Disclaimer:
Wenn du dann fragst, gehört der Potti mir...
Qqqqqqq!
...und ich dann sag, nicht mal nach zehn Bier...
Gibt's hier irgendwo ein tiefes, tiefes Loch?
...dann wirst du versteeeehen, er gehöört Joaaanne...
Schatten der Wahl
21. Draco dormiens
„Hör auf die Schaufenster anzustarren, du eitler Kerl."
Draco lachte. „Ich sehe nicht mich selbst an."
Hilda errötete ein wenig. Draco mochte keine Muggelkleidung, aber er musste zugeben, dass die engen Jeans Hildas hübsche Beine sehr vorteilhaft zu Geltung brachten. Er musste sich bemühen, sie nicht zu lange anzustarren.
Draco mochte Hilda, und es war kein Geheimnis, dass sie etwas von ihm wollte, aber er hatte sich bisher nicht dazu durchringen können, etwas mit ihr anzufangen. Sie war schließlich muggelgeboren und lebte in der Muggelwelt. Was, wenn Fiona recht hatte, und sie eine Muggelkrankheit in sich trug? Er mochte sie, aber es gab so viele Bedenken.
Bislang war es bei einer guten Freundschaft geblieben. Sie gingen hin und wieder zusammen essen, so wie heute. Immer öfter in Restaurants, die an der Grenze zur Muggelwelt lagen, denn Hilda mochte die internationalen Speisen, die dort häufig angeboten wurden. Das italienische Restaurant, in dem sie an diesem Tag gewesen waren, war es wert gewesen. Draco fragte sich, was sein Vater dazu sagen würde, wenn er ihm erzählte, dass sich der Wein eines Muggelwirtes mit dem seines Weingutes messen konnte.
Hilda hakte sich bei ihm ein. „Was machst du dieses Wochenende, hm? Candace und ich wollen uns Wakehurst Place ansehen, du könntest mitkommen."
Das war ein anderes Problem, sie versuchte immer, ihn dazu zu überreden, Zeit in der Muggelwelt zu verbringen.
„Ich habe Familienangelegenheiten, um die ich mich kümmern muss."
Hilda rollte mit den Augen. „Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich irgendwie in ‚Der Pate' geraten, wenn ich mit dir rede." Sie senkte ihre Stimme verschwörerisch. „Lass mich dir ein Angebot machen, dass du nicht ablehnen kannst..."
Draco sah sie verständnislos an.
Sie lachte. „Du bist so ein unverbesserlicher... Zauberer."
Draco zog eine Braue hoch. „Was erwartest du soll ich darauf antworten? Ich kann dir schwerlich widersprechen."
Hilda schüttelte grinsend den Kopf. „Trinken wir noch einen im Imp, oder willst du gleich nach Hause?"
Draco zögerte einen Moment, aber dann gab er sich einen Ruck. „Klar, warum nicht?"
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„...und dann fragt er sie: Gibt es was, was ich für dich tun kann?, und sie antwortet: Ja, ich hätte gern einen Zungenkuss."
Sie lachten, und Hilda spuckte ihren Mund voll Feuerwhisky fast über den Tisch. Einige der anderen Gäste warfen ihnen missbilligende Blicke zu. Draco seufzte innerlich. Morgen würde ihm sein Vater wieder einen seiner Vorträge über das angemessene Benehmen eines Malfoy halten.
Sollte er doch. Draco genoss Hildas ungehemmte Art, die Weise, auf die sie Witze machen konnte, ohne sich darum zu kümmern, was andere davon hielten. Sie kümmerte sich nicht darum, was andere von ihr dachten oder was morgen im Prophet stehen würde. Das war so erfrischend an Muggelgeborenen. Die reinblütigen Hexen, die er kannte, würden sich nie so verhalten. Sie hatten viel zu viel Angst, in welches Licht es sie rücken würde. Das Erscheinungsbild war das Alpha und das Omega. Draco verzog das Gesicht und trank sein Glas leer. So sehr er es auch verabscheute, er musste an sein eigenes Erscheinungsbild denken.
