Disclaimer:
Gebt es nur zu, ihr habt diese ersten Zeilen mal wieder glatt übersprungen und habt gleich die Geschichte weiter gelesen. Es ist wichtig, anzuerkennen, dass Harry Potter Joanne K. Rowling gehört. Joanne hat Harry Potter geschrieben. Wenn ich das schon sagen muss, dann will ich wenigstens, dass man mir zuhört. Auch wenn ich als ein von Grund auf pessimistischer Robotor weiß, dass wenig Hoffnung besteht. Hallo? Halloooo?! Hmpf.
Schatten der Wahl
Teil 2
29. Ein Glanz neuen Lebens
Die Welt roch anders, als Draco erwachte. Er öffnete langsam die Augen, und sah über sich die vertraute Decke seines Zimmers in dem Haus von Hermiones Eltern. Sie hatten ihn nach Hause geholt. Er erinnerte sich nur schwach daran, die Schmerzmittel hatten seine Gedanken langsam gemacht und er hatte den größten Teil des Weges verschlafen. Es ging ihm nun besser. Seine Arme und ein Bein waren noch immer im Gips, aber die Ärzte sagten, ihm ging es gut genug das Krankenhaus zu verlassen. Noch etwas war anders… er fühlte sich wieder vollständig. Die Leere, die ihn im Krankenhaus erfüllt hatte, war verschwunden.
Draco setzte sich langsam auf. Jede Faser seines Körpers schmerzte, aber er begrüßte das. Es bewies ihm, dass er noch am Leben war. Er fühlte sich plötzlich unglaublich töricht. Er hatte versucht, sich umzubringen. Ein Leben auszulöschen, das so viele Menschen so sehr versucht hatten, zu bewahren. Sein Bruder hatte ihn am Leben erhalten. Vielleicht, um ihn zu bestrafen, aber vielleicht auch, um ihn zu retten. Vielleicht beides. Wahrscheinlich beides. Welche Wahl hatte er gehabt? Draco hatte sein eigenes Todesurteil gesprochen, als er zu Dumbledore gegangen war. Wenn Tigris nicht getan hätte, was er getan hatte… wäre er nun tot. Sein Bruder hatte ihn gerettet. Wie hatte er je daran zweifeln können?
Er hasste diese Existenz, ja. Draco hasste es, wie ein Muggel zu leben, und er würde Muggel nie mögen, wie sehr Granger sich auch bemühte, das zu ändern. Sie waren zu andersartig, zu absurd, zu… nicht-magisch. Magie war immer ein unabdingbarer Teil von Dracos Leben gewesen, und ohne sie zu existieren, eine solche Existenz sogar als besser zu empfinden, würde nie etwas anderes sein als pervers. Dennoch, dies war nun sein Schicksal.
Tigris würde Voldemort eines Tages vernichten, Draco bezweifelte es nicht. Vielleicht würde er seinen Zauber dann beenden, Draco zurückholen. Warum nicht? Er würde eines Tages in sein altes Leben zurückkehren, es musste so sein. Bis dahin musste er das Beste aus diesem Leben machen. Er war ein Narr gewesen, es wegzuwerfen. Er war ein Malfoy. Malfoys gaben nicht einfach auf!
Die Tür zu seinem Raum öffnete sich, und der Muggel, Bernhard, sah hinein. „Daniel! Wie fühlst du dich?"
Draco lächelte. Er würde nie Muggel im Allgemeinen mögen, aber an diesen gewöhnte er sich langsam. „Besser", antwortete er. „Ich beginne mich langsam wieder wie ich selbst zu fühlen. Ich denke, ich erinnere mich endlich, wer ich bin."
„Wirklich?" Bernhard kam in den Raum. „Hermione wird froh sein, das zu hören."
Draco lachte und schüttelte den Kopf. „Keine… Details oder Informationen. Es ist nur ein Gefühl. Als wenn ich bis jetzt nur ein Schatten meiner Selbst war, und nun endlich… vollständig bin. Lebendig."
Bernhard musterte ihn einen Augenblick lang prüfend, dann lächelte er. „Das ist gut. Erhalte dir dieses Gefühl, und es wird dir bald wirklich besser gehen."
Draco nickte. „Es wird mir besser gehen. Ich weiß es."
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„Ich weiß nicht, ob es ihm jemals wirklich besser gehen wird."
Lucius sah zur Seite und spürte erneut ohnmächtige Wut in sich aufsteigen.
„Ich habe getan, was ich konnte, aber seine Verletzungen waren extrem. Er ist geschädigt, nicht nur physisch, auch mental. Ich kann nicht versprechen…"
„Ich will ihn sehen." Es war nicht das erste Mal, dass er das sagte, und Lucius kannte die Antwort, aber er musste es trotzdem versuchen.
„Unser Lord erlaubt das nicht." Severus seufzte. „Du weißt, dass er wütend ist. Das Desaster im Ministerium… er gibt uns allen die Schuld daran. Wir beide sind im Moment sicher, da wir mit ihm zusammen waren, aber du solltest ihm nicht den geringsten Vorwand geben…"
Lucius sprang auf und schleuderte seinen Spazierstock durch den Raum. „Ich muss meinen Sohn sehen! Ich muss wissen…Narcissa muss wissen… wie es ihm geht. Du kannst nicht verstehen, was wir fühlen…"
„Ich habe dir gesagt, wie es ihm geht", sagte Severus ruhig. „Seine Gliedmaßen sind wiederhergestellt, er heilt langsam. Ich konnte seinen Augen bislang nicht helfen, aber ich habe einen Trank gefunden. Er braucht Zeit. Du kannst nichts tun um ihm zu helfen, und dein Drängen ihn zu sehen bringt nicht nur dich sondern auch Narcissa in Gefahr. Vielleicht verstehe ich deine Gefühle nicht, aber ich weiß, dass dein Verhalten Tigris nicht im Geringsten hilft. Im Gegenteil."
Lucius schloss einen Moment lang die Augen. „Wenn ich meinen Sohn nicht bald sehen kann, werde ich jemandem ernsthaften Schaden zufügen."
„Wenn du einen Weg suchst, dich abzulenken, kann ich dir damit helfen." Severus grinste, als Lucius ihn ansah. Lucius wusste nicht genau, was er davon halten sollte. Es war nicht Severus' Schuld, dass der Lord niemanden außer ihn an Tigris heran ließ, aber Lucius war trotzdem wütend auf ihn. Er war einfach so verdammt gelassen. „Unser Lord wünscht, dass jemand die Gefangenen verhört, um herauszufinden, wo die Wiesel ihren neuen Bau gegraben haben. Ich dachte mir, dass du genau der richtige Mann für diesen Job bist."
