Disclaimer: I disclaim everything and claim nothing since claiming something would be disclaiming the superior claim of JKR, and I would never disclaim that.


Schatten der Wahl

25. Ausgespielt

Tigris erwachte mit rasenden Kopfschmerzen. Er lag auf etwas Hartem, auch wenn sich unter seinem Kopf ein Kissen befand. Als sich sein Geist langsam klärte, wurde er sich der Krämpfe bewusst, die seinen Körper durchliefen. Jeder seiner Muskeln spannte und entspannte sich mit einer eigenen Frequenz, was dazu führte, dass sein ganzer Körper von dumpfen Schmerzen erfüllt war. Er hätte unkontrolliert um sich geschlagen, hätte ihn nicht etwas unten gehalten. Tigris öffnete langsam die Augen. Metallbänder umschlossen seine Unterarme und banden ihn fest an den Steintisch, auf dem er lag. Er konnte es nicht sehen, aber er nahm an, das gleiche traf auf seine Beine zu. Er versuchte, sie mit Magie zu öffnen, aber es funktionierte nicht. Er stieß einen wütenden Schrei aus und bäumte sich in seinen Fesseln auf. „Diffindo!"

„Es wird nicht funktionieren.", sagte eine ruhige Stimme. „Wir haben deine Magie gedämpft." Snape trat in sein Blickfeld und sah selbstzufrieden auf ihn hinunter.

Tigris knurrte wütend. „Lass mich frei, oder ich schwöre dir, unser Lord wird seine Freude daran haben, deinen Tod in die Länge zu ziehen! Lass mich frei, und ich werde es schnell machen."

Snape verzog spöttisch den Mund. „So verführerisch dieses Angebot auch sein mag, ich muss ablehnen. Du hast uns mit deinem törichten Versuch, dich zu vergiften, leider keine Wahl gelassen. Nun bleibt uns nichts übrig als abzuwarten, ob du die Folgen deiner Torheit überlebst."

Tigris spürte, wie die Krämpfe stärker wurden und wand sich frustriert in seinen Fesseln. „Lass mich... Du hast doch keine Ahnung... DU hast es mir doch erst beigebracht!"

„Ich habe dir ganz bestimmt nicht beigebracht, Drogen zu missbrauchen bis du von ihnen abhängig bist und sie dein Denken beeinflussen.", antwortete Snape kühl. „Noch weniger habe ich dir beigebracht, mit gefährlichen Tränken herumzuspielen und sie zu dir zu nehmen, ohne zu wissen, was sie bewirken."

„Du verstehst es nicht.", stöhnte Tigris. „Gib mir nur einen Schluck, und alles ist wieder in Ordnung. Ich werde vergessen, was du getan hast. Bitte."

„Nichts kommt dadurch wieder in Ordnung, du dummes Kind!", rief Snape ärgerlich. „Ohnehin, es ist nicht möglich. Ich habe alles von dem Teufelszeug vernichtet, was ich finden konnte. Glaube mir, ich war sehr gründlich."

Tigris schrie wütend auf. Seine Wut wich jedoch schnell Panik, als der Schmerz und die Krämpfe weiter zunahmen. „Bitte...", flehte er. „Du kannst es neu brauen, Severus. Bitte."

„Selbst wenn ich genau wüsste, welche Modifikationen du an dem Rezept vorgenommen hast, würde ich es nicht tun.", sagte Severus kühl. „Du wirst hier bleiben, bis du es nicht länger benötigst. Ja, ich sehe es ist unangenehm. Daran hättest du vorher denken sollen. Du hast es schließlich gewusst."

„Fahr zu Hölle!", schrie Tigris. „Ich hoffe, der Dunkle Lord lässt jeden seiner Todesser seinen Spaß mit dir haben, bevor er dich umbringt. Ich werde jeden deiner Schreie genießen! Ich hoffe, sie brechen jeden deiner Knochen einzeln und verbrennen dich lebendig! Ich hoffe..."

Snape hörte seiner Tirade unbeeindruckt zu, eine Augenbraue spöttisch hochgezogen, während Tigris eine grässliche Todesart nach der anderen für ihn erfand. Es machte Tigris nur wütender und wütender.

Die Krämpfe erreichten schließlich seinen Kopf und er verschluckte sich fast, inmitten einer Verwünschung.

„Das reicht.", sagte eine zweite Stimme. „Severus hat nur getan, was das Beste für dich ist. Du wirst ihm noch dankbar sein, wenn das hier vorbei ist."

Sein Vater trat von der anderen Seite neben ihn und Tigris sah ungläubig zu ihm hoch. „Dankbar? Ich werde euch verfluchen, bis ihr..."

Sein Vater schob mit ein paar erstaunlich geschickten Handgriffen einen Knebel in seinen Mund und band ihn fest.

„Du kannst uns alles darüber erzählen, wenn du wieder bei Sinnen bist, mein Sohn." Er wechselte einen Blick mit Snape. „Wie lange noch?"

„Er hat diese Tränke über Wochen genommen, es kann dauern, bis die letzten Spuren verschwunden sind. Einige Stunden mindestens."

„Lass uns gehen. Wir wissen ja, dass er bleibt wo er ist."

Snape maß Tigris noch mit einem langen Blick, dann nickte er.

Tigris schrie, unbeachtet, als sie gingen.

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Tigris fühlte sich so schwach, wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Er war hungrig und durstig. Die Krämpfe hatten nachgelassen, nach einer schieren Ewigkeit. Es blieb ein dumpfer, alles umfassender Schmerz.

Tigris wusste, es war dumm gewesen, Mondschatten zu nehmen. Er brauchte Snape nicht, um ihm das zu sagen. Er hatte versucht, Snapes Abwandlung zu nachzumachen, die nicht abhängig machte, aber eine, deren Wirkung länger anhielt. Offensichtlich war er nicht erfolgreich gewesen. Er hatte nur eine Weile seinen Gefühlen entkommen wollen. Darin zumindest war er erfolgreich gewesen. Er hatte nichts außer Zorn gefühlt, während er den Trank nahm. Nichts von dem Mitgefühl, das ihn sonst so belastete. Dummerweise hatte er nicht darüber nachgedacht, welche Auswirkungen es noch haben mochte, wenn er seine Gefühle ausschaltete.

Er schloss die Augen. Ihm war übel, nicht nur vor Hunger. Er war nicht länger wütend auf seinen Vater und Severus. Sie hatten eine Menge riskiert. Es würde ihm noch immer leicht fallen, sie zu zerstören. Tigris fragte sich, was sie mit ihm vorhatten. Sie konnten ihn kaum als Gefangenen behalten. Früher oder später würde Voldemort nach ihm suchen. Vielleicht würde sein Vater versuchen, sein Gedächtnis zu löschen. Obliviate wirkte bei Tigris nicht, aber sein Vater kannte andere Zauber. Sie würden ihn dafür losbinden müssen – etwas an dem Tisch dämpfte offenkundig Magie – aber in seinem Zustand war er kein großartiger Gegner. Nicht, wenn er nicht vorhatte, sie umzubringen.

Tigris sah ruhig zu den beiden Männern hoch, als sie wieder kamen. Sein Vater löste den Knebel. „Bist du jetzt bereit, vernünftig mit uns zu reden?"

Sein Tonfall war anmaßend, aber Tigris wusste, dass es nichts bringen würde, mit ihm zu streiten. „Ja.", sagte er heiser.

„Gut." Sie lösten die Fesseln und halfen ihm auf.

Tigris war so schwach, dass er in die Knie brach, sobald er versuchte, zu stehen. „Wie lange?", krächzte er.

„Zwei Tage.", antwortete sein Vater.

Tigris erbleichte. „Unser Lord..."

„Ich habe ihn wissen lassen, dass du krank bist. Es hat ihm nicht gefallen, aber er hat es akzeptiert."

Tigris biss die Zähne zusammen. Wie sollte er weiter machen, ohne dass es Verdacht erregte? Er konnte nicht fortfahren, zu morden, wie er es in den letzten Wochen getan hatte. Der reine Gedanke rief Übelkeit in ihm wach.

Er versuchte erneut, aufzustehen, und schaffte es diesmal, schwankend.

„Danke.", sagte er, so ruhig wie er konnte. „Danke euch beiden. Ich war... irrational."

Die beiden Männer wechselten einen Blick. Tigris schaffte es bis zur Tür. Der Anblick des Ganges rief unangenehme Erinnerungen wach. Er stützte sich im Türrahmen ab und kämpfte einen Moment lang seine Gefühle nieder. Er wäre niemals freiwillig in diese Kerker gekommen, auch wenn sein Geist klar genug gewesen wäre. Gut, dass sie ihn bewusstlos geschlagen hatten, dachte er zynisch.

Tigris wankte langsam in Richtung Treppe, sich immer wieder an der Wand abstützend. Er musste jämmerlich aussehen. Die beiden genossen den Anblick wahrscheinlich, und er konnte es ihnen nicht wirklich verdenken. Er war abscheulich zu ihnen gewesen. Er konnte sich nicht einmal erinnern, wie oft er seinen Vater verflucht hatte. Bei Severus hatte er zumindest gewartet, bis er ihm einen Vorwand gab.

Er taumelte auf der Treppe und war überrascht, als die beiden plötzlich an seiner Seite waren, um ihn zu stützen. „Lass diesen Unsinn, dummer Junge.", sagte Severus mürrisch. „Du bist noch viel zu schwach."

Tigris öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Severus hatte schließlich Recht. Er ließ es widerwillig zu, dass die beiden ihm zu seinem Zimmer halfen. Es war noch immer kalt darin.

„Kümmere dich um deine Schlange, wenn sie aufwacht.", sagte sein Vater kühl. „Ich will nicht erleben, dass sie einen von uns angreift."

„Natürlich.", sagte Tigris, halb in Zustimmung, halb, weil er nun endlich begriff, warum es in seinem Zimmer so kalt war. Er hätte wissen sollen, dass in diesem Haus nichts ohne seines Vaters Zustimmung geschah.

„Hast du mich auf der Treppe stolpern lassen?", fragte er, plötzlich misstrauisch.

Sein Vater grinste flüchtig. „Das würdest du wohl gerne wissen, was? Möglicherweise."

Tigris erinnerte sich, dass er zu diesem Zeitpunkt ziemlich schlechte Laune gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte es sein Vater getan, um ihm aus dem Weg zu gehen.

Ein Teil von ihm wollte sich entschuldigen, aber er wusste nicht wie. Es würde seinem Vater und Severus das Gefühl geben, dass er ihnen etwas schuldete, und Tigris hatte nicht vor, ihnen die Oberhand zu geben. Dies war eine zeitweilige Schwäche. Er konnte vor sich selbst zugeben, dass er töricht gehandelt hatte, selbst, dass sie im Recht gewesen waren. Sie hatten genug eigennützige Gründe, ihn zu kurieren, aber ihr Handeln brachte den Verdacht auf, dass ihnen wirklich etwas an seinem Wohlergehen lag. Sie wissen zu lassen, dass er dankbar dafür war, wäre ein fataler Fehler gewesen.

„Ich werde über eure Insubordination hinwegsehen.", sagte er stattdessen. „Ihr habt mir letztendlich einen Gefallen erwiesen." Er erwärmte den Raum mit einer Handbewegung. „Es wäre unratsam, mich nochmals so anzugreifen. Wäre ich bei klarem Verstand gewesen, hätte dies sehr unangenehm für euch ausgehen können." Tigris gefiel es, zu denken, dass es nur an den Drogen gelegen hatte, dass sie ihn hatten überwältigen können. Insgeheim war er sich dessen jedoch nicht so sicher. Sie hatten es klug geplant.

Sarin kroch träge unter dem Bett hervor und er streichelte sie abwesend. Sie war sehr kalt, kein Wunder. Durch seine Körperwärme wurde sie langsam reger, und zischte ein paar müde Sätze der Empörung. Noch war sie allerdings zu langsam, um etwas zu tun.

Die beiden betrachteten ihn mit einer gewissen Antipathie. Ihnen musste bewusst sein, dass sie nun unterlegen waren. Sie würden es nicht wagen, ihn zu verfluchen, solange Sarin wach war, und sie würde nun wach bleiben. Dies hieß, dass sie seine Erinnerung nicht löschen konnten. Das musste ihnen jedoch bewusst gewesen sein, als sie ihn in sein Zimmer brachten. Vielleicht hatten sie mit mehr Dankbarkeit gerechnet. Was wollten sie mehr? Er hatte ihnen gesagt, dass ihr Handeln keine Folgen haben würde, und das war an sich bereits ein großes Zugeständnis. Der Dunkle Lord würde wissen wollen, was Tigris aufgehalten hatte. Tigris würde ihn ihretwegen anlügen müssen. Es wäre sehr viel einfacher gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen, und sie mit den Folgen leben zu lassen. Der Lord hätte es sicher lieber gesehen, wenn sie mit ihrem Problem zu ihm gekommen wären, als es auf eigene Faust zu lösen. Tigris schauderte ein wenig. Für Voldemort war es wahrscheinlich nicht einmal ein Problem. Er hätte es für eine fabelhafte Möglichkeit gehalten, Tigris zu kontrollieren. Es war gut, dass er nichts davon erfahren hatte.

Also gut, er war ihnen dankbar. Tigris rang mit sich. Er war es nicht länger gewöhnt, Menschen zu vertrauen, erst recht nicht diesen beiden. Er hatte Draco vertraut, und man sah ja, wozu das geführt hatte. Nein, er konnte sie nicht wissen lassen, was er wirklich fühlte. „Was steht ihr noch hier herum?", fragte er. „Ich bin müde, ihr könnt gehen."

Severus kämpfte sichtlich eine zornige Erwiderung nieder. Sein Vater hingegen hatte dazugelernt, sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Er packte lediglich den Arm des Tränkemeisters und schob ihn aus dem Raum. Tigris war sicher, er hörte Severus eine Beleidigung murmeln, bevor die Tür zufiel, aber er ignorierte es. Der Mann hatte schließlich Recht, wenn er ihn undankbar nannte, selbst wenn Tigris ihn das nicht wissen ließ.

Tigris lehnte sich müde ihn die Kissen zurück und wechselte ein paar Worte mit Sarin. Sie war ärgerlich auf ihn, was ihn überraschte. Es hatte ihr nicht gefallen, dass er sich selbst vergiftet hatte, aber er hatte nicht auf sie gehört. Tigris erinnerte sich vage an diese Unterhaltungen. Er hatte sie ignoriert, und sie hatte nicht viel tun können, als er ihr befohlen hatte, das Thema ruhen zu lassen.