„Lass uns gehen, es ist schon spät geworden.", sagte er.
Hilda verzog enttäuscht das Gesicht aber nickte. Draco legte ein paar Münzen auf den Tisch.
„Ich bringe dich noch zum Leaky Cauldron. Nach all dem Alkohol fährst du besser mit dem Bus."
„Ja, Daddy.", sagte sie augenrollend, aber nahm seinen Arm. „Es ist so schön, mit einem Gentleman auszugehen."
„Wenn man mit einer Lady ausgeht, muss man sich auch wie ein Gentleman verhalten."
Hilda lachte erneut. Sie verließen das Lokal. Es war bereits dunkel draußen. Draco musste einen Moment überlegen, bis er in die richtige Gasse nach Diagon Alley einbog. Er ging nur noch selten längere Strecken zu Fuß.
„Hier sind keine Ladys.", sagte sie. „Nur ich. Ladies sind solche alten Schachteln, die auf ihren Stühlen sitzen, als hätten sie einen Stock verschluckt, und mit abgespreiztem kleinen Finger ihre Teetassen halten."
Draco räusperte sich, um ein Lachen zu unterdrücken. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was seine Mutter dazu sagen würde. „Ich würde dich niemals eine alte Schachtel nennen.", sagte er bemüht ernsthaft.
„Das hoffe ich doch wohl." Sie lehnte sich gegen ihn. „Komm mit zu mir nach Hause, Draco."
Einen Moment lang herrschte Schweigen. „Hilda...", sagte er dann.
Sie schlang die Arme um ihn. „Komm...", sagte sie lächelnd. „Du bist morgen früh auch ganz bestimmt zuhause für deine wichtigen Familienangelegenheiten. Ich verspreche dir es wird sich lohnen."
Draco löste sich behutsam aus ihrer Umarmung. „Das ist wirklich keine gute Idee, Hilda."
Sie starrte ihn an und ihr Lächeln verschwand. „Was ist das Problem, bin ich nicht gut genug für dich?"
„Wir sind Kollegen...", benutzte er die erstbeste Ausrede.
Ihr Gesicht verdüsterte sich. „Komm mir nicht mit dieser Scheiße, Draco Malfoy. Das hat dich bisher doch auch nie gestört." Sie musterte ihn. „Ah, aber ich sehe schon... das war etwas anderes, nicht wahr? Das waren echte Hexen."
Draco schwieg. Er wusste nicht, was er entgegnen sollte.
„Mist, ich hätte auf die anderen hören sollen." Sie stieß ihn von sich. „Du bigotter Scheißkerl, du kannst mich mal. Ich dachte, du wärst anders."
„Hilda...", sagte Draco hilflos. „Es ist nichts gegen dich..."
Er sah die Tränen in ihren Augen glitzern, aber sie bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Ich kann alleine nach Hause gehen.", sagte sie steif. „Spar dir die Höflichkeit. Ich hab mich heute schon genug zum Narren gemacht." Sie stolperte, aber fing sich, und ging.
Bevor Draco sich aus seiner Starre reißen konnte, war sie um die Ecke der Gasse verschwunden. Draco schloss die Augen. Das war voraussehbar gewesen, aber er hatte es nicht wahrhaben wollen. Er hatte es vor ihr nicht für immer geheim halten können. Sie war schließlich keine dumme Hexe. Warum verdammt musste sie ihn fragen? Alles war doch gut so gewesen, wie es war! „Verdammt.", sagte er laut. Dann seufzte er und griff seinen Stab um zu apparieren. Vielleicht war es am Besten so. Es wäre eh nie etwas daraus geworden.
Er war kurz davor, den Zauber zu sprechen, als er einen Schrei hörte. Einen Moment lang war er erstarrt, dann rannte er in die Richtung des Geräusches. Die schlecht beleuchteten Gassen erschienen ihm wie ein Irrgarten, aber die Frau schrie erneut, und er fand die richtige Richtung. Was war er für ein Idiot gewesen, Hilda um diese Zeit allein gehen zu lassen!
