Disclaimer:
Harry Potter gehört Joanne K. Rowling. Seufz. Liest jemand das? Tut nicht so als ob. Ich weiß, mir hört nie jemand zu.
Du bist ein integraler Bestandteil dieser Geschichte, Marvin...
Versuchst du etwa, mich aufzuheitern? Lass es. Es wird nicht funktionieren. Ich bin zu intelligent gebaut worden. Darum bin ich immer depressiv. Es ist ein Fehler in der Programmierung, verstehst du? Oder besser gesagt, es ist das Resultat zu guter Programmierung. Nein, du verstehst es nicht. Ich wusste, du verstehst es nicht. Niemand versteht mich. Seufz.
Schatten der Wahl
27. Erwachen
Er brannte. Jede Faser seines Körpers brannte. Es war ein Schmerz, der seit Ewigkeiten anhielt, er konnte sich nicht länger erinnern, wann er begonnen hatte. Der Schmerz erfüllte seine gesamte Welt. Irgendwo waren Stimmen. Manchmal hörte er sie, wie durch Nebel hindurch, aber sie erreichten ihn nicht. Am Anfang hatte er geschrien. Manchmal hörte er seine eigenen Schreie, wie ein Echo. Er schrie nicht mehr. Der Schmerz hörte nie auf. Er wusste nicht mehr, wer er war. Er wusste nicht, warum er diesen Schmerz fühlte. Er existierte in einem Limbo, in dem nichts existierte außer Feuer.
Dann, plötzlich, erlosch es, und er erwachte.
Als er die Augen aufmachte, sah er in die grünen Augen einer Schlange, die auf ihn hinunter starrte.
„Wo ist mein Meister?", fragte sie. „Sag es mir!"
Severus – denn das war sein Name, er erinnerte sich nun – blinzelte. Schlangen konnten nicht sprechen. Er musste noch immer träumen.
„Ich weiß es nicht.", antwortete er in seinem Traum.
Die Schlange schrie wütend auf, und verschwand.
Der Traum endete, und Severus erwachte. Lucius sah auf ihn herunter. Er sah abgemagert aus, blass. „Merlin sei Dank.", sagte er. „Wir dachten, du wärest für immer verloren."
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Sarin war wütend. Sie hatte den Giftdieb nur aufgeweckt, weil sie gehofft hatte, dass er ihr weiterhelfen könnte, aber er war nutzlos gewesen.
Sie verwandelte sich in ihre Kornnatter-Gestalt zurück und kroch durch das hohe Gras zu ihrem nächsten Ziel.
Sie hatte ihren Meister verloren. Sie begriff nicht, wie es geschehen war.
Ihr Meister hatte seinen Stab weggeworfen. Das war äußerst dumm gewesen, also war Sarin dem Stab nachgejagt, um ihn zurückzubringen. Als sie den Stab gefunden hatte, war ihr Meister nicht mehr da gewesen.
Zu Beginn war Sarin nicht beunruhigt gewesen. Sie konnte ihren Meister überall finden, egal wo er war. Das war immer so gewesen. Sie war ihrem Instinkt gefolgt. Doch dort, wo ihr Meister hätte sein sollen, war nichts gewesen. Nur Gras, Felsen und Schafe. Verwirrt hatte sie weitergesucht, aber es blieb dabei, sie konnte ihn nicht finden. Er war verschwunden.
Der andere Sprecher suchte ebenfalls nach ihm, das wusste sie. Sarin hatte versucht mit der dummen Nagini zu reden, aber die fette Idiotin war zu blöd, zu verstehen, was Sarin sagte. Ohnehin, Sarin hatte genug mitbekommen, um zu wissen, dass der andere Sprecher auch keine Ahnung hatte, wo ihr Meister war.
Nun war sie auf dem Weg zu dem anderen Mann, dem, gegen den ihr Meister gekämpft hatte, bevor er seinen Stab wegwarf. Sie erinnerte sich an seinen Geruch. Sie würde ihn finden. Er würde ihr sagen, wo ihr Meister war.
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„Mein Lord, ich wünsche mir ebenso sehr, ihn zu finden, wie Ihr." Lucius war erschöpft. Er hatte es mit letzter Kraft durch seine Verhandlung geschafft. Es war kräftezehrend gewesen, auch wenn Blaise die Anklage in der Luft zerrissen hatte. Er war erst vor zwei Tagen aufgewacht, und die Folgen des Fluchs wirkten noch immer nach.
Der Dunkle Lord schwenkte nur seinen Stab, ohne den Cruciatusfluch laut auszusprechen. „Maße dir nicht an, mir zu sagen, wie sehr ich etwas will."
„Es tut mir leid, mein Lord.", murmelte Lucius. Er versuchte nicht, wieder aufzustehen, sondern blieb einfach knien.
„Ich erwarte mehr Anstrengung, von euch allen!", schrie der Schwarzmagier.
Die anderen Todesser um sie herum bewegten sich unruhig.
„Das Ministerium ist durchsetzt mit meinen Todessern, wie ist es möglich, dass alles, was ihr mir bringt, Nichts ist? Verschwindet! Das nächste Mal erwarte ich Resultate!" Der Lord wandte sich zu einer Gestalt in der ersten Reihe um. „Du bleibst, Lamiah."
Lucius nahm seine Kraft zusammen, und schaffte es zu apparieren. Er war schwach vor Erleichterung, als er das Herrenhaus vor sich sah. Er hatte das Gefühl, ihr Lord wurde von Tag zu Tag grausamer und irrationaler. Es wurde höchste Zeit, dass sie Tigris fanden. Sein Sohn war der einzige, der es schaffte, die Launen des Magiers zu beeinflussen.
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„Es wirkt!", sagte die Stimme einer Frau. „Seine Werte verbessern sich!" Ihre Stimme klang zugleich ungläubig und jubilierend. Ron wusste nicht genau, was los war. Er erinnerte sich an den Kampf. Er vermutete, dass er verwundet worden war. Ja, er erinnerte sich daran. Scheiße, Dean war tot. Dieser Bastard hatte ihn mit einem seiner verfluchten vergifteten Dolche erwischt. Ron wurde klar, dass er verdammtes Glück hatte, noch am Leben zu sein. Kein Wunder, dass die Heilerin so überrascht klang. Das musste der Grund sein, warum er von Schlangen geträumt hatte. Er öffnete die Augen, und versuchte, sich aufzusetzen. Mit einiger Anstrengung gelang es ihm.
„Bleiben Sie liegen!", sagte die Heilerin entsetzt. „Sie sind gerade aus dem Koma erwacht!"