Dies darf nicht wieder geschehen.", zischte sie. „Ich werde dafür sorgen."

Gut, tu das.", sagte er. Es konnte nur gut sein, oder? Er machte sich erst Sorgen darüber, zu was er ihr die Erlaubnis gegeben hatte, als sie ihn biss.

Keine Sorge, Meister.", zischte sie. „Ich werde auf Euch aufpassen." Sie klang fast hingebungsvoll.

Tigris lächelte müde. „Ich bin sicher, das wirst du." Wie es schien, rief er Loyalität in den eigenartigsten Formen hervor. Die Art, die dazu führte, dass er gebissen und bewusstlos geschlagen wurde – Draco hatte ihn auch einmal bewusstlos gehext, nicht wahr? Fein, so lange es am Ende alles gut ausging. Manchmal war es nicht schlecht, wenn andere Menschen - und Schlangen – für ihn mitdachten. Auch wenn ihm ihre Schlüsse nicht immer gefallen mochten. Das war das letzte, was Tigris dachte, bevor er in den Schlaf fiel.

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„Vielleicht solltest du mal mit deinem Freund reden."

Hermione begegnete dem Blick ihrer Mutter. Sie sah erschöpft aus. Wut brodelte in ihr. Wut auf den nutzlosen Parasit, der ihr altes Zimmer im zweiten Stock behauste. Hermione wusste, dass ihre Wut irrational war. Sie wusste, rein vom Verstand her, dass der Mann oben nicht wirklich Draco Malfoy war. Wie könnte er, wenn er sich an nicht das Geringste aus seinem früheren Leben erinnerte? Seltsam jedoch, wie er es ohne jede Erinnerung schaffte mit jeder Faser der arrogante, rassistische, verwöhnte Schnösel zu sein, den sie in ihrer Schulzeit mit Genuss geohrfeigt hatte! Hermione atmete tief durch und rief sich zur Ruhe. Sie musste vernünftig sein. Der Mann hatte ein Trauma hinter sich. Er brauchte Verständnis und keine Überreaktion aufgrund einer Vergangenheit, von der er nicht das Geringste wusste.

Hermiones Blick fiel erneut auf ihre Mutter. Weiß Gott, er verhielt sich nicht wie ein bemitleidenswerter Invalide. Ein wenig Amnesie hinderte ihn wohl kaum daran, etwas hilfsbereit zu sein. Wenn seine Erinnerung dazu ausreichte, Leute wie Dienstboten herumzuscheuchen, dann erinnerte er sich ja wohl auch an die simpelsten Gebote der Höflichkeit! Die Wut in ihr, die sie gerade ein wenig eingedämmt hatte stieg erneut und floss über. Sie nickte, ihren eigenen Worten nicht trauend, und stürmte zornbebend die Treppe hinauf.

Der Anblick, als sie die Tür aufriss, dämpfte ihren Zorn nicht besonders. Für einen reinblütigen Zauberer ohne den geringsten Schimmer von der Muggelwelt hatte es dieser erstaunlich schnell geschafft einige der ihr verhasstesten Eigenschaften der Muggelwelt anzunehmen.

„Kann ich einen Moment lang mit dir reden?", zischte sie, eine halb geleerte Pizzaschachtel zur Seite kickend. „Oder bist du beschäftigt?" Die Worte klangen bedeutend unfreundlicher, als sie es geplant hatte, aber das war ihr in diesem Moment egal.

„Geh zur Seite, du stehst mir im Bild.", kam die Antwort desinteressiert.

In dem Fernseher hinter ihr lief irgendeine vollkommen idiotische Talkshow. Allein die Stimmen der Teilnehmer gingen ihr bereits auf die Nerven. Sie drehte sich um und drückte den Ausschalter. „Ich hatte gesagt, ich will mit dir reden."

„Und ich hatte gesagt, ich wollte diese Show sehen. Was soll das? Mach das Gerät gefälligst wieder an!"

Hermione starrte den Mann auf dem Sofa an, und ihre Wut erreichte einen neuen Höhepunkt. Als sie sich umsah, fiel ihr Blick auf eine Reihe leerer Chipstüten, die Pizzaschachtel und einen Stapel ungewaschener Wäsche direkt neben dem Korb der Wäsche, die ihre Mutter gestern gewaschen hatte. Draco trug einen der Trainingsanzüge ihres Vaters. Er hatte es offenbar nicht für nötig gehalten, sich umzuziehen, als er aufgestanden war. Warum auch, laut ihrer Mutter war das erst um vier Uhr nachmittags gewesen. Er hatte natürlich auch keine eigene Kleidung, weil er sich bislang geweigert hatte, mit ihren Eltern einkaufen zu fahren. Stattdessen vergammelte er lieber in diesem Zimmer und trieb alle mit seinem Benehmen zur Verzweiflung.

„Macht es dir Spaß in diesem Saustall zu leben?", fauchte Hermione.

„Nein, aber ich hatte ja kaum eine Wahl, als du mich hierher gebracht hast."

Sie ballte die Fäuste.

„Ich meinte: Ist es dir jemals in den Sinn gekommen, hier aufzuräumen?"

„Nicht wirklich, aber ich werde dich nicht daran hindern, wenn du den Drang verspürst." Er machte eine ausholende Geste. „Bitte... Fühl dich frei anzufangen."

Sie ohrfeigte ihn. Es war in jeder Hinsicht so befreiend, wie das erste Mal, als sie es getan hatte.

Er rieb sich nachlässig das Kinn. „Autsch. Behandelt ihr Gäste immer so? Ich habe euch ja schon immer für barbarisch gehalten."

„Gäste?", rief sie schrill. „Wenn du dich wie ein Gast verhalten würdest vielleicht. Gäste verbringen nicht ihren Tag damit, die Gastfreundlichkeit ihrer Gastgeber auszunutzen indem sie sich verhalten wie Schweine."

Sie griff nach einer der Chipstüten und warf sie ihm ins Gesicht. Er hatte den Nerv sie zu fangen, bevor sie ihn traf.

„Wir waren geduldig und rücksichtsvoll und verständnisvoll, aber irgendwann ist es genug! Verstehst du, was ich sage? Ich habe genug von dir!"

„Ach ja? Und was willst du tun? Mich zurückschicken?"

Sie holte einmal tief Luft. Er wusste, dass sie das nicht tun würde. Es wäre gleichbedeutend damit, ihn umzubringen. Er mochte sich nicht erinnern, aber soviel wusste er. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie das nicht tun würde.

„Ist es das, was du willst?", fauchte sie. „Denn dann bist du verdammt sicher auf dem richtigen Weg dahin."

Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht." Er rührte in der Chipstüte, fischte ein paar zerbröselte Paprikaschips heraus und schob sie sich in den Mund.

Sie starrte ihn an. „Willst du damit sagen, dein Leben ist dir egal?"

Er starrte zurück, dann warf er plötzlich die Tüte quer durch den Raum. „Ja! Was wenn es das ist, hmm? Für was sollte ich wohl leben wollen? Für das hier?" Er sprang auf und versetzte der Couch einen wütenden Tritt.

Hermione wich erschrocken einen Schritt zurück. Sie hatte nicht erwartet, dass er so aggressiv reagieren würde. Er machte jedoch einen Schritt von ihr weg, so als versuche er sich zu beruhigen. Das überraschte sie, er hatte bislang keinerlei Rücksicht für irgendjemanden gezeigt.

„Vielleicht hättest du mich sterben lassen sollen, du verdammtes Wechselbalg!", zischte er. „Du und deine scheiß Freunde, ihr wolltet schon immer alle retten. Sieh dir an, was daraus geworden ist! Alles, was ihr erreicht habt, ist, die Feuer der Hölle höher zu schüren!"

„Was meinst du damit?", fragte sie nervös. Sie hatte plötzlich erneut Zweifel an seiner Amnesie. Er hätte sie genauso gut ein Schlammblut nennen können. Seine Worte waren ständig zweideutig, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass jedes davon wichtig war. Wie aber sollten sie das jemals herausfinden, wenn sie weder Legilimentik auf ihn anwenden noch ihm Veritaserum geben konnten?

„Was spielt es für eine Rolle, was ich meine?", zischte er. „Ich bin nichts als ein nutzloser Krüppel. Sieh dich doch an – du bereust bereits, was du getan hast. Na los, gib es doch zu! Es ist sicher kein unauswaschbarer Fleck auf deinem schneeweißen Gewand."

„Nein.", sagte sie, ihre Wut plötzlich aufgebraucht. „Ich bereue es nicht, dich gerettet zu haben."

Er lächelte zynisch. „Aber ich tue es."

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Tigris hörte gelangweilt den Berichten der niederrangigen Todesser zu. Fortschritte im Ministerium. Der Wizengamot hat eines unserer neuen Gesetze verabschiedet. Eine weitere wichtige Person unter Imperius. Eine andere getötet. Es war immer das Gleiche. Zuvor hatte er auf die Namen gehört, versucht zu verstehen was es bedeutete. Es bedeutete doch immer nur dasselbe. Voldemort gewann an Macht, und die Zaubererwelt war machtlos dagegen.

Er begann wieder zuzuhören, als Amycus Carrows erzählte, dass ein paar unbekannte Attentäter versucht hatten, ihn anzugreifen. Glücklicherweise waren Auroren in der Nähe gewesen. Die Auroren hielten die Unbekannten für Todesser, Amycus vermutete den Orden des Phönix. Tigris runzelte die Stirn. Das war ganz und gar nicht Dumbledores Art. Er wusste, der Lord dachte ebenso.

„Was denkst du darüber, Aqrab?", fragte der Lord.

„Seltsam."

„Seltsam? Ist das alles?"

Tigris musste sich zwingen, nicht mit den Schultern zu zucken. „Vielleicht sind ein paar der Phönixer unzufrieden mit Dumbledores Führungsstil."

„Adder?"

Tigris war plötzlich aufmerksam. Er hatte diesen Namen zuvor gehört, aber wo?

„Ich teile seine Meinung. Solch ein Bruch zeichnete sich schon seit längerer Zeit ab. Unsere kürzlichen Erfolge könnten der entscheidende Auslöser gewesen sein." Tigris kannte diese Stimme, auch wenn er nicht gewusst hatte, wer auf der anderen Seite des dunklen Lords stand. Wie hatte Severus es geschafft, dass seine Meinung plötzlich so gefragt war? Plötzlicher Zorn erfüllte ihn.

„Was also sollten wir dagegen tun? Aqrab?"

„Sie umbringen.", sagte Tigris gleichgültig. Es war immer das, was der Lord hören wollte. „Sie sind uns nur im Weg."

Der Lord sah zu Severus.

„Ich denke, wir sollten sie fürs Erste ignorieren, mein Lord."

Tigris sah überrascht auf. Severus musste wissen, dass er sich damit auf dünnes Eis begab.

„Bislang sehen die Auroren sie als Gegner an. Wenn herauskommt, dass sie zu Dumbledores Leuten gehören, kann das nur unserem Vorteil dienen. Es wird einen Keil zwischen die beiden Fraktionen treiben."

„Ein interessantes Argument. Aqrab, du bist anderer Meinung?"

Tigris dachte kurz nach. Zuvor hatte er das nicht getan, aber nun suchte er nach Argumenten für seine zuvor geäußerte Ansicht. „Er hat nicht Unrecht, aber ich halte es für den falschen Weg. Zum einen, sie greifen unsere Leute an. Wir sollten das nicht unbestraft lassen, damit geben wir uns eine Blöße. Wichtiger noch, was, wenn sie verhaftet werden? Wird das nicht die Frage aufbringen, wie sie ihre Ziele ausgewählt haben? Dumbledore hat sein Wissen bisher nie an die Presse weitergegeben, was uns zum Vorteil gedient hat. Diese Leute werden mit Sicherheit reden. Es wird eine Menge ungewollter Aufmerksamkeit auf Leute lenken, die bisher über jeden Verdacht erhaben waren. Es könnte unseren politischen Ambitionen schweren Schaden zufügen."

Der Lord lächelte. „Aber das werden sie ohnehin, nicht wahr? Sie werden der Presse Informationen zuspielen. Fakt ist, das haben sie bereits getan. Es spielt keine Rolle. Die Presse gehört uns. Xenophilius Lovegood ist nichts als eine lästige Ratte, derer wir uns bald entledigen werden. Nein, ich denke Adder hat Recht. Dumbledore ist unser wirkliches Problem. Bevor Dumbledore nicht beseitigt ist, werden wir niemals erreichen was wir anstreben. Wie es aussieht verliert er die Kontrolle über seine Leute. Gut. Er wird es noch bereuen, ihnen freie Hand gelassen zu haben."

Tigris war nicht der einzige, dem auffiel, dass der Lord an das Wohl seiner Todesser keinen einzigen Gedanken verschwendete.

Wenig später löste sich die Versammlung auf. Der Lord winkte Tigris, nachdem die anderen gegangen waren, und sie apparierten zum Hauptquartier.

Sobald sie dort waren, zog der Lord Tigris an sich und vergrub eine Hand in seinen Haaren. „Ärgere dich nicht, Aqrabi.", sagte er mit fast liebevollen Amüsement. „Es gibt noch mehr als genug Muggelfreunde, die du umbringen kannst."

„Ich stelle Eure Entscheidung nicht in Frage, mein Lord.", erwiderte Tigris.

„Oh, aber das tust du."

Während sie sich unterhielten hatten sie das Schlafzimmer erreicht und der Lord öffnete Tigris' Robe mit einer Handbewegung und schob sie über seine Schultern. „Es spielt keine Rolle." Er strich über die verblassten Striemen auf Tigris' Brust. „Ich werde es genießen, dich dafür zu bestrafen."

Tigris war selbst davon überrascht, dass er die Berührung nicht länger abstoßend fand. Wenn er nun auf Voldemorts Hand sah, sah und fühlte er nicht länger die kalte Berührung spinnengleicher Finger, sondern er sah die dunkle Energie der Macht, die sie durchfloss. Es war nicht länger schwierig, ihm zu geben, was er wollte. Tigris brauchte sich nicht mit einem Zauber wegzuträumen. Er wollte es auch nicht. Nun streckte er die Hände aus, um Voldemort aus seiner Robe zu helfen.

Was tat er da eigentlich? Spielte es eine Rolle? Jeden Tag gewann Voldemort an Macht, und Tigris konnte nichts dagegen tun. Warum sollte er noch länger dagegen ankämpfen? Was war er der Zaubererwelt denn schuldig? Nichts. Natürlich hielt Tigris diese Gedanken vor Voldemort verborgen. Das war nicht mehr besonders schwierig. Tigris mochte nichts über das Geheimnis von Voldemorts Unsterblichkeit erfahren haben, aber sein Einfluss auf den Magier war größer als jemals zuvor. Ein Stich durchfuhr ihn, als er an Snape dachte und einen Augenblick lang war er abgelenkt. Er würde sich seine Position nicht streitig machen lassen. Ganz bestimmt nicht von Snape.

