Disclaimer:
Harry Potter gehört mir. Mit gehört mir meine ich, er gehört mir nicht. Harry Potter gehört gänzlich und vollkommen Joanne K. Rowling. Aber wir alle bewundern Joanne, und heißt das nicht letztendlich, tatsächlich gehört er uns allen? Die Antwort ist Nein.
Schatten der Wahl
22. Good Intentions
Draco rannte, umgeben von den lächerlichen Papiervögeln, die seine Mutter mit solcher Vorliebe faltete, und sie verbargen ihn vor Tigris' Blick.
Tigris schrie ihm nach, stehen zu bleiben, aber sein Bruder hörte nicht auf ihn. Um Tigris herum schlängelte sich Sarin und zischte zornig. Tigris fühlte, wie Wut in ihm aufstieg. Warum hörte Draco niemals auf ihn, wenn es darauf ankam? Wusste er nicht, dass niemand mehr als Tigris das Recht hatte, Gehorsam zu verlangen?
Sarin sauste Draco nach, und holte ihn schließlich ein. Sie schlang sich um seine Beine und brachte ihn zu Fall.
Tigris schlenderte ihr nach und sah schließlich lächelnd auf Draco hinunter.
„Habe ich dir nicht gesagt, dass dein Widerstand zwecklos ist?", fragte er amüsiert.
Plötzlich stürzten sich alle Papiervögel in der Luft wie ein erzürnter Bienenschwarm auf ihn, aber Tigris lachte nur und winkte mit der Hand. Die Vögel gingen in Flammen auf. Als die Luft sich klärte, war Draco verschwunden und Tigris wurde mit Entsetzen klar, dass er mit den Vögeln zusammen zu Asche zerfallen war. Er schrie.
Tigris erwachte keuchend und suchte unwillkürlich in seinem Geist nach der Verbindung zu seinem Bruder. Er beruhigte sich erst, als er sie in normaler Stärke fühlen konnte und sicher war, dass Draco friedlich in dem Raum nebenan schlief.
Die Tür seines Zimmers öffnete sich mit einem leisen Klicken, und seine Mutter trat ein. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie leise. „Ich hörte dich schreien."
„Ja.", antwortete er, und strich sich fahrig über den Kopf. „Nur ein Alptraum."
Ihr Gesichtsausdruck wurde wenn überhaupt noch besorgter.
„Man sagt, die Träume vor Litha zeigen die Zukunft... Ich habe heute Nacht auch nicht gut geschlafen. Ich fürchte, uns stehen schlimme Zeiten bevor..."
Tigris lachte unsicher. „Das sind doch Ammenmärchen, Mutter. Alles ist in Ordnung. Es war nur ein Traum."
Sie atmete tief durch, blass in ihrem weißen Nachthemd. „Ich weiß nicht. Es ist nur dieses Gefühl... es verfolgt mich schon seit Monaten." Sie rang die Hände. „Manchmal frage ich mich... man hat mir immer erzählt, Großmutter hatte die Gabe der Wahrsage... ich habe es nie geglaubt."
„Und zu Recht.", sagte Tigris ärgerlich. „Du weißt doch, dass das Unsinn ist, Mutter."
Sie presste die Lippen zusammen. „Versprich mir nur, vorsichtig zu sein, Tigris. Bitte."
Er lächelte ihr zu. „Bin ich das nicht immer?" Auf ihren Blick hin schüttelte er den Kopf. „Fein, fein, ich verspreche es."
Als sie gegangen war, lehnte er sich in die Kissen zurück. Merlin, nicht mehr lange, und sie würde sich in ein paranoides altes Weib verwandeln. Prophetische Träume... was für ein Quatsch.
Dennoch fand er keinen Schlaf mehr in dieser Nacht.
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Draco beobachte Hilda verstohlen, während sie arbeitete. In den Wochen nach dem Vorfall mit Tonks war sie ihm aus dem Weg gegangen. Durch vorsichtiges Fragen hatte er herausgefunden, dass sie sich an ihren Streit vor dem Imp erinnerte, aber nicht daran, dass er ihr in die Gasse gefolgt war. Sie glaubte, dass er appariert war, sobald sie ihn verlassen hatte... und verabscheute ihn umso mehr dafür. Draco konnte es ihr nicht verdenken. Sie würde ihm noch viel weniger vergeben, wenn sie die Wahrheit wüsste.
Er hatte Tonks einen anonymen Blumenstrauß gesandt, der postwendend zu ihm zurückgekommen war. Feigling, hatte sie auf eine Karte dazu geschrieben. Draco hatte sie zerrissen, aber er schaffte es nicht, wirklich wütend deswegen zu sein. Seine Cousine hatte schließlich recht, er war ein Feigling.
Tag für Tag sah er die Folgen, die Voldemorts hehrer Kampf für eine bessere Welt hatte. Er zerstörte ihre Welt, langsam aber sicher. Dennoch folgte er ihm noch immer, folgte den leeren Phrasen, die ihm von Kindesbeinen an beigebracht worden waren.
Er war mehr als ein Feigling, er war ein Heuchler. Tagsüber heilte er die Opfer der Eskapaden seiner Kameraden, nachts schloss er sich ihren Gemetzeln an. Hier tröstete er die Hinterbliebenen der Ermordeten, dort wurde eine weitere Familie durch seine Hand zu Waisen.
Doch das Schlimmste war, trotzdem er das alles wusste, änderte er nicht das Geringste daran. Er machte einfach weiter wie immer – und Tag für Tag verabscheute er sich mehr dafür.
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Ein erneuter Rückzug. Ärger brodelte in Tigris. Diese verdammten Auroren wurden immer besser. Dies war der dritte Angriff in Folge, der erfolglos verlief. Wenn Voldemort nicht so vollkommen unter Tigris' Zauber gestanden hätte, würde er langsam beginnen sich Sorgen um seinen Status zu machen.