„Mir geht es gut.", sagte Ron. „Ich will gehen." Er fühlte sich besser. Gut, wie er gesagt hatte. Sein Arm tat noch immer ein wenig weh, aber das ließ sich ertragen. Ihm war nicht danach, im Bett zu liegen, wenn sie endlich den Todesser gefangen hatten, auf den er seit Jahren Jagd gemacht hatte. Er wollte wissen, wer es war. Er wollte ihm ins Gesicht sehen.
Die Heiler waren aber nicht so ohne weiteres bereit, ihn gehen zu lassen. Sie bestanden darauf, noch etliche Tests durchzuführen, bevor sie Ron erlaubten, das Krankenhaus zu verlassen. Keiner von ihnen bemerkte die kleine Schlange, die sich unter dem Bett zusammengerollt hatte und ungeduldig vor sich hin zischte.
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Als Ron den Wachraum betrat, fiel sein Blick als erstes auf seine kleine Schwester, die erschöpft an der Wand lehnte. Einen Moment lang war er wütend auf Percy. Wie konnte er ihr eine solche Last aufbürden? Ron war klar, dass Percy überzeugt gewesen war, das Richtige zu tun, aber seinem Bruder war einfach nicht klar, wie verletzlich Ginny war. Sie waren ihre älteren Brüder, es war ihre Aufgabe, sie zu beschützen. Ron war froh, dass er wieder gesund war.
Als sie einige Minuten später wütend aus dem Raum stürmte, konnte er das verstehen, aber er war trotzdem überzeugt, im Recht zu sein. Dies war nicht Ginnys Aufgabe. Es war seine.
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Blaise lächelte, während sie auf das Bett zuging. Ihr Gewand fiel zu Boden, zusammen mit ihrem Zauberstab, und offenbarte blasse, makellose Haut. Sie war eine schöne Frau. Voldemort konnte das anerkennen, ohne besonders viel bei dem Gedanken zu empfinden. Er schätzte es, wie er den Anblick eines guten Gemäldes oder einer vollendeten Statue schätzte. In dem konkreten Zusammenhang mit dem Nutzen, den sie für ihn hatte, spielte es keine Rolle für ihn.
Sie rekelte sich auf den dunklen Laken und sah zu ihm hoch, furchtlos. „Dies ist schon lange mein Wunsch gewesen.", sagte sie nachdenklich, mit der Hand über das Laken streichend. Sie lachte plötzlich, amüsiert über sich selbst. „Es gibt nur wenige Menschen, die verstehen können, welche Faszination der Begierde nach Macht zu Grunde liegt. Ich weiß jedoch, dass Ihr wisst, wovon ich rede, mein Lord."
„Das tue ich.", antwortete Voldemort gleichgültig. Normalerweise gefiel ihm ihre Art. Sie war intelligent und skrupellos, die gleichen Eigenschaften hatte er an Bellatrix gemocht. Er wusste nicht warum, aber diesmal ließ es ihn kalt. Ihre Art zu reden erschien ihm farblos, sogar unangenehm. Ihre Aura, die er von Beginn an für etwas Besonderes gehalten hatte, kam ihm nun uninteressant vor, und er zweifelte bereits daran, dass seine Entscheidung richtig gewesen war.
Ärgerlich über dieses Gefühl verfluchte er sie. Voldemort hasste Zweifel. Sie waren eine Schwäche, und er hasste Schwäche. Im Besonderen, wenn er sie bei sich selbst fand, ohne sie erwartet zu haben. Blaise schrie, als der Cruciatus ihre Nerven in Brand setzte. Ihr Körper zuckte hilflos im Griff des Fluches, wie ein Insekt im Schnabel eines Vogels. Es langweilte ihn.
Als er den Fluch beendete sah sie zu ihm auf, die Augen geweitet vor Lust und stupider Bewunderung.
Er war plötzlich von einer irrationalen Wut erfüllt. Er nahm sie, und ihre Magie, mit mehr Gewalt als er beabsichtigt hatte. Er hatte sie einmal gemocht, in gewisser Weise zumindest. Nun dachte er nicht mehr daran. Als die Bewunderung in ihren Augen sich in Furcht verwandelte, fühlte er eine perfide Genugtuung. Er wollte und brauchte sie nicht. Blaise gehörte ihm, sie war mehr seine Kreatur als ihr oder irgendjemandem außer ihm je bewusst sein würde. Voldemort lächelte bei dem Gedanken. Wie schwach und blind sie alle waren. Als er von ihr bekommen hatte, was er wollte, schickte er sie weg. Sie kroch davon, das erbärmliche, unzulängliche Geschöpf. Es kostete all seine Selbstbeherrschung, ihr nicht das Genick zu brechen wie einer nutzlosen Henne.
Nachdem sie weg war lag er wach und starrte an die Decke, angewidert von dem Gefühl, das ihre Magie hinterlassen hatte, als sie sich mit seiner mischte. Etwas, das ihn nie zuvor gekümmert hatte. Er fühlte, wie die Wut in ihm zunahm. Mit der Wut kam das Bedürfnis, etwas zu zerstören. Nicht einfach irgendetwas jedoch. Etwas Bestimmtes. Er wusste nur noch nicht, was.
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Sarin kroch über die kalten Steine. Sie war sehr langsam. Warum wusste sie nicht. Sie war an diesen Ort gekommen, um etwas zu finden. Sie wusste, dass es in der Nähe war, etwas Wichtiges. Sie war müde. Vielleicht wurde es wieder Winter. War es nicht gerade erst Winter gewesen? Vielleicht würde sie sich besser fühlen, wenn sie ein paar fette Ratten verspeist hatte. Es gab Ratten hier, sie konnte sie riechen. Sie war an diesen Ort gekommen, um etwas Wichtiges zu finden. Der Geruch der Ratten wurde intensiver. Sie war hungrig, seit einer Weile schon. Konzentriert auf die Jagd, wurden ihre Bewegungen schneller. Wenn sie satt war, würde sie sich nach einem wärmeren Ort umsehen. Futter. Wärme. Dies war ein kalter, nasser Ort. Ein schlechter Ort für eine Schlange. Sie war hier her gekommen um etwas zu finden. Ein Nest? Ein schlechter Ort für ein Nest, dieser Ort. Ihre Gedanken verstummten, stotterten, verstummten erneut. Sie war eine Schlange. Sie jagte.