Voldemort lachte leise. „Lass meinen Alchemist leben, Aqrabi. Ich brauche ihn noch. Sei versichert, er ist dir keine Konkurrenz."

Er drückte Tigris unter sich auf das Bett. „Niemand ist das, und niemand wird es je sein. Du gehörst mir. Für alle Ewigkeit."

Tigris starrte in die roten Augen und fröstelte. Wenn Voldemort wüsste, dass er diese Worte verstanden hatte... Unfassbar, dass er sie überhaupt gesagt hatte, selbst in Parsel!

Voldemorts Nägel gruben sich plötzlich als Krallen in seine Brust und Tigris keuchte überrascht auf. „Ohnehin, er könnte nie so schön schreien wie du. Komm, schrei für mich." Als die Hand über seine Brust fuhr tat Tigris das.

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Severus zögerte, als er einen Knall hörte. Er hatte geahnt, dass es Probleme gegeben würde, als Rabastan Lestrange sich zum Besuch anmeldete. Er hatte nur nicht gedacht, dass diese Probleme das Haus zum Einsturz bringen würden. Der herabfallende Verputz und die hysterischen Hauselfen sprachen eine andere Sprache. Wie es schien, hatten die beiden Idioten beschlossen, sich im Salon zu duellieren. Lucius und Narcissa würden entzückt sein, wenn sie zurückkehrten.

Es war kein Duell, wie sich herausstellte, als er den Raum betrat. Es war Tigris, der ein Ventil für seinen Frust gefunden hatte. Severus schüttelte den Kopf. Er hatte Rabastan immer für einen intelligenten Mann gehalten. Wie man sich täuschen kann.

„Lass ihn am Leben, Tigris.", sagte er ruhig. Severus wusste, dass er riskierte, mit Rabastan den Platz zu tauschen, aber er war sich seiner selbst inzwischen recht sicher. „Unser Lord wird nicht glücklich darüber sein, ihn zu verlieren."

Tigris sah auf und einen Moment lang glaubte Severus, grüne Augen gesehen zu haben. Im nächsten jedoch tat er es als eine Täuschung ab. Der grauhaarige Mann drehte seinen Stab einen Augenblick unentschlossen zwischen den Fingern, ließ ihn aber schließlich sinken. Es war eine nervige Angewohnheit. Eines Tages würde mal jemand clever genug sein, es als eine Schwäche zu erkennen, und diesen Moment dazu benutzen, Tigris zu entwaffnen. „Du hast nicht das geringste Recht, mir zu sagen, was ich tun soll. Ich hoffe, du erinnerst dich beim nächsten Mal daran.", sagte Tigris kühl zu dem am Boden liegenden Mann. Er warf Severus Rabastans Stab zu. „Schmeiß ihn raus, bevor ich meine Meinung ändere."

Severus zögerte nicht, bevor er den Befehl befolgte, auch wenn ihm eine sarkastische Entgegnung auf der Zunge lag. Rabastan war einer der besten Duellanten in ihren Reihen. Er selbst hätte ihn vielleicht schlagen können, mit ein paar Tricks und dem Gebrauch Zaubertränken, wenn Rabastan es nicht erwartete. Bellatrix mochte es in einem fairen Duell gelingen, mit ein paar Schwierigkeiten. Tigris jedoch hatte nicht einmal einen Kratzer davon getragen.

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Tigris ging unruhig auf und ab, als Severus zurückkam. Die Intervention des Mannes ärgerte ihn, aber er sah auch ein, dass sie notwendig gewesen war. Er war kurz davor gewesen, Rabastan umzubringen. Das hätte sich schlecht erklären lassen, auch wenn Voldemort ihn damit davonkommen lassen würde. Er hasste die Unruhe, die in letzter Zeit in ihm brodelte. Sie machte ihn unkonzentriert, fahrlässig.

Tigris vermisste Draco. Draco hatte mehr über ihn gewusst, als irgendjemand sonst. Tigris hatte das immer gehasst. Er hatte immer gedacht, dass es ein Risiko war. Er hatte sich dieses Risikos entledigt, doch um den Preis der einzigen Person, mit der er unzensiert reden konnte. Draco hatte ihm wenigstens immer die Wahrheit gesagt, und er hatte genug gewusst, um zu wissen, wovon er redete. Nun war Tigris wirklich völlig auf sich gestellt, und egal wie sehr er das zuvor gewollt hatte, er musste sich eingestehen, dass es ihm nicht gefiel.

Tigris rang mit sich. Er hatte Draco vertraut. Zum einen, weil er sein Bruder war. Zum anderen aber auch, weil sie sich gegenseitig nicht ausschließen konnten. Er hatte ihm einfach vertrauen müssen, denn Draco war der einzige gewesen, der fähig war, ihn vollkommen zu verraten. Er hatte ihm zu Unrecht vertraut, Draco hatte ihn verraten. Aber er hatte es überlebt! Wenn er einen Verrat wie diesen siegreich überstand, würde er nicht auch fähig sein, jeden anderen zu überleben? Niemand konnte ihn jemals erneut so verraten, wie Draco es getan hatte.

Draco war Tigris' Anker gewesen. Ohne Draco hatte er keinen Halt, keine Bodenhaftung. Er traf törichte Entscheidungen und verlor den Blick für das, was notwendig war. Den Blick auf sein Ziel. Es konnte nicht so weiter gehen.

Tigris atmete tief durch. Er wusste nicht, ob das was er tat richtig war. In letzter Zeit war er sich mit sehr vielen Dingen nicht mehr sicher. Er ging ein Risiko ein, diesmal ohne Sicherheitsnetz und doppelten Boden. Aber Tigris war eines klar geworden – er musste es tun. Er musste jemandem vertrauen. Er konnte dies nicht völlig allein tun. Er war sich nicht sicher, ob er sich für den Richtigen entschieden hatte. Vielleicht beging er einen fatalen Fehler, vielleicht nagelte er sich seinen eigenen Sarg. Er konnte es nicht wissen. Wenn er es bei Draco nicht vorhergesehen hatte, dann konnte er es bei niemandem wissen. Der Gryffindor jedoch, der in ihm noch übrig war, war willens, das Risiko einzugehen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich, dann drehte er sich um und sah Severus an, der gerade eingetreten war.

Der Tränkemeister sah sich im Raum um. „Deine Eltern werden sehr überrascht sein, wenn sie ihren Salon das nächste Mal betreten."

Tigris folgte seinem Blick. Irgendwann während er Rabastan verfluchte hatte er die grandiose Idee gehabt, ihn dabei durch den Raum zu schleudern und als lebende Tontaube zu benutzen. Die Konsequenz daraus ließ sich in einer Spur zerbrochener Möbel, versengter Wände und zerstörter Portraits bewundern.

„Ja wahrscheinlich.", sagte er trocken. Er musterte Severus nachdenklich. „Sag mir, Severus, auf welcher Seite bist du wirklich?"

„Du weißt doch, auf welcher Seite ich bin.", antwortete der Mann ruhig. „Du hast mehr als genug getan, sicherzustellen, dass ich dem Dunklen Lord loyal diene."

„Habe ich das?", sagte Tigris nachdenklich. „Vielleicht habe ich das. Manchmal tut man Dinge, und dann wiederum unterlässt man Dinge, und erst am Ende wird einem klar, dass die Dinge die man getan hat besser die Dinge gewesen wären, die man unterlassen hat."

Severus verriet durch nichts in seinem Blick oder in seiner Haltung, ob ihm diese Worte etwas sagten. Tigris hatte das auch nicht erwartet. Vor ein paar Wochen noch hätte er es erwartet. Er war grandios dumm gewesen. Aber Severus hatte einen Fehler begangen. Der Mann für den Tigris ihn gehalten hatte, hätte Lucius niemals geholfen, Tigris von Mondschatten los zu bekommen. Er wäre zu feige gewesen, und zu opportunistisch. Mit diesem einen Akt hatte Severus Tigris in seine Karten blicken lassen. Hatte er es mit Absicht getan? Tigris war nicht sicher. Vielleicht war Severus das Spiel müde. Oder vielleicht wollte er Tigris zum nächsten Zug herausfordern. Severus war immer der bessere Schachspieler gewesen, aber Tigris hatte von ihm gelernt.

„Spielt Albus eigentlich noch immer Schach?"

Severus war einen Moment lang überrumpelt von dem Themenwechsel. War er das wirklich? Vielleicht erschien es auch nur so. Tigris hatte beschlossen, zunächst nichts auf den ersten Blick für bare Münze zu nehmen. „Vermutlich. Dumbledore war immer ein Spieler."

„Hast du jemals gegen ihn gewonnen?"

„Was lässt dich denken, wir haben gegeneinander gespielt?"

Tigris sagte nichts und sah Severus nur erwartungsvoll an. „Nein.", sagte der Tränkmeister schließlich. „Kein einziges Mal."

„Hättest du gewinnen können, wenn du gewollt hättest?"

Severus' Augen verengten sich etwas, und Tigris wandte ihm den Rücken zu, bevor er seinen Stab ziehen konnte. Wenn Severus seinen Stab gegen ihn zog – und er hatte allen Grund dazu – dann wäre diese Unterhaltung beendet, bevor sie begonnen hatte.

„Du hast Recht.", sagte Tigris. „Wir können diesen Raum nicht in diesem Zustand lassen." Als er sich wieder umdrehte, hatte Severus sich ein wenig entspannt.

Tigris winkte mit der Hand. „Reparo."

Severus' Augen weiteten sich und er wurde bleich, während hinter Tigris die Möbel sich wieder zusammenfügten, die Wände ihre alte Farbe wieder gewannen, und alles andere was zerstört gewesen war erneut so aussah, als wäre nie etwas geschehen. Während Tigris die Hand sinken ließ verschloss sich die Tür und Schutzzauber erwachten um sie herum zum Leben. Tigris hatte inzwischen in Slytherins Bibliothek über Alchemisten nachgelesen. Er wusste, dass Severus, auf der fünften Stufe, spüren musste, was er getan hatte. Alchemisten auf dieser Stufe konnten Auren lesen. Nicht in derselben Weise wie Tigris oder Voldemort dazu fähig waren, oder wie Slytherin es getan hatte. Tigris war sich selbst nicht genau sicher, was sie sahen. Er wusste jedoch, es hieß, dass Severus immer gewusst hatte, dass Tigris etwas verbarg. Von Anfang an. Wäre Slytherins Geliebte nicht Alchemistin gewesen, Tigris hätte niemals davon erfahren.

„Wie wäre es, wenn ich dich noch einmal frage – und diesmal hätte ich gerne eine ehrliche Antwort – auf welcher Seite bist du, Severus?"

Severus trat einen Schritt zurück und schwieg. Er hatte seinen Stab bislang nicht gezogen. Tigris konnte sich denken, worüber er nachdachte. Severus wusste, dass Voldemort nicht über die Zauberkräfte Bescheid wissen konnte, die Tigris gerade gezeigt hatte. Er wusste auch, dass er in einem Duell chancenlos gegen ihn war.

„Ich könnte auch deine Gedanken durchforsten, um das herauszufinden.", philosophierte Tigris. „Ist es nicht seltsam, dass ich mich nach dem ersten Mal nie mehr wirklich mit deiner Loyalität beschäftigt habe? Es wurde mir erst sehr viel später klar. Ich habe viele interessante Dinge herausgefunden – über deine Kindheit, über meinen Vater, über seinen Vater. Allerdings - es wurde mir erst vor kurzem bewusst – ich habe niemals wirklich irgendetwas über deine Loyalität herausgefunden. Ich habe es einfach vergessen. Wirklich seltsam, nicht wahr?" Tigris grinste schief, selbstironisch. „Ich war ein wirklich dummer, arroganter Junge, nicht wahr?"

Ihre Blicke trafen sich.

Severus verzog den Mund und verschränkte die Hände auf dem Rücken. Es schien eine harmlose Geste zu sein, aber Tatsache war, Tigris konnte so seine Hände nicht mehr sehen. „Offensichtlich bist du kein Junge mehr."

Tigris lachte. „Aber arrogant? Und dumm vielleicht auch?" Er machte einen Schritt zurück. „Ich will deine Gedanken nicht lesen, Severus. Ich will, dass du mir die Wahrheit sagst." Er lauschte einen Moment. „Es ist besser für uns beide, wenn du diesen Trank nicht benutzt. Die Hände wieder nach vorne, komm schon. Ich will nicht herausfinden, ob du mich wirklich damit verletzen kannst."

Severus hob die Hände, diesmal mit einem Hauch von Furcht. Sarin schoss neben ihm in die Höhe und schnappte sich das Fläschchen, das er in der Hand hielt. Sie kroch zu Tigris, das Fläschchen im Maul. Tigris nahm es und stellte es beiseite. „Gut gemacht." Tigris wusste, dass dies diese simplen Worte zu Sarin die Gedächtniszauber brechen würden, unter denen der Tränkemeister stand. Er würde sich nun erinnern, dass er Tigris damals nicht das Leben gerettet hatte. Damit war der Grund, den Tigris ihm für seine Entscheidung ihn nicht auszuliefern genannt hatte, hinfällig.

Der Tränkemeister runzelte die Stirn. Tigris wusste, er hatte ihm gerade ein ziemliches Puzzle gegeben. Man konnte nie wissen, Severus mochte zwei und zwei zusammenzählen, um fünf herauszubekommen. Es gab nicht sehr viele Parselmünder auf der Welt.

Schließlich schien Severus zu einer Entscheidung zu kommen. „Ich war nie auf irgendeiner Seite, außer auf meiner eigenen.", sagte er. „Ich habe immer beiden Seiten die Informationen gegeben, die ich für richtig hielt. Nicht mehr, und nicht weniger."

„Hast du Dumbledore geholfen, an Draco heranzukommen?", fragte Tigris. Er musste das wissen. Auch wenn es sehr wahrscheinlich war, er würde Severus niemals vertrauen können, wenn er eine Rolle bei Dracos Verrat gespielt hatte.

„Nein." Snape sah ihn geradeheraus an. „Hast du den Eid vergessen, den du mich hast schwören lassen? Ich konnte ihn nicht völlig umgehen. Diene unserer Seite, hast du gesagt. Deine Seite war niemals die Seite des Dunklen Lords. Ich konnte ihn verraten, soviel ich wollte, aber ich konnte niemals dich oder Draco verraten, egal an wen."