Er war nun offiziell ein Angehöriger des Inneren Kreises, nachdem die Ratte, Pettigrew, von der Suche nach Bellatrix nicht mehr aufgetaucht war. Tigris grinste unwillkürlich. Wie es schien, hatte das Rudel ihn in Stücke gerissen. Was für ein passendes Ende für Voldemorts Speichellecker. Bellatrix hingegen war noch immer MIA. Niemand wusste, was mit ihr passiert war.
Was Tigris überrascht hatte, war zu erfahren, dass Snape Mulcibers Nachfolger war. Der Mann war eine listige kleine Schlange, das so lange vor ihm geheim zu halten. Leider hatte Tigris im Moment Wichtigeres zu tun, als sich um den Tränkemeister zu kümmern.
Tigris runzelte die Stirn. Einer seiner Todesser stand noch immer auf dem Kampfplatz und machte keine Anstalten, zu apparieren. Was bei Mordraud hatte der Narr vor? Es schien, als wäre er auf der Stelle gefroren. War er von einem Zauber getroffen worden, den Tigris nicht kannte? Tigris murmelte einen Finite Incantato, aber nichts geschah. Verdammt, er konnte ihn nicht zurücklassen! Ihn erwartete bereits ein Cruciatus für sein Versagen, einen weiteren gefangenen Todesser konnte er nicht gebrauchen! Voldemort mochte unter seinem Zauber stehen, aber das hinderte ihn nicht daran, ihn zu verfluchen. Um die Wahrheit zu sagen, Tigris versuchte auch gar nicht, ihn daran zu hindern. Es würde nur dazu führen, dass die anderen Todesser Verdacht schöpften. Sie waren bereits der Überzeugung, dass der Schwarzmagier seinen Schüler viel zu sehr bevorzugte.
Tigris warf einen bösen Blick auf das Feld. Wohl oder übel musste er selbst eingreifen.
Tigris wich einem Fluch aus und sah sich rasch um, um sich zu versichern, dass dies wirklich der letzte seiner Leute war. Anschließend apparierte er neben den Mann und packte ihn. Sobald sie in Sicherheit waren, würde er diesen Idioten verfluchen, bis er seinen Namen nicht mehr wusste!
Nur Tigris' starker Schild verhinderte, dass sie beide von einem Blitzzauber getroffen wurden. Sobald Tigris den Mann gepackt hatte, wusste er, wer es war, und das Wissen machte ihn umso wütender.
Er apparierte ein paar Mal, bis er sicher war, dass er nicht verfolgt wurde, dann warf er seine Last zu Boden. Die Todesserkleidung verschwand und er sah in Dracos Gesicht. Sein Bruder starrte wie benebelt zu ihm hoch.
„Was zur Hölle ist los mit dir?", schrie Tigris wütend. „Bist du betrunken, oder was?"
„Nein.", brachte Draco hervor. „Es tut mir leid, ich..."
Tigris lachte fassungslos auf. „Bist du nicht ganz klar im Kopf? Wolltest du etwa gefangen genommen werden? Sie hätten dich umbringen können!"
Draco starrte ihn wortlos an, dann sah er zur Seite. „Bestraf mich einfach.", flüsterte er.
Die lakonische Antwort ließ heiße Wut in Tigris aufsteigen. WAS dachte Draco sich? Dachte er, dies sei ein Spiel? Er hatte ihn beinahe verloren! „Tu das niemals, niemals wieder!", zischte er. „Crucio!"
Er fühlte Dracos Schmerzen durch ihre Verbindung und machte keinen Versuch, sie auszuschließen. Stattdessen verfluchte er ihn wieder und wieder, bis er spürte, dass es gefährlich zu werden begann. Anschließend apparierte er, um seine eigene Strafe in Empfang zu nehmen.
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Draco wartete, bis die Krämpfe, die seinen Körper durchliefen, nachließen, und er sich aufsetzen konnte. Er hatte es nie geschafft, das Stigma seines ersten Jahres in dem Dienst des Dunklen Lords auszulöschen. Er hatte sich ihm widersetzt, und Voldemort hatte das nicht vergessen. Als Konsequenz daraus war Draco sehr vertraut mit dem Cruciatusfluch und seinen Nebenwirkungen. Er schloss einen kurzen Moment die Augen. Der Fluch seines Bruders war beinahe schlimmer als der des Dunklen Lords selbst. Tigris hatte eine Menge roher magischer Kraft, und sie tendierte dazu, stärker zu werden, wenn er wütend war.
Manchmal machte es Draco Angst. Es überraschte ihn nicht, dass Tigris nicht aufgehört hatte, als er ihn darum angefleht hatte. Er war nicht einmal wütend auf ihn deswegen.
Draco wusste, dass Tigris nur sein Bestes im Sinn hatte, auch wenn es ironisch erschien. Er und sein Vater waren sich in dieser Hinsicht sehr ähnlich. Wie in die Enge getriebene Raubtiere reagierten sie mit Aggression und Gewalt, wenn sie Angst verspürten. Draco brauchte nicht ihre Verbindung, um zu wissen, dass Tigris Angst um ihn gehabt hatte.
Er wusste selbst nicht, warum er inmitten des Kampfes erstarrt war. In einem Moment hatte er noch einem Auror seinen Dolch in die Brust gestoßen, im nächsten hatte er sich gefühlt, als hätte ihn ein Lähmzauber getroffen. Plötzlich erschien alles so sinnlos, all der Tod und die Zerstörung um ihn herum. Er hatte Tigris' Befehl sich zurückzuziehen gehört, aber er konnte sich einfach nicht bewegen. Es war, als wäre er inmitten all dieses Horrors eingefroren. Ja, ein Teil von ihm hatte sich gewünscht, dass sie ihn festnahmen. Zumindest wäre dann alles zu Ende – auch wenn er wusste, dass der Dunkle Lord ihn umbringen würde, sobald sein Vater ihn frei bekam.