„Dachtest du das?" Lucius lachte bissig. Severus hatte Recht, das würde ihn eine Weile ablenken, auch wenn er nicht sicher war, dass er ihm wirklich dafür danken wollte. „Du magst diese Auroren nicht besonders, ist es das?"
„Vielleicht. Wirst du es tun?"
Lucius schüttelte den Kopf. Severus konnte ihn manchmal so in Rage versetzen, er fragte sich, warum er den Mann noch immer als einen Freund ansah. „Natürlich werde ich es tun. Aber du wirst mich benachrichtigen, wenn sich auch nur die geringste Änderung mit Tigris ergibt!"
Severus lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. „Das werde ich. Mach dir keine Sorgen. Wenn sich etwas ändert, wirst du es noch in der gleichen Stunde erfahren."
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Tigris drehte sich auf die andere Seite. Es ging ihm dank Severus inzwischen deutlich besser, aber er war noch immer müde. Als er das erste Mal aufgewacht war, war er desorientiert gewesen, und die Schmerzen hatten alles andere ausgelöscht. Voldemort hatte ihm keine Schmerzmittel mehr erlaubt, seit es ihm etwas besser ging. Der Schwarzmagier hatte Tigris befreit, aber er war wütend auf ihn, weil er sich hatte gefangen nehmen lassen. Tigris wusste noch immer nicht genau, was in der Zeit, als er im Gefängnis gewesen war, passiert war. Anscheinend hatte Voldemort schließlich versucht, das Ministerium einzunehmen, aber einiges war dabei schief gegangen. Tigris wusste, dass Ron und Percy entkommen waren. Voldemort hatte ihn bereits gefragt, ob er wusste, wo Percy und sein Gegenministerium sich versteckt hielten, aber er hatte nie auch nur gewusst, dass Percy für eine Übernahme des Ministeriums vorgeplant hatte. Der windige Minister konnte sehr verschwiegen sein, wenn er wollte. Er hatte vieles nicht gewusst. Polydora war der Geheimnisbewahrer der Unsäglichen gewesen. Tigris hatte Jahre mit der Frau zusammengearbeitet, ohne die geringste Ahnung davon zu haben! Er kam sich so dumm vor!
Die Unsäglichen waren geflohen, aber zum Glück wusste Tigris genug über das Zirkularium um Voldemort Zugriff auf die wesentlichen Funktionen des Ministeriums zu geben. Genug, um Britannien zu regieren, aber Percy hatte zu viel Wissen mitgenommen, um kein Problem darzustellen. Das Zirkularium war das Machtzentrum des Ministeriums, und nur die Unsäglichen wussten, wie man es wirklich kontrollierte. Hier wurden neugeborene Zauberer identifiziert, Tabus gesprochen, Portschlüssel und Apparierbarrieren hergestellt, Artefakte geschmiedet. Die Gesetze der Regierung waren nur Worte auf Papier ohne die Magie, sie durchzusetzen. Tigris konnte verstehen, dass Voldemort wütend war, aber er konnte ihm nicht helfen. Er wusste nicht genug, und er war zu schwach. Schwach und blind. Sein einziger wirklicher Nutzen für Voldemort im Moment war sein Körper und seine Magie.
Severus hatte anscheinend einen Trank gefunden, der ihm sein Augenlicht zurückgeben mochte, aber noch fehlten ihm einige der Zutaten, und der Trank konnte nur bei Neumond gebraut werden. Sein Meister schien es damit nicht besonders eilig zu haben. Voldemort hatte, was er wollte, er schien zufrieden damit zu sein, Tigris hier in diesem Raum zu behalten, und ihm seine Magie auszusaugen, wenn ihm danach war. Tigris krallte die Finger in die Matratze. Er war nur ein Spielzeug für den Dunklen Lord, wenngleich eines, dessen Zauberkraft die aller seiner anderen Gefolgsleute übertraf. Voldemort hatte davon gesprochen, ihn nie zu heilen, ihn für immer in diesem Raum zu behalten, wo er sich nicht in Gefahr begeben konnte – und wo er niemals eine Bedrohung für ihn darstellen würde, auch wenn er das nicht gesagt hatte. Der Dunkle Lord war schließlich misstrauisch geworden. Es hatte irgendwann dazu kommen müssen, aber dies war der schlechtmöglichste Zeitpunkt. Wenn Severus es nicht schaffte, ihn zu heilen, war Tigris am Ende. Alle seine Hoffnung ruhte auf einem Mann, der nicht viel Grund hatte, ihm zu helfen.
Tigris hasste Ron, aber mehr noch war er ärgerlich auf sich selbst. Seine eigenen Fehler hatten ihn in diese Situation gebracht, seine Arroganz, seine Selbstüberschätzung. Wenn er nicht so dumm gewesen wäre, es alleine mit einer Übermacht von Auroren aufzunehmen… wenn er Ron nicht so provoziert hätte… Er war dumm gewesen, und es hatte ihn beinahe alles gekostet, was er versucht hatte, zu erreichen. Er hatte sich verhalten, als wäre er unbesiegbar. Er war alles andere als das. Wenn er eines aus der Sache gelernt hatte, dann dies.
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Severus starrte auf die silbergrüne Schlange, die sich träge in dem kalten Käfig bewegte. Er hatte den Käfig heruntergekühlt, um sie ruhig zu halten, schließlich wusste er, wie gefährlich sie sein konnte. Wenn dies wirklich eine von Slytherins Schlangen war, mochte ihr Blut genau das sein, was er für den Trank brauchte, um Tigris zu heilen. Wenn nicht, würde der Trank ihn sehr wahrscheinlich unwiderruflich erblinden lassen. Nicht, dass er nach den Maßstäben allgemein akzeptierter Zauberei nicht schon unwiderruflich blind war. Es gab keinen anderen Heiltrank, er würde das Risiko eingehen müssen.
„Wir werden sehen, ob du deinem Meister helfen kannst", sagte er, den Käfig weiter abkühlend, um sie zu betäuben.
Die Schlange hob den Kopf und zischte, als hätte sie ihn verstanden.
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„Dies wird seine Augen wiederherstellen?" Der Dunkle Lord klang kühl, so als sei ihm der Ausgang dieses Experimentes egal. Severus wusste es besser.