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Tigris starrte auf die Tür, die sich hinter Ginny geschlossen hatte. Er war froh, dass sie weg war. Es gab ihm einen Moment Zeit, seine Gedanken zu ordnen. Er wusste, dass er nicht nachgeben konnte. Es war zu spät, er war zu tief involviert. Das Ministerium würde ihn nie gehen lassen, wie sie es versprochen hatte. Es war ein Trick, ob Ginny davon wusste, oder nicht. Tigris gab sich der Illusion hin, dass sie es nicht wusste. Er musste vor sich selbst eingestehen, dass er Ginny noch immer mochte. Das hartnäckige kleine Mädchen, das er früher einmal beinahe als eine kleine Schwester angesehen hatte, war zu einer beachtenswerten Frau geworden. Sie beeindruckte ihn, aber sie beunruhigte ihn auch. Sie besaß noch immer diese Hartnäckigkeit, unterstützt von einer wachen Intelligenz, die seine Schwachstellen fand, bevor er sie davon ablenken konnte. Es fiel ihm zunehmend schwerer, sie zu irritieren, und sie kehrte viel zu leicht wieder zu ihrer Strategie zurück. Langsam aber sicher kroch sie hinter seine Barrieren, und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie die richtigen Schlüsse zog, die gefährlichen. Tigris konnte nicht zulassen, dass das passierte. Seine ganze Zukunft hing davon ab, dass Voldemort keinen Zweifel daran hatte, dass er loyal war. Wenn er auch nur den leisesten Verdacht hegte, dass Tigris ihn verraten hatte, wäre alles verloren. Er brauchte eine neue Strategie, eine, die wirkte. Es war jedoch nicht leicht, darüber nachzudenken. Eine bleierne Müdigkeit erfüllte ihn, und seine Kopfschmerzen waren zu einem ständigen Begleiter geworden. Er hatte seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Es war nicht das tropfende Wasser, oder das Licht; Tigris war schnell dahinter gekommen, dass beides dazu diente, ihn zu zermürben. Er konnte das ignorieren, sehr leicht sogar. Es war etwas an diesem Ort, was in seine Eingeweide kroch wie eine Krankheit, ein andauernder Schmerz, der seine Kräfte aufzehrte. Was immer es war, er konnte nicht dagegen ankämpfen.
Als die Tür sich öffnete, sah Tigris beunruhigt auf. Es war jedoch nicht Ginny. Seine anfängliche Überraschung verwandelte sich beschämend schnell in Erleichterung. Er hatte große Mühe, sie sich nicht anmerken zu lassen. RON. Er wusste, was das hieß. Es konnte nur eines heißen. Ginny war ersetzt worden. Diese Dummköpfe. Ron, Ron war einfach zu handhaben. Tigris grinste. „Weasley!", sagte er. „Ich dachte, du seist tot. Wie es scheint, tauchst du doch wieder auf. Ungeziefer vergeht nicht, hmm? Wie schade, ich hatte so viel Spaß mit deiner hübschen kleinen Schwester."
Ron schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, ohne auch nur zu antworten. Tigris hatte seinen Kopf zur Seite gedreht, in Erwartung dieser Reaktion, und vermied so eine gebrochene Nase. Er versteckte sein zufriedenes Lächeln. Wie er es gedacht hatte, Ron war noch immer einfach.
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Severus stemmte sich hoch, die brennenden Schmerzen, die bei jeder Bewegung seinen Körper durchzuckten, ignorierend, so gut es ging. Sein Magen revoltierte einen Moment lang, bevor er ihn mit einer Willensanstrengung zur Ruhe zwang. Er hatte keine Zeit für solche Schwäche.
„Severus...", sagte Narcissa mit einem gequälten Unterton in ihrer Stimme. „Du bist noch lange nicht gesund genug." Sie saß in einem Stuhl einige Meter von seinem Bett entfernt. Obwohl sie die letzten Tage damit verbracht hatte, ihn und Lucius gesund zu pflegen, war ihre Erscheinung makellos wie immer. Vor einigen Tagen war es noch nicht so gewesen, das wusste Severus. Nun jedoch, da es beiden ihrer Patienten besser ging, hatte sie Zeit gefunden, sich etwas auszuruhen.
„Ich bin gesund genug, zu tun, was notwendig ist.", antwortete Severus mit zusammengebissenen Zähnen. „Du weißt, dass unser Lord nicht warten wird, bis ich vollständig geheilt bin."
Ihre Lippen formten einen dünnen Strich, dass einzige Zeichen ihrer Missbilligung. Ob diese Severus' Sturheit oder dem Verhalten des Dunklen Lords galt, verriet ihr Gesicht jedoch nicht.
„Du willst deinen Sohn gesund und lebend zurück, dachte ich. Man sollte annehmen, du begrüßt die Befehle unseres Lords. Oder hast du dein Herz so verschlossen, dass es dir egal ist?" Severus fühlte eine flüchtige Genugtuung, als sie bei seinen bissigen Worten erbleichte. Er brauchte ihre Fürsorge nicht. Mühsam kam er auf die Füße, und quälte sich zum Bad, für eine lang ersehnte Dusche. Als er unter der Dusche stand, zitterten seine Muskeln vor Anstrengung, aber das warme Wasser tat gut. Er widerstand der Versuchung, sich hinzusetzen. Wenn er das tat, wusste er, dass er es nicht schaffen würde, wieder aufzustehen. Stattdessen benutzte er einen Zauber, um sich abzutrocknen und anzuziehen. Als er in das Zimmer zurückkam, war Narcissa gegangen.
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Als Draco das nächste Mal erwachte, saß Hermiones Vater neben ihm und betrachtete ihn mit einem nachdenklichen Blick. Nach all seinem Grübeln über Tigris fühlte sich Draco geistig erschöpft. Er wusste nicht mehr, was er wollte. Er fühlte sich leer, so als fehlte ein Teil von ihm. „Mister Conté...", sagte er, dann brach er ab. Er war schockiert davon, wie heiser seine Stimme klang, wie schwer ihm das Sprechen fiel.
„Langsam, Junge." Der Mann reichte ihm ein Glas Wasser, und Draco trank langsam und mühsam ein paar Schlucke.
„Was machen Sie hier?", fragte er dann.
„Du kannst mich Bernard nennen, das weißt du doch.", sagte Hermiones Vater müde. „Ich weiß es nicht. Ich denke, ich versuche nur, herauszufinden, was dich dazu gebracht hat, etwas so Dummes zu tun. Etwas, das meinem Mädchen so weh tut."
Draco schluckte. „Ich hatte nie vor, Hermione zu verletzen." Aber natürlich hatte es sie verletzt. Es war offensichtlich, nun da er darüber nachdachte. Er wusste, wie sehr sie sich für ihn verantwortlich fühlte, wie persönlich sie es nahm, dass es ihm besser ging. Sie musste Schuldgefühle haben, auch wenn es völlig unsinnig war. „Es tut mir leid.", krächzte er. „Ich war nur... alles... so müde."
Hermiones Vater betrachtete ihn ernst. „Darum wolltest du dich umbringen? Das löst nicht das Geringste, Junge. Das einzige, was es bewirkt, ist, alle deine Hoffnung zu zerstören, jemals etwas aus deinem Leben zu machen. Es nimmt dich und alle deine Chancen und Perspektiven aus der Welt, und reißt ein Loch in das Leben aller, denen du etwas bedeutest, eine Wunde, die in ihrem Leben niemals heilen wird. Das ist alles. Solange du lebst, bist du Teil dieser Welt. Du kannst sie genießen. Du bist fähig, sie zu ändern, etwas aus deinem Leben zu machen, was dich glücklich macht. Wenn du tot bist, ist alles zu Ende. Was du bist, was du hättest sein können, ist für immer verloren."