Draco lachte bitter, und ein neuer Schmerzensschauer durchlief ihn. Severus würde zornig auf ihn sein. Er hatte ihm extra einen Trank gegen die Nachwirkungen gegeben, aber Draco hatte ihn zuhause gelassen. Er hatte nicht damit gerechnet, unter dem Kommando seines Bruders verflucht zu werden.
Merlin, was für eine Bande armseliger Bastarde sie waren.
Draco lachte erneut, bis sich sein Gelächter in Schluchzen verwandelte. Er rollte sich auf den Felsen zusammen, wo Tigris ihn zurückgelassen hatte und weinte, bis er das Gefühl hatte, alle Tränen seines Lebens verbraucht zu haben. Auf die eine oder andere Weise musste es enden, auch wenn er wusste, dass seine Familie es ihm niemals verzeihen würde. Die schlichte, kalte Wahrheit war, dass er nicht auf diese Weise weiter leben konnte. Er war so oder so ein Feigling – aber er zog es vor, vor dem zu fliehen, von dem er wusste, dass es nicht nur ihn zerstören würde, sondern alles, was ihm etwas bedeutete. Vielleicht, nur vielleicht, konnte er ja doch ein wenig bewirken. Wie ironisch, dass er einmal das Schicksal von Clarence Nightingale gefürchtet hatte. Er würde ihn zwanzig Jahre übertreffen, und was für ein armseliges Leben hatte er im Vergleich dazu vorzuweisen! Es wäre besser gewesen, er wäre ihm gefolgt. Doch die Wahl, die er getroffen hatte, ließ sich nicht rückgängig machen. Nun musste er mit den Schatten leben, die sie hinterließ.
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„Macnair berichtet mir, dass dein Bruder wieder einmal mit diesem Unruhestifter Willis gesehen worden ist.", sagte Voldemort. Er war von ihrem magischen Austausch erschöpft, aber schlief noch nicht. Voldemort erinnerte sich nie daran, dass er seine Erinnerungen mit Tigris geteilt hatte, doch von Mal zu Mal schien er ihm mehr zu vertrauen. Es fiel Tigris immer leichter, seine Entscheidungen zu beeinflussen, auch wenn er sich vorsah, keine Vorschläge zu unterbreiten, die den Vorhaben des Lords vollkommen entgegen liefen. Diese Suggestibilität nahm ab, je länger sie getrennt waren, und irgendwann würde Voldemort merken, dass etwas nicht stimmte. „Ich werde dieser Eskapaden langsam müde.", fuhr der Dunkle Lord fort. „Ich habe ihm wieder und wieder die Möglichkeit gegeben, sich mir zu beweisen, aber er stellt meine Geduld nur weiter auf die Probe. Der Ärger den er mir bereitet übersteigt bei weitem seinen Nutzen. Ich denke, es wird Zeit, dass ich mich seiner entledige."
Tigris schluckte. Er hatte dies kommen sehen, dennoch war es ein unangenehmer Schock. „Bitte, mein Lord...", sagte er. „Er versucht es ja, aber es liegt nicht in seiner Natur..."
„Es liegt nicht in seiner Natur, mir zu dienen, wie es mir zusteht?", zischte Voldemort. „Nur ein weiterer Grund, dieses Problem endgültig zu lösen, oder nicht? Einen Jagdhund, der nicht zur Jagd taugt, ertränkt man besser, anstatt ihn durchzufüttern. Niemand hält sich eine Eule, die nicht fliegt."
„Er hat doch seinen Nutzen.", sagte Tigris hastig. „Er ist ein guter Kämpfer, und er setzt seine Fähigkeiten als Heiler und Tränkebrauer für Euch ein. Er ist der beste Heiler, den wir haben, mein Lord. Ich gebe zu, sein Verhalten im Alltag entspricht nicht immer Euren Erwartungen, aber in St. Mungos ist er ständig im Auge des Ministeriums, er muss ein Erscheinungsbild aufrecht erhalten. Seine Loyalität gehört Euch, das schwöre ich."
Voldemort verzog das Gesicht. „Ein Heiler, ja. Das ist mehr Ärger als sonst etwas. Hältst du mich für einen Narr, Aqrabi? Die Zweifel in seinem Geist sind so blatant, er könnte sie mir genauso gut ins Gesicht sagen. Es ist eine Beleidigung für meine Intelligenz zu behaupten, er sei loyal."
Voldemorts Stimme war zorniger geworden, aber er war noch immer sehr entspannt, ein Zeichen dafür, wie stark der Zauber noch wirkte. Tigris wusste, dass er sich bereits auf dünnem Eis bewegte.
„Er ist loyal, mein Lord.", beharrte er. „Er mag Zweifel haben, aber er würde Euch nie verraten. Er tut sein Bestes, Euch zu dienen, dessen bin ich mir sicher."
„Du gibst dich einer Illusion hin und glaubst, was du glauben willst.", sagte Voldemort. „Bist du dir sicher genug, dein Leben darauf zu verwetten?"
Der Schwarzmagier fuhr mit der Hand über Tigris' Brust. Der Zauber erwachte flüchtig zum Leben und erlosch wieder. Entweder hatte er sich in dieser Nacht bereits aufgebraucht, oder der Ärger Voldemorts überwog sein Lustgefühl zu sehr. Es war manchmal wirklich schwer, das zu beurteilen. Tigris biss die Zähne zusammen und ignorierte seinen wild tobenden Herzschlag. Er war sich ziemlich sicher, dass Voldemort ihn dank des Zaubers so sehr brauchte, dass er alles tun würde, um ihn am Leben zu halten. Er setzte sein Leben also nicht wirklich aufs Spiel, und er war sich Dracos sicher... Dennoch... „Ja, das bin ich.", sagte er. Er tat dabei sein Bestes, um den Nachhall des Zaubers zum Leben zu erwecken, bis er das Gefühl hatte, dass der Lord tun würde, was er wollte.
Voldemort starrte auf ihn herunter. „Ich werde ihn fürs erste am Leben lassen.", sagte er schließlich. „Aber ich beginne bereits, diese Entscheidung zu bereuen. Ich schlage vor, du tust dein Bestes, damit ich dieses Problem vergesse, bevor ich mich wieder anders entscheide."