Der Lord hatte mehrmals erwähnt, dass es nicht wirklich notwendig sei, Tigris zu heilen, und ohne Zweifel genoss er die Wirkung, die das auf Tigris hatte. Severus wusste jedoch, dass der Zauberer nicht die geringste Absicht hatte, Tigris als ein Spielzeug zu behalten. Wenn er Severus ihn nicht heilen konnte, würde der Dunkle Lord ihn umbringen. Vielleicht nicht sofort, aber bald. Der Schwarzmagier verlor schnell das Interesse an solchen Spielzeugen, und es gab mehr als genug andere, die willig Tigris' Platz einnehmen würden. Möglicherweise würde er ihn dafür, dass er sich gefangen nehmen lassen hatte, hinrichten. Das würde mit Sicherheit den Rest der Todesser zu größeren Anstrengungen motivieren, viele von ihnen hielten Tigris inzwischen für unantastbar. Es würde den Lord jedoch auch einen seiner besten Todesser kosten, und so war es bei weitem nicht sein bevorzugtes Szenario.
„Es ist das Beste, was ich tun konnte, mein Lord, aber ich kann nicht versprechen, dass es wirkt." Severus würde den Dunklen Lord nicht anlügen, das Risiko war viel zu groß. Falls der Trank nicht wirken sollte, würde er noch vor Tigris sterben.
„Dein Bestes war schon einmal besser, Severus. Aber da leider meine restlichen Gefolgsleute noch inkompetenter sind als du es bist, habe ich wohl keine Wahl als dies zu tolerieren." Der Lord drehte sich zu Severus um, als er nicht reagierte. „Worauf wartest du? Tu es."
Tigris hatte sich aufgesetzt, als sie hereingekommen waren, und starrte in ihre Richtung. Severus trat an das Bett. „Dies wird ziemlich schmerzhaft werden, also binde ich dich lieber fest, damit du dich nicht selbst verletzt."
Tigris erbleichte, aber nickte, und legte sich wieder hin, als Severus seine Schulter berührte. Severus sprach einen Incarcerus und setzte sich dann neben ihn auf das Bett. „Du musst die Flasche komplett austrinken." Der Trank hatte sich hellgelb gefärbt, nachdem Severus das Schlangenblut zugegeben hatte. Dem Rezept nach hätte die Farbe mehr ins grünliche gehen sollen, aber er hatte zwei Ansätze gebraut, und sie sahen beide gleich aus. Er konnte nur hoffen, dass der Trank trotzdem wirken würde. Severus zögerte einen Moment, bevor er die Flasche an Tigris Lippen hielt. Das schlimmste, was passieren konnte, war, dass der Trank ihn umbrachte. Severus erwartete nicht, dass der Dunkle Lord Verständnis für ein derartiges Ergebnis haben würde.
Tigris schluckte den Trank beinahe begierig, ohne Zweifel hoffte er, bald wieder sehen zu können. Es war ein schmeichelhaftes Vertrauen in Severus' Braukünste. Severus trat vom Bett zurück, als die Flasche leer war. Er freute sich nicht besonders auf das, was als nächstes passieren würde.
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Tigris erinnerte sich kaum noch an den Schmerz, als Ron ihn geblendet hatte. Anscheinend verdrängte sein Geist solche Erinnerungen schnell. Der Schmerz konnte jedoch kaum stärker gewesen sein, als der, den er nun fühlte. Es fühlte sich an, als würden seine Augen in Flammen stehen. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bevor der Schmerz schließlich nachließ.
Als er dann schließlich die Augen öffnete, ohne sich wirklich bewusst gewesen zu sein, dass er sie geschlossen hatte, spielte all das keine Rolle mehr, weil er endlich wieder sehen konnte. Noch war seine Wahrnehmung nicht ganz so wie vorher, der Anblick vor ihm war leicht verschwommen und irgendwie flacher, aber er konnte den Raum und die zwei Zauberer, die vor ihm standen, deutlich sehen. Er blinzelte. Irgendwie war der verzerrte Anblick vertraut, auch wenn er sich in diesem Moment nicht erinnern konnte warum. „Es hat funktioniert." Der Unglauben in seiner eigenen Stimme machte ihm erst klar, wie sehr er, trotz allem Vertrauen in Severus, bis zuletzt noch an diesem Ausgang gezweifelt hatte.
„So scheint es", sagte der Dunkle Lord, auf ihn zutretend. Er griff nach Tigris' Kinn und musterte ihn. „Auch wenn dies ein etwas überraschender Nebeneffekt ist."
„Es muss an den Zutaten liegen, die ich verwendet habe." Severus betrachtete ihn mit wissenschaftlicher Neugier, ohne dass sich aus seiner Stimme herauslesen ließ, was er dachte. „Ich sagte euch, dass ich einige davon mit ähnlichen Substanzen ersetzen musste, mein Lord."
„In der Tat. Kannst du es beheben?"
Severus trat näher, und ließ dabei mit einer Handbewegung die Fesseln verschwinden. „Ich muss gestehen, dass ich das bezweifle. Die beste Vorgehensweise wäre, dass er einen Weg findet, es zu verbergen. Eine Brille vielleicht."
Tigris setzte sich langsam auf, nun etwas beunruhigt. „Ist etwas nicht in Ordnung?"
Severus ignorierte seine Frage. „Kannst du normal sehen?"
„Alles ist etwas verzerrt", antwortete Tigris nervös. „Etwas unklar, aber sonst ist alles normal."
„Hmm." Severus schwenkte seinen Zauberstab.
„Du siehst in Farbe?", fragte der Dunkle Lord interessiert. Severus warf ihm einen neugierigen Blick zu, aber verbiss sich offensichtlich eine Frage.
„Ja." Tigris sah verwirrt von einem zum anderen. „Warum? Was ist das Problem?"
„Nur ein kleiner unerwarteter Nebeneffekt." Severus schwenkte seinen Stab und ließ einen Spiegel vor Tigris erscheinen.
Tigris zögerte eine Sekunde, bevor er hineinsah, und verstand, was die beiden meinten. Seine Augen hatten nicht nur ihre alte grüne Farbe wieder angenommen, seine Pupillen waren nun auch schlitzförmig wie die einer Schlange. Oder die eines Basiliken.
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In dieser Nacht träumte Tigris, dass er an einem Brunnen stand und Wasser daraus hochzog. Sobald der Eimer gefüllt war, goss er ihn in einen See, an dessen Ufer er stand. Auf dem See schwamm eine Luftmatratze, auf der Tom Riddle lag und einen schwarzen Cocktail trank. Er trug einen Smoking und eine dunkle Sonnenbrille, und erschien vollkommen unbekümmert.