Er bog um eine weitere Ecke und fand vor sich exakt was er befürchtet hatte. Vor ihm waren zwei Männer, an die er sich aus dem Lokal erinnerte. Einer von ihnen hatte Hilda gepackt, aber sein blaues Auge bezeugte, dass es ihm nicht leicht gelungen war. Sie kämpfte noch immer gegen ihn an.
Der zweite Mann grinste, als er Draco sah. „Hallo, Malfoy.", sagte er. „Willst du was von der Schlammblutschlampe abhaben?"
Draco richtete seinen Stab auf ihn. „Lasst sie gehen!"
„Nicht doch...", sagte der Mann spöttisch. Er packte Hildas Haare. „Sieh dir doch an, wie sie aussieht. Sie bettelt geradezu darum."
Draco hob seinen Stab, aber im selben Moment traf ihn ein Lähmzauber in den Rücken. Er verfluchte seine Gedankenlosigkeit. Ein weiterer Mann trat neben ihm und trat ihn in den Magen. „Hast du etwa gedacht, wir lassen uns von dir den Spaß verderben, Muggelfreund?"
Draco kämpfte gegen den Schmerz an und versuchte, sich genug zu konzentrieren, um den Zauber zu lösen. Er hatte seinen Stab noch immer in der Hand. Hilda schrie erneut und trat nach dem Mann, der ihr gegenüber stand, ihn nur knapp verfehlend.
Ein Zauber zischte an ihm vorbei und traf den Mann neben ihm. Er fiel bewusstlos neben Draco zu Boden.
„Verdammt, was...", fluchte der Mann, der Hilda hielt.
Draco schaffte es endlich, den Zauber zu durchbrechen und er verhexte den zweiten Mann.
Hilda wand sich im Griff des dritten Mannes und traf ihn mit dem Hinterkopf, ihm zielsicher die Nase brechend. Kurz darauf betäubte ihn ein zweiter Zauber ihres unbekannten Helfers.
Eine braunhaarige Frau in Aurorroben trat in die Gasse. Sie betrachtete die drei Männer prüfend und sah dann auf Draco herunter.
„Wenn das nicht mein kleiner Cousin ist. Hast dir ja einigen Ärger eingehandelt."
Draco starrte sie an. Es dauerte einen Moment, bis er sie einordnen konnte. „Nymphadora.", sagte er dann.
„Ich ziehe Tonks vor.", sagte sie kühl. Sie ging zu Hilda und legte ihr besorgt eine Hand auf die Schulter. „Alles in Ordnung, Mädchen?"
„Sie haben meinen Stab zerbrochen.", flüsterte Hilda. Sie sah Tonks mit großen Augen an, als könne sie noch nicht ganz begreifen, was passiert war. Dann ließ sie sich von ihr in eine Umarmung ziehen und begann zu schluchzen.
„Schsch...", sagte Tonks, ihr beruhigend über den Rücken streichend. „Die Bastarde werden in Null Komma Nichts in Askaban verrotten."
Draco kam taumelnd auf die Füße. Er sah die beiden Frauen an und plötzlich erfüllte ihn Panik. „Bitte, Tonks...", sagte er. „Wenn mein Vater davon erfährt..."
Ein Ausdruck der Abneigung huschte über das Gesicht seiner Cousine. „Keine Sorge.", sagte sie nach einem Moment des Schweigens. „Geh, ich kümmere mich darum."
„Wirklich?", sagte er erleichtert. „Merlin, ich weiß nicht, wie..."
„Spar dir das.", unterbrach sie ihn kalt. „Ich kenne deinen Vater, das ist der einzige Grund, warum ich dir helfe. Ich denke trotzdem, du bist ein erbärmlicher Feigling. Aber falls du jemals ein wenig Courage in dir entdecken solltest... es gibt Leute, die dir helfen können. Leute, denen du auch einiges helfen könntest. Das nächste Mal bin ich vielleicht nicht zufällig in der Nähe, wenn so etwas passiert. Denk mal darüber nach. Wenn du dich wirklich bedanken willst... du weißt, wo Hogwarts liegt. Dumbledore ist immer in seinem Büro, so sagt man jedenfalls."