„Welche Chancen habe ich denn?", entgegnete Draco bitter. „Ich bin ein Krüppel, ich werde nie wieder sein können, was ich war."
„Dann kannst du etwas Neues werden.", sagte Mister Granger, einen Hauch Ärger in seiner Stimme. „Du bist jung und intelligent. Du kannst etwas aus deinem Leben machen, wenn du nur genug willst. Es wird nicht sein, was du einmal warst, das ist wahr. Es wird nicht sein, was du erträumst. Aber das heißt nicht, dass es nicht etwas sein kann, was dich glücklich macht, irgendwann, in der Zukunft. Solange du es nicht versuchst, wirst du es nie herausfinden. Andere können dir dein Leben nicht zurückgeben. Es ist allein deine Verantwortung, es zu ergreifen, etwas daraus zu machen."
Das waren Worte, die auch sein Vater oder Severus hätten sagen können, dachte Draco. Er lächelte flüchtig. Er wusste, dass sie wahr waren. Dennoch, er fühlte sich so hoffnungslos. „Ich glaube, ich habe keinen Kampfgeist mehr übrig.", flüsterte er. „Es erscheint alles so... sinnlos."
„Das ist es nicht.", sagte Mister Granger. „Niemals. Wir werden dir helfen. Wir werden tun, was wir können. Aber du darfst nicht aufgeben, hörst du mich. Das muss von dir kommen, Junge. Du darfst nicht aufgeben. Versprich mir das!"
Draco sah dem Mann in die Augen. Er sah so ehrlich besorgt aus. Es berührte Draco. Hermiones Eltern waren so offen mit ihren Gefühlen, so hoffnungslos gute Menschen. Ja, er hatte sie wahrscheinlich alle mit dem was er getan hatte verletzt. Das hatte er nicht gewollt. Er hatte nicht darüber nachgedacht. Er war, so dachte er nun, ziemlich selbstsüchtig gewesen. „Ich verspreche es.", sagte er mühsam. „Ich verspreche es."
Mister Granger lächelte mit feuchten Augen, ein Lächeln so voller Stolz, das Dracos Herz sich verkrampfte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihn jemals jemand so angesehen hatte, nicht einmal seine Mutter. Hermiones Vater griff nach Dracos Hand und drückte sie. „Wir schaffen das schon, Junge. Du wirst sehen. Wir schaffen das."
Draco konnte nicht anders, als ihm zu glauben.
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„Du solltest uns jetzt sagen, was wir wollen.", sagte Ron kalt. Er hatte sein Temperament nach dem ersten Ausbruch wieder unter Kontrolle bekommen. Nun saß er Tigris gegenüber und musterte ihn wie ein besonders scheußliches Insekt. „Du wirst feststellen, dass ich die Dinge etwas anders handhabe, als meine Schwester."
„Das sehe ich.", entgegnete Tigris und rieb sich sein schmerzendes Kinn. Ron schlug mit der linken Hand nicht weniger fest zu wie mit der rechten, aber er hatte sich zurückgehalten. Keine gebrochen Knochen, jedenfalls noch nicht.
„Gut. Dann verstehen wir uns ja."
Tigris begegnete Rons Blick. Er war nun kalkulierend, distanziert. Es war der Blick, den er als Kind gehabt hatte, wenn er Schach spielte, nur dass er nun mit einer kalten Grausamkeit gepaart war. Ich bin nur eine Spielfigur für ihn, dachte er. Vielleicht ein Läufer und kein Bauer, vielleicht sogar die Dame, aber dennoch nur eine Spielfigur. Was war Ron für ihn? Auch nicht mehr als ein Hindernis auf seinem Weg, das er auf irgendeine Weise loswerden musste. Er nahm nicht an, dass es zu schwierig werden würde. Er wusste, wie er mit Männern wie Ron umgehen musste. Tigris lehnte den Kopf zurück und starrte an die Decke. Einen Moment lang fragte er sich, wie es jemals hatte so weit kommen können. Sie beide hatten sich so erschreckend verändert, und doch – sie waren die gleichen Menschen, die sie als Kinder gewesen waren. Waren sie damals tief drin schon gewesen wie heute? Was wäre aus ihnen geworden, wenn die Dinge anders gelaufen wären? Er lachte kurz auf. Welch törichte, nutzlose Gedanken. Was zählte, war die Gegenwart. Tigris richtete seinen Blick auf Ron. „Du bist ein bemitleidenswerter, anmaßender Tor. Nichts was du tust wird etwas daran ändern, dass ich euch Witzfiguren nicht das Geringste sagen werde. Denkst du wirklich, was immer du vorhast könnte auch nur im Entferntesten an das heranreichen, was mein Lord tun wird, sollte ich ihn verraten?"
Ron verzog den Mund zu einem humorlosen Lächeln. „Ich habe festgestellt, dass an einem bestimmten Punkt die Gegenwart weitaus mehr Einfluss auf das Verhalten eines Menschen hat, als die Zukunft. Ich gebe zu, die Einschränkungen dieses Ortes beeinträchtigen uns ein wenig. Andererseits, Muggel sind bemerkenswert fantasievoll darin gewesen, Wege zu finden, einem Menschen Schmerzen zuzufügen, ohne ihn umzubringen. Da deine Fähigkeit zu reden das einzige ist, was für uns von Interesse ist, lässt uns das eine Menge Spielraum." Ron hielt inne und musterte Tigris. „Ich hoffe, ich langweile dich nicht, Malfoy. Ich bin sicher, du hast diesem Thema nicht so viel Interesse gewidmet, wie ich."
Natürlich hatte Tigris seine Freizeit nicht damit vergeudet, Foltermethoden der Muggel zu studieren, aber es machte keinen großen Unterschied. Allen Schaden, den Ron anrichtete, konnte ein talentierter Heiler beheben. Das zumindest wäre bei Fluchwunden anders gewesen. Sein Bruder stand nicht länger zur Verfügung, aber sein Vater würde keine Schwierigkeiten haben, Ersatz zu besorgen, wenn die Fähigkeiten seiner Mutter nicht ausreichten. Es würde ihn schneller schwächen, nahm Tigris an, was die Zeit begrenzen würde, die Voldemort blieb, um ihn zu finden. Was, wenn er ihn nicht finden würde?