„Was hast du so gemacht in letzter Zeit?", fragte jemand.
Tigris drehte sich um, und sah dass Salazar Slytherin am Ufer des Sees lag und ihn beobachtete. Das war auch nicht besonders überraschend, weil der See sich schließlich neben Hogwarts befand.
„Ja, was hast du getan, Potter?", fragte Dracos Stimme. Die schwarzhaarige Hexe, die gefragt hatte, lehnte an der Eibe neben dem Brunnen, und grinste höhnisch.
„Es ist alles eine Sache von Entscheidungen", sagte Ginny, in ein Buch vertieft. Sie tauchte gedankenverloren einen Griffel in die blutende Wunde auf ihrer Handfläche und schrieb Notizen an den Rand. „Es läuft nur darauf hinaus, welche Wahl man trifft. Ich habe ihn wirklich geliebt, aber das hat am Ende nun wirklich keine Rolle gespielt. Oder vielleicht hat es das. Vielleicht war es das allerwichtigste daran." Sie runzelte die Stirn und sah zu der Hexe auf, aber schüttelte schließlich den Kopf und konzentrierte sich wieder auf ihr Buch.
„Du musst dich nicht von solchen Trivialitäten ablenken lassen", sagte Voldemort, sich über ihn beugend. Er griff den Eimer mit Tigris zusammen und half ihm, das Wasser auszugießen. „Es ist wichtig, dass du dich auf das konzentrierst, was du tust."
„Ablenkung!", rief Salazar, und lachte. „Ist Ablenkung nicht die Essenz von Trivialität? Was umgibt uns denn, wenn nicht Trivialität? Leben ist Trivialität! Fragment der Fragmente der Fragmente, mein Lieber. Wer weiß es besser als wir?"
„Warum sollten wir auf dich hören?", entgegnete Voldemort verächtlich. „Du bist nur ein toter alter Mann."
„Ho ho!" Salazar schien die Bemerkung außerordentlich erheiternd zu finden. „Da bist du dir so sicher, ja? Ich mag vielleicht tot sein, aber du bist nicht einmal lebendig!"
„Nun aber einmal im Ernst, Tigris", sagte Tom Riddle, seine Sonnenbrille abnehmend. Seine Augen dahinter waren schwarz, so schwarz dass sie alles Licht das sie umgab zu verschlingen schienen. „Was tust du da?"
Tigris sah verwirrt auf den Eimer in seinen Händen hinunter. „Ich leere den See aus."
„Das ergibt nicht den geringsten Sinn", sagte die schwarzhaarige Hexe belehrend. „Bitte, denke noch einmal über diese Antwort nach."
„Ich…", begann Tigris. Er war sich plötzlich überhaupt nicht mehr sicher, was er tat, obwohl noch Sekunden vorher alles völlig klar gewesen war.
„Ihr habt ihn verwirrt", sagte der Eimer mit der Stimme des sprechenden Hutes. „Ich wusste, das würde so kommen. Denkst du nicht, dass es langsam Zeit ist, Junge?"
„Zeit für was?", fragte Tigris verwirrt.
„Zeit aufzuwachen!" Ginny hielt ihm ihre Hand entgegen, in der sich ein schlagendes Herz befand. Tigris wurde plötzlich klar, dass sie die ganze Zeit mit seinem Blut geschrieben hatte, und verspürte einen Anflug von Entrüstung. Hätte sie ihn nicht wenigstens fragen können? „Dies ist alles ein Traum, siehst du das nicht?"
„Ja", sagte die schwarzhaarige Hexe, plötzlich so dicht neben ihm, dass er ihren Atem spüren konnte. Sie roch wie Litha-Feuer. „Siehst du das nicht?"
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Tigris schob ungehalten die Brille auf seiner Nase hoch. Sie fühlte sich ungewohnt an, störend, obwohl er zuvor eine Brille getragen hatte. Mit der Brille konnte er nun wieder normal sehen, und sie versteckte das Aussehen seiner Augen mit einer Reihe von Zaubern. Sie war auch so bezaubert, dass er sie nicht verlieren konnte, aber es fühlte sich trotzdem so an, als würde sie ständig seine Nase hinunter rutschen. Er wandte sich ärgerlich von seinem Spiegelbild ab. Was er sah, würde sich so schnell nicht ändern.
„Ich sollte nach Malfoy Manor zurückkehren", sagte er. „Mit eurer Zustimmung, mein Lord."
Der dunkle Lord betrachtete ihn amüsiert. „Noch nicht jetzt, Aqrabi. Ich habe vorher noch einen Auftrag für dich."
„Einen Auftrag?" Tigris bemühte sich, seine Stimme neutral zu halten. Er war froh, endlich diese Räume verlassen zu können, aber er hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Der Lord hatte ihn noch immer nicht wirklich für seine Gefangennahme bestraft.
„Ja. Ich hätte gerne, dass du mir etwas wiederbeschaffst, was mir vor einer Weile abhandengekommen ist."
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Tigris zögerte, als er die Grenze des Waldes erreichte. Der Wald war dunkel und undurchdringlich, und feindselige Magie durchtränkte ihn. Er würde nicht in der Lage sein, zu apparieren, sobald er diesen Wald betrat. Tigris atmete tief durch und trat einen Schritt vorwärts. Egal, welche Bedrohung in dem Wald lauerte, er hatte einen Auftrag zu erfüllen. Dies war seine Chance, Voldemort zu beweisen, dass er noch immer sein bester Todesser war, trotz allem, was passiert war. Auch wenn er Bellatrix viel lieber ihrem Schicksal überlassen hätte. Vielleicht hatte er ja Glück, und die Werwölfe hatten sie bereits erledigt.
Die Magie des Waldes störte seine Zauber zu Anfang, aber Tigris kam schließlich auf die Idee, seine Blutsverwandtschaft mit Bellatrix zu verwenden, um sie zu finden. Zu seinem Bedauern wirkte der Zauber, was hieß, die Hexe war noch immer am Leben. Der Wald war totenstill, als er sich auf den Weg machte. Nicht einmal Vögel waren zu hören. Tigris griff seinen Zauberstab fester, und folgte resolut dem Zauber, der ihm den Weg wies. Er würde die Hexe finden und zurückbringen. Kein Wald oder Werwolf würde ihn daran hindern.
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Er fand seine Tante in einer Baumhöhle, und ohne ihre Verwandtschaft hätte er es niemals geschafft, ihre Zauber zu durchdringen, so gut hatte sie sich verborgen. Sie sah heruntergekommen aus, und in ihren Augen stand der gleiche wilde Wahn, der sie erfüllt hatte, als sie aus Askaban entkommen war.