Tigris dachte an den Tag zurück und ihm wurde klar, dass Severus die Wahrheit sagte. Er lachte. „Merlin, was war ich für ein Idiot! Das hätte mir schon von Anfang an klar sein müssen. Du musst mich furchtbar amüsant gefunden haben."

„Manchmal.", sagte Severus trocken. „Wenn du mich dafür verflucht hast, dass ich versucht habe, dir zu helfen, weniger."

„Ja, das kann ich mir vorstellen." Tigris wurde ernst. Er erinnerte sich an den Tag, an dem er Severus gebeten hatte, ihn zu kritisieren wenn er Fehler beging, und Severus geantwortet hatte, dass er nur dafür verflucht werden würde. Severus hatte es dennoch getan, nicht wahr? Tigris war im Gegenzug genauso arrogant und grausam gewesen, wie Severus es vorhergesagt hatte. Wie konnte er ihm versprechen, dass sich das ändern würde? Er konnte es nicht. „Ich begehe meine Fehler wieder und wieder, auch wenn ich mir das Gegenteil vornehme.", sprach er seine Gedanken laut aus.

„Warum hast du mich nicht ausgeliefert?", fragte Severus.

Tigris lächelte schief. „Weil ich nie auf irgendeiner Seite war, außer auf meiner eigenen.", sagte er. „Und weil du die Wahrheit gesagt hast."

„Welche Wahrheit?", fragte Severus. „Die Tatsache, dass der Dunkle Lord geisteskrank ist? Oder die, dass seine Gefolgsleute es auch sind?"

„Beides.", sagte Tigris ruhig.

„Du nennst dich also selbst geisteskrank?"

„Du weißt die Antwort darauf doch besser, als ich selbst!", sagte Tigris ärgerlich. „Ich habe mit Magie gespielt, die du dir nicht einmal vorstellen kannst. In meinem Kopf sind Erinnerungen von vier verschiedenen Leben und zwei verschiedenen Spezies. Ich bin so geistig gesund, wie es mir möglich ist, nehme ich an." Tigris war sich nicht sicher, ob er zuviel gesagt hatte. Er streichelte Sarin um sich zu beruhigen.

Severus betrachtete ihn und seine Schlange nachdenklich.

Ich mag ihn nicht.", sagte Sarin. „Er hat versucht, mein Gift zu stehlen. Töte ihn?" Tigris lachte. Sarin trug mit Sicherheit nicht immer zu seiner geistigen Gesundheit bei. „Wenn ich dich bitten würde, mich umzubringen, würdest du es tun?", fragte er.

„Könnte ich es tun?", fragte Severus zurück.

„Ich weiß es nicht.", sagte Tigris ehrlich.

„Nicht jetzt. Du hast vorher noch eine Aufgabe zu erfüllen. Vorausgesetzt du willst das noch."

Tigris lächelte schief. „Du weißt es also."

„Ich habe es vermutet." Severus betrachtete ihn nachdenklich. „Als du das erste Mal nach Hogwarts kamst – du, Tigris, meine ich damit – folgte dir ein Hirsch. Mit der Zeit verschwand er und ein Drachen trat an seine Stelle. Wenn ich dich nun ansehe, sehe ich nichts außer Dunkelheit."

Tigris sah ihn schockiert an. Er schluckte ein paar Mal. Sarin zischte protestierend. „Also hast du es von Beginn an gewusst.", brachte er hervor.

„Nein. Hirsche sind häufige Seelenbegleiter hier in Europa. Ungewöhnlich für einen Malfoy vielleicht, aber ich wusste ja, dass du unter Muggeln aufgewachsen bist. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Erst als ich dich Parsel sprechen hörte, aber das hast du mich ja vergessen lassen."

Tigris schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Anscheinend würde er nun keinen Patronus mehr zustande bringen. Er ballte kurz die Fäuste und entspannte sie wieder.

„Wenn ich ihn besiege, bin ich vielleicht wirklich unsterblich.", sagte er dann. „Hältst du das für eine gute Zukunft für diese Welt?"

„Ich weiß es nicht.", sagte Severus. „Aber ich kenne die Alternative."

„Also wirst du mich nicht verraten."

Severus lachte heiser. „Habe ich dir nicht bereits gesagt, dass ich dich nicht verraten kann? Die Frage, die du wirklich beantwortet haben willst, ist doch, ob ich auf deiner Seite bin. Ich weiß nicht. Du hast mir meine Frage bislang nicht beantwortet. Willst du dein Schicksal erfüllen, Harry Potter?"

Tigris schloss die Augen und kämpfte die Wut nieder, die in ihm aufgelodert war. Er hasste diesen Namen. „Ich bin nicht er.", brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor. „Doch ja, wenn das bislang noch nicht offensichtlich ist. Ich will Voldemorts Untergang. Ich will ihn umbringen. Seit Jahren schon."

„Gut.", sagte Severus, plötzlich lächelnd. Es stand ihm nicht. Es verwandelte sein Gesicht in etwas Fremdartiges, und ließ Tigris sich fragen, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Bevor er seinen Zweifeln nachgehen konnte, redete Severus weiter.

„Ich werde dich, der du hier vor mir stehst, Tigris Malfoy, Harry Potter, in keiner Art und Weise verraten solange der Dunkle Lord Voldemort, Tom Riddle, existiert. Das schwöre ich, Severus Snape, bei meinem Leben und meiner Zauberkraft." Severus streckte die Hand aus, und sein Zauberstab erschien wie aus dem Nichts darin. Er drehte sich genau einmal im Kreis und verharrte dann über seiner Handfläche. Severus schloss die Hand darum. „Ich werde dir helfen, wenn ich es für richtig halte. Das muss genügen."

„Ich weiß nun, dass es so aussehen muss, wenn jemand einen ehrlichen Eid schwört.", sagte Tigris. „Es genügt. Ich bin überrascht."

„Ich wollte es so.", sagte Severus ruhig. „Erzähl mir nicht, dass ich diesen Raum sonst lebend verlassen hätte."

„Ist das dein einziger Grund?" Tigris stritt es nicht ab. Severus hatte schließlich Recht. Er hätte ihn ohne zu Zögern getötet, wenn er Zweifel gehabt hätte.

„Nein."

„Gut." Tigris fragte nicht nach Severus' Gründen. Sie mochten so simpel sein wie eine Bitte Dumbledores, ihn im Auge zu behalten, oder viel komplexer, als er sich vorstellen konnte. Er wollte es nicht wissen. Stattdessen deutete er zu Severus' Stab. „Wie hast du das gemacht? Ich habe ihn vorher nicht gesehen. Ich dachte immer, man kann Zauberstäbe nicht alleine apparieren."

Severus grinste amüsiert. „Ich bin ein Zauberer. Ich kenne ein paar Tricks."

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Draco lag auf dem Rücken und starrte an die weiße Decke des kleinen Raumes. Mit den Fingern seiner rechten Hand fuhr er über seinen linken Unterarm, wo wulstige rote Narben unauslöschbar das Wort ‚Verräter' formten. Inzwischen kam ihm alles so sinnlos vor. Er war sich absolut sicher gewesen, das richtige zu tun, als er zu Dumbledore ging. Er war sich dessen noch immer sicher, wenn er ehrlich war. Nur alles danach war so sinnlos. Was sollte er hier? Er war nur eine Last für seine Gastgeber, und er war sich sicher, dass sie ihn insgeheim verabscheuten. Wie könnten sie nicht? Er verabscheute sich ja selbst.

Seine Finger gruben sich in seinen Arm. Er war immer so müde in letzter Zeit. Es fiel ihm schwer überhaupt aufzustehen, und wenn er es tat betäubte er seine Gedanken indem er in den Fernseher starrte, obwohl er das Gerät und seine dämlichen Programme eigentlich hasste. Er hatte keinen Appetit, und er sah keinen Sinn darin, etwas anderes zu tun. Was konnte er schon tun? Er war nutzlos, hilflos wie ein Baby. Es wäre besser für alle gewesen, wenn sie ihn hätten sterben lassen.

Draco schloss die Augen, angewidert von seinem Selbstmitleid. Er verabscheute die Muggel. Er verabscheute Granger. Er verabscheute alles um ihn herum. Am meisten jedoch verabscheute er sich selbst dafür, wie er sich gehen ließ. Plötzlich konnte er den Zustand des Raumes nicht mehr ertragen, und er rollte sich aus dem Bett und sah sich um. Ärger und Abscheu erfüllten ihn. Sein Vater hätte ihn blutig gepeitscht, wenn er ihn sehen könnte. Was spielte es für eine Rolle, dass er ihn nie wieder sehen würde? Erneut die Augen schließend und die Fäuste geballt wünschte sich Draco den Schmerz fast herbei. Schmerz hatte zumindest Substanz, er war nicht so gedämpft und surreal wie alles andere, was er in letzter Zeit empfand.

Ärgerlich trat er aus dem Raum, unbeachtet der Tatsache, dass es mitten in der Nacht war. Er hatte Putzzeug im Badezimmer gesehen, und nun suchte er danach und fand es schließlich in einem der Schränke. Als er in sein Zimmer zurück kam stopfte er zuerst allen Müll in einen der Plastiksäcke, den die Muggel dafür benutzten, dann die dreckige Wäsche in den Korb, den Grangers Mutter vor Tagen dafür hingestellt hatte. Anschließend ging er in die Knie, um dem Boden zu schrubben. Er hatte auch einen Schrubber mit Stiel in dem Schrank gesehen, aber er wollte es auf diese Weise tun. Draco wollte fühlen, was er tat, in jeder Faser seines Körpers. Er hatte das Gefühl, dass der ganze Raum mit einem Dreckfilm überzogen war. Das Wasser war zu heiß, aber das kümmerte ihn nicht. Im Gegenteil, er begrüßte das Brennen auf seiner Haut. Es ließ ihn sich lebendig fühlen, mehr als ein wandelnder Toter.

Der Schmerz in seiner Brust ballte sich zusammen und trieb ihm die Tränen in die Augen. Draco presste die Lippen zusammen, wütend auf seine Schwäche. Er krallte die Hände um die Scheuerbürste und schrubbte härter, aber dennoch entkam ihm ein Schluchzen, bahnte sich seinen Weg egal wie sehr er es hasste, wie sehr es ihm widerstrebte. „Schwach, erbärmlich, wertlos...", zischte er bitter, zitternd von der Anstrengung, seine Gefühle im Zaum zu halten. Schließlich gelang es ihm nicht länger und er rollte sich mit einem heiseren Aufschrei auf dem nassen Boden zusammen und weinte um das Leben, das er verloren hatte.

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Severus Snape lehnte sich zitternd gegen die Wand, als die Tür zu seinem Haus sich geschlossen hatte und die Schutzzauber sich erhoben hatten und ihn mit einem Kokon der Sicherheit umgaben. Ein trügerischer Kokon. Severus hasste es, verwundbar zu sein. Heute hatte er das Spiel beinahe verloren. Es gefiel ihm nicht, dass er so viel hatte preisgeben müssen, zuviel. Seine Geheimnisse in den falschen Händen waren ein sicherer Dolch in seinem Rücken, wenn er es am wenigsten erwartete. Diese Hände waren so falsch, wie sie es nur sein konnten.

Severus war nicht jemand, der sich im gleißenden Licht wohl fühlte, der seinem Gegner Angesicht zu Angesicht gegenübertrat. Er formte lieber Umstände, wie es ihm gefiel, und ließ sie seine Arbeit für ihn tun.

Er füllte sich mit bebenden Fingern ein Glas Absinth und schluckte es herunter, nach Atem ringend, als er in seiner Kehle brannte. Seth, mit welcher Leidenschaft er Harry Potter verabscheut hatte. Er wollte nicht sagen, gehasst. Sein Hass war für nur wenige Menschen reserviert, der Dunkle Lord einer von ihnen. Hass war kalt, und führte zu Jahren und Jahrzehnten der Intrigen und Ränke, an deren Ende schließlich Genugtuung stand. James Potter hatte er gehasst – und ja, er hatte seinen Tod genossen wie einen auserlesenen Wein. Tat es noch immer, in Erinnerung. Sirius Black hatte er gehasst, und wie süß war es gewesen ihn von all den Jahren in Askaban gezeichnet zu sehen! Dumbledore hatte ihn nie gefragt, ob er von Peter Pettigrew gewusst hatte. Peter, dessen Name unter den Todessern als der Name eines Verräters wohlbekannt war, nachdem der Dunkle Lord fiel. Nicht genug Beweis jedoch um einen Hund zu retten, also warum hätte er etwas sagen sollten? Einen halb wahnsinnigen und leicht provozierbaren Hund, der nur zu leicht sprang, wenn man ihm einen Knochen hinwarf. Selbst in seinen Tod. Severus lachte heiser.

Nein, sein Abscheu für Harry Potter war heiß und brennend gewesen. Er hatte ihn dazu gebracht, sich zu vergessen, mehr als einmal. Harry Potter, mit den grünen Augen der einzigen Frau, deren Tod er jemals wirklich bereut hatte. Der einzigen Person, der er jemals vertraut hatte, die er als einen Freund gesehen hatte, nur um sich nachher einen Narr dafür zu schelten. Sie hatte ihn schließlich verraten, nicht wahr? Es spielte keine Rolle, dass er sie zuerst verraten hatte. Das Schlammblut Evans. Seine ‚Kameraden' würden niemals verstehen, was er für sie empfunden hatte. Er hatte andere Menschen geliebt, er hatte ihnen seine Loyalität gegeben, aber ihr, ihr hatte er vertraut. Jedes Mal, wenn er in Harry Potters Augen sah, wurde er an ihren Verrat erinnert. An ihren Tod, den er so bitterlich bereut hatte, als es zu spät war. An ihren Ehemann, den er noch immer hasste, selbst im Tode. Seine Rache, die schal geworden war, weil sie auch gestoben war.

Welche Ironie, das alles war für nichts gewesen. Harry Potter war lange tot. An seiner Stelle lebte ein Junge, der seinen Abscheu weit mehr verdiente, nun zumindest. Aber Severus verabscheute ihn nicht. Tigris Malfoy beunruhigte ihn. Er beunruhigte ihn und faszinierte ihn zugleich, wie ein gefährlicher, aber mächtiger Zaubertrank, der in jeder Sekunde hochgehen konnte, wenn man einen falschen Handgriff tat. Severus kippte einen weiteren Schluck Absinth hinunter.

