Auch wenn es niemand liest, hier ist das nächste Kapitel...

32. Kapitel

Aggressivitäten

T´Lina war verwirrt. Sie hatte den Geruch des Fremden sofort erkannt, obwohl sie ihm erst ein einziges Mal begegnet war und dieses Treffen bereits mehrere Jahre zurück lag. Aber welchen Grund sollte Eno Hlaalu, Großmeister der Morag Tong, haben, sie so geheimnisvoll in Empfang zu nehmen? Weshalb schlichen sie durch die Gänge wie Schwerverbrecher auf der Flucht, immer darauf bedacht, nur die unbevölkerten Seitengänge zu nutzen?

Und warum, bei Mephala, musste sie so tun, als ob sie ihre ´Entführer nicht kennen würde? Der leise gezischte Befehl des Großmeisters war eindeutig gewesen, ließ keinen Platz für Interpretation...

Allmählich wichen die unbekannten Seitengänge vertrauteren Routen, sie näherten sich auf weiten Umwegen dem Hauptquartier der Morag Tong. Sie hatten das Fremdenviertel -quasi den Eingangsbereich Vivecs- bereits vor einer Stunde verlassen, über die Kanalisation hatten sie das Redoran-Canton -eines von acht Vierteln der größten Stadt Morrowinds- erreicht und nun schlich die kleine Gruppe über das riesige Kuppeldach des Redoran-Plazas hinüber zur Arena.

Jedes Canton wies eine Vierteilung auf, Kanalisation, untere Arbeitsbereiche, obere Arbeitsbereiche und das Plaza -ein riesiger Marktplatz mit Läden und Handwerkern- direkt unter dem Dach. Wenn man geschickt genug war, konnte man sich ungesehen in ganz Vivec bewegen. Man musste nur die richtigen Wege kennen - eine Vorraussetzung, die Großmeister Hlaalu unbestritten erfüllte, lebte er doch bereits seit mehr als 50 Jahren in Vivec.

Laut hallte das Schwerterklirren