„Ein weiterer Trick?", flüsterte sie, als sie ihn sah. „Ha, so leicht kriegt ihr Bella nicht!"
Tigris richtete seinen Stab auf sie, unsicher, was sie tun würde. Bellatrix war zu ihren besten Zeiten unberechenbar gewesen. „Unser Lord schickt mich, um dich zurück zu bringen", sagte er. „Wie hätte ich dich finden können, wenn wir nicht verwandt wären?"
Sie verengte die Augen. „Aber wie bist du hierhergekommen? Wie?" Sie trat ein paar Schritte aus dem Dickicht hervor und murmelte etwas Unverständliches, sich dabei misstrauisch umsehend.
Plötzlich fuhr sie zu ihm herum, die Augen weit vor Wut und Terror. „Du Narr!", kreischte sie. „Du hast sie direkt zu mir geführt!"
Tigris war einen Moment lang verwirrt, dann hörte er das Knurren. Eine instinktive Furcht ergriff ihn, die in jedem Kind verankerte Furcht vor einem lebensbedrohlichen Raubtier. Sein Herz schlug schneller. Er wich zurück, bis er Rücken an Rücken mit der Hexe stand. Einen Augenblick später brach der erste Wolf aus dem Unterholz hervor. Tigris hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, wie das möglich war. Es war gerade erst Neumond gewesen, und zudem, es war Tag.
Er gehorchte seinem Instinkt und sprach den ersten Zauber der ihm einfiel – ein Ring aus Feuer erschien um ihn und Bellatrix herum, und der Wolf wich aufheulend zurück.
„Oh, armes Hündchen." Bellatrix kicherte boshaft, aber Tigris konnte die Hysterie in ihrer Stimme mitklingen hören.
Der Wolf knurrte, so als verstände er jedes Wort. Dann ließ er sich auf die Hinterbeine fallen, warf den Kopf zurück, und heulte.
„Ich schlage vor, wir verabschieden uns, bevor seine Geschwister auftauchen", sagte Tigris, die Hand seiner Tante ergreifend.
„Großartiger Plan, oh mein Held", zischte Bellatrix. Ihre Hand verkrampfte sich um seine. „Wie schlägst du vor wollen wir dabei vorgehen?"
„Schnell", schrie er, und zog sie mit sich. Der Feuerring bewegte sich mit ihnen, als sie rannten, und ließ die Bäume des Waldes in Flammen aufgehen. Hinter ihnen wurde das Wolfsgeheul lauter und lauter. Bellatrix lachte hysterisch. „Häschen Häschen hopp, hopp, hopp. Der große böse Wolf kommt."
„Halt verdammt nochmal die Klappe!", rief Tigris, aber sie lachte nur lauter.
„Hasch mich. Eins, zwei, drei… oh, vorbei."
Sie hatten eine Lichtung erreicht, und plötzlich hatte das Wolfsrudel sie eingekreist. Einige der Wölfe mussten sie in weitem Bogen überholt haben. Sie schnappten nach dem Feuer, und zu Tigris' Entsetzen fühlte er, wie ein anderer Zauber sich seinem entgegensetzte und das Feuer zurückdrängte.
Im nächsten Moment war das das kleinste seiner Probleme, als einer der Wölfe geradewegs durch die Feuerwand sprang. Es war ein riesiges Biest, mit einer Schulterhöhe so hoch wie Bellatrix groß war. Das Fell des Wolfes war schwarz, aber weiße Streifen deuteten auf alte Narben hin.
Bellatrix schrie einen Avada Kedavra, aber der Wolf wich lediglich aus. Er war erschreckend schnell. Tigris rief einen zweiten Schild um sie herum auf, und sandte einen Patanterital in Richtung des Wolfes, doch dieser wich erneut aus.
„Was für ein verdammtes Monster ist das?", keuchte er.
„Ich war dabei es dir zu sagen", schrie Bellatrix, einen weiteren Todesfluch in die Richtung des Wolfes schleudernd. „Dies sind keine Werwölfe, es sind Lykane! Dies ist ihr Anführer. Töte es, und sie verlieren ihre Macht!"
Tigris rang schockiert nach Luft. Er hatte von Lykanen gehört, aber er hatte immer gedacht, sie seien ein Mythos. Der Sage nach konnte eine Gruppe von Zauberern, die zu Werwölfen geworden waren, ein Rudel bilden, das sich aus eigenem Willen verwandeln konnte. Den Beweis dafür sah er vor sich. In den Geschichten behielten Lykane ihre Zauberkraft und ihr Bewusstsein in Wolfsform, auch wenn nur diejenigen unter ihnen, die zu stabloser Magie fähig waren, in Wolfsform zaubern konnten. Außerdem, wie Bellatrix gesagt hatte, hieß es, dass der Rudelführer den Fokuspunkt des Rudels bildete. Ohne ihn würden sie wieder zu normalen Werwölfen werden.
Er ließ ein Netz aus Silber über dem Wolf erscheinen. Anstatt auszuweichen, verwandelte sich der Wolf plötzlich in seine menschliche Form, und das Netz verschwand. Der Mann, der erschienen war, trug eine schäbige braune Robe. Er war kleiner als Tigris, aber deutlich muskulöser. Seine braunen Haare und sein Vollbart gaben ihm ein wildes, heruntergekommenes Aussehen. Seine Augen waren gelb wie die des Wolfes. Als er sprach, klang das Knurren des Wolfes in seiner Stimme mit.
„Ich bin Deargnos Kinslayer. Ihr seid gegen unseren Willen in unser Territorium eingedrungen. Dafür werdet ihr sterben."
„Unser Lord hat uns geschickt, um eine Allianz vorzuschlagen", rief Tigris. Während er sprach, suchte er verzweifelt nach einem Ausweg aus der Situation. Offenbar hatten die Lykane die Apparierbarriere über dem Wald errichtet. Unglücklicherweise war sie sehr stark, zu stark selbst für ihn. Tigris musterte Kinslayer, versuchte, ihn einzuschätzen. Irgendetwas an ihm kam ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, was.
Der Mann knurrte. „Es wird niemals eine Allianz zwischen uns und Voldemort geben. Wie viele von euch Lakaien muss ich noch umbringen, damit er diese Antwort versteht?" Seine gelben Augen richteten sich auf Bellatrix. „Du, Hexe, wirst zuerst sterben. Ich habe seit Jahren auf diese Chance gewartet."