„Ja, mein Lord.", sagte Tigris. Er schluckte. Diesmal würde er sich nicht in Magie davonstehlen können. Zu seinem Glück war es ohnehin nicht in erster Linie Sex, wonach dem Lord der Sinn stand.
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Tigris taumelte auf dem Weg die Treppe hoch. Dieser verdammte Trank, den Snape gebraut hatte, war ein Witz. Er hielt nicht einmal eine halbe Stunde an – oder vielleicht wurde er langsam immun. Langsam ging er hoch in sein Zimmer und ließ sich auf das Bett sinken. Sarin war gerade auf einem Jagdausflug, wie es schien. Sie würde ihn heilen, wenn sie zurück kam. Er stöhnte leise. Er hatte sie in der letzten Zeit viel zu oft beansprucht, ihre Magie war auch nur begrenzt.
Tigris spürte Draco mehr, als er ihn sah, bevor sein Bruder aus den Schatten trat.
„Warum lässt du dir das antun?", fragte Draco, auf ihn herabsehend. „Ich verstehe es nicht."
„Wegen der Macht, die es mir gibt.", sagte Tigris ehrlich.
„Du bist doch selbst ein mächtiger Zauberer. Du musst das nicht tun, um dir etwas zu beweisen."
Draco streckte die Hand nach Tigris aus, aber Tigris zuckte zurück. Aus irgendeinem Grund gefiel es ihm zunehmend weniger, von Draco geheilt zu werden. Sarins Methode war zwar zu Anfang unangenehmer und nicht so effektiv, aber sie hinterließ nicht dieses nagende Gefühl, das ihn noch Tage später verfolgte. Wenn Draco ihn heilte hatte Tigris danach regelmäßig Alpträume, und seine Gedanken kreisten um Dinge, die er ansonsten verdrängte.
„Das ist nicht der Grund.", sagte er. „Du kannst es nicht verstehen."
„Es hat etwas mit Dunkler Magie zu tun.", vermutete Draco. Tigris konnte verstehen, warum er zu diesem Schluss kam, auch wenn er falsch war. „Bitte sei vorsichtig, es kann gefährlich sein, mit diesen Dingen zu spielen. Du weißt doch, wie diese Magie auf dich wirkt."
„Natürlich, ich bin kein Kind mehr.", sagte Tigris ärgerlich. „Du bist wirklich der letzte, der MIR etwas über Dunkle Magie erzählen muss. Ich habe das schon seit langer Zeit unter Kontrolle."
„Ja, das sieht man.", murmelte Draco.
„Was willst du denn damit sagen?", rief Tigris ärgerlich. „Du hast doch gar keine Ahnung, wovon du redest!"
„Nichts." Draco sah zur Seite. „Du hast natürlich Recht. Ich gehe besser. Tut mir leid, dass ich dich gestört habe."
Tigris Ärger verfloss. „Du musst nicht gehen.", sagte er. „Ich weiß, du machst dir nur Sorgen, aber es gibt wirklich keinen Grund dafür. Tatsächlich gibt es glaube ich mehr Grund, dass ich mir um dich Sorgen mache. Du bist schon seit einiger Zeit ziemlich merkwürdig."
Draco lächelte schwach. „Es ist nichts. Nur ein paar Probleme auf der Arbeit. Außerdem ist meine letzte Beziehung nicht so gut gelaufen. Nichts wichtiges, wirklich."
„Oh.", sagte Tigris. „Ist es das Mädchen, mit dem du so viel Zeit verbracht hast? Dieses Halbblut?"
„Muggelgeborene.", verbesserte Draco automatisch. „Nein, wir haben uns schon eine Weile nicht mehr gesehen."
„Das ist gut. Ich wusste doch, du würdest zur Vernunft kommen."
„Das hat nichts damit zu tun.", sagte Draco. Sein Gesicht war steinern. „Du hast dich wirklich verändert. Nicht unbedingt zum Besten, denke ich manchmal."
Tigris lachte. „Du hast mein altes Selbst verabscheut, vergiss das nicht."
„Ja, ich war ein ziemlich ignoranter Junge." Draco schüttelte den Kopf. „Ich gehe besser. Ich bin müde, und du auch. Nimm ein paar Heiltränke, wenn du dir schon von mir nicht helfen lassen willst."
„Das werde ich." Tigris sah Draco nachdenklich nach, als er ging. Es gefiel ihm nicht, wie Draco sich veränderte, aber er wusste auch nicht, was er dagegen tun sollte. Vielleicht konnte ihr Vater ihm ins Gewissen reden, bevor wirklich ein Unglück geschah.
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„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?", fragte Lucius, als Tigris zuende geredet hatte. „Dein Bruder ist erwachsen. Ich habe keinen Einfluss auf seinen Umgang, oder seinen Lebensstil. Erst recht nicht darauf, was er denkt."
„Ich weiß es nicht!", rief Tigris frustriert. „Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Du kennst ihn besser als ich, bring ihn zur Vernunft!" Er zuckte zusammen, als draußen Donner grollte. Über ihnen tobte ein Herbstgewitter, und Regen prasselte gegen die Fenster.
„Ist das ein Befehl?", fragte sein Vater.
Tigris fuhr zu ihm herum. „Was?"
„Du weißt sicherlich, dass unser Lord mir schon öfter aufgetragen hat, die Ansichten von Leuten zu ändern.", sagte Lucius kühl. „Ich kann ihn umformen, wenn es das ist, was du willst."
Tigris sah ihn entsetzt an, als er begriff, wovon er redete. „Du meinst, ihn foltern. Nein, natürlich nicht! Wie kannst du auch nur annehmen..."
„Ich finde es in der letzten Zeit recht schwierig zu beurteilen, was du denkst.", sagte sein Vater, im gleichen kühlen Tonfall. „Es ist sicherlich das, was ich von unserem Lord erwarten würde. Ich nehme an, er denkt darüber nach, ihn zu töten."