Draco starrte sie an, aber dann apparierte er, ohne noch mehr darüber nachzudenken.
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Tonks sah auf die Stelle, an der Draco verschwunden war und verzog bitter den Mund. „Ich hoffe, du behältst recht, alter Mann.", murmelte sie. Dann zog sie Hilda an sich. „Ist ja gut. Es ist vorbei."
Sie schwenkte ihren Stab und sah dem weißen Vogel nach, wie er in der Dunkelheit verschwand. Manchmal verabscheute sie die Zaubererwelt.
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Draco spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann sah er auf und starrte auf sein Spiegelbild über dem Waschbecken. Es war, als würde er einen Geist sehen, er erkannte sich selbst in diesem Gesicht nicht wieder.
Was macht es für einen Unterschied?, fragte ein ärgerlicher Teil von ihm selbst. Es war nicht so, als wenn er nicht gewusst hätte, dass solche Dinge passierten.
Ich denke trotzdem, du bist ein erbärmlicher Feigling, erklang Tonks Stimme in seinen Gedanken. Er schlug die Faust in das verhasste Bild und der Spiegel schrie.
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Tigris rührte die bläuliche Masse in seinem Kessel langsam im Uhrzeigersinn. Magie vibrierte in der Luft. Er hatte sich entschieden, den Trank in dem alten Tränkelabor nahe der Ahnenkammer zu brauen, da er dort sicher sein konnte, dass ihm nicht eins seiner Familienmitglieder ungebeten über den Weg lief. Er konnte spüren, dass das Haus es mochte, ein unbeabsichtigter Vorteil. Während er das Ritual durchführte, floss seine Magie durch den Raum, und so nah am Zentrum des Gebäudes vermischte sich ihre Magie miteinander. Dass es nicht mehr lange bis Litha war schadete wahrscheinlich auch nicht.
Zu seinem Glück war sein Vater gerade nicht in England, oder er hätte bestimmt gemerkt, dass etwas vor sich ging. Tigris hatte jedoch bewusst gewartet, bis Lucius zu dem Kongress der Schulräte nach Frankreich aufgebrochen war, da er nicht von ihm gestört werden wollte.
Gegenüber seinem Vater zu erklären, warum er einen Trank wie diesen braute, gehörte ganz und gar nicht zu Tigris' Plänen.
Schließlich erreichte der Trank die letzte Phase und seine Farbe wandelte sich zu einem intensiven Blau. Tigris nahm den Trank vom Feuer und schöpfte eine Kelle daraus. Sobald der Trank abgekühlt war, war er unbrauchbar. Tigris musste nur zwölf Schluck des frischen Trankes trinken, damit er wirkte.
Er nahm den ersten Schluck und spuckte das Gebräu benahe wieder aus. Es schmeckte widerwärtig. Schlimmer als alles, was Snape jemals gebraut hatte, und das schloss einige sehr abscheuliche Mixturen mit ein. Tigris unterdrückte den Brechreiz und atmete tief durch. Er konnte nun aufhören, und das Ganze war umsonst gewesen, oder er konnte sich überwinden und hoffen, dass er keinen Fehler beim Brauen gemacht hatte. Schließlich rang er sich durch und trank langsam einen Schluck nach dem anderen, bis dass er auch den zwölften hinuntergezwungen hatte.
Sein Magen rebellierte und es kostete all seine Selbstbeherrschung, sich nicht zu übergeben. Tigris sank langsam zu Boden und atmete langsam und gleichmäßig, bis die Übelkeit etwas nachließ. Es würde wohl eine Weile dauern, bis er wieder etwas essen konnte.
Während Tigris sich beruhigte, hatte der Rest des Trankes sich giftgrün verfärbt und begann unheilverkündend zu brodeln. Tigris ließ ihn mit einem „Evanesco" verschwinden. Er konnte nur hoffen, dass er alles richtig gemacht hatte. Es ging ihm wieder etwas besser, das sprach dafür. Endgültig würde er es aber erst wissen, wenn er Voldemort das nächste Mal gegenüber stand.