Es war eine Erleuchtung gewesen, der Moment, in dem all die Puzzleteile, die so lange an ihm genagt hatten, endlich Sinn ergaben. Er hatte immer gewusst, dass etwas mit Tigris Malfoy nicht stimmte. Zu viele Zufälle, zu viele Sackgassen. Wie fand ein normaler Junge Slytherins Kammer? Wie öffnete er Türen, die selbst Zauberern wie Dumbledore verschlossen blieben? Wie kam es, dass Menschen wie jene Kollegin von Severus, die Ginevras besucht hatte, plötzlich von ihm redeten, als hätten sie ihn ein Leben lang gekannt, wenn sie ihn vorher nie erwähnt hatten? Seltsam auch, wie viele alte Schüler von Ginevras in letzter Zeit eines unerwarteten Todes gestorben waren. Wie wurde Tigris von einem Jahr zum nächsten von einem unfähigen Brauer zu jemandem, der einen Trank zu Stande brachte, den selbst ein Alchemist wie Severus nach Monaten der Forschung noch immer nicht wirklich verstand?

Vier Leben, hatte Tigris gesagt. Zwei kannte Severus. Selbst drei, wenn er an Harry Potters Verbindung zu ihrem Lord zurückdachte. Dies im Sinn war es nicht länger so verwunderlich, dass Tigris so schnell in den Rängen aufgestiegen war, trotz seines in Ungnade gefallenen Vaters und als Todesser immer wieder enttäuschenden Bruders. Doch was war das vierte? Wagte er es, zu vermuten, nun da er sich an Slytherins silberne Tigerotter erinnerte? Die sich nun als unschuldige Kornnatter tarnte, wenn er sich nicht irrte, und selbst den Dunklen Lord an der Nase herumführte. Slytherin, so hieß es, war ein begnadeter Tränkemeister gewesen. War es nicht um die gleiche Zeit herum, zu der diese Schlange auftauchte, dass Tigris plötzlich auf mysteriöse Weise seine Unfähigkeit zum Brauen verlor?

Zwei Spezies? Severus wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber er würde es irgendwann herausfinden.

Wie auch immer, Tigris Malfoy hatte allen Grund, geistig instabil zu sein. Was hieß, dass Severus seine kostbarsten Geheimnisse einem Geisteskranken anvertraut hatte, der in einem beliebigen Augenblick entscheiden mochte, ihn zu opfern, wenn ihm der Sinn danach stand. Severus hatte nicht wirklich etwas, um das auszugleichen. Wenn er erzählte, was er heute erfahren hatte, wer würde ihm glauben? Wer außer vielleicht Dumbledore, der, das war Severus auch klar geworden, seit langer Zeit Bescheid gewusst haben musste. Dumbledore war seinem goldenen Jungen gegenüber immer blind gewesen, selbst als er nicht mehr so golden war. Dumbledore hatte Harry Potter wirklich wie einen Enkel geliebt. Severus verzog angewidert den Mund. Der alte Mann war ein Narr. So brillant, und doch ein solcher Narr.

In jedem Fall hatte er allen Grund sich zu betrinken, und er war auf dem besten Weg dahin, sein fünftes Glas füllend. Er hatte zwar Lucius dagegen gewarnt, aber er, im Gegensatz zu Lucius, war allein. Allein in einem mit Zaubern eingedeckten Haus, das verhindern würde, dass er etwas Idiotisches tat, sollte er nach seiner zweiten Flasche auf die Idee kommen. Severus vertraute schließlich niemandem. Nicht einmal sich selbst.

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Hermione war überrascht, als sie Klavierspiel hörte. Das Klavier im Wohnzimmer ihrer Eltern stand seit langem unbenutzt, da niemand im Haus in der Lage war, es zu spielen. Hermione hatte mit Klavierstunden angefangen, als sie zehn war, aber aufgehört, nachdem sie ihren Hogwartsbrief bekommen hatte. Sie hatte nie wieder damit angefangen, zu viele andere Dinge in ihrem Sinn, und so stand das Instrument nutzlos in der Ecke und verstaubte.

Obwohl sie es erwartet hatte, war sie überrascht, als sie Draco sah. Er spielte die Mondscheinsonate, eines ihrer Lieblingsstücke. Fehlerlos und ohne Noten.

Er hörte plötzlich auf zu spielen und drehte sich um. „Granger.", sagte er. „Es tut mir leid, ich weiß, es ist spät." Er klang nicht wirklich entschuldigend, eher müde.

„Nein, es ist ihn Ordnung.", sagte sie hastig. „Ich bin sicher, meine Eltern wird es nicht stören." Sie wusste nicht genau, warum sie das sagte. Es war nicht wahr, ihre Eltern waren bereits zu Bett gegangen und würden das Klavier sicher hören. Vielleicht lag es daran, dass sie froh darüber war, dass er wenigstens endlich etwas tat. Etwas anderes, als in seinem Raum zu bleiben und zu schlafen, oder aus dem Fenster zu starren. Draco hatte aufgehört, sich wie ein Pascha zu benehmen, aber er ging ihnen noch immer aus dem Weg und igelte sich ein.

Nun verzog er das Gesicht. „Du bist eine schlechte Lügnerin, Granger." Er klappte den Deckel des Klaviers zu. „Es spielt eh keine Rolle. Es ist nur ein nutzloser Zeitvertreib. Nutzlos wie alles, was ich tue." Er klang bitter.

„Vielleicht wäre es nicht so nutzlos, wenn du nicht so beschäftigt damit wärst, in Selbstmitleid zu versinken.", sagte sie ärgerlich. Es war seine Gleichgültigkeit, die sie wütend machte. Sie hatte ihn schließlich gerettet. Anstatt ihr zu danken, anstatt glücklich zu sein, dass er noch lebte – weiß Gott, genug andere hatten nicht dieses Glück! – lief er den ganzen Tag mit Trauermiene herum, als hätte niemand größeres Unrecht erlitten, als er.

„Ach ja? Dann sag mir doch, Granger, was ich alles Nützliches tun könnte. Wieder als Arzt praktizieren vielleicht? Zu schade, ich habe keine Erinnerung daran, wie man das macht. Ich habe nicht einmal eine Ahnung wie man kocht, oder Wäsche wäscht, oder, sagen wir es simpel, allein überlebt. Vielleicht sollte ich mir eine Clownsmütze überstülpen, und Ringelrein für kleine Kinder spielen. Hoffen wir nur, dass ich ihnen keine Angst einjage, sollte ich rein zufällig einen meiner fantastischen epileptischen Anfälle bekommen."

„Sarkasmus steht dir nicht.", sagte sie ungehalten.

„Ich sehe, du hast nichts Konstruktives beizutragen.", entgegnete Draco spöttisch. „Quod erat demonstrandum, Granger. Spar es dir beim nächsten Mal."

Hermione starrte ihm nach, als er den Raum verließ. Was sie am meisten ärgerte, war, dass er Recht hatte. So sehr sie auch nachdachte, ihr fiel nichts ein, was er hätte tun können. Alle seine Fähigkeiten waren in der Muggelwelt, genau wie er sagte, nutzlos. Es machte sie wütend. Sie entschloss sich, etwas zu finden. Sie würde ihm beweisen, dass es etwas gab. Es musste etwas geben.

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„Ich fahre dieses Wochenende zu der Europäischen Kräuter- und Gesteinshandelmesse in Barcelona. Hast du Lust, mitzufahren?"

Tigris lehnte sich gelangweilt in seinem Sessel zurück. Es war nicht das erste Mal, dass sein Vater ihn fragte, ob er ihn auf einer seiner Geschäftsreisen begleiten wollte. Tigris hätte nicht desinteressierter sein können. Er hatte eine Menge anderer Dinge im Kopf. Kräuter- und Gesteinshandel war so weit unten auf einer langen, langen Liste, wie es nur ging.

„Nein. Du kannst mich auch das nächste Mal wieder fragen, und meine Antwort bleibt trotzdem die gleiche. Nein."

Sein Vater wandte sich ab, aber dann atmete er tief durch und drehte sich wieder zu ihm um. „Sieh mal, Tigris: Unsere Familie besitzt Anteile in einem Drittel der Firmen, die auf dieser Messe vertreten sind. Ich weiß, ich habe mich nie darum gekümmert, dich in die Familiengeschäfte einzuweisen. Draco wusste alles darüber, was notwendig war, und du schienst nie daran interessiert, seinen Platz einzunehmen. Nun jedoch haben sich die Dinge geändert."

Tigris ließ sein Buch sinken und sah Lucius ungehalten an. „Was also? Dir ist plötzlich klar geworden, dass du älter wirst, und nun hast du Angst zu sterben und unser Vermögen verwaist zu hinterlassen? Was für eine entsetzliche Vorstellung. Was würde ich nur tun? Aber halt – ich habe gehört, es gibt da gewisse Menschen – man nennt sie Verwalter – die tun ihren ganzen Tag nichts anderes, als sich um genau solche Dinge zu kümmern. Merlin sei Dank. Für einen Moment lang war ich wirklich beunruhigt." Er hob demonstrativ sein Buch, um weiter zu lesen.

Sein Vater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, und ihm war anzusehen, dass ihn das bereits eine Menge Selbstbeherrschung kostete. „Denkst du wirklich, ich würde den größten Teil meiner Zeit mit diesen Dingen verbringen, wenn man sie einfach einem Verwalter überlassen könnte? Im Moment kannst du dich glücklich schätzen, dass du mich nicht umgebracht hast, denn ansonsten wäre in der Stunde von Dracos Tod all dies hier um dich zu Staub zerfallen! Ich rede nicht nur von deinem hübschen Zimmer, und deinem Gringottsverlies und diesem Buch, was du da gerade so fasziniert liest, sondern auch von deinem angenehmen kleinen Job im Ministerium, der mich über die Jahre eine Menge Arbeit gekostet hat, nicht zu reden von dem größten Teil der finanziellen Basis unseres Lords! Er zumindest weiß, warum er mich am Leben lässt, im Gegensatz zu meinem eigenen Sohn, der so ignorant ist, wie ein Murmeltier!"

Tigris erhob sich ärgerlich. „Ich habe mir meinen Job selber erarbeitet, und ich behalte ihn, weil ich gut in dem bin, was ich mache!"

„Das denkst du wohl gerne. Ich wollte dir nur die Illusion nicht rauben!"

Lucius trat einen Schritt zurück, als Tigris nach seinem Stab griff. „Ich bestreite nicht, dass du ein fähiger Artefaktmeister bist.", sagte er mit einem Hauch von Abscheu. „Aber du hast diesen Job bekommen, weil ich mit den richtigen Leuten geredet habe. Auch wenn du etwas anderes glauben magst, das Wort einer einfachen Abteilungsleiterin hat nur sehr wenig Gewicht, wenn es um Einstellungen im Ministerium geht. Du magst gut in dem sein, was du machst, aber du hast diesen Job behalten, weil ich Leute dafür bezahlt habe, dass sie ein paar Dinge übersehen. Längere Abwesenheiten, zum Beispiel. Absichtlich verfehlte Projekte. Interesse an Dingen, die einem normalen Angestellten schon lange eine Kündigung eingebracht hätten. Du magst unserem Lord ein engagierter Diener sein, aber ich stelle sicher, dass du dabei nicht stolperst. Du magst das ignorieren, aber irgendwann wird unausweichlich der Tag kommen, an dem du es nicht mehr ignorieren kannst!"

Tigris starrte seinen Vater an. Seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte nichts davon gewusst, dennoch bezweifelte er nicht, dass es die Wahrheit war. Er hatte sich nie um solche Dinge gekümmert, auch wenn es ihn manchmal gewundert hatte, wie reibungslos alles verlief. Es war wahr, Tigris hatte oft genug Projekte verfolgt, die die anderen in der Gruppe mehr als kritisch betrachteten, weil sie an Schwarzmagie grenzten – oder mehr als grenzten. Nicht nur, weil Voldemort es verlangt hatte, sondern auch, weil sie ihn faszinierten. Er hatte nie auch nur darüber nachgedacht, dass einer von ihnen ihn dafür melden würde, und selbst jetzt fühlte er sich ein Stück weit verraten davon, dass es offensichtlich einer getan hatte. Wie viel hatte Lucius noch getan, ohne dass Tigris es wusste? Wie viel von seinem Glück war in Wirklichkeit Arbeit und Planung, von der er nichts ahnte? Tigris juckte es in den Fingern, Legilimentik anzuwenden, aber er tat es nicht. Nicht aus Respekt, sondern weil er, auch wenn er es ungern eingestand, es gar nicht wissen wollte. Es beunruhigte Tigris, dass er nicht die geringste Ahnung von dem hatte, was sein Vater tat. Er wusste auch, dass er es nicht verstehen würde. Er konnte solche Dinge nicht tun, Leute bestechen, erpressen und politische Fäden ziehen, im Hintergrund Netze spinnen. Er konnte viele andere Dinge, aber davon verstand er nichts. Was ihn wieder zu dem Beginn ihrer Diskussion brachte, nicht wahr?

„Ich kann das nicht tun.", sagte er.

Sein Vater sah ihn an, verwirrt von einem Satz, der ihm zusammenhanglos erscheinen musste.

„Ich kann die Familiengeschäfte nicht von dir übernehmen.", erklärte Tigris. „Im Grunde weißt du das auch. Es wird nichts ändern, wenn ich dich auf ein paar Messen und Konferenzen begleite und mit dir zusammen Briefe beantworte. Ich kann nicht tun, was du tust. Draco hätte es vielleicht gekonnt, aber ich kann es nicht."

„Du weißt es doch gar nicht, du hast es nie auch nur probiert.", entgegnete Lucius.

Tigris konnte jedoch erkennen, dass er nicht wirklich daran glaubte. „Ich weiß es und du weißt es.", sagte er ruhig. „Ich habe Blaise gebraucht, um Percy zu überzeugen, und er wollte überzeugt werden. Ich habe keine Ahnung, wie man Menschen manipuliert. Ich mag wissen, was sie denken, aber ich weiß nicht, was sie begehren, was sie antreibt. Ich weiß, wie man Leute einschüchtert, aber nicht, wie man sie dazu bringt, an etwas zu glauben. Ich kann nicht tun, was du tust. Ich weiß zumindest genug, um das zu wissen."

Der Ärger seines Vaters verrauchte sichtlich und er verzog bitter das Gesicht. „Ich verstehe. Du kannst es nicht tun. Was heißt das dann, ich soll jemand anderen finden? Ich glaube nicht, dass unser Lord Verständnis dafür zeigen wird, wenn ich mir einen neuen Erben großziehe, so sehr er mein Geld auch brauchen mag."

„Ich denke, es heißt, du solltest besser am Leben bleiben.", sagte Tigris kalt. „Ansonsten müssen wir wohl zusehen, wie viel wir aus Staub zum Leben erwecken können."