„Ich habe ihn davon abgebracht." Tigris ging unruhig auf und ab.
„Tatsächlich?" Lucius klang überrascht. „Warum?"
„Weil er mein Bruder ist! Was denkst du denn warum? Denkst du, ich würde ihn einfach ins offene Messer laufen lassen?"
Sein Vater betrachtete ihn nachdenklich. „Du bist in der letzten Zeit sehr distanziert gewesen.", sagte er dann. „Ich war mir nicht sicher, ob es dir wirklich noch etwas bedeutet."
„Natürlich bedeutet es mir etwas!", rief Tigris schockiert. „Ihr alle bedeutet mir etwas, wie kannst du auch nur das Gegenteil annehmen?"
„Es hat sich als überraschend einfach herausgestellt.", sagte Lucius, erneut kühl.
„Das selbe könnte man über dich auch sagen.", schnappte Tigris ärgerlich.
Ein eigenartiger Ausdruck huschte über das Gesicht seines Vaters. Wenn Tigris ihn nicht besser gekannt hätte, hätte er es als Bedauern bezeichnet. „Wie es scheint, sind wir uns in der Hinsicht ähnlich.", sagte er. „Ich werde versuchen, mit ihm zu reden, aber ich kann nichts versprechen." Er lächelte humorlos. „Meine Söhne neigen dazu, ihre eigenen Wege zu gehen, egal was ich sage. Wie lange denkst du, kannst du unseren Lord noch hinhalten?"
„Ich weiß es nicht.", sagte Tigris unsicher. „Wenn Draco nichts Dummes anstellt, hoffentlich unbegrenzt, aber in letzter Zeit neigt er zu irrationalen Dingen. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht!"
„Vielleicht wäre es wirklich besser, sicher zu gehen." Es war Lucius anzuhören, dass er die Idee nicht mochte, aber er war offensichtlich bereit, es zu tun. „Es gibt ein paar Tränke und Zauber, die es beschleunigen. Ich habe sie ausreichend erprobt..."
„Nein!", rief Tigris. „Nein. Es muss auch so gehen. Er wird schon einsehen, dass es so nicht weiter gehen kann."
„Mir gefällt es auch nicht, aber es könnte ihm das Leben retten."
„Es wäre nicht er. Du hättest zwar noch deinen Erben, aber es wäre nicht er."
„Denkst du wirklich, dass ist alles, worum es mir geht?", rief Lucius zornig. „Ich weiß nur zu gut, wovon du redest, glaubst du, es hat mir keine schlaflosen Nächte bereitet? Vielleicht gibt es einen anderen Weg, ich wünschte es wäre so. Aber ich will ihn nicht tot sehen!"
Tigris schloss die Augen. „Wenn das die einzige Alternative ist, ist es vielleicht besser."
Einige Augenblicke herrschte Stille zwischen ihnen. Das Unwetter schien noch an Stärke zuzunehmen. Die Bäume draußen bogen sich unter dem Wind, aber es war nur zu sehen, wenn die Blitze für kurze Zeit die Landschaft erhellten. Tigris war froh, dass er an diesem Tag nicht nach draußen musste. Er würde die nächsten Tage in der Mysteriumsabteilung verbringen und an seinem aktuellen Projekt arbeiten. Er begrüßte die Ablenkung, die es ihm für eine Weile geben würde. Manchmal tat es sehr gut, sich für eine Weile einfach nur mit etwas Abstraktem, Ungefährlichen zu beschäftigen, was nichts mit dem Krieg und Voldemort zu tun hatte.
„Ich will nur sein Bestes.", sagte Lucius schließlich.
„Ich weiß.", antwortete Tigris. „Ich auch."
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Draco wünschte Lydia ein schönes Wochenende und sortierte die Heiltränke fertig, die an diesem Tag geliefert worden waren. Die meisten Patienten schliefen bereits. Als er seine Arbeit beendet hatte sprach er einen Überwachungszauber und ging zum Pausenraum. Er war der letzte auf der Station. Als Stationsleiter musste er nicht unbedingt die Nachtschicht übernehmen, aber er tat es hin und wieder ganz gerne. Schließlich war es nicht so, als ob er etwas anderes zu tun hatte. Nachts war es zumindest meist ruhig und er hatte die Gelegenheit, in Ruhe seinen Papierkram zu erledigen oder die neusten Veröffentlichungen aus dem Bereich der Heilkunde zu lesen. Draco griff nach einem Tränkejournal und hielt inne.
Verdammt, er hatte an diesem Abend etwas vorgehabt! Er war mit Theodore und Richard verabredet! Er hatte sich seit Tagen vorgenommen, Lydia zu bitten, ihn zu vertreten, aber immer, wenn er sie hatte fragen wollen, war ihm etwas dazwischen gekommen, und schließlich hatte er es vergessen. Das war nun schon das dritte Mal! Ärgerlich warf er die Zeitschrift auf den Tisch. Wie konnte er nur so vergesslich sein? So viel Stress hatte er nun auch wieder nicht! Leider war es nun zu spät, Lydia hatte bereits Feierabend, und die restlichen Mitarbeiter kamen erst am nächsten Morgen.
Zum Glück gab es in der Rezeption ein Telefon, so dass Draco den beiden absagen konnte. Sie wohnten in Richards Wohnung in der Muggelwelt, die nicht an das Floonetzwerk angeschlossen war. Der Muggelapparat ersparte es ihm, Theodores Gesichtsausdruck zu sehen, aber Draco konnte hören, dass er nicht gerade begeistert war, dass Draco schon wieder absagte. Sein Freund musste langsam denken, er vermied ihre Treffen mit Absicht.
Als er wieder auf die Station zurück kam, starrte er nachdenklich auf die Zeitschrift, die er liegen gelassen hatte. Er war eigentlich sehr gewissenhaft, was Verabredungen anging. Wie merkwürdig, dass er sie in letzter Zeit so häufig vergaß. Er hätte es auf Stress geschoben, wenn es nicht das einzige gewesen wäre, bei dem er so zerstreut war. Als wenn etwas in seinem Unterbewusstsein ihn daran hindern wollte... Er gefror, als ihm ein ungeheuerlicher Gedanke kam.