Tigris wich Rons Blick aus. Er hatte bislang nicht darüber nachgedacht. Was, wenn sie ihn nicht finden würden? Was, wenn er hier sterben würde? Nein, er konnte sich nicht erlauben, darüber nachzudenken. Ron würde ihn am Leben halten, er brauchte die Informationen zu sehr, die er ihm geben konnte. Abgesehen davon, Percy brauchte den Schauprozess, der sicher danach folgen würde. Seine Popularität war im Schwinden, da sich seine Wahlversprechen bislang nicht erfüllt hatten. Voldemort, auf der anderen Seite, würde alles daransetzen, Tigris zu finden, eben weil er es sich nicht leisten konnte, dass sein Wissen in die Hände der Gegenseite gelangte. Er würde ihn finden. Tigris musste nur bis dahin durchhalten.
„Nein.", sagte er laut. „Um ehrlich zu sein, das hatte ich nie nötig. Ihr Auroren seid immer so eilig dabei mir alles zu sagen, was ich wissen will."
Ron machte eine Handbewegung und einer der Auroren an der Seite reichte ihm etwas. „Ich behaupte natürlich nicht, dass wir der Magie vollkommen abgeschworen haben. Es gibt schließlich alte und verlässliche Methoden, Dinge herauszufinden."
Tigris wich etwas zurück, als er sah, was Ron in der Hand hielt. Veritaserum. „Ich dachte, Magie funktioniert hier nicht!" Tigris hatte sich nicht so verraten wollen, aber er war zu überrascht.
Ron musterte ihn einen Moment lang, dann grinste er. „Da du eh hier nie herauskommen wirst, Malfoy, kann ich es dir ruhig erklären. Auf die Gefahr hin, dich erneut zu langweilen: Die meisten Arten von Magie funktionieren hier in der Tat nicht. Es gibt ein paar Ausnahmen in diesem Bereich des Komplexes. Veritaserum gehört dazu. Wie praktisch für uns. Umso mehr da alles, was du getan hast, um die Wirkung zu verhindern, inzwischen nutzlos sein sollte."
Weil sie sein Essen mit Entgiftungstränken versetzt hatten, was sicher einer der Gründe war, warum es ihm so schlecht ging. Tigris fluchte innerlich. Er hatte natürlich noch andere Vorsorge gegen Veritaserum getroffen, aber Artefaktmagie wirkte für ihn nicht mehr. Ansonsten hätte er die Armschienen ohne Probleme abnehmen können. Er hatte nicht mit einem Ort wie diesem gerechnet. Selbst der Stein in der Mysteriumsabteilung hatte keine Metamorphmagie und Animagie, oder magische Wesen beeinträchtigt. Selbst wenn Unterdrückung von Magie in der Theorie möglich war, hätte Tigris nie gedacht, dass das Ministerium es in einem solchen Maß schaffen würde. Ginny hatte ihm jedoch gesagt, dass alles das hier nicht funktionierte. Er war fast überrascht, dass einige Tränke offenbar noch wirkten, aber er glaubte Ron. Veritaserum war eine alchemische Mixtur, deren Magie sich entscheidend von vielen anderen Arten der Magie unterschied. Wenn er genauer darüber nachdachte, der Trank, mit dem er vor so langer Zeit die Armschienen unsichtbar gemacht hatte, wirkte offensichtlich auch noch, selbst in seiner Zelle. Würde er anhand dessen, was er nun wusste, herausfinden können, welche Magie noch möglich war? Tigris war sich nicht sicher. Außerdem, im Moment hatte er ein dringenderes Problem. Er fühlte Panik in sich aufsteigen.
Ron gab den Auroren ein Zeichen. Sie packten Tigris. Er versuchte, sich gegen sie zu wehren, obwohl er wusste, dass es nutzlos war. Er musste es einfach versuchen, er konnte nicht akzeptieren, dass er der Situation hilflos ausgeliefert war. Sie waren jedoch zu geübt in dem, was sie taten, und schafften es schnell genug, ihn zu zwingen, zumindest etwas von dem Serum zu schlucken. Alles, was seine Anstrengungen ihm brachten, war ein ausgerenkter Kiefer und ein paar mehr Prellungen und blaue Flecken. Ersteres behoben sie natürlich schnell wieder, schließlich wollten sie, dass er reden konnte.
Tigris' Herz raste, während er auf das betäubend-euphorische Gefühl wartete, das von Veritaserum erzeugt wurde. Es vergingen einige Augenblicke, aber es kam nicht. Ein paar hektische Atemzüge, dann war er sicher. Es wirkte nicht. Tigris wusste nicht warum, aber es wirkte nicht! Er fühlte sich berauscht vor Erleichterung. Noch nie zuvor war er so nah davor gewesen, alles zu verspielen. Er lachte vor triumphierend. „Es wirkt nicht! Zu schade für dich, Wiesel!" Tigris atmete tief durch, während sein Herzschlag sich langsam beruhigte. Er wusste, er grinste wie ein Idiot, aber es war ihm egal. Er war gerettet, durch was auch immer.
Rons Augen verengten sich. „Wirklich? Testen wir das doch erst mal. Wann bist du zum Todesser geworden, Malfoy?"
„Ich? So etwas würde ich doch nie tun.", antwortete Tigris lachend.
„Wie kann das sein?", rief Ron ärgerlich. „Ihr habt das Zeug getestet, oder? Ihr habt mir versichert, dass ihr ihn mit Detox vollgepumpt habt!"
„Das haben wir, Fuchs.", versicherte der Auror, der Ron das Serum gereicht hatte. „Ich habe keine Erklärung dafür. Vielleicht braucht es einen Moment."
„Es sollte keinen Moment brauchen! Aber gut. Eine einfachere Frage. Wie heißt du?"
Tigris grinste ihn an. „Harry James Potter." Er wusste nicht genau, warum er das gesagt hatte. Nicht wegen dem Serum, das war sicher, denn für ihn war das längst nicht mehr die Wahrheit. Aus einem Moment wahnsinniger Genialität heraus vielleicht.
Ron sprang wutentbrannt auf. „Wie kannst du es wagen! Du verdienst es nicht, seinen Namen in deinen dreckigen Mund zu nehmen, du Abschaum!"
„Du glaubst mir nicht?", entgegnete Tigris spöttisch. „Aber es ist die Wahrheit. Das ist der Grund, warum ich aufgetaucht bin, kurz nachdem euer kostbarer Retter verschwunden ist, weißt du? Ich bin nicht gestorben. Ich habe nur entdeckt, dass ich in Wirklichkeit der verlorene Sohn von Lucius Malfoy bin und mich entschieden, ein neues Leben anzufangen. Auf der Seite der Gewinner."
„Nur dafür", sagte Ron kalt, „werde ich persönlich darauf achten, dass wir dir jeden Knochen im Körper einzeln brechen."
Tigris hätte die Ironie zu schätzen gewusst, aber er konnte nicht aufhören, zu lachen.