Sein Zauber schlug in Tigris Schild, und warf ihn zurück. Im selben Moment hatte sich der Mann zurück in den Wolf verwandelt, und war gesprungen. Es ging so schnell, dass Tigris zu spät reagierte. Die Kiefer des Wolfes schlossen sich um Bellatrix' Stabarm und bissen ihn mit einem einzigen Biss durch. Ein Zauber von Tigris riss sie aus der Reichweite des Wolfes, aber dieser schaffte es trotzdem, noch ein zweites Mal zuzubeißen. Als sie bei seinen Füßen zu liegen kam blutete sie in Strömen, und hatte das Bewusstsein verloren. Tigris fühlte eine unkontrollierbare Wut in sich aufsteigen. Er hatte Bellatrix nie sehr gemocht, im Gegenteil, er hatte sie selbst oft umbringen wollen. Hier jedoch war sie unter seinem Schutz. Er würde keinen verdammten Werwolf, oder Lykan, oder was immer das Monster war, gewinnen lassen.
Wenn Tigris in diesem Moment mehr nachgedacht hätte, hätte er vielleicht anders gehandelt, aber inmitten des Feuers und der Wölfe, Bellatrix verblutend neben ihm, waren seine Gedanken alles andere als rational. Er dachte nicht an Konsequenzen.
Er ließ mit einem Zischen seine Armbänder aufgehen, und verwandelte sich. Die Verwandlung war schnell diesmal, so mühelos, wie sie es noch nie zuvor gewesen war, aber Tigris dachte in diesem Moment nicht darüber nach. Alles was er fühlte, war Wut und Panik, und dann, einen Augenblick später, Hunger. Der Basilisk stürzte sich auf die Werwölfe wie eine Kobra auf eine Gruppe Ratten. Er wich dem großen Wolf aus, und töte in rascher Folge drei der kleineren Wölfe. Der Rest des Rudels wich zurück, aber floh noch nicht. Sie überschätzten sich, und sie wollten ihre Beute, die sie schon sicher gewähnt hatten, nicht gehen lassen. Das spielte ihm nur in die Fänge.
Das Feuer war verschwunden, als Tigris sich verwandelt hatte, aber er hatte Bellatrix in einem schützenden Kokon zurückgelassen, und sie in Stasis versetzt. Sie würde so eine Weile am Leben bleiben, aber nicht sehr lange. Er umkreiste sie, und schmeckte die Luft. Die Luft war noch heiß vom Feuer, und die Wärme half den Wölfen, sich im Dickicht vor ihm zu verbergen, aber nicht mehr lange. Er würde sie finden, er würde sie töten, und er und Bellatrix würden überleben.
Tigris hatte vergessen, wie gut es sich anfühlte, in seiner Basiliskengestalt zu sein. Es fühlte sich noch besser an, auf diese Weise auf die Jagd zu gehen. Die Wölfe waren leichte Beute, sie waren langsam, und ihre Zähne und Klauen konnten ihm nur wenig anhaben. Es dauerte nicht lange, und der Rudelführer war einzige, der noch übrig war. Er versteckte sich zwischen den Bäumen.
„Ich könnte dich in Stein verwandeln", spottete Tigris, wohl wissend, dass der Wolf ihn nicht verstehen könnte. „Dich als ein Mahnmal zurücklassen für andere, die sich dem Dunklen Lord widersetzen." Er hielt inne, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er die Wahrheit sagte. Vielleicht hätte das nicht gestimmt, als er jünger war, aber nun war er ein ausgewachsener Basilisk. Wäre er in seiner menschlichen Gestalt gewesen, er hätte gegrinst.
Er hielt einen Moment inne, als der Geruch des Wolfes sich änderte. Er hatte sich zurück in einen Menschen verwandelt. Dachte er, dass seine Chancen so besser wären? Narr.
Einen Augenblick später hörte er ein flatterndes Geräusch, begleitet von einem widerlichen Gestank. Er wich zurück, als plötzlich ein Schwarm von Hähnen aus dem Unterholz hervorbrach. Einen Moment lang war er verwirrt, bevor er sich erinnerte, dass ein Hahnenschrei für einen Basilisk tödlich war. Anscheinend war der Wolf schlauer, als er gedacht hatte. Er verwandelte sich zurück, und tötete die Vögel mit einem Schwenk seiner Hand.
Der Wolf sprang auf die Lichtung, nur wenige Meter von ihm entfernt. Seine Schnauze war noch immer rot von Bellatrix' Blut.
Tigris beschwor eine Windböe, die den Wolf zurückschleuderte. Er war nun ruhiger, nachdem er in der Gestalt des Basilisken gewesen war. Der Wolf war ein gefährlicher Gegner, aber er war sich sicher, dass er ihn besiegen konnte.
„Komm schon", murmelte er, als der Wolf sich langsam aufrichtete. „Mein Lord wird sich freuen über den schönen Pelz." Seine beste Chance bestand darin, den Wolf wütend zu machen, so dass er instinktgesteuert reagierte. Er wusste nicht genau, wie stark der Zauberer war, auch wenn er anscheinend in Wolfsform nicht zaubern konnte. Wenn er ihn dazu bringen konnte, sich zurück zu verwandeln…
Der Wolf starrte ihn an, zum Sprung bereit. Tigris spannte sich. Es gab viele Möglichkeiten, wie er den Wolf töten konnte, insbesondere nun, da ihm sein volles Potential zur Verfügung stand. Die gelben Augen des Wolfes verengten sich, dann warf er sich plötzlich herum und verschwand in der Dickung. Rannte davon.
Tigris verharrte einen Moment lang, aber einige Augenblicke später war er sicher, dass das Monster geflohen war. Er war versucht, dem Wolf nachzusetzen, aber etwas in ihm zögerte. Der Wolf hatte eine schwere Niederlage erlitten und einen großen Teil seines Rudels verloren, er würde sich verkriechen um seine Wunden zu lecken. Es war später noch Zeit, ihn zu jagen.
Er musste Bellatrix ins Krankenhaus bringen, sonst würde sie trotz der Stasis nicht lange überleben, und das wäre ein weiterer verfehlter Auftrag. Um den Wolf würde er sich ein anderes Mal kümmern.
Er wich zurück, und bemerkte, dass die Apparierbarriere sehr viel schwächer war, als vorher. Der Wolf hatte mit seinem Rudel anscheinend auch einen Großteil seiner Zauberkraft eingebüßt. Gut.
Er packte Bellatrix, und apparierte nach St. Mungos.