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Draco fühlte, wie er zunehmend wütend wurde. Es war wie ein schwelendes Feuer, und ein Teil von ihm war fasziniert davon, wie es wuchs. Die meiste Zeit über kam er sich vor wie in Dunkelheit getaucht und fühlte kaum etwas das er als ein klares Gefühl identifizieren konnte. Nur Hermione schaffte es wieder einmal, ihn daraus auftauchen zu lassen, wenn auch nicht gerade auf positive Weise. Gerade im Moment war es durch Vorschläge.

Er hatte gedacht, er hätte einen Weg gefunden, mit den Muggeln zu leben. Er war mit ihnen einkaufen gegangen – es war furchtbar gewesen – und besaß nun eine Sammlung von Muggelkleidung und andere Muggeldinge, wie einen Rasierapparat. Er blieb noch immer die meiste Zeit in seinem Raum, aber er hatte sich angewöhnt, ein wenig im Haus zu helfen. Er tat nichts, was mit den ihm unverständlichen Muggelgeräten zu tun hatte, aber er putzte und half im Garten – damit kannte er sich zumindest ein wenig aus. Die Muggel schienen damit zufrieden zu sein, aber nicht Granger, nein. Granger hatte es sich in den Kopf gesetzt, sich in sein Leben einzumischen und einen richtigen Muggel aus ihm zu machen. Mit anderen Worten, sie wollte, dass er arbeitete. Nicht wegen dem Geld – sie hatte ihm inzwischen erklärt, dass ihre Eltern nicht arm waren, Muggel lebten anscheinend nur gerne so als ob sie es wären – nein, sie wollte, dass sein Leben einen Sinn bekam. Dieser Sinn bestand gerade im Moment in der Arbeit einer Hauselfe. Dabei hatte er gedacht, ein Muggel zu sein wäre bereits sein tiefstes Tief. Wie falsch man liegen kann.

„Mum sagte mir, du kommst so gut mit dem Garten zurecht, vielleicht probierst du es ja einfach mal? Ms. Prosser sagte, eigentlich braucht sie in der Gärtnerei im Moment keine Hilfe, aber sie würde es eine zeitlang ausprobieren, und wenn du dich gut machst stellt sie dich ja vielleicht ein."

„Mit anderen Worten, sie hat von dem armen Krüppel gehört, um den du dich kümmerst, und sich entschieden ihre gute Tat des Tages zu tun, indem sie ihm was zu tun gibt."

„Du drehst mir nur wieder die Worte im Munde um! Das ist es nicht, was ich gesagt habe!"

„Aber es ist die Essenz, Granger. Die Essenz, die leuchtend klar über all deinen netten Floskeln hängt."

Granger presste wütend die Lippen zusammen. „Weißt du, was die Essenz ist, Daniel?", sagte sie ärgerlich, aufstehend. „Du willst an deinem Leben nichts ändern, das ist die Essenz. Fakt ist, du bist intelligent genug, etliche Dinge zu tun, wenn du nur wolltest. Ich habe dir jetzt schon etliche Vorschläge gemacht, mit Leuten geredet, damit sie dich einstellen... Wozu eigentlich?"

„Das frage ich mich allerdings auch!", sagte Draco, aufgebracht durch ihren anschuldigenden Tonfall. „Ich habe dich schließlich nicht darum gebeten. Ich habe auch nicht darum gebeten ein Untermensch zu sein, ich habe keine Lust darauf, besser darin zu werden."

„Jetzt sagst du, dass meine Eltern Untermenschen sind, ja?"

Draco zuckte mit den Schultern. Er konnte aus Grangers zornweißem Gesicht schließen, dass er etwas wirklich Beleidigendes gesagt hatte, aber es kümmerte ihn nicht besonders. Er hatte ‚Muggel' sagen wollen, aber der verdammte Fluch hatte ihm wieder einmal das Wort im Mund umgedreht. Er erinnerte sich vage daran, das Wort mal in einem Kinofilm gehört zu haben, und dort war es auch eine Beleidigung gewesen. Fein, er hatte es ohnehin als solche gemeint.

„Du bist so ein mieses, rassistisches Arschloch, ich habe keine Ahnung warum du überhaupt hier bist.", zischte sie, bebend vor Zorn. „Wegen einem Ideenwandel kann es wohl nicht sein. Wahrscheinlich hast du bloß Panik bekommen und wolltest deinen feigen kleinen Arsch retten. Recht geschieht es dir, wo du gelandet bist! Vielleicht gibt dir das mal ein lange nötiges Update in Menschlichkeit!"

Sie neigte zu Profanitäten, wenn sie wütend war. Draco hatte festgestellt, dass dies bei Muggeln häufiger der Fall zu sein schien.

„Raus hier!", sagte sie, auf die Tür zeigend. „Raus!"

„Du schmeißt mich aus dem Haus?", fragte Draco, zu verblüfft um wirklich beunruhigt zu sein.

Sie schloss die Augen und versuchte sichtlich, sich etwas zu beruhigen. „Ich will dich einfach nur für ein paar wundervolle Stunden nicht sehen und nicht in diesem Haus wissen. Wenn meine Eltern wüssten, was du gesagt hast, ich... ich will es mir gar nicht vorstellen. Geh! Starr eine Mauer an, was auch immer. Vielleicht bedenkt dich ja irgendein gnädiger Geist mit einer Erleuchtung!"

„Fein." Draco stand auf und griff nach der Jacke, die sie ein paar Tage zuvor gekauft hatten. „Wenn ich nicht wiederkomme, nimm einfach an liege irgendwo tot im Graben."

Sie machte ein Geräusch, das einer wütenden Katze ähnelte, aber falls sie etwas zu sagen hatte, hörte er es nicht mehr, weil er schon die Treppe hinunter gegangen war.

Als er aus der Haustür trat schlug ihm ein Schwall kühler Luft entgegen. Mittwinter war vorübergegangen, ohne dass er es gemerkt hatte, aber die Tage waren noch immer kurz und die Abende kalt. Er zog die Jacke enger um sich und sehnte sich nach einem Wärmezauber. Für einen Moment war er versucht wieder ins Haus zu gehen, aber dann entschied er sich anders, und ging die Straße hinunter. Er achtete darauf, auf die Nummer am Haus zu sehen, bevor er ging. Es war gut, dass Muggel ihre Häuser nummerierten und ihren Straßen Namen gaben, denn sonst hätte er es gewiss nicht wieder gefunden. Grangers Mutter hatte ihm das erklärt, für den Fall, dass er irgendwann einmal das Haus verließ. Bislang hatte er das nicht getan. Die Straße hieß „Goldstone Crescent". Golden für die goldene Gryffindor. Das ließ sich zumindest leicht merken.

Draco wanderte die Straße hinunter bis er zu einem Park kam. An einer Seite des Parks verliefen kleine Schienen, auf denen eine winzige Eisenbahn herumfuhr. Draco sah ihr eine Weile zu, und fühlte sich an den Hogwarts-Express erinnert. Das Schild sagte, dass sie zu einem Museum gehörte. Nach einer Weile fühlte er sich noch schlechter als vorher und ging missmutig weiter. Er las die Straßenschilder, um sich zumindest etwas zu orientieren und bog hinter dem Park, der anscheinend „Hove Park" hieß, an der Seite auf eine große Straße ab. Nach einer Weile kam er zu einem Friedhof. Es passte zu seiner Stimmung, und so wanderte er eine Weile zwischen den Gräbern herum und las die Namen ihm unbekannter Muggel auf den Grabsteinen. Er fand es auf zynische Weise amüsant, als er Namen wie Black und Parkinson darunter fand. Keine Malfoys allerdings. Malfoys waren etwas besonderes, wie es schien. Er ging weiter, eine weitere große Straße hinunter, und sah schließlich in der Ferne das Meer. Er hatte gewusst, dass es in der Nähe sein musste, aber sich nicht weiter damit beschäftigt. Nun lief er weiter darauf zu. An der Grenze vor dem Ufer war eine Straße, und nachdem er diese überquert hatte fand er sich vor einem hässlichen steinernen Strand, von dem aus man in der Ferne einen zerbrochenen Steg sehen konnte, der wie ein Kriegsdenkmal in das Wasser hineinragte. Draco setzte sich auf eine Steinmauer und starrte auf das graue Wasser. Er war bislang nicht oft am Meer gewesen. Als er klein war, waren seine Eltern regelmäßig mit ihm nach Kroatien gereist, um dort auf ihrer Insel Urlaub zu machen. Es war nur eine kleine Insel, aber sie hatte einen Sandstrand, und Zauber, die sie vor Muggeln verbargen. Das kroatische Meer war blau, warm, und wunderschön. Es waren ein paar der schönsten Erinnerungen aus seiner Kindheit. Dieses Meer war grau, kalt und hässlich. Es passte zu seinen Gefühlen, die ganz genauso waren.

Entlang der Küstenlinie zog sich eine unendliche Reihe grauer Häuser. Die Muggel hatten alles versteinert. Nun fuhren sie mit ihren lauten, stinkenden Autos und ihren lauten, stinkenden Schiffen in dieser versteinerten Welt herum. Das war es, von dem er ein Teil werden sollte? Was sollte er in dieser Welt? Wie sollte er sich jemals in ihrer Unnatürlichkeit zurechtfinden? Es wuchs nicht einmal Moos zwischen den Steinen, alles war nur glatter, undurchbrochener Beton. Als wäre ihre ganze Welt ein einziger Stein. Wie konnten sie so leben? Dies mochte eine Welt für Muggel sein, aber nicht für Zauberer.

Draco seufzte und verzog das Gesicht. Er sollte sich wahrscheinlich bei Granger entschuldigen, für das, was er gesagt hatte. Er war wütend gewesen, aber sie versuchte nur, ihm zu helfen – auch wenn sie ein wenig damit übertrieb. Ihre Eltern waren nichts als freundlich zu ihm gewesen, obwohl er sich in den ersten Wochen scheußlich ihnen gegenüber verhalten hatte. Es war nicht fair gewesen, sie zu beleidigen. Sie konnten schließlich nichts dafür, dass sie Muggel waren.

Er hing noch eine Weile seinen Gedanken nach, bis es um ihn herum immer dunkler wurde, und die Straßenlaternen zum Leben erwachten. Es war schon erstaunlich, wie die Muggel versuchten, mit ihrer Elektrizität ihren Mangel an Magie wett zu machen. Das Resultat war meistens fehlerbehaftet, das stimmte wohl – laut, stinkend oder hässlich – aber zumindest hatten sie Ideen. Draco konnte sich nur einfach nicht vorstellen, sich je daran zu gewöhnen.

Schließlich stand er auf und machte sich auf den Weg zurück. Die Welt sah im Dunkeln anders aus und einen Moment lang war er sich nicht sicher, auf welcher Straße er gekommen war. Er folgte schließlich seinem Gefühl und folgte einer vagen Richtung, aber ihm wurde schnell bewusst, dass es nicht die gleiche Straße war. Sie war schmaler, und an den Seiten befanden sich ein paar erleuchtete Kneipen. Draco hatte ein paar Pfundnoten in der Jackentasche, die von ihrem Einkauf übrig geblieben waren, und er überlegte einen Moment, sich in eine der Kneipen zu setzen. Es gewann jedoch seine Abneigung gegen die Muggel darin, und er entschied sich dagegen, auch wenn er ein paar Gläser starken Alkohol begrüßt hätte. Draco hatte keine Ahnung, was Muggel gewöhnlich tranken, aber er war sicher sie hatten etwas, das Feuerwhisky entsprach.

Schließlich bog er in eine der Seitenstraßen ab, in der Hoffnung, dass sie ihn auf die große Straße bringen würde, die an dem Friedhof vorbei ging. Von dort aus war er recht zuversichtlich, den Weg zurück zum Haus der Grangers zu finden.

Während er weiter ging bemerkte er drei Muggel auf der anderen Straßenseite, die über etwas diskutierten. Wahrscheinlich kamen sie aus einer der Kneipen. Sie waren ziemlich jung, der älteste vielleicht zwanzig. Draco warf ihnen einen kurzen Blick zu. Dies waren immerhin die ersten Muggel, die er in dieser Gegend gesehen hatte. Er zählte die Muggel in den Autos nicht. Sie passten zu der Gegend, entschied er, und ging weiter. Kurz ging ihm der Gedanke durch den Kopf, sie nach dem Weg zu fragen, aber er verwarf ihn schnell. Er würde seinen Weg auch so finden.

Die Gegend wurde je weiter er ging immer hässlicher. Die Häuser wurden spärlicher und wurden durch hohe Steinmauern ersetzt, hinter denen sich anscheinend eine Fabrik befand. Draco hatte durch das Fernsehen eine vage Vorstellung davon, was eine Fabrik war - ein qualmender Schornstein, in dem die Muggel Dinge brauten, zum Beispiel die Plastikflaschen die er kannte. Sie nahm jedenfalls eine Menge Platz ein, sehr viel mehr Platz als der hinter der Mauer emporragende Schornstein rechtfertigte. Vielleicht lagerten sie dort die Dinge, die sie brauten, oder die, aus denen sie brauten. Wie auch immer, es war sehr hässlich, und es beunruhigte ihn, weil sie dort war, wo seiner Meinung nach die Straße hätte sein sollen. Langsam musste er sich eingestehen, dass er sich verirrt hatte.

Er blieb stehen und sah sich ratlos um. Von den Sternen her zu urteilen war die grobe Richtung die richtige. Er konnte Draco sehen, und auch Ursa Major. Die Muggel hatten einfach zu viele Häuser und Mauern überall. Draco sah einen Moment lang zu dem Sternbild hoch, das seinen Namen teilte. Als er klein war, hatte sich seine Mutter mit ihm zusammen den Himmel angesehen und ihm die Namen der Sterne und Sternbilder beigebracht. Sie hatte ihm auch von all seinen Verwandten erzählt, die danach benannt waren. Bellatrix zum Beispiel, Teil des Sternbilds Orion, das er auch sehen konnte. Wenn Scorpio im Osten aufging, würde es verschwinden.

Er drehte sich um, als er Stimmen hörte, und war überrascht, die Muggel von vorher zu sehen. Sie waren nun auf seiner Seite der Straße, und holten langsam zu ihm auf. Um es genau zu nehmen, sie sahen zu ihm, während sie sich unterhielten, und sie sahen nicht besonders freundlich aus. Draco wurde mit einem Mal klar, dass er sich in einer absolut verlassenen Gegend befand, nicht die geringste Idee hatte, wo sich die nächsten Häuser befanden, und drei recht unfreundliche Muggel auf ihn zukamen. Was immer sie wollten, es konnte nicht gut sein. Das passte zu seinem Glück. Wäre er nur im Haus geblieben.