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„Nichts!" Lucius war vor einer Weile wütend gewesen. Nun fühlte er nur noch eine Erschöpfung, die an Verzweiflung grenzte. „Wir haben nichts herausgefunden! Ich habe alle meine Kontakte ausgeschöpft, ich weiß nicht, was ich sonst noch tun soll!"
Narcissa betrachtete ihn. Sie saß in ihrem Sessel und malte. Das tat sie in letzter Zeit häufiger, immer wenn sie nicht mit ihren Bekannten redete. Es waren meistens Landschaftsbilder. Sie verschenkte sie, wenn sie fertig war, manchmal verkaufte sie sie auch an Galerien. Sie war so talentiert, dass die Betrachter so von ihren Landschaften eingenommen waren, dass sie die winzigen, naturgetreuen Abbildungen von Zauberern und Hexen darin nicht einmal bemerkten.
„Ich habe dir gesagt, Blaise soll Weasley endlich mit Imperius belegen.", sagte sie.
Lucius unterdrückte den Reflex, sich die Stirn zu reiben. Er spürte die Anfänge heftiger Kopfschmerzen. „Sie wird es nicht tun. Ich habe dir gesagt, dass unser Lord das nicht will. Weasley ist so noch nützlicher für uns."
„Es schmerzt mich, das zu sagen", erwiderte Narcissa kühl, „aber unser Lord ist im Irrtum. Er wird es bald erkennen und bitter bereuen, und wir werden es sein, die darunter zu leiden haben." Sie lächelte und winkte mit der Hand, als wolle sie einen lästigen Gedanken vertreiben. „Ich weiß, was du tun wirst, mein Lieber. Wir haben schon lange keinen Ball mehr besucht. Gwynneth plant, nächste Woche einen zu veranstalten. Ich besorge uns die Einladung, und du – du stellst sicher das der Minister und seine bezaubernde Gattin auch eingeladen sind."
„Narcissa...", sagte Lucius. Seine Kopfschmerzen verstärkten sich. Narcissa lächelte und er seufzte. „In Ordnung. Aber Liebes... tu nichts, was du später bereuen wirst."
Narcissa legte den Pinsel beiseite und nahm seine Hand. „Tue ich das jemals? Vertrau mir. Ich weiß, was ich tue."
„Sagt die Frau, die jahrelang meinen Wein mit dem Libera Trank versetzt hat.", grummelte Lucius, aber ließ es zu, dass sie ihn näher zog.
„Musst du immer wieder damit anfangen?", sagte Narcissa amüsiert. „Außerdem, während der meisten Zeit wusste ich voll und ganz, was ich dabei tat." Sie öffnete einen Knopf an seiner Robe und schob ihre Hand unter den Stoff. „Es hatte sehr schöne Vorteile, denkst du nicht?"
„Ja, vielleicht...", brummte er. Er konnte nie lange ärgerlich auf sie sein. Außerdem, seine Kopfschmerzen verschwanden wieder.
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In den letzten Stunden hatte Tigris nur wenige Male genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, Ron zu provozieren. Die meiste Zeit hatte er, wenn er sich richtig erinnerte, vor Schmerzen geschrien, oder gewimmert, vielleicht sogar gebettelt. Er erinnerte sich nicht an alles davon, manches war verschwunden in einer weißen Leere. Ron hatte sich sicher Mühe gegeben, sein Versprechen zu halten.
Nun hatten sie sich endlich abreagiert, oder einfach entschieden, dass es für heute genug war, und ihn in seiner Zelle zurückgelassen. Sie hatten Tigris ein paar Heiltränke eingeflößt, bevor sie ihn in seine Zelle zurückbrachten. Anscheinend wirkten diese allerdings nur langsam bei gebrochenen Knochen. Es fühlte sich jedenfalls an, als wenn sie überhaupt nicht wirkten. Die Schmerzen waren so stark, als wäre jeder Knochen nicht nur einmal, sondern zweimal gebrochen worden. Außerdem fror er. Sie hatten ihm seine Kleidung abgenommen, und seine Pritsche war in Rons Augen anscheinend ein Luxus, den Tigris nicht verdiente.
Tigris atmete flach, um den Schmerz von seinen gebrochenen Rippen zu gering wie möglich zu halten, und seine Gedanken etwas zu klären. Alles in allem war es gut gelaufen. Es war schließlich nur Schmerz. Schmerz hatte ihn nicht besiegt, als er sechzehn gewesen war. Nun, da er älter, stärker und gewöhnter daran war als damals, würde Schmerz alleine ihn umso weniger fertig machen. Er wusste, was er wollte. Er würde niemals nachgeben. Nicht einem verdammten Schläger wie Ron. Das änderte jedoch nichts daran, dass es verdammt weh tat.
Tigris hörte ein Geräusch und schaffte es mit Mühe, aufzusehen. Es hörte sich an, wie jemand, der schwer atmete. Oder, so dachte er nach einem Moment, ein Schluchzen. Jemand stand am Gitter seiner Zelle. In den ersten Augenblicken konnte er die Person nicht klar erkennen. Erst nach einer Weile klärte sich seine Sicht, und der Schemen gewann die Konturen einer Frau, die er kannte.
„Khairiah.", brachte er hervor. Er hatte sie nicht erwartet. Es hatte ihn mehr als überrascht, sie mit Ginny zusammen zu sehen. „Genießt du den Anblick?"
„Was?", sagte die junge Aurorin erstickt. „Nein! Ich wollte nur sehen, wie es dir geht."
Tigris lachte heiser auf, und bereute es sofort, da es eine Welle von Schmerz durch seinen Körper sandte. „Sicher."
Khairiah presste ihre Hände gegen die Gitterstäbe und starrte ihn an.
„Ich habe dich angelogen.", brachte er mühsam hervor. Selbst die wenigen Worte machten ihn schwindelig vor Anstrengung. Er wünschte sich, sie würde gehen, selbst wenn sie ihn ein wenig ablenkte.
„Ich weiß.", sagte Khairiah. „Ich weiß, und als ich dich gesehen habe... Als mir klar wurde, wer du bist... da habe ich dich eine Zeit lang gehasst. Ich bin hier her gekommen, um... ich weiß es selbst nicht so genau. Ich weiß nicht, was ich denken soll! Aber was sie hier tun, das... das ist genauso falsch. Selbst wenn du alles getan hast, wessen sie dich beschuldigen!"
„Ich habe...", begann Tigris, aber wurde von einem Hustenanfall unterbrochen. Er hustete Blut. Mit etwas Glück war das bis morgen geheilt, aber es war sicher kein schöner Anblick. Er konnte nur hoffen, dass Ron nicht gelogen hatte, als er sagte, dass die Tränke wirken würden.