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Der nächste Überfall verlief gut, nicht zuletzt weil Tigris mit Genuss seinen Ärger an den Auroren ausließ. Er hatte mit voller Absicht einen Aurorenstandort inmitten eines Dorfes gewählt. Es war ein kleinlicher Racheakt, aber es gereichte ihm zum Vorteil, denn die Auroren waren vollkommen überrascht. Das Überraschungsmoment führte dazu, dass auch die schnell eintreffende Verstärkung nur noch Leichen vorfand. Es hatte einige tote Zivilisten gegeben, aber dadurch, dass die Todesser sich schnell zurückzogen, hielt sich dieser Kollateralschaden in Grenzen. Insgesamt war Tigris mit dem Verlauf der Aktion sehr zufrieden. Er hatte es nie gemocht, wenn Zivilisten zu Schaden kamen, aber diesmal hatte er es in Kauf genommen, um ein Exempel zu statuieren. Es freute ihn, dass es sich im Rahmen gehalten hatte.
Dennoch trat er dem Dunklen Lord nicht gelassen gegenüber. Es war das erste Mal, dass es keine Rolle spielte, ob er erfolgreich gewesen war oder nicht. Tigris wusste, dass das Resultat in jedem Fall unerfreulich sein würde. Er erkannte ungehalten, dass er sich daran gewöhnt hatte, Lob zu empfangen, wenn seine Anschläge gut verliefen – und das taten sie meistens. Er vertraute dem Lord offenbar zumindest soweit, dass er von ihm Fairness erwartete, selbst wenn er rational wusste, dass das lächerlich war.
Nun, der Dunkle Lord war Tigris gegenüber eigentlich immer fair gewesen, aus seiner Sicht. Tigris fragte sich, wann er die Sicht des Dunklen Lords als gegeben anerkannt hatte. Der Lord war sehr leicht zu enttäuschen, und die Strafen dafür waren immer drakonisch. Erfolge ernteten die meiste Zeit nicht mehr als einige wohlwollende Worte. Trotzdem war Tigris irgendwie zu dem absurden Schluss gelangt, dies sei fair. War er wirklich so blind?
Tigris verbannte diese Gedanken, während das Treffen voranschritt. Er bekam das Lob, das er erwartet hatte. Nicht nur das, der Lord nannte ihn zum ersten Mal vor allen anderen seinen treusten Diener – einen Titel, der bislang Bellatrix vorbehalten gewesen war. Sie war noch nicht wieder von ihrem Auftrag zurückgekehrt.
Zuvor hatte Tigris dies mit Stolz erfüllt, und er hatte die neidischen Blicke genossen, die ihm zugeworfen wurden. Neid und Furcht. Das war Macht, oder? Nun jedoch, als hätte sich ein Schleier gelüftet, erkannte er die Zwietracht, die es säte. Keiner der Todesser traute dem anderen. Die in den höheren Rängen wussten, dass nur ein kleiner Fehltritt einem anderen den Aufstieg ermöglichen konnte, und sie beobachteten argwöhnisch, wer von ihren Untergebenen dabei war, in der Gunst des Lords aufzusteigen. Die weiter unten neideten den anderen die Freiheiten und den Einfluss – schließlich waren es nicht ihre Anführer, die zumeist dafür verflucht wurden, wenn etwas schief ging – zumindest nicht vor der gesamten Versammlung. Der Dunkle Lord schien seinen Favoriten zuzuhören, ihnen zu vertrauen – ohne Zweifel warteten in der neuen Weltordnung Macht und Reichtümer auf sie. Als Konsequenz daraus waren sie bei den meisten anderen Todessern verhasst. Teile und herrsche – der Lord konnte sich sicher sein, dass seine Leute sich niemals gegen ihn verschwören würden. Selbst wenn sie es versuchen sollten, einer würde sie immer verraten, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
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„Bleib, Aqrabi.", sagte der Dunkle Lord, als die restlichen Todesser apparierten.