Er seufzte und wartete, bis sie zu ihm aufholten. Sie gingen nun schneller, sie hatten offenbar gemerkt, dass er sie bemerkt hatte. Draco hatte nicht wirklich Angst vor ihnen. Er ärgerte sich nur ein wenig über die Tatsache, dass sie überhaupt existierten.

„Könnt ihr mir vielleicht sagen, wie man von hier aus zum Hove Park kommt?", fragte er, als sie in Hörweite waren.

„Sehen wir wie die Auskunft aus, Mann?"

„Nein, aber der Versuch schadet ja nichts."

Einer von ihnen machte einen Schritt vorwärts und schlug ihn ins Gesicht. Es überraschte Draco, und so taumelte er nur einen Schritt zurück, und machte dann noch zwei, um sich aus ihrer Reichweite zu bringen.

„Ich mag es nicht, wenn man mich zum Idioten macht.", sagte der Muggel, der ihn geschlagen hatte. Einer der anderen holte ein Messer aus der Tasche. Großartig.

Draco fuhr sich mit dem Finger über die Lippen und schmeckte Blut. „Warum, wenn du doch so klar einer bist?" Er war sich nicht sicher, warum er sie provozierte. Ein Teil von ihm fand es amüsant. Seltsam, er hatte keine Angst. Er erinnerte sich daran, dass die Angst ihn durch alle Kämpfe begleitet hatte. Die Angst, gefangen genommen zu werden. Die Angst, zu sterben. Nun war ihm das einfach gleichgültig.

„Pass auf, du gibst uns jetzt dein Handy, und deine Brieftasche, und vielleicht verunstalten wir dich nicht dauerhaft.", sagte der Muggel mit dem Messer. „Wie klingt das, Großmaul?"

„Bescheiden.", entgegnete Draco. „Mach einen anderen Vorschlag." Er nickte dem Muggel zu. „Was willst du damit, mich erstechen? Versuch's doch!"

Während sie redeten war er ein paar Schritte zurückgewichen. Dies brachte ihn in die Nähe eines kaputten Maschendrahtzaunes, wo er zuvor ein paar rostige Stangen gesehen hatte, die so aussahen, als ließen sie sich losreißen. Er hatte nicht vor, sich von ein paar dämlichen Muggeln verprügeln zu lassen. Sicher, er hätte ihnen das Geld in seiner Tasche geben können, aber wahrscheinlich hätten sie ihn trotzdem verprügelt. Sie sahen jedenfalls so aus.

„Bist du bescheuert oder was?", fragte der dritte Muggel.

„Vielleicht steht er ja auf Schmerzen."

Draco machte einen Satz zur Seite und es gelang ihm, die oberste Stange zu greifen. Nur um zu merken, dass sie fest hing. Innerlich sein Pech verfluchend rollte er sich aus dem Weg des ersten Muggels, der ihn bereits eingeholt hatte, und ging zum nächsten Plan über. Er war nicht mehr so fit, wie er es gerne gehabt hätte, nachdem er nicht das Geringste dafür getan hatte, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Sie würden ihn einholen, wenn er wegrannte. Daher war sein Plan, sich zu wehren so gut er konnte, und auf sein Glück zu hoffen. Es war kein besonders guter Plan, zugegeben.

Es half, dass die Muggel keine Ahnung hatten, was sie taten. Draco konzentrierte sich auf den Muggel mit dem Messer, da dies der gefährlichste der drei war und es ihm eine Waffe verschaffen würde, wenn er Erfolg hatte. Er trat einen der anderen Muggel in die Seite, so dass er in den Zaun fiel und sich darin verhedderte. Damit waren es schon einer weniger. Der dritte war ein wenig zurückgewichen, offensichtlich überrascht davon, dass sein Opfer sich wehrte. Es kam Draco nun zugute, dass er kaum jemals seinen Zauberstab im Kampf benutzt hatte. Die Reflexe kamen von selbst zurück. Es gelang ihm, den Muggel dazu zu bringen, das Messer fallen zu lassen, und er bekam es in die Hand, während sein Gegner zurück taumelte.

Das war mehr als Glück, weil der Muggel, der in den Zaun gefallen war, es geschafft hatte, die Stange in die Hand zu bekommen, bei der er erfolglos geblieben war. Draco zögerte nicht, den Muggel, der ihm am nächsten war, mit dem Messerknauf bewusstlos zu schlagen. Anschließend packte er ihn und hielt ihm das Messer an die Kehle, was die anderen beiden Muggel erstarren ließ.

„Mögt ihr euren Freund?", sagte er kühl. „In ein paar Sekunden ist er tot, es sei denn, ihr verschwindet hier."

„Das tust du nicht. Das ist Mord.", sagte der Muggel, der die Stange in der Hand hielt.

„Wirklich? Ich dachte, man nennt es Ungezieferbeseitigung." Draco wog das Messer in der Hand. Es war kein Wurfmesser, aber der Muggel mit der Stange stand nah genug, dass er kein Problem damit haben würde, seine Kehle zu treffen. Der dritte war unbewaffnet und kein großes Problem. „Ich habe schon bessere Leute umgebracht als euch Abschaum."

Der dritte Muggel zögerte noch einen Moment, dann nahm er die Fersen in die Hand. Das war einerseits gut, andererseits schlecht, denn nun gab es einen Zeugen, falls er doch gezwungen war, den Idioten mit der Stange zu erledigen.

„Woher weiß ich, dass du ihn nicht umbringst, wenn ich abhaue?"

Draco stöhnte innerlich. Ein dummer, gewalttätiger Muggel mit Gewissen. Wenn es kein Muggel gewesen wäre, hätte er ihn für einen Gryffindor gehalten.

„Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich vor, dich zuerst umzubringen, wenn du es nicht tust."

Der Muggel zögerte noch immer, und Draco hatte genug. Er machte einen Schritt vorwärts und schubste den bewusstlosen Muggel, so dass er dem anderen in die Arme fiel. Dieser konnte sich nicht entscheiden, ihn auf den Boden fallen zu lassen, und war so lange genug behindert, dass Draco die Stange packen und ihn entwaffnen konnte. Er schwang sie einmal und traf den Muggel zielsicher an der Schläfe, worauf er zu Boden ging.

„Idiot." Draco starrte auf die zwei Möchtegern-Räuber hinunter. Granger wäre sicher nicht glücklich darüber gewesen, wenn er sie umgebracht hätte. Er hatte keine Ahnung, wie man solche Dinge in der Muggelwelt vertuschte. Von Fingerabdrücken hatte er allerdings gehört, und so wischte er das Messer und die Stange ab, bevor er sie liegen ließ und ging. Er rechnete nicht damit, dass die drei den Mund aufmachen würden, aber man konnte schließlich nie wissen.

Zu seiner Überraschung war Hove Park direkt hinter der Fabrik und es dauerte nicht lange, bis er Goldstone Crescent wieder gefunden hatte. Er klingelte an der Tür des Hauses und Granger öffnete ihm. Sie war offenbar noch immer ärgerlich, aber als sie ihn sah starrte sie ihn erstmal mit offenem Mund an. „Was ist denn mit dir passiert?"

Draco begegnete ihrem Blick. Sie trug Muggelkleidung, der man ansah, dass die Trägerin sich nicht darum gekümmert hatte, was sie aus dem Schrank zog, solange es nur warm und bequem war. Ihre Haare fielen ihr wild ins Gesicht – wahrscheinlich hatte sie gelesen und dabei ihre Haarspange verloren, er hatte bemerkt, dass das öfter passierte. Sie musste zur Tür gerannt sein, ohne sich darum zu kümmern, auch wenn sie sich nun davon nichts anmerken ließ. Sie sah aus, wie ein ins Gewitter geratener Sennenhund. „Es tut mir leid, was ich gesagt habe, Granger.", sagte er. „Es war dumm, es war bigott, ich entschuldige mich."

„Ja, okay. Was ist mit dir passiert?" Sie war so leicht abgelenkt, verwarf etwas, dass sie noch Stunden zuvor zur Weißglut gebracht hatte, nur weil er einen Kratzer hatte.

Draco trat an ihr vorbei ins Haus. „Ein paar Idioten haben versucht mich auszurauben. Keine Sorge, sie leben noch."

„Sie leben noch? Das ist alles, was du zu sagen hast? Hast du mal in den Spiegel gesehen?"

Draco rollte mit den Augen. „Nein, ich bin an keinem Spiegel vorbeigekommen. Erinnerst du dich, dass du mich vor einer Stunde noch gehasst hast?"

„Lass mich das ansehen. Ich habe dich nicht gehasst, nur verabscheut. Tu ich immer noch, aber das heißt nicht, dass ich dich hier verbluten lasse."

Draco seufzte und setzte sich, während Granger in Schubladen herumkramte und mit einem Kasten Medikamente zurückkam. Sie war wie eine Naturgewalt, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Vielleicht war das das Geheimnis ihres Erfolges – wenn sie sich einmal festgebissen hatte, gab sie nie wieder auf, wie ein Amazonaskrokodil.

„Ist so etwas hier an der Tagesordnung?", fragte er mit einem Blick darauf. „Du bist hysterisch, Granger."

„Sei kein Idiot.", entgegnete sie, während sie mit einem feuchten Tuch das Blut von seiner Lippe und seinem Gesicht abtupfte. „Meine Eltern sind Ärzte, natürlich haben wir einen Arzneikasten im Haus. Davon abgesehen, ich bin nicht hysterisch. Willst du wissen, was passiert, wenn sich diese Wunde entzündet? Ich wette, darüber hast du nicht im Geringsten nachgedacht. Stell dir vor, es vereitert, und wir müssen dich wieder ins Krankenhaus bringen. Was sagst du dann, hmm? Das wird etwas brennen."

Sie hatte etwas von einer braunen Lösung auf ein Tuch geschüttet. Draco betrachtete sie etwas beunruhigt, aber bevor er etwas einwenden konnte, betupfte sie bereits die Wunde damit. Es brannte so höllisch, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Hastig stieß er ihre Hand zur Seite. „Verdammt noch mal, was ist das für ein Zeug?"

Sie grinste, vollkommen reuelos. „Das ist nur Jod, es desinfiziert. Sei kein Baby."

Draco atmete tief durch. Granger stand nicht über ein wenig kleinlicher Rache, so schien es. „Fein." Er biss die Zähne zusammen, und ließ sie die Wunde weiter bearbeiten. Schließlich klebte sie ein Pflaster darüber.

„Da. So gut wie neu. Jetzt erzähl noch einmal, was passiert ist."

„Da gibt es nicht viel zu erzählen.", grummelte er. „Drei Typen haben versucht, mich zu überfallen, ich habe zwei bewusstlos geschlagen und einer ist abgehauen. Ende."

Granger sah ihn ungläubig an. „Wie..."

Draco wurde ungewollt ärgerlich. „Komm, Granger, dir muss doch was über mich erzählt worden sein. Ich kann dir zwar nicht viel sagen, aber ich weiß, dass ich Leute umgebracht habe, und ich kann mich erinnern wie man es macht. Drei dumme Bengel sind keine Gegner für mich." Er lachte hässlich. „Vielleicht findest du ja für diese Fähigkeit ein Jobangebot. Ich hörte, es wird gut bezahlt."

„Das ist nicht zum Lachen.", sagte sie leise.

Sein Ärger verschwand. „Nein, das ist es nicht, du hast Recht. Aber du solltest dein Mitleid und dein Engagement an jemand anderen verschwenden. Ich bin sicher, es gibt einen Haufen Leute, die es mehr verdienen und mehr zu wertschätzen wissen, als ich." Er stand auf. „Gute Nacht, Granger. Danke für die Hilfe."

„Ich hab's gern gemacht.", antwortete Granger. In ihrer Stimme war wieder dieser nervige Unterton, der unausgesprochen sagte – nicht nur das hier. Was war nur mit Granger los, dass sie ihm alles vergab? Schon in der Schule hatte sie diesen unverständlichen, beharrlichen Glauben daran besessen, dass er sich irgendwie ändern würde. Egal wie mies er zu ihr war, sie glaubte noch immer daran, dass er ein guter Mensch sei. Sie musste nur tief genug graben. Vielleicht war es nur ihre unerschütterliche Arroganz, die sie glauben ließ, dass sie sich niemals irrte. Sie würde schon noch einsehen, dass sie falsch lag.

Draco konnte ihren Blick in seinem Rücken fühlen, als er die Treppe hoch ging.

o

Es war ein wundervoller Frühlingstag. Kalt, doch die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Die Leute, die durch Diagon Alley spazierten schienen fröhlich und unbekümmert, so, als gäbe es keinen Krieg und keinen Terror. Tigris fühlte sich ebenfalls seltsam euphorisch, als er die Gasse entlang ging. Er hatte sich lange nicht mehr so gut gefühlt – wenn er genauer darüber nachdachte, seit Dracos Tod nicht. Es war dieses Gefühl, dass alles gut enden würde, was ihm für eine Weile abhanden gekommen zu sein schien. Das Gefühl, dass sein Leben Sinn ergab.

Tigris lächelte unwillkürlich. Er genoss es. Er ließ seinen Blick über die Spaziergänger schweifen, lachende Kinder, glückliche Familien. Es war eine Illusion, das wusste er. Außerhalb dieser Gasse tobte der Krieg gnadenlos, und jeden Tag starben Menschen. Im Moment jedoch kümmerte ihn das nicht, genauso wenig, wie es alle anderen hier zu kümmern schien. Gerade jetzt genoss er den Moment des Friedens, die Illusion, dass die Welt in Ordnung war.

Er stoppte bei Florean Fortescue's und betrachtete die Gäste, die an den Tischen in der Frühlingssonne saßen. Nicht weit von ihm entfernt saß eine junge Hexe alleine an einem Tisch, und schleckte mit Hingabe ein Erdbeereis. Nur aus einer Laune heraus entschloss Tigris sich, sich zu ihr zu setzen.

Sie sah auf, als er den Stuhl zurückzog. Zu seiner Freude erschien sie nicht ungehalten, im Gegenteil, sie lächelte. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln.

„Stört es Sie, wenn ich mich zu Ihnen setze?", fragte Tigris.

„Nein, nicht im Geringsten. Bitte, setz dich doch." Ihre Stimme war warm und melodisch. Sie hatte einen leichten Akzent, den er nicht ganz einordnen konnte.

Tigris lächelte zurück. „Mein Name ist Tigris.", sagte er. „Ich sah dich hier so alleine sitzen, und dachte, du bist jemand, den ich gerne kennen lernen würde."