„Hast du mich wenigstens ein wenig geliebt?", fragte Khairiah nach einer langen Pause. „Oder war ich nur ein hübscher Zeitvertreib für dich?"
Tigris war müde. „Ich weiß es nicht.", antwortete er gequält. „Was kümmert es dich jetzt noch? Es ist vorbei. Alles ist vorbei."
Sie blieb noch eine Weile vor der Zelle stehen, aber Tigris sah sie nicht mehr an. Er schloss stattdessen die Augen und versuchte, sich in Gedanken an einen Ort innerlicher Leere zu versetzen, an dem die Schmerzen keine Rolle mehr spielten. Als er später wieder aufsah, war sie verschwunden.
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Narcissa drehte den Brief, den sie bekommen hatte, nachdenklich hin und her. Es war ein schockierender Brief. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie damit anfangen sollte, und sie hätte lieber mehr Informationen gehabt, bevor sie darauf reagierte, aber ihr fehlte die Zeit dazu. Sie musste spontan entscheiden, also musste sie ein Risiko eingehen. Nachdenklich holte sie einen Bogen Pergament hervor und nahm ihren Griffel in die Hand. Was war das Leben ohne ein wenig Risiko?
Mein verehrter unbekannter Schreiber,
begann sie,
von Ihnen zu hören, war wie Balsam für das blutende Herz einer Mutter. Ich wünsche Ihnen, dass Sie nie die Verzweiflung kennengelernt haben, den großen Schmerz, den ich in den letzten Tagen und Wochen durchlitt. Ich fühle jedoch, dass Sie wenigstens etwas davon kennen – wie anders kann ich es erklären, dass Sie sich zu diesem Akt der Barmherzigkeit bereitgefunden haben, den ihre Zeilen für mich darstellen. Ich hoffe daher, dass Sie mir meine Anmaßung vergeben, wenn ich mit einem großen Wunsch an Sie herantrete. Seit ich Ihren Brief lesen durfte, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mit Ihnen persönlich zu sprechen...
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„Hast du deine Einstellung zu unserem Anliegen schon geändert?", fragte Ron, auf Tigris herabsehend.
„Meine Erinnerung ist zu schlecht. Was war es nochmal, was ihr wolltet?", entgegnete Tigris. Die Schmerzen vom Vortag hatten nachgelassen, aber sie waren noch nicht verschwunden. Hinter seinen Schläfen hämmerte es. Er hatte sich vorher schon schlecht gefühlt, aber nun fühlte er sich wirklich krank. Was Ron wollte war vor dem Hintergrund fast nebensächlich.
Ron verzog das Gesicht. „Anmaßend wie immer, wie ich sehe. Du denkst noch immer, es zählt, wer du bist. Lass mich etwas hier klarstellen, Malfoy: Du bist nichts. Nicht einmal eine Nummer. Du bist aus der Welt und aus der Geschichte gestrichen. Wir können dich für alle Ewigkeit hier behalten, wenn wir wollen, und niemand kann etwas daran ändern. Wir machen die Regeln an diesem Ort hier." Er winkte seinen Leuten. „Hoch mit ihm."
Die Auroren griffen Tigris und zogen ihn auf die Füße, dann stießen sie ihn auf die hölzerne Pritsche, die nun keine Matratze mehr hatte. Einer von ihnen zog ihm eine dunkle Kapuze über den Kopf. Tigris lieferte nicht viel Widerstand. Er war schließlich noch immer gefesselt und er war geschwächt. Es war desorientierend, nichts mehr sehen zu können und einschüchternd, nackt und hilflos gegenüber den Wärtern zu sein, aber Tigris ließ es sich nicht anmerken. Er zwang sich, diese Gefühle zu unterdrücken, und ließ nur seinen Zorn in seiner Körpersprache Widerhall finden. Sie wollten ihn demütigen. Er würde ihnen nicht freiwillig geben, was sie wollten.
Einen Moment später prasselte eiskaltes Wasser auf Tigris herab. Der nasse Stoff der Kapuze klebte an seinem Gesicht und er bekam keine Luft mehr. Reflexartig versuchte er, die Kapuze abzuziehen, aber die Auroren hielten ihn fest. Tigris rang vergeblich nach Luft, bis sein Bewusstsein zu schwinden begann. In diesem Moment wurde der nasse Stoff zur Seite gezogen und er konnte japsend Atem holen.
„Hat das deiner Erinnerung auf die Sprünge geholfen?", klang Rons Stimme von irgendwo über ihm.
„Leck mich, Weasley.", keuchte Tigris, noch immer nach Luft ringend. Lichtfunken tanzten vor seinen Augen. In seinem Kopf war ein dumpfes Hämmern, eine Dunkelheit, die ihn zu überwältigen drohte. Tigris erhoffte beinahe, dass er das Bewusstsein verlieren würde.
„Wie es scheint, möchte da jemand diese Erfahrung noch einmal wiederholen, Leute." Ron klang viel zu zufrieden. „Bitte sehr."
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Die Frau, die Narcissa in dem kleinen, gemütlichen Cafe in der Muggelwelt gegenüber saß war sehr jung. Das war Narcissas erster Gedanke, als sie sie sah. Es weckte Mitgefühl in ihr. Sie erinnerte sich daran, wie es war, vor Verliebtheit blind zu sein. Vor Ewigkeiten, so schien es ihr, war sie auch einmal so gewesen. Narcissa nahm verständnisvoll ihre Hand und dankte ihr – und sie war wirklich dankbar. Dieses Mädchen war wie ein Geschenk der Nornen. Wert all die Magie, mit der sie diesen Brief gefüllt hatte, der sie zu ihr geführt hatte. Narcissa sah der Frau tief in die Augen und lächelte.
„Khairiah...", sagte sie. „Das war doch dein Name, nicht wahr, mein liebes Kind? Khairiah, wir mögen nicht viel gemeinsam haben, aber wir sind uns einig in unserer Liebe für meinen Sohn. Du kannst mir vertrauen. Erzähle mir, was dich bedrückt. Erzähle mir alles. Alles, was du weißt."
Die Muggel in dem Cafe gingen weiter ihren Geschäften nach, ohne die beiden Frauen in der Ecke zu beachten, von denen die eine der anderen ihr Herz ausschüttete. Vielleicht hätten sie sich sonst gewundert, warum die Zuhörerin niemals aufhörte, zu lächeln.
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„Es ist ein Ort, an dem Magie wirkungslos ist, mein Lord.", sagte Narcissa. „Sie kannte keinen anderen Zugang, als den, den ich bereits beschrieben habe. Sie wusste auch nicht, wo genau das Gefängnis liegt. Percy Weasley mag der einzige sein, der es weiß."
„Warum hast du diese Frau nicht zu mir gebracht?", fragte der Dunkle Lord ärgerlich.