Tigris hatte nichts anderes erwartet. Sein Herz schlug schneller, als er dem Schwarzmagier in den Turm hinauf folgte. Nun war der Moment gekommen, an dem sich zeigen würde, ob er erfolgreich gewesen war.
„Noch immer so zögerlich?", meinte Voldemort amüsiert, als Tigris innehielt, bevor er das Schlafzimmer betrat. Er trat hinter ihn und strich mit seinen kalten Fingern über Tigris' Nacken. Zur gleichen Zeit verschwand Tigris' Kleidung. Anscheinend war der Lord heute ungeduldig. „Denk an die Macht, die ich dir verleihe.", zischte Voldemort. Selbst sein Atem war kalt, als er über Tigris' Haut strich. Tigris bebte unwillkürlich, als die Hände des dunklen Zauberers ihn berührten. „Ich habe dich über all meine anderen Gefolgsleute erhoben.", sagte Voldemort. „Du bist der einzige, den ich würdig befunden habe... ich habe in dir ein Potential gesehen, über sie alle hinaus zu wachsen, und das wirst du..."
Tigris verbiss sich die Frage, ob er es auch in Bellatrix gesehen hatte. Er war froh, in diesem Moment offen Okklumentik anwenden zu können. Er dachte eine Menge, was Voldemort nicht gefallen würde.
„So einzigartig, so kräftig." Voldemorts gespaltene Zunge züngelte über Tigris Schulter und seine kalten Arme umschlangen ihn. „Crucio." Er sagte es fast liebevoll.
Tigris schrie auf und wand sich in Voldemorts Umarmung, als glühender Schmerz jede Faser seines Körpers in Flammen aufgehen ließ. Als der Schmerz schließlich wich fand er sich auf dem Bett wieder und der Dunkle Lord sah auf ihn hinunter.
„Du siehst aus wie eines von Caravaggios Gemälden. Makellos.", sagte er. „Ich könnte die ganze Nacht damit verbringen, deine Magie zu schmecken."
Tigris zitterte noch immer vom Nachhall des Cruciatus, aber er wusste, es würde nicht der letzte bleiben. Voldemort hatte nicht gescherzt, als er gesagt hatte, dass er es genoss, seine Schreie zu hören. Der Schwarzmagier beugte sich zu ihm herunter und plötzlich veränderte sich alles, so abrupt, dass Tigris nach Luft schnappte.
Von einem Moment auf den anderen war es nicht mehr der schlangengleiche Magier, der sich über ihn beugte, sondern Schemen pulsierender Energie. Es faszinierte Tigris und stieß ihn zugleich ab. Der Kern des Schemens war reinstes Schwarz, doch Blitze grellster Farbe durchzuckten ihn. Von ihm ausgehend, wie ein Spinnennetz, zogen sich Fäden unterschiedlichster Farbe in alle Richtungen, aber sie alle verfärbten sich zu Schwarz, bevor sie den Kern erreichten.
Wie durch einen Schleier konnte Tigris fühlen, wie der Schwarzmagier ihn berührte, aber er nahm es kaum war. Obwohl er wusste, was geschah, spielte es nicht wirklich eine Rolle. Es war, als geschehe es mit einer anderen Person, der er von Weitem zusah.
Die Energie über ihm verdichtete sich und umhüllte ihn. Silbrige Streifen, die Tigris erst nach einem Moment als seine eigene Magie erkannte, vermischten sich mit ihr und wurden in sie hineingezogen. Als Tigris erkannte, was das bedeutete, erfüllte ihn unbändiger Zorn. Voldemort stahl seine Magie! Plötzlich ergab alles, was der Schwarzmagier gesagt hatte, Sinn. Darum hatte er ihn in sein Bett geholt! Tigris' Magie flackerte wütend auf und kämpfte für einen Augenblick gegen die parasitische Wesenheit an, aber blieb erfolglos. Was immer Voldemort getan hatte, war zu stark um es ohne weiteres zu durchbrechen. Tigris wusste, dass es nur zeitweilig war, die Energie die er verlor würde sich regenerieren. Dennoch... wie konnte er es wagen! War das das Geheimnis hinter Voldemorts Macht? Diebstahl von anderen?