Sie lachte. Tigris war erfreut und erleichtert, er war sich nicht sicher gewesen, wie sie reagieren würde. Sie schien jedoch geschmeichelt zu sein, und ihn sympathisch zu finden.

„Mein Name ist Khairiah.", sagte sie, und sah ihn mit ihren hübschen braunen Augen über den Eisbecher hinweg an. „Warum spricht ein gutaussehender Mann wie du einfach so eine Frau wie mich an, hast du keine Freundin?"

Tigris war ein wenig verblüfft von ihrer Direktheit. „Nein, habe ich nicht. Was ist mit dir?"

Sie schüttelte den Kopf. Die kleinen Glöckchen, die in ihr blaues Kopftuch eingewebt waren, klingelten leise und glitzerten in der Sonne. „Ich bin noch nicht lange genug hier, um jemanden kennen zu lernen."

„Oh? Darf ich fragen, woher du kommst?"

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Ich bin Irakerin."

„Warum bist du nach England gezogen?", fragte Tigris neugierig.

Sie senkte die Augen und stocherte in ihrem Eis herum, plötzlich nicht mehr so fröhlich wie kurz zuvor. „Die meisten Zauberer kümmern sich nicht sehr darum, was in der Muggelwelt passiert, das weiß ich, aber es herrscht Krieg in meinem Heimatland. Ich bin zu meinem Cousin nach Frankreich gezogen, aber er ist ein Muggel und wir hatten ein paar... Meinungsverschiedenheiten. Ich wollte schon immer nach England, und meine Mutter hatte einen britischen Pass. Ich habe schnell Arbeit gefunden, als ich her kam, und so bin ich geblieben."

„Es tut mir leid.", sagte Tigris. „Ich wollte keine schlechten Erinnerungen wachrufen. Dieser Tag ist zu schön, um unglücklich zu sein."

Sie seufzte noch einmal, dann lächelte sie. „Du hast Recht. Willst du nicht auch ein Eis essen?"

Tigris sah unschlüssig auf die Karte. „Ich habe ehrlich gesagt nicht viel Hunger."

Khairiah leckte den Rest von ihrem Eis von ihrem Löffel. „Warum teilen wir uns nicht einen Becher, und du erzählst mir ein wenig über dich?"

Tigris lächelte ihr zu und fühlte Schmetterlinge in seinem Bauch. „Das hört sich wundervoll an."

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Tigris traf sich noch einige Male mit Khairiah, nachdem sie sich an der Eisdiele verabschiedet hatten. Sie war eine wunderschöne Frau, und ebenso intelligent. Ihre Eltern waren Squibs, und bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Sie sprach nur zurückhaltend darüber, und Tigris fragte nicht weiter nach. Sie verbrachten ein paar wunderbare Tage und Nächte zusammen, und Tigris wäre noch länger mit ihr zusammen geblieben, wenn er nicht bei ihrer zehnten oder zwölften Verabredung herausgefunden hätte, dass sie Aurorin war. Er wusste, dass sie keinerlei Verdacht gegen ihn hegte – für sie waren die Malfoys nur ein Name, und er nicht mehr als ein Ministeriumsangestellter. Dennoch zog er sich von ihr zurück, und entschied sich, die Sache so bald wie möglich zu beenden. Er konnte das Risiko nicht eingehen.

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Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Die Grangers hatten sich entschieden, wandern zu gehen, und Draco mit sich geschleppt. Zuerst hatte er sich strikt geweigert, aber Hermiones unaufhörliches Nörgeln hatte ihn schließlich dazu gebracht, einzuwilligen. So kam es, dass er nun einige Schritte hinter zwei Muggeln und einer viel zu enthusiastischen Hexe auf einem schmalen Weg die Kreidefelsen entlang der Küste empor kletterte.

Der Blick wäre wunderschön gewesen, hätte Draco sich nicht so bitter gefühlt. Zu ihrer rechten Seite erstreckte sich das Meer, und wenn man genau hinsah, konnte man am Horizont das französische Festland erahnen. Etwas vor ihnen, und zunehmend weiter unten, ragte ein rotweißer Leuchtturm in den Himmel. Überall am Rand des Weges blühten die ersten Frühlingsblumen, und Hermione sah in ihrem Wanderrock und mit geröteten Wangen ausgesprochen hübsch aus. Aber alles, woran Draco denken konnte, war, wie sehr er sein Leben hasste.

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Es war ein wunderschöner Frühlingstag, aber Ron Weasley bekam nicht das Geringste davon mit. Jeder Muskel in seinem Körper war gespannt, wie der eines Raubtiers vor dem Sprung. Er hatte etwas gehört, dessen war er sich sicher. Dean duckte sich neben ihm, seine dunklen Augen musterten die Umgebung. Er spürte es ebenfalls.

Sie kommen, gestikulierte Ron. Zehn Uhr. Zwölf Signaturen.

Dean nickte, und deutete zum Lager.

Keine Zauberei. Ron wusste, dass die Todesser Sentinels unter sich hatten, die sofort alarmiert wären, wenn sie einen Warnzauber spürten. Im Moment waren sie noch dabei sich anzuschleichen, und sehr wahrscheinlich arbeiteten sie bereits daran, ihre Schutzzauber auszuschalten.

Dean nickte erneut und kauerte sich dichter zusammen, sich in seine Animagusform verwandelnd. Der schwarze Mungo huschte durch das hohe Gras und war schnell verschwunden, um ihre Kameraden zu warnen. Ron stieß erleichtert die Luft aus. Er hatte auf dieser Mission noch mehr Grund als sonst, seine Leute lebend nach Hause zu bringen. Je näher die Signaturen kamen, desto mehr konnte er mehrere starke Zauberer darunter fühlen. Es war besorgniserregend, aber Ron war zuversichtlich. Er lächelte grimmig, als er eine bekannte Aura spürte. Dieses Mal kommst du nicht davon, Schlange.

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Draco starrte auf das Meer. Es war unendlich. Er fühlte sich plötzlich schwindelig, fast als würde er schweben, als würde sich die ganze Welt um ihn drehen.

„Kommst du, Daniel?", ertönte Hermiones Stimme weiter vor ihm.

Draco zuckte zusammen. Er verabscheute diesen Namen. Sein Blick löste sich vom Wasser und fand auf den Weg zurück, ein schmaler Trampelpfad, der auf der linken Seite von Viehweiden gesäumt wurde. Sie hatten bereits zweimal über Zäune klettern müssen, um ihm weiter zu folgen. Auf der rechten Seite fielen die Klippen steil ab, nur ein paar Meter von ihnen entfernt. Warnschilder sorgten dafür, dass niemand zu nah an den Rand trat.

Hermione war unermüdlich, stets ein paar Schritte voraus. Draco seufzte frustriert, und lief ihr nach.

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Ein Fluch zischte durch die milde Frühlingsluft und ließ einen Busch auf Tigris' linker Seite in Flammen aufgehen. Es beunruhigte ihn nicht sehr. Die Auroren waren erbärmlich, wie immer. Zwei von ihnen waren bereits tot, und noch hatte keiner seiner Leute einen Kratzer davon getragen.

Plötzlich sah er einen Blitz grünen Lichtes, und der Todesser rechts neben ihm brach zusammen, tot. Tigris fuhr herum, außer sich, dass einer seiner Leute dermaßen sein Ziel verfehlt hatte. Er fand sich einer maskierten Gestalt in einer rotgoldenen Robe gegenüber, und schaffte es gerade noch, einem weiteren Avada Kedavra auszuweichen. Tigris keuchte schockiert auf, als ihm bewusst wurde, dass dies einer der abtrünnigen Phönixer sein musste.

Weitere von ihnen waren auf der anderen Seite erschienen. Mehr dunkle Flüche schlugen ihnen entgegen, und zwei mehr seiner Leute fielen.

Tigris sprach zwei Patanteritals in rascher Folge, und zwei seiner Gegner gingen in Flammen auf. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug. Plötzlich war die Sache nicht mehr so einfach.

o

Die Grangers waren nun schon fünfzig Meter vor ihm, und verschwanden bereits in der nächsten Senke.

Draco sah zu dem Leuchtturm hinunter, der tief unter ihm auf einer Landzunge stand. Er sah von so weit oben winzig aus. Nicht weit vor ihm fielen die Felsen über hundert Meter ab, auf einen schmalen Streifen Steinküste, gegen den die Wellen unaufhörlich andonnerten. Unwillkürlich trat Draco einen Schritt näher an die Klippe. Sein Herz schlug schneller, in einer Mischung aus Furcht und Faszination. Er fühlte sich plötzlich so lebendig, wie schon seit langem nicht mehr. Auf einmal waren seine Gedanken kristallklar, und er wusste, was er tun würde.

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Ein Schrei ließ Tigris gefrieren. Nicht weit von ihm wand sich einer seiner Todesser in Schmerzen auf dem Boden. Der Fluch, der ihn getroffen hatte, fraß sich durch zu seinem magischen Kern, und würde ihn in Minuten umbringen. Ohne darüber nachzudenken tötete Tigris den Auror, gegen den er gekämpft hatte und eilte an die Seite des Gefallenen. Er benutzte einen Schwall roher Magie um den Fluch zu stoppen, ohne sich wirklich bewusst zu sein, wie er es getan hatte. Sein Vater starrte zu ihm hoch, seine grauen Augen vor Schmerz verengt. „Warum..."

Tigris wandte sich ab, unwillig, eine Frage zu beantworten, deren Antwort er selbst nicht wusste. „Adder!", schrie er.

Severus eliminierte seine Gegner, und war in Sekunden an seiner Seite.

„Schaff ihn hier weg.", befahl Tigris. Severus wollte etwas einwenden, aber Tigris zischte ärgerlich. „Schaff ihn hier weg und stell sicher, dass er am Leben bleibt! Das ist ein Befehl!"

Severus zögerte noch einen Augenblick, dann nickte er knapp, und die beiden verschwanden.

o

Draco trat einen Schritt näher an die Klippe, dann noch einen. Er stand schließlich ganz am Rand und blickte hinunter. Er spürte keine Furcht mehr. Er fühlte sich ganz ruhig. Dann machte er einen Schritt vorwärts und fiel einfach.

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Tigris stand auf, wutentbrannt. Er bemühte sich nicht, seine Wut zu unterdrücken. Stattdessen ließ er sich von ihr vereinnahmen, nährte sich an ihr wie an einer schwarzen, giftigen Quelle.

Seine Magie knisterte um ihn herum und hob ihn in die Luft, ihm einen Überblick über das Schlachtfeld ermöglichend. Vier der Phönixer waren noch am Leben und kämpften gegen drei seiner Todesser. Die anderen zwei verbliebenen Todesser waren mit den Auroren beschäftigt. Sie waren hoffnungslos in der Unterzahl.

Tigris stieg höher in die Luft und ließ seine Magie mit roher Gewalt in die Schilde der Phönixer schlagen, sie auf der Stelle durchbrechend. Sie taumelten zurück. Sein Avada Kedavra tötete einen von ihnen, ein weiterer fiel durch einen seiner Todesser. Die letzten beiden, von seinem Angriff geschwächt, flohen.

Das ließ noch zwölf Auroren übrig, mit denen sie sich beschäftigen mussten.

Tigris überfiel ohne Vorwarnung ein Anfall der Schwäche, und er verlor die Kontrolle über seinen Schwebezauber und fiel.

o

Die steinerne Küste kam ihm rasend schnell entgegen, und Draco fragte sich flüchtig, wie es sich anfühlen würde. Er war sich recht sicher, dass es schnell gehen würde, ein Aufprall aus dieser Höhe würde ihn sofort töten. Doch dann, kaum zehn Meter über dem Boden, verlangsamte er sich. Er hatte kaum Zeit, zu begreifen, was geschah, als jede Faser seines Körpers in Schmerzen aufging. Aus der Distanz nahm er wahr, dass er schrie.

„Denkst du wirklich", zischte eine aufgebrachte Stimme in seinen Gedanken, „dass ich mir solche Mühe gegeben habe, dich am Leben zu halten, nur damit du dich umbringen kannst? Du wirst leben, kleiner Bruder... und wenn es das letzte ist, was ich tue."

Draco keuchte schockiert auf. Im nächsten Moment prallte er auf den Steinen auf und konnte fühlen, wie mehrere seiner Knochen splitterten. Einen Augenblick später verlor er dankbar das Bewusstsein.

o

Tigris kam taumelnd auf die Füße, noch immer desorientiert. Um ihn herum tobte der Kampf weiter, und es war ein reines Wunder, dass er nicht getroffen worden war.

„Zurückziehen!", schrie er. Ohne darüber nachzudenken, drehte er seinen Stab zwischen den Fingern, während er fieberisch darüber nachdachte, was er tun sollte. Seine Todesser gehorchten und disapparierten. Sie hatten gelernt, dass Zögern ihnen nichts als Schmerzen einbringen würde.

Plötzlich streifte ihn ein Fluch, und sein Stab wurde ihm aus der Hand gerissen. Tigris versuchte, ihn zu sich zu rufen, aber es gelang nicht. Er drehte sich um, und sah sich Ron Weasley gegenüber, der triumphierend grinste. Tigris fluchte innerlich. In einer automatischen Bewegung holte er zwei Wurfmesser hervor und warf sie. Eines traf Thomas, der neben Weasley stand, genau in die Brust. Das zweite traf Ron in die Schulter. Sein Grinsen verblasste und er fiel auf die Knie, einen verblüfften Ausdruck auf dem Gesicht.

Tigris öffnete den Mund, um seine Armbänder zu lösen, aber bevor er dazu kam, trafen ihn mehrere Betäubungsflüche in den Rücken. Er wurde herumgeschleudert und fand sich seinem Angreifer gegenüber. Das letzte, was er sah, bevor er das Bewusstsein verlor, waren Ginny Weasleys hasserfüllte Augen.


Vielen Dank für eure Reviews an: Reditus Mortis, Giftschnecke, SoleilNoir, LuJo, Saleru, bluetwinstar, LunaNigra, xAuroraSkyx, Joeygx, Chriiis, ragnosatnet, Demenor, Milli 93, Horst, Rapelelektroschock :D

Ja, ihr musstet lange warten, ich weiß. Dafür gibt es diesmal ein schön langes Kapitel. Aber eine Warnung: Ich habe gerade Urlaub. Wenn ich bis zum Ende meines Urlaubs mit dem nächsten Kapitel nicht fertig bin, dauert es wieder ein Weilchen. Danke für eure Geduld und die Inspiration die ihr mir gebt!

Reviewantworten gibt es wie immer im Forum.