Probehalber dachte er darüber nach, einige seiner Freunde zu besuchen, die er über Theodore kennen gelernt hatte. Sie alle waren Mitglieder der Friedensbewegung, und meistens verabredeten sie sich in der Muggelwelt, weil es dort ungefährlicher war als in der Zaubererwelt. Einige von ihnen hatte er schon längere Zeit nicht mehr gesehen, und er hätte gerne gewusst, wie es ihnen ging. Er hatte Zeit, eigentlich könnte er Claude oder Sophie mal wieder anrufen, um sich zu verabreden. Anderseits, er sollte wirklich noch einmal nach Mister Pauling sehen. Der Mann hatte sich bei einem Streit mit seinem Nachbarn einen komplizierten Kombinationsfluch zugezogen... Nein! Draco konzentrierte sich stärker auf den Gedanken, und spürte plötzlich das fremde Gedankennetz dahinter.
Einen Augenblick war er erstarrt von dem Schock, dass sein Bruder tatsächlich so weit gegangen war. Als es schließlich eingesunken war, dass er es tatsächlich gewagt hatte, erfüllte Draco schlagartig eine unbändige Wut. „Bleib raus aus meinen Gedanken!", zischte er, die Finger in seinen Haaren vergrabend, als könne er ihn so herauszerren. „Was maßt du dir an, du selbstgerechter, scheinheiliger... Verschwinde!" Draco schloss seine Okklumentikschilde so dicht er konnte, bis er schließlich nichts mehr von ihrer Verbindung wahrnahm, dann lehnte er sich heftig atmend zurück. Er spürte, wie ihm Zornestränen in die Augen stiegen. „Wie konntest du...", flüsterte er. „Ich habe dir vertraut... Ich habe dir vertraut." Er hatte sich noch nie in seinem Leben so verraten gefühlt, wie in diesem Moment.
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„Ich habe es nur zu deinem Besten getan.", sagte Tigris.
Draco war versucht, ihn zu schlagen. Wenn sie noch Kinder gewesen wären, hätte er es getan. „Du hast nicht das Recht!", zischte er. „Es ist meine Entscheidung, mit wem ich meine Zeit verbringe! Ich brauche nicht deine Erlaubnis dazu! Lebe deine verdammte Hybris woanders aus! Ich verabscheue sie auch so schon genug! Du wirst Vater von Tag zu Tag ähnlicher, aber leider übernimmst du nur seine schlechtesten Eigenschaften in vielfacher Ausfertigung!"
Tigris ballte die Fäuste, rot werdend. „Nimm das zurück!"
„Warum, wenn es doch die Wahrheit ist?", schrie Draco. „Er sagt es mir zumindest gerade ins Gesicht, wenn er mein Leben ruinieren will! Weißt du, was du bist? Ein mieser Feigling."
„Als wenn du auf mich gehört hättest, wenn ich offen mit dir geredet hätte!", schrie Tigris zurück. „Manchmal habe ich das Gefühl, du willst dich selbst zerstören! Du bist doch nicht zurechnungsfähig!"
Draco lachte hässlich. „DU willst mir was über Zurechnungsfähigkeit erzählen? Das ist gut, das ist wirklich gut!"
„Was willst du denn damit sagen?", fragte Tigris eisig.
„Oh, nicht das Geringste. Warum philosophierst du nicht über meinen und deinen Geisteszustand, wenn du das nächste Mal von unserem Lord durchgefickt wirst, hm?"
Tigris wurde bleich und presste die Lippen zusammen. „Ich vergebe dir, weil du nicht weißt, was du sagst."
„Ich weiß ganz genau, was ich sage.", flüsterte Draco, entgegen aller Vernunft. „Du vergisst, dass ich einen Logenplatz für diese Vorstellung besitze, insbesondere, wenn er mal wieder entscheidet, dass deine Schreie ihn aufgeilen. Ich frage mich, was unsere Freunde dazu sagen würden, wenn ich ihnen erzählen würde, wie Recht sie damit haben, wenn sie sagen, dass du ihm die Füße leckst – und so einiges anderes." Tigris wurde wenn möglich noch bleicher, und Draco grinste triumphierend. „Bleib aus meinem Kopf, und ich bleibe aus deinem! Glaub mir, es ist nur zu deinem BESTEN." Er zischte das letzte Wort mit einer angewiderten Grimasse, und stürmte aus dem Raum.
Dies war vielleicht die schlechteste Entscheidung, die er jemals getroffen hatte, aber es war Draco egal. Er wollte Tigris nur ebenso verletzen, wie er sich von ihm verletzt fühlte – und er wusste ganz genau, wo er ihn am schmerzhaftesten traf.
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Tigris wusste nicht, was er mit seinem Bruder tun sollte. Er verstand, dass Draco wütend war, aber wirklich, es war nur zu seinem Besten. Irgendwann später würde er erkennen, wie nah er dem Abgrund gewesen war, und ihm dankbar sein. Natürlich hieß das, dass Tigris nicht aufhören würde. Dracos Okklumentik war besser geworden, aber Okklumentik nutzte nichts gegen ihre Verbindung. Zwar konnte Tigris Draco nicht immer überwachen, denn es kostete ihn eine Menge Konzentration, aber er hatte gelernt, die Verbindung tief in seinem Unterbewusstsein so weit offen zu halten, dass bestimmte Gedanken seine Aufmerksamkeit weckten, wenn er nicht gerade sehr mit etwas anderem beschäftigt war. Es genügte, um Draco von Torheiten abzuhalten. Tigris war klar, dass Draco noch viel wütender sein würde, wenn ihm das klar wurde, aber das ließ sich nun einmal nicht vermeiden. Wenn er wieder zu Verstand kam, würde er einsehen, dass Tigris recht hatte. Aber nur zur Sicherheit – vielleicht hatte sein Vater eine Idee, womit sie ihn für eine Weile ablenken konnten. Wenn er beschäftigt war, würde er vielleicht aufhören, sich so viel mit der Muggelwelt zu beschäftigen, und Tigris brauchte sich nicht länger einmischen. Das wäre das Beste für alle Beteiligten. Er musste Draco beschützen. Eines Tages würde er es verstehen.