Nein, das konnte nicht stimmen. Als er der Energie zusah, wusste Tigris, dass sie nicht von Dauer war. Sie würde Voldemort nur für kurze Zeit stärken, bevor sie sich verflüchtigte. Was der Schwarzmagier getan hatte war dauerhafter, komplizierter als dieberische Sexmagie. Es musste etwas mit den Fasern zu tun haben, die von seiner Aura ausgingen. Tigris wusste aus Slytherins Erinnerungen, dass eine Aura wie diese einzigartig war. Er konnte sich nicht vorstellen, was dazu führte. Es war fast, als sei sie in Hunderte von Teilen gespalten, deren Kraft sich in Voldemorts Körper vereinigte. Wie konnte ein Wesen überhaupt so existieren?
Ein gleißender Schmerz durchzuckte Tigris und zur gleichen Zeit wurde er plötzlich von Erinnerungsfetzen überschwemmt, gemischt mit Magie, die seinen Geist mit Ekstase erfüllte.
Eine gleißende Wüste. Er diskutierte mit dunkelhäutigen Zauberern über Arithmantik und Zauber, so alt, dass sie bereits als Mythos galten. Inmitten der Erinnerung wusste er mit einer brillanten Klarheit, worüber sie sprachen. Er verstand die Mysterien dieser Zauber mit einer einzigartigen Einsicht, wie er sie nie zuvor verspürt hatte. DIES war das Wissen, das er immer ersehnt hatte. Es würde ihm zu wahrer Größe verhelfen, ihm ermöglichen, Dinge zu erreichen, die kein Zauberer zuvor erreicht hatte...
Die Kerker von Hogwarts, kalt und dunkel, während in ihm das Bedürfnis brannte, sich zu beweisen. Noch verachteten die reinblütigen Zauberer ihn für seine Herkunft. Bald schon würden sie eines besseren belehrt werden.
Der scharfe Geruch von Rauch, vermischt mit Blut und Magie. Er sprach einen Cruciatus und lachte, als Hochgefühl ihn erfüllte. Je mehr dunkle Magie er anwendete, desto mehr liebte er sie. Er wusste, nichts und niemand konnte sich ihm in den Weg stellen. Seine Macht war grenzenlos. Tigris wusste, es waren nicht seine Gefühle, doch er erkannte sich in ihnen wieder. Er musste sich bewusst daran erinnern, dass dies ein Abgrund war, in dem er für immer untergehen würde, damit er nicht in ihnen versank. Es war so einfach, sich nur fallen zu lassen. Das war es, was der Zauberer über ihm vor langer Zeit getan hatte, ohne es jemals zu bereuen. Einen Moment lang, erfüllt von Lust und dem Hunger nach mehr, war es schwer zu verstehen, warum das falsch war.
Die Erinnerungen durchflossen Tigris in rascher Abfolge, begleitet von Gefühlen, die ihn fast überwältigten. Der Geist des Dunklen Lords lag ihm offen. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, und er würde alles wissen, was er wissen wollte. Es sollte einfach sein, aber Tigris sah sich unfähig, es zu tun. Es war zu viel, viel zu viel. Er konnte sich nicht entscheiden, was er zuerst tun wollte... Jene Erinnerung noch einmal sehen, vollständig verstehen, was der Lord in ihr gedacht hatte... und das würde er, er würde die kalte Brillanz für einen Augenblick teilen, die diesen Magier so mächtig hatte werden lassen... Tigris wusste, Voldemort besaß etwas, was er niemals haben würde, und er beneidete ihn so sehr dafür. Der Schwarzmagier BEGRIFF die Zusammenhänge der ältesten Zauber mit einer traumtänzerischen Sicherheit, die in seinem Blut liegen musste. Tigris erinnerte sich vage, dass Slytherin genauso gewesen war. Er war sich nicht bewusst gewesen, wie sehr er dieses Gefühl vermisst hatte.