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Der Dunkle Lord trat hinter Tigris in Bellatrix' Krankenzimmer. Die Heiler wichen hastig zurück und entschuldigten sich. Voldemorts Anwesenheit erfüllte sie mit Panik, und er genoss das ganz offensichtlich. Der Schwarzmagier genoss es ganz generell, nun der offizielle Herrscher der Zaubererwelt zu sein. Es mochte ein Gegenministerium geben, aber die normalen Zauberer und Hexen waren nicht lebensmüde genug, das dem neuen Herrscher Britanniens ins Gesicht zu sagen.
Bellatrix war blass, aber ihre Wunden waren verheilt. Als sie sah, wer eingetreten war, schreckte sie hoch, und fiel beinahe aus dem Bett. Sie taumelte aus dem Bett, und fiel auf die Knie. „Mein Lord…"
Sie streckte die Hände nach seiner Robe aus, aber der Dunkle Lord wich wie unwillkürlich einen Schritt zurück. Bellatrix sah zu ihm hoch, und ihr Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse der Verzweiflung.
„Bitte, mein Lord…", bettelte sie. „Bitte…"
Der Dunkle Lord zögerte einen Moment, dann beugte er sich über sie, und strich mit beiden Händen über ihren Kopf. „Meine schöne Bella", sagte er. „Du bist immer meine liebste, meine begabteste Schülerin gewesen."
Bellatrix starrte ihn an, dann lächelte sie plötzlich in der verklärten Weise, mit der sie den Lord immer angesehen hatte. Im selben Moment drehte Voldemort ihren Kopf mit einem Ruck zur Seite und brach ihr Genick.
„Sie war einmal eine bezaubernde Hexe", sagte der Lord, die Hände an ihrer Robe abwischend. „Wie bedauerlich, dass sie sich hat infizieren lassen."
Tigris starrte auf die Leiche seiner Kontrahentin. Er war sich nicht sicher, was er fühlte. Er hatte Bellatrix gehasst, dennoch… „Ich hätte nie gedacht, dass sie so sinnlos sterben würde."
„Sinnlos?" Der Dunkle Lord lächelte amüsiert. „Sie ist nicht sinnlos gestorben, Aqrabi. Sie ist für das gestorben, an das sie geglaubt hat. Ein nobler Tod, denkst du nicht?"
„Vielleicht", murmelte Tigris. „Verzeihung, mein Lord. Meine Mutter wird wissen wollen, was mit ihrer Schwester geschehen ist."
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Tigris drehte sich von einer Seite auf die andere. Etwas nagte an ihm, er wusste nur nicht genau was. Er dachte an seinen Kampf mit dem Lykan zurück. Der Mann war ihm seltsam bekannt vorgekommen, aber wie konnte das sein? Er kannte niemanden mit dem Namen Deargnos Kinslayer. Anderseits, vielleicht hatte der Mann seinen Namen geändert? Vielleicht war es jemand, den er vor langer Zeit einmal kennengelernt hatte, jemand, der sich seitdem verändert hatte? In einen Werwolf verwandelt zu werden würde jemanden vermutlich sehr verändern. Er hielt sich das Gesicht des Mannes vor Augen, und versuchte, dabei das heruntergekommene Erscheinungsbild und die gelben Augen auszublenden. Nein, er erinnerte ihn an niemanden, den er kannte. Tigris war dabei, einzuschlafen, als es ihm plötzlich einfiel, und er war augenblicklich hellwach.
„Remus."
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„Deargnos Kinslayer ist Remus Lupin?" Lucius grinste amüsiert. „Das ist in der Tat eine überraschende Entwicklung."
„Ja, aber wie kann ich unserem Lord das erklären? Soweit er es weiß, habe ich Remus nie getroffen."
Sein Vater schwenkte den Wein in seinem Glas. „Nun, es erscheint vielleicht gewagt, aber du könntest es ihm schlicht verschweigen."
„Vermutlich", sagte Tigris unsicher.
„Wenn du noch gewagter handeln wolltest, könntest du wahrscheinlich sogar den Werwolf mit diesem Wissen erpressen. Deargnos Kinslayer hat, wenn ich mich nicht irre, eine Reihe von Leuten umgebracht, angefangen mit seinem Schöpfer Fenrir Greyback. Sein Name ist wohlverdient. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dumbledores Schoßwolf diese zweite Identität gerne publik machen würde."
„Oh." Tigris hatte es nicht aus diesem Blickwinkel betrachtet, aber natürlich hatte sein Vater Recht. Er lächelte. Das könnte einige seiner Probleme lösen.
„Ich wusste, dir würde die Idee gefallen", sagte Lucius. Er hob sein Glas. „Cheerio."
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In der Nacht sah sich Tigris erneut Tom Riddle gegenüber. Er saß auf einer Anhöhe, von der aus man eine endlose Steinlandschaft überblickte. In seiner Hand baumelte eine Taschenuhr, die sich ohne Unterlass in einer Acht bewegte, wie ein absurdes Pendel. Ihr Ticken schien den ganzen Raum auszufüllen, und Tigris hätte sich gerne die Ohren zugehalten, aber er war zu sehr damit beschäftigt, Schinken in Streifen zu schneiden. Das Frühstück musste fertig sein, bevor Lucius und Narcissa aufwachten, er hatte keine Zeit für solche Ablenkungen. Er war versucht, das Riddle zu sagen, aber Riddle sah nicht so aus, als würde die Uhr auf ihn hören. Die Uhr tat es wahrscheinlich mit Absicht, nur aus Missgunst.
„Er hat sich nicht im Geringsten verändert, der Junge", sagte Blaise kopfschüttelnd. Sie trug Rippers Halsband, von dem das dunkle Mal baumelte. Tante Marge würde sehr ungehalten sein, wenn sie herausfand, dass Ripper sich in Blaise verwandelt hatte, dachte Tigris. Andererseits, Blaise konnte wahrscheinlich auf Bäume hinaufklettern. Das würde Marge gefallen. „Es ist geradezu widerwärtig, oder? Dieses ewige Herumkreisen, es macht mich krank."
„Mich auch", sagte Tigris.
„Wer redet denn mit dir?" rief Blaise empört. „Rede ich etwa mit dir?"
„Du redest mit dir selbst, Liebling", sagte Bellatrix. „Es ist eine ehrenhafte Profession. Ich bin sehr stolz auf dich." Sie war vom Kopf abwärts ein Pudel, aber der Kopf war verkehrtherum aufgesetzt. Tigris war erst versucht, sie darauf aufmerksam zu machen, aber dann wurde ihm klar, dass es unhöflich wäre. Es war schließlich ihre Entscheidung wie herum sie ihren Kopf heute tragen wollte.
„Was für eine öde Gesellschaft wir heute haben", sagte der Rabe. Sie hatte eine sehr liebliche Stimme. „Willst du nicht endlich die Uhr anhalten?"
„Sie hört nicht auf mich!", schrie Tigris zornig. Warum verstanden sie das alle nicht? „Und ohnehin, ich habe keine Lust, mit ihr zu reden! Es ist fast Morgen!"
Bellatrix rollte mit den Augen, und Blaise lachte hysterisch.
„In der Tat", sagte die Uhr mit Dumbledores Stimme, und alles erstarrte plötzlich. „Doch du, mein Junge, schläfst immer noch. Denkst du nicht, es ist Zeit, aufzuwachen, Harry?"
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„Ich möchte, dass du etwas für mich tust, Aqrabi. Etwas sehr wichtiges."
Tigris gab sich alle Mühe, sein Unbehagen zu verbergen. Es war ein ominöser Anfang. Der Dunkle Lord klang selten so großmütig.
„Was immer ihr wünscht, mein Lord", erwiderte er.
Voldemort lächelte. „Britannien gehört uns, ich habe keinen Zweifel daran, dass wir diese lächerliche Rebellion bald ausmerzen werden. Allerdings, wie du wohl weißt, habe ich niemals vorgehabt, mich mit dieser hässlichen kleinen Insel zu begnügen. Welchen Zweck hat es, ein paar wenige Landstriche von Muggeln zu befreien, wenn sie noch immer den Rest der Welt verpesten? Nein, wir können den Krebs nicht besiegen, indem wir einen mehren Finger des kranken Körpers heilen. Es ist unsere Pflicht unseren Brüdern und Schwestern außerhalb unserer Grenzen zu helfen. Ich habe viele loyale Freunde, die begierig auf ihre Chance warten, sich unserer Sache anzuschließen. Ich fürchte, ich habe sie in den letzten Jahren vernachlässigt. Es wird Zeit, dass jemand sie an unsere gemeinsamen Ziele erinnert. Jemand, dem ich vertrauen kann."
Tigris schauderte. Der Dunkle Lord vertraute niemandem. „Es ist eine große Ehre, euer Botschafter zu sein, mein Lord."
„Das ist es, und du verdienst sie." Voldemort hielt ihm eine Pergamentrolle hin. „Ich erwarte, dass du Morgen abreist."
Tigris griff die Pergamentrolle, und presste sie an sich, während er sich verbeugte. Britannien verlassen? Percy Weasley war noch immer nicht gefasst. Er fühlte sich nicht wohl dabei. „Mein Lord", begann er zögernd. „Ich bin fühle mich sehr geehrt, aber denkt ihr nicht, dass ich nützlicher an eurer Seite wäre?"
„Würde ich dich fortschicken, wenn ich das dächte?" Der Lord klang noch immer wohlwollend, aber ein kalter Unterton klang in seiner Stimme mit.
Tigris sah zu Boden. „Natürlich nicht, vergebt mir meine törichte Frage, mein Lord. Es ist lediglich mein Wunsch, euch so gut es mir möglich ist zu dienen."
„Du wirst mir dort am Besten dienen, wohin ich dich sende." Voldemort winkte mit der Hand. „Geh, du hast Vorbereitungen zu treffen. Ein weniger bekanntes Gesicht mag für dein Vorhaben geeigneter sein."
Tigris wusste, was er meinte. Voldemort beherrschte Britannien, aber die Rebellen hatten geschworen, Tigris umzubringen. Zudem, einige andere Regierungen auf dem Festland erkannten die Gegenregierung als die rechtmäßige Regierung an, und unter deren Erlass war Tigris ein gesuchter Terrorist. Es würde besser sein, mit anderem Aussehen zu reisen.
Nachdem er das Hauptquartier verlassen hatte, gewann sein Unbehagen mehr und mehr Substanz. Er wollte nicht weg, nicht gerade jetzt, wo sein Einfluss auf Voldemort zu schwinden begann. Tigris hatte gehofft, dass er sich mit seiner widergewonnenen Stärke erneuern würde, aber wenn er Britannien verließ? Es war ein Spiel mit dem Feuer. Er hatte jedoch keine Wahl. Voldemort wollte, dass er ging, und es war ihm nicht möglich, seine Meinung zu ändern. Tigris starrte auf den Muggel hinunter, dessen Gesicht er annehmen würde. Es war ein alltägliches, nichtssagendes Gesicht. Das Gesicht eines Bettlers, den keiner kennen oder vermissen würde. Morgen schon würde er wieder ein anderer sein, ein Reisender und Tourist, den nichts mehr mit Tigris verband außer einer Liste von Namen auf Pergament, Namen, die er aufsuchen sollte. Er schauderte. Ein Teil von ihm war froh, Britannien zu verlassen. Er fühlte sich rastlos. Er wünschte sich, er würde wissen, was er wirklich wollte. Er wünschte sich, seine Träume würden endlich aufhören.
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Tigris starrte in den Spiegel, dann drehte er sich zu Severus um. „Es ist nicht nur das hier. Es ist nicht einmal die Sache mit Bellatrix und Remus. Es ist… alles was passiert ist. Ich weiß nicht genau, was es bedeutet. Es fühlt sich an als wäre ich aus meiner Haut geschnitten worden, und nun… nun ist mir klar geworden, dass es nur eine Hülle war. Dieser Mann, der ich war… das war nicht ich. Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin, was ich will. Ich weiß nicht, was ich sein werde, wenn ich es herausfinde."
Severus faltete seine Hände. „Ich kann dir damit nicht helfen, außer, um dir zu sagen, dass es den meisten Menschen irgendwann im Leben so geht. Manche finden die Antwort auf diese Frage, und manche nicht. Vielleicht hast du dich verändert, oder vielleicht wirst du etwas Neues werden. Vielleicht hast du nur noch nicht herausgefunden, was dein wahrer Kern ist. Du weißt, dass wir für dich da sein werden, wenn du deine Antwort findest."
Tigris sah zurück auf den Spiegel, und das fremde Gesicht, das seinem Blick begegnete. „Ich weiß." Doch er fragte sich, im selben Moment, in dem er es aussprach, ob er die Wahrheit sagte. Er hatte das Gefühl, dass er nichts mehr wusste. Es ließ ihn frösteln.
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Reviewantworten findet ihr im Forum. Zu der meistgestellten Frage: Ja, ich werde diese Geschichte zuende schreiben. Wann kommt das nächste Kapitel? Das weiß ich leider noch nicht.