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„Ich soll was?", fragte Draco ungläubig.
„Ich denke, es wird Zeit, dass du heiratest.", wiederholte sein Vater.
„Das kann nicht dein Ernst sein." Draco atmete tief durch. „Jedermann weiß, dass Pansy so gut wie mit Michael Corner zusammen lebt. Warum? Ich meine, warum ausgerechnet jetzt? Mutter und du seid noch immer jung, es besteht keine Veranlassung für mich, den Hausvorstand zu übernehmen."
„Das erwarte ich auch nicht." Sein Vater lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte ihn. „Ich halte es nur für sinnvoll, dass du ein wenig mehr Verantwortung übernimmst. Eines Tages wirst du Vorstand unseres Hauses sein. Davon abgesehen, sowohl ich als auch deine Mutter hätten gerne einen Enkelsohn. Wenn du erst einmal Familie hast, vergisst du vielleicht ein paar der Flausen, die dich immer noch umtreiben."
Draco sah ihn ungläubig an. „Ich... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich habe nicht die Absicht zu heiraten, und das gleiche gilt für Pansy..."
„Miss Parkinson wird ihre Meinung ändern. Ich habe bereits ihren Eltern geschrieben."
„Du hast was?!", rief Draco empört. „Was fällt dir eigentlich ein?"
„Achte auf deinen Ton.", sagte Lucius eisig.
Draco zuckte zusammen. Auch wenn er erwachsen war, dieser Tonfall seines Vaters bedeutete für ihn noch immer eine folgende Bestrafung. Er riss sich zusammen. „Du kannst so etwas nicht einfach entscheiden.", sagte er. „Pansy und ich haben auch etwas dabei mitzureden."
„Ich kann und ich habe.", entgegnete sein Vater kühl. „Dies ist das Ende dieses Disputs. Ich hab die Parkinsons nächsten Sonntag zum Dinner geladen. Ich erwarte, dass du dich deinem Status angemessen verhältst. Miss Parkinson wird bis dahin selbstverständlich ihren unangebrachten Umgang beendet haben."
Draco fühlte sich sehr versucht ihn anzuschreien, aber stattdessen drehte er sich nur um und stürmte aus dem Raum. Hatte sich denn seine ganze verdammte Familie verschworen, ihm das Leben zur Hölle zu machen?
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Draco fühlte, wie sein Bruder das Haus verließ, und verspürte einen Anflug von Bedauern für wen immer er sich ausgewählt hatte, um seinen Zorn abzureagieren. Seltsam, als Kind hatte Draco es immer einfach gefunden, seine Wut und Frustration an anderen auszulassen. All die Hilflosigkeit, die er daheim empfunden hatte, hatte er aufgestaut und als Antrieb genutzt, dafür zu sorgen, dass andere sich ebenfalls klein und hilflos fühlten. Damals hatte es dafür gesorgt, dass er sich besser fühlte. Er konnte es sehr gut verstehen.
Heute jedoch fand er keine Genugtuung mehr darin, andere zu verletzen, wenn er sich mies fühlte. Im Gegenteil, selbst wenn er für kurze Zeit in alte Gewohnheiten zurück fiel, fühlte er sich danach nur schlechter als zuvor. Irgendwie hatte er gelernt, sich mit ihnen zu identifizieren. Tigris hingegen schien all die Empathie verloren zu haben, die er einmal besessen hatte. Wie sonst konnte er Gewalt und Blutvergießen so genießen, Spaß an Dingen finden, die Draco den Magen umdrehten? Ignorierte er all das Leid einfach, das er verursachte? Kümmerte es ihn nicht, dass die Menschen, die er umbrachte, ein Leben besaßen, Freunde und Familie? Manchmal schien es, als wären seine Gegner gar nicht menschlich für ihn. Er sprach nur von ihren Fähigkeiten im Kampf, und Zahlen, so als wären sie Spielfiguren auf einem Schachbrett, Bauern, die er achtlos zur Seite warf, weil sie ihm nichts entgegen zu setzen vermochten. Er sagte oft genug, dass es ihre eigene Entscheidung gewesen sei, gegen ihn zu kämpfen. Erkannte er nicht, dass die meisten dieser Auroren genauso wenig eine Wahl hatten, wie die Unschuldigen, die er angeblich verschonte? Konnte er nicht sehen, dass sie verzweifelt waren, dass sie nur versuchten, eine Welt zu beschützen, von der sie ahnten, dass sie dem Untergang geweiht war? Draco hatte schon vor langer Zeit aufgehört, seinen Bruder zu verstehen. Er konnte nicht begreifen, wie die Gier nach Macht einem gegenüber allem anderen blind machen konnte.
Andere Dinge hingegen verstand er nur zu gut. Während Draco in seinem Bett lag, unfähig zu schlafen, verblasste langsam sein Zorn über die Einmischung seiner Familienmitglieder in sein Leben. Er war mit einem Vater aufgewachsen, der sein Leben kompromisslos nach seinen Vorstellungen lenkte, und erst in den letzten Jahren hatte er langsam das Selbstbewusstsein gefunden, seinen eigenen Weg zu gehen. Sein Vater hatte die Zügel lange schleifen lassen, und nun war er schockiert wie ein Pferd, das mitten im Galopp gebremst wurde. Draco wusste jedoch, dass es nicht grundlos sein konnte. Diese Idee des Heiratens kam nicht aus dem Nichts, ebensowenig wie das plötzliche Kontrollbedürfnis seines Bruders. Mit etwas Nachdenken war es nicht schwer, die Wurzel des Ganzen zu erkennen.