Mit was für einem Vorsatz hatte er noch einmal diese Verbindung ins Leben gerufen? Tigris erinnerte sich nicht mehr. Genuss überwog bei weitem die Schmerzen, die sein Körper empfand, als er in eine weitere Erinnerung eintauchte. Tief aus seinem Unterbewusstsein tauchte die Erinnerung auf, dass er hatte herausfinden wollen, wie er Voldemort vernichten konnte. Dies vernichten? Niemals wieder fühlen, was er so sehr vermisst hatte, das wahre Verständnis für all die neue Magie, die ihn umgab? Dies war doch, was er immer gewollt hatte. Es aufzugeben war einfach lächerlich.
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Später in dieser Nacht lag Tigris in seinem Bett in Malfoy Manor und dachte über die Ereignisse des Tages nach. Er hatte Voldemort schlafend zurückgelassen, offensichtlich erschöpft. Nichts deutete darauf hin, dass ihm bewusst war, was geschehen war.
Einen Moment lang kämpften zwiespältige Gefühle in ihm. Er hatte die Gelegenheit gehabt, es zu beenden, und sie nicht wahrgenommen. Aber was brachte es ihm denn, Voldemort jetzt umzubringen? Jetzt, wo er endlich nicht mehr nur sein Spielzeug war? Wo er endlich die Oberhand in diesem Spiel gewonnen hatte?
Tigris lächelte. Er wusste mit unerfindlicher Sicherheit, er konnte dies so oft tun wie er wollte, und der Dunkle Lord würde niemals etwas erfahren. Allein in dieser Nacht hatte er bereits Wissen gewonnen, von dem er nie zu träumen gewagt hatte. Er wusste zwar noch immer nicht, wie er Voldemort töten konnte, aber das hatte Zeit. Nun hatte er den Schlüssel in der Hand, es zu tun, wann immer er wollte. Es würde ihm nicht das Geringste bringen, es nun zu tun.
Flüchtig tauchte der Gedanke auf, dass er beschlossen hatte aufzuhören. Warum? Er war bereits ein Mörder, nichts würde entschuldigen, was er bereits getan hatte... und im Grunde war es ihm auch egal. Er hatte den Kampf an diesem Morgen genossen, so wie alle Kämpfe zuvor. Es hatte nichts mit Dunkler Magie zu tun, oder mit einem Bedürfnis, Voldemort zu beeindrucken. Tigris genoss einfach den Rausch eines guten Kampfes. Das war bereits so gewesen, als er noch Harry gewesen war, nur dass er damals alleine für die ‚gute' Seite gekämpft hatte, gegen die ‚Bösen' eben. Er hatte sich vorgemacht, dass er es nicht aus Spaß an der Sache getan hatte. Doch wie oft hatte er einfachere, sicherere Wege ausgeschlagen, nur um sich selbst ins Abenteuer stürzen zu können? Wenn damals Menschen gestorben waren, war es Gerechtigkeit, nicht Mord, aber das Adrenalin in seinen Adern hatte deshalb nicht weniger gesungen. Letztendlich lag der Unterschied allein in Semantik.
Tigris lachte. Da war noch immer diese nagende kleine Stimme, die er in seinen Gedanken ‚Harry' getauft hatte, die ihm sagte, das er den falschen Weg einschlug. Aber er hatte Harry schon vor langer Zeit hinter sich gelassen. Er konnte nicht mehr sein, was er einst war, es war viel, viel zu spät dafür. Was er getan hatte, das Leben das er führte, war unverzeihlich, in buchstäblichster Weise. Also warum sollte er versuchen, etwas daran zu ändern? Warum nach etwas streben, was er niemals erreichen konnte? Er hatte den mächtigsten Zauberer der Welt in der Hand. Warum sollte er diese einmalige Gelegenheit verschenken? Tigris lachte erneut, und nur ein Hauch Bitterkeit war in seiner Stimme. Er würde ihn erst einmal am Leben lassen.
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