem Blick an. Dann lächelte sie. „Du musst nicht traurig sein, Mister Heiler.", sagte sie ernsthaft. „Mein Papa hat gesagt, alles wird wieder gut."
Draco versuchte, zurück zu lächeln, aber es gelang ihm nicht. Er hatte keine Ahnung, wie er diesem Kind sagen sollte, dass eben nicht alles wieder gut werden würde – dass ihre Mutter gerade in dem Raum nebenan gestorben war und sie sie nie wieder sehen würde.
Er war sehr erleichtert, als der Vater des Mädchens sich schließlich zusammenriss, und ihm das Kind abnahm.
„Komm.", sagte Galenus. „Wir haben noch mehr Patienten, die auf uns warten."
Draco begann, ihr zu folgen, als plötzlich ein scharfer Schmerz seinen Arm hochschoss. Er biss sich auf die Lippen. Einen Moment lang kämpfte er mit sich, dann bat er die Heilerin um Erlaubnis, nach Hause gehen zu dürfen.
Sie betrachtete ihn einen Moment. „Natürlich.", sagte sie dann. „Ich weiß, wie hart es ist, das erste Mal. Geh nach Hause. Du hast für heute genug getan."
Das Mitgefühl in ihrem Blick ließ Übelkeit in Draco aufsteigen. Wenn sie wüsste, warum er gehen wollte... Aber sie wusste es nicht, und so entließ sie ihn ohne große Widerstände, und er verließ St. Mungos und apparierte zu dem Ort, an den sein Mal ihn zog.
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„Ich habe entschieden, deine Initiation vorzuziehen.", sagte der Dunkle Lord, als Draco vor ihm kniete. „Da einige meiner törichten Diener dafür gesorgt haben, dass sie einen Heiler benötigen, und ich nicht beabsichtige, die Fähigkeiten meiner qualifizierteren Gefolgsleute an sie zu vergeuden."
Dracos Blick wanderte zu ein paar Gestalten, die dem Lord zu Füßen krochen und ihre Reue beteuerten.
„Still!", zischte der schlangengleiche Mann zornig. „Oder ich entscheide vielleicht, dass es Vergeudung ist, eure jämmerlichen Leben überhaupt zu retten!"
Die Gestalten wichen zurück und schwiegen, auch wenn einige von ihnen sich vor Schmerzen wanden.
Der Blick der roten Augen richtete sich auf Draco. „Dein Arm."
Draco streckte hastig seinen linken Arm aus und der Lord ergriff sein Handgelenk.
„Schwörst du, mir in Zukunft loyal zu sein? All deine Gedanken in meinen Dienst zu stellen?"
„Ja, ich schwöre.", erwiderte Draco, alle seine Zweifel in die hinterste Ecke seines Geistes verbannend.
Er würgte die Flüssigkeit hinunter, die seine Kehle füllte, und fühlte sich unwillkürlich an den Beitritt zur Schattengemeinschaft erinnert. Der Inhalt des Kelches hatte allerdings nicht halb so widerlich geschmeckt.
Der Dunkle Lord deutete mit seinem Stab auf die schwarze Schlange, die auf Dracos Arm sichtbar geworden war.
„Mit diesem Mal sollst du mein sein, mir zu dienen als deinem Lord und Meister, mit Leib und Geist, meinem Willen zu folgen als wäre es dein eigener, mich zu wertschätzen über allem anderen, bis dass der Tod deinen Dienst beendet."
Der Dunkle Lord fügte noch etwas in Parsel hinzu, aber Draco nahm es kaum wahr. Der Schmerz, der jede Faser seines Körpers erfüllte schloss jeden anderen seiner Gedanken aus. Er hatte das Gefühl, kein Mensch könnte diesen Schmerz ertragen und wartete nur darauf, dass sein Herz aussetzte, aber das passierte niemals. Als er, nach einer halben Ewigkeit, wieder ins Bewusstsein zurückkehrte, brannte seine Kehle vom Schreien, und sein Handgelenk fühlte sich an, als sei es gebrochen, aber er war am Leben.
Der Dunkle Lord öffnete seine Hand und ließ ihn zu Boden fallen. „Heil sie.", befahl er abfällig. „Anschließend geh zu Snape, du weißt wo er wohnt. Er benötigt Hilfe mit einem Trank und wie er sagt bist du dafür von Nutzen."
Draco wollte antworten, aber stellte fest, dass seine Stimmbänder seinen Schreien nicht standgehalten hatten. Der Dunkle Lord jedoch beachtete ihn nicht länger und disapparierte.
Draco rappelte sich auf und schleppte sich zu den Verletzten hinüber, um zu beginnen, sie zu heilen.
Aus ihren Gestammel schloss Draco, dass es sich bei ihnen um die gleichen Todesser handelte, die Huffleigh angegriffen hatten. Anscheinend hatten sie nicht auf Befehl des Dunklen Lords gehandelt, sondern – Draco hatte Mühe, sich nicht zu übergeben – weil sie es für einen unterhaltsamen Zeitvertreib hielten. Wie es schien hatten sie sich betrunken, und dann, in einem Anfall unglaublicher Geistesstärke, beschlossen, ein paar Schlammblütler ‚aufzumischen'. Das nun hatte den Dunklen Lord nicht weiter gestört. Was ihn so wütend gemacht hatte war, dass sie dabei von Auroren überrascht und zum Teil gefangengenommen, zum Teil verwundet worden waren. Folglich hatte er sie obendrein für ihre Idiotie verflucht, was Dracos Heilungsanstrengungen nicht gerade leichter machte.
Wenn er nun zurückdachte, wurde es Draco bewusst, dass der Mann mit dem kleinen Mädchen ein Muggel gewesen sein musste. Doch seltsamerweise änderte das seine Gefühle den beiden gegenüber nicht im Geringsten.
Verwirrt, und von Übelkeit überwältigt, apparierte Draco schließlich nach Snape Hall.
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Severus Snape war gerade inmitten einer kritischen Phase eines komplizierten Trankes, den der Dunkle Lord von ihm verlangt hatte, und so passte es ihm ganz und gar nicht, als die Überwachungszauber ihn alarmierten, dass er einen Gast hatte. Er beschloss, jeder Gast, wer immer es auch war, konnte warten, bis er fertig war. Falls nicht, würde besagter ungeladener Gast schon wissen, wo er ihn fand. Er braute den Trank bis zu dem Punkt weiter, bei dem er eine Weile ungestört ziehen konnte. Anschließend ging er die Treppe aus dem Keller, den er sein Tränkelabor nannte, nach oben, um nachzusehen, wer ihn störte.
Das Haus in dem Snape lebte war schlicht und klein. Das Haus, was sich vor Jahren Snape Hall genannt hatte, war vor etlichen Jahren bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und Severus hatte es niemals wieder aufgebaut. An seiner Stelle stand nun ein einfaches, schmuckloses Haus, das für seine Bedürfnisse aber vollkommen ausreichte. Es bestand aus nicht viel mehr als einem Wohnzimmer, dem Keller, der Küche und einer Bibliothek. Somit fiel es ihm nicht schwer, seinen ungebetenen Gast zu finden.
Severus war unangenehm überrascht, als er seinen Patensohn erkannte, der in einem offensichtlich erbärmlichen Zustand war. Draco war anscheinend auf Severus' Couch zusammengebrochen. Er wirkte blass, und trug eine Todesserrobe, die blutbesudelt war. Severus runzelte die Stirn. Warum war Draco nicht im Malfoy-Herrenhaus? Narcissa würde ausrasten, wenn sie hiervon wüsste.
Er legte eine Hand auf Dracos Schulter, und sein Patensohn fuhr erschrocken hoch, einen Moment lang desorientiert.
Severus wartete einen Moment, bis er ganz zu sich gekommen war.
„Warum bist du hier?", fragte er dann.
Draco öffnete den Mund, aber nur ein unverständliches Krächzen kam aus seiner Kehle. Er presste die Lippen zusammen und gestikulierte zu seiner Robe.
„Unser Lord schickt dich.", vermutete Severus, und legte eine Hand an Dracos Hals, um den Schaden zu ermessen.
Draco nickte.
„Um mir mit seinem Trank zu helfen, nehme ich an."
Der Junge nickte erneut. Severus seufzte unhörbar. Dracos Zustand hatte ihn schon dergleichen vermuten lassen. Die Stimmbänder des Jungen waren vollkommen zerstört, aber ansonsten schien er hauptsächlich erschöpft zu sein. Er holte einen Trank aus seinem Vorratsschrank und reichte ihn Draco.
„Sprich nicht.", sagte er. „Bei dem Schaden wird es mindestens einen Tag brauchen, bevor alles geheilt ist, oder deine Stimme wird nie mehr so sein wie zuvor."
Draco nickte stumm, und schluckte den Trank mit einer Grimasse.
„Geh und wasch dich.", sagte Severus, zu seinem Bad deutend. „Wenn du fertig bist, komm nach unten und wir können anfangen." Severus wusste, dass es grausam erschien, aber tatsächlich würde es nicht das Geringste einfacher machen, wenn sie es hinauszögerten. Er hatte dem Dunklen Lord gesagt, dass dieser spezielle Trank von einem der Brauer verlangte, einen halluzinogenen Trank zu sich zu nehmen, und er konnte es nicht selbst tun. Alles in allem war es keine große Überraschung, dass der Lord Draco gesandt hatte. Severus hätte sich zwar gewünscht, es wäre jemand anders gewesen, aber es war nun nicht zu ändern. Der Trank musste in einem Tag fertig sein. Severus konnte es sich nicht leisten, den Brauprozess hinaus zu zögern, es war schwer genug gewesen, die Zutaten für diesen einen Trank zusammen zu bekommen. Sollte er beim Brauen versagen, würde der Dunkle Lord äußerst ungehalten reagieren. Der Prozess würde so oder so für Draco qualvoll sein, so erschöpft wie er war würde er es vielleicht weniger merken.
Severus wusste das aus Erfahrung, da er selbst zuvor diese Aufgabe beim Brauen des Sirenentrankes übernommen hatte. Er hatte gehofft, dadurch an das Rezept zu gelangen, aber es war vergeblich gewesen, und hatte ihm am Ende nichts als Alpträume eingebracht. Wie so oft war es schließlich Lucius gewesen, der das Rezept von den Afrikanern erworben hatte, und der Dunkle Lord war lange nicht so dankbar dafür gewesen, wie er hätte sein sollen. Der Schwarzmagier mochte es nicht, wenn anderen etwas gelang, wozu er selbst nicht fähig war, so sehr es ihm auch nutzen mochte. Der Gedanke daran, dass der hochmütige Magier von jemandem ignoriert wurde, weil man ihn aufgrund seiner Herkunft nicht für Zauberer genug hielt, erfüllte Severus immer wieder mit hämischer Schadenfreude. Andererseits, darüber in der Gegenwart des dunklen Zauberers nachzudenken war ein sicherer Weg, es sich für den Rest seines (kurzen) Lebens mit ihm zu verderben, und ihn zudem für die nächsten Tage in schlechte Laune zu versetzen.
„Es tut mir leid, was ich von dir verlangen muss, Draco.", sagte Severus, als sein Patensohn aus dem Bad zurückkam. Die Todesserrobe war verschwunden und er trug seine grüne Heilerrobe, offenbar hatte er keine Zeit gehabt, sie auszuziehen, bevor Voldemort ihn zu sich rief.
Draco straffte sich und begegnete Severus' Blick mit einem Ausdruck gleichgültiger Akzeptanz, der Severus fast körperlich weh tat.
„Komm.", sagte er. „Es hat keinen Sinn, zu warten."