Irgendwo tief in seinem Inneren hatte Draco immer gewusst, dass er an einem Abgrund spielte, der ihn eines Tages verschlingen würde. Wie es schien, war die Zeit der Mirakel nun abgelaufen, und der Dunkle Lord verlor seine Geduld mit ihm. Es kam nicht überraschend. Von dem Moment an, an dem Draco entschieden hatte, von seinem vorgezeichneten Pfad abzuweichen und sein Schicksal selbst zu meißeln, hatte er mit geliehener Zeit gelebt. Nun versuchten Tigris und sein Vater ihn zu beschützen, auf die ihnen typische törichte Weise. Draco lächelte bitter. Sie kämpften für Brücken, die er längst hinter sich abgebrochen hatte, aber wenn sie es schließlich erkannten, würde es zu spät sein. Sie machten ihm seine Entscheidung nur leichter. Auf gewisse Weise war er ihnen dankbar dafür, es nahm ein Gewicht von seinen Schultern, das er ganz unbewusst viel zu lange mit sich herumgetragen hatte. Er hatte gewusst, dass dieser Zeitpunkt eines Tages kommen würde, auch wenn er es sich nicht hatte eingestehen wollen. Nun, da er da war, war es erstaunlich einfach. Irgendwie war es wohl von Anfang an sein Schicksal gewesen. Er hatte es nur nicht erkannt.
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Minerva zuckte zusammen, als der Glockenton in ihren Räumen signalisierte, dass Besucher vor Hogwarts' Toren standen. Noch vor wenigen Jahren hatte sie derlei nicht aus der Ruhe bringen können. Nun jedoch hatten die Zeiten sich geändert. Besucher zu solch später Stunde brachten niemals gute Nachrichten.
Sie packte entschlossen ihren Stab und erhob sich. Wer immer es war, sie würde sie nicht draußen in der kalten Nacht warten lassen.
Kurz bevor sie die Tore erreichte, stießen Filius und Argus zu ihr. Auch wenn sie zuversichtlich waren, dass Hogwarts niemanden mit bösen Absichten so weit heranlassen würde, öffnete niemand aus dem Kollegium mehr alleine die Tür des Schlosses.
Minerva öffnete die schmale Pforte and der Seite des Tores mit Bedacht, und ihr Griff um ihren Stab lockerte sich nicht, als die Gestalt auf der anderen Seite sichtbar wurde. Sie mochte eine alte Katze sein, aber zahnlos war sie noch lange nicht. Jeder, der das glaubte, würde es bitter bereuen lernen.
„Ich bin hier, um mit Dumbledore zu reden.", sagte der Mann. „Bitte bringen Sie mich zu ihm, so schnell Sie können."
Nach einem kurzen Moment des Zögerns trat Minerva zur Seite. Albus erwartete diesen Besucher schon seit langer Zeit. Trotz all ihrer Bedenken würde sie ihren alten Mentor diesmal nicht in Frage stellen. Er hatte bisher noch immer recht behalten. Sie vertraute darauf, dass es auch diesmal so sein würde.
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Sie stiegen schweigend die Treppen zu dem Büro des Direktors hinauf. Minerva war nicht überrascht, als der Wasserspeier geräuschlos zur Seite glitt, als sie kamen, ebenso wenig, wie es sie wunderte, dass Albus sie bereits mit einer dampfenden Tasse Tee erwartete. Es gab viele Geheimnisse um den Schulleiter herum, aber diese hatte sie schon vor langer Zeit durchschaut.
Minerva zuckte zusammen, als ihr Besucher seinen Stab zog, obwohl sie wusste, dass ihnen hier in Dumbledores Reich nichts etwas anhaben konnte. Sie entspannte sich erst wieder, als er ihn ruhig vor dem Schulleiter auf den Tisch legte.
„Willkommen zu so ungewöhnlicher Stunde, Mister Malfoy.", sagte Albus, ruhig trotz der Umstände, wie er es immer war. „Welchen Umstand verdanke ich Ihren nächtlichen Besuch?"
„Ich vermute, ich bin hier, um Ihnen meine Seele zu verkaufen.", sagte der Mann, dunkler Sarkasmus im Bariton seiner Stimme. Er streifte seine Kapuze zurück und kalte graue Augen trafen die des Schulleiters ohne zu blinzeln. „Ich schlage vor, Sie nehmen mein Angebot ohne zu zögern an, denn es ist nur von kurzer Dauer. Es scheint die Zeit ist uns beiden sehr viel schneller davongelaufen, als wir dachten."
Albus lehnte sich langsam in seinem Stuhl zurück und lächelte traurig. „Und dennoch bin ich so, so froh, dass du zu mir zurückgekehrt bist, mein Junge."
Vielen Dank für eure Reviews an: Immobilus, Reditus Mortis, spellwinder, Shereon, LuJo, strega79, roman, LujaNigra, Giftschnecke, Milli93, und Morgenstern
A/N: Dieses Kapitel bekommt eine Fußnote, da ich diesmal ausnahmsweise keine Reviews beantworten werde. Ich werde es aber das nächste Mal extra ausführlich tun, versprochen.
Eigentlich sollte das Kapitel an dieser Stelle noch nicht enden, aber es hat sich als sehr schwierig zu schreiben herausgestellt. Obwohl ich es geplant habe, bevor ich überhaupt die ersten Zeilen dieser Geschichte zu – virtuellem – Papier gebracht habe, sträubt es sich doch sehr, endgültig Gestalt anzunehmen. Das nächste Kapitel bringt uns zu einem Wendepunkt in dieser Geschichte, und ich weiß bereits, nicht alle von euch werden ihn mögen. Ich kann nicht versprechen, dass ich bald updaten werde, denn der Alltag nimmt mich doch im Moment mehr ein, als ich erwartet habe. Ich hoffe dennoch, dass die meisten von euch dabei bleiben werden, denn es gibt noch einiges zu erzählen, und dies ist noch lange nicht das Ende. Bis zum nächsten Mal
pilarius