Narcissa sah unbeeindruckt zu ihm hoch. „Sie ist einer der wenigen Auroren, die Zugang haben. Es hätte Verdacht erregt, wenn sie plötzlich verschwunden wäre, und Präventivmaßnahmen hervorgerufen, die wir vermeiden wollen, mein Lord."
Der Lord sah sie einige lange Augenblicke an, dann wandte er sich ab.
„Ein Ort, der Zauberern ihre Magie nimmt. Nur eine weitere Schande, die die Regierung unserer Welt ihren Bürgern zumutet. Wie viel mehr sollen wir noch tolerieren?" Er schwieg einen Moment, offenbar in Gedanken versunken. „Es scheint, dass ich einige meiner Pläne vorziehen muss. Das ist ungünstig, aber ich bin der Überzeugung, dass wir bereit dafür sind." Der Dunkle Lord sah auf sie herab. Narcissa sah zu ihm hoch, und hoffte nur, dass es hieß, dass er ihrem Sohn helfen würde. „Sei stolz, Narcissa Malfoy. Ein großer Tag steht uns bevor. Ein großer Tag für alle reinblütigen Hexen und Zauberer. Es ist der Tag, der die Zaubererwelt, wie ihr sie kennt, für immer verändern wird." Er lachte, und ihr war kalt.
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Sarin kroch über kalten Steinboden. Sie war satt. Nun suchte sie einen warmen Ort, an dem sie ruhen konnte. Es kam ihr vor, als wäre sie schon ewig in der Kälte. Sie hatte etwas verloren. Sie konnte die Menschen riechen, die diesen Ort bewohnten. Sie ging ihnen aus dem Weg. Menschen waren gefährlich für Schlangen. Instinkt sagte ihr, dass ein warmer Ort nah war. Es war jedoch Menschengeruch dort. Sie zögerte, dann kroch sie näher. Etwas sagte ihr, dass sie keine Angst vor diesem Menschen haben musste.
„Sarin!", sagte eine Stimme. Sie klang überrascht. „Wie bist du hier her gekommen?"
Sarin sah sich nach der Stimme um. Sie schien von dem Menschen zu kommen. Wie eigenartig. Menschen sprachen doch nicht in der Sprache der Schlangen. Oder? Sie betrachtete den Menschen neugierig. Es war etwas seltsam an diesem Menschen. Er roch wie ein Nest, aber ein Mensch konnte kein Nest sein. „Nest.", sagte sie. „Warm."
Die Hand des Menschen strich über ihren Körper. Es fühlte sich eigenartig an, aber vertraut und warm. Sie wand sich um den Arm, um der Wärme näher zu kommen. Es fühlte sich gut an. Hatte sie gefunden, was sie verloren hatte? Einen Mensch? Wie konnte eine Schlange einen Menschen haben?
„Du hättest nicht herkommen dürfen.", sagte die Stimme.
„Nest.", widersprach Sarin müde. Sie war satt, sie hatte ihr Nest gefunden, nun wollte sie schlafen. Das taten Schlangen schließlich.
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„Ich habe nachgedacht.", sagte Ron.
Tigris wusste bereits, dass ihm nicht gefallen würde, was als nächstes kam. Er fühlte sich so widerwärtig schwach. Jeden Tag wurde es schlimmer. Tigris hatte keine Angst davor, dass er nachgeben und Ron alles sagen würde, was er hören wollte. Er hatte langsam Angst, dass er sterben würde, bevor Voldemort ihn fand. Er wusste nicht, warum er sich so krank fühlte, und Ron schien es nicht zu kümmern.
„Ich habe mir überlegt, was du eigentlich dazu brauchst, um unsere Fragen zu beantworten.", fuhr Ron fort. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es eine Menge gibt, was du nicht brauchst. Deine Zehen zum Beispiel. Du brauchst sie nicht, um zu reden. Deine Fingernägel. Deine Finger. Deine Füße. Deine Hände. Deine Augen. Für uns sind sie allesamt überflüssig. Die Frage ist, wie wichtig sind sie dir?"
Tigris starrte hasserfüllt zu ihm hoch. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals zuvor so viel Hass für einen Menschen empfunden hatte. Einmal vor langer Zeit hatte er geglaubt, seinen Vater zu hassen. Als er nun Ron Weasley ansah, konnte er das Gefühl von damals nicht mehr wachrufen. Es erschien schwach und gegenstandslos im Vergleich zu dem, was er in diesem Moment fühlte. Was Tigris noch mehr hasste, als Ron selbst, war, dass er nicht verhindern konnte, dass seine Augen zu dem Messer wanderten, dass Ron zwischen seinen Fingern hin und her drehte. Er hasste es, dass er die Angst nicht unterdrücken konnte, die er bei dem Anblick empfand. Er hasste es, dass er sich niemals so verlassen gefühlt hatte, wie in dem Moment, als Sarin flüchtete, als seine Peiniger in die Zelle kamen. Er hasste seine eigene Schwäche.
„Ich muss gestehen, ich habe mich nie wirklich damit beschäftigt, wie viel noch heilbar ist, wenn ohne Magie verursachte Wunden eine Weile sich selbst überlassen wurden." Tigris hatte sich selten zuvor so sehr gewünscht, dass jemand endlich aufhören würde zu reden. Zur gleichen Zeit hatte er Angst vor diesem Zeitpunkt. Ron lächelte boshaft. Er wusste das offensichtlich ganz genau. „Insbesondere, wenn die körpereigene Magie ihren Heilprozess nicht beginnen konnte. Es ist ein interessantes Experiment. Wie schön, dass du dich zur Verfügung stellst, Malfoy."
Danke an Gandalf90, LuJo, LordMegger, Milli 93, Shereon, Reditus Mortis, strega 79, roman, LunaNigra, Nachteule, Sancte-Diabolus, xAuroraSkyx, Schwertlilie81, mimaja, unbekannt, Wartraveler, bane1602, Leylin, Saleru, Kira, Linda, Lisa, Monika, Real Indy, Schniefelusgirl92, Alexandriel, Milli, Tora-Kokoro, Giftschnecke, Riku Anguifer, Harrys dunkle Seite, Lila, Morgenstern, Snape, draconis, silberschimmer, Caput Mortuus, stocki, Lilith Snape, SdWrules, PP, nico717, Mideon, KleineLady87, Mathias, Shira1111
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viele Leute nach all der Zeit meine Geschichten noch lesen, oder wieder lesen. Vielen Dank!
Fanfictionbla löscht anscheinend Foren, die älter als neun Monate sind. Ich hatte ein Forum, um auf Reviews zu antworten, das nun deswegen weg ist. Das war ziemlich ärgerlich. Trotzdem habe ich wieder ein neues Forum angelegt, aber in Zukunft werde ich meine Antworten speichern, falls es nochmals passiert. Ihr findet also meine Antworten weiterhin dort.