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Als Draco schließlich wieder Zuhause war und in seinem Bett lag, konnte er trotz seiner Erschöpfung nicht einschlafen. Er fuhr halb bewusst, halb unbewusst, die Linien des Dunklen Mals auf seinem Arm nach. Der brennende Schmerz war einem dumpfen Pochen gewichen, gerade genug um ihn daran zu erinnern, was er jetzt war. Endgültig und für immer. Dracos Gedanken wanderten zu dem kleinen Kind im Krankenhaus, das ihn mit großen Augen angesehen hatte. Als wäre er ein Gott oder so etwas. ‚Du kannst sie wieder gesund machen, nicht wahr, Heiler?' So viel kindisches Vertrauen. Er lachte heiser auf und fühlte sich im selben Moment schlecht. Plötzlich schmeckte er Galle im Mund und seine Brust hob und senkte sich, als er gegen den Drang ankämpfte, sich zu übergeben. Draco schloss die Augen ohne sich zu rühren, und wartete darauf, dass es abebbte. Sein Verstand sagte ihm, dass es nur Stress war, die Nachwirkungen eines wahrlich grauenhaften Tages. Aber tief in ihm nagte das Gefühl, dass er an diesem Tag den größten Fehler seines Lebens begangen hatte. Er nahm nie wahr, wie er in den Schlaf glitt.
Draco flog über ein verlassenes Schlachtfeld. Die Landschaft unter ihm war verbrannt und öde. Er sah Verwundete, Männer, Frauen und Kinder. Sie schrieen um Hilfe, aber er flog weiter. Schließlich erreichte er einen Hügel, auf dessen Spitze sich eine schwarze Schlange aufgerichtet hatte. Um sie herum knieten verhüllte Gestalten, die ihr huldigten. Als Draco über ihr schwebte, wichen die Gestalten zur Seite, um einem schwarz-weißen Tiger Platz zu machen, der mit der geschmeidigen Eleganz eines Raubtiers auf die Schlange zuging. Die Schlange zischte und starrte mit ihren roten Augen auf den Eindringling. Als der Tiger die Schlange erreicht hatte, neigte er den Kopf und verbeugte sich tief vor ihr. Alles in Draco schrie, dass es falsch war, unendlich falsch. Die Schlange ringelte sich um den Hals der Raubkatze, aber diese bewegte sich nicht. Draco hatte plötzlich das überwältigende Verlangen, sich kreischend auf den Tiger niederzustürzen und seine Klauen in ihn zu schlagen, nur damit er das tat, wozu er bestimmt war: Sich zur Wehr setzen, kämpfen. Aber er tat nichts, er kreiste nur über ihnen und sah zu. Gerade als er sich endlich entschloss, anzugreifen, hob der Tiger den Kopf und sah ihn aus eisblauen Augen an. Draco wusste nicht genau, was er erwartet hatte. Resignation, Leere, Zorn? Sicher hatte er nicht erwartet zu sehen, was er sah: Verachtung. Der Blick traf ihn wie ein Stich und plötzlich hatte er seine Flügel verloren und fiel, fiel und fiel... und erwachte schweißgebadet.
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Amelia stand am Fenster ihres Apartments und starrte in die Dunkelheit. Sie war vor einiger Zeit in diese Wohnung gezogen, entgegen dem Widerspruch der Auroren. Sie hatte nicht länger in ihrem Haus bleiben können, es war kalt und leer. So wie sie sich innerlich fühlte, kalt und leer. Sie wusste selbst nicht genau, woher dieses dumpfe Gefühl der Verzweiflung gekommen war, aber es verfolgte sie nun schon einige Tage lang. Ihre Gedanken kreisten immer wieder darum, wie ihre Nichte gestorben war, und alle ihre anderen Verwandten. Es erschien so sinnlos, dass sie einfach weiter machte, wie bisher. Sie war die letzte der Bones. Sie hatte keine Erben mehr, denen sie etwas hinterlassen konnte. Wofür machte sie eigentlich noch weiter?
Amelia öffnete die Tür zum Balkon und trat in die kühle Herbstluft hinaus. Tote Blätter wirbelten trostlos von den Bäumen und Amelia sah ihnen wehmütig hinterher. Sie fragte sich, was es wohl für ein Gefühl wäre, sich einfach treiben zu lassen.
Irgendwie war sie auf das Geländer des Balkons geklettert, ohne es zu merken. Sie kicherte etwas nervös und breitete die Arme aus. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen. Wie lang es her war, dass sie ein kleines Mädchen gewesen war. Ihre Mutter hatte sie immer gescholten, wenn sie auf den Zäunen der Nachbarn herumgeklettert war. Amelia fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Ihre Mama war tot, alle waren sie tot. Alle starben immer, überall, und sie konnte nichts dagegen tun. Sie hatte es versucht, wirklich, aber es war sinnlos.
Sie bewegte ihre Hand und sprach einen Zauber, ohne wirklich zu wissen warum. Als sie den grünen Lichtschein über sich sah kicherte sie erneut. Vielleicht war ihre Hand auch tot, so wie alles andere. Nicht länger ein Teil von ihr, machte sie was sie wollte. So wie alles um sie herum immer machte, was es wollte. Niemand kümmerte es, was sie dachte. Sie war ganz allein.
Amelia ließ ihren Stab fallen und sah ihm fasziniert nach, wie er fiel, Stockwerk um Stockwerk. Der Wind drehte ihn wie die Blätter, erst in eine Richtung, dann in die andere, bis er auf dem Boden auftraf und zerbrach. Zerstört, wie alles andere auch. Sie schluchzte plötzlich. Es war so ein schöner Stab gewesen, es war nicht fair, das er gehen musste. Alles war so unfair.
Sie drehte eine Pirouette und lachte, als der Wind um sie herumwirbelte. Sie war wie ein Blatt, ganz genau wie ein Blatt. Der Wind würde sie forttragen, für immer, und immer, und immer.
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Tödlicher Anschlag auf Amelia Bones
Mit Entsetzen und Trauer musste die Zaubererwelt Großbritanniens heute erfahren, dass Amelia Bones, langjährige Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung und seit dem Rücktritt von Cornelius Fudge provisorische Zaubereiministerin, tot ist. Die Ministerin wurde in der gestrigen Nacht von Auroren auf dem Hof ihres Hauses in Abberdovey, Gwynedd, tot aufgefunden, nachdem Anwohner das Ministerium wegen dem Erscheinen des Dunklen Mals alarmierten. Die weiteren Umstände ihres Todes sind bislang ungeklärt, jedoch ist nach Aussage von Gawain Robards, Leiter der zuständigen Auroreneinheit, eine direkte Beteiligung von Sie-wissen-schon-wem auszuschließen. Amelia Bones war schon zuvor das Ziel zahlreicher Anschläge, welche jedoch bislang stets von Auroren vereitelt werden konnten. Erst vor zwei Jahren kam dabei die siebzehnjährige Nichte der Ministerin, Susan Bones, zu Tode.
Wie konnte es Todessern gelingen, trotz der strengen Sicherheitsvorkehrungen in die Wohnung der Ministerin zu gelangen? Gibt es eine Sicherheitslücke in den oberen Ebenen der Abteilung für Strafverfolgung? Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf die Wahrheit, doch das Ministerium schweigt.
Lesen Sie weiter im inneren Teil. Es berichtet für Sie mit Erschütterung: Rita Skeeter, Daily Prophet
Vielen Dank für eure Reviews an: Reditus Mortis, Gandalf90, Dax, strega79, SoleilNoir, Momo-chan21989, roman, Saleru, Sancte-Diabolus, KleineLady87
Reviewantworten gibt's weiterhin im Forum. Ich hoffe, ihr diskutiert auch weiter, ich bin gespannt, was für Meinungen es noch gibt. Herzlichen Glückwunsch an Hermy, du hast meinen versteckten Tipp gefunden. Vielleicht findest du ja noch mehr ;) Mit allem was ihr geschrieben habt liegt ihr bislang zwischen arktischen Breiten und nah an der Sonne... das kann ja noch spannend werden. :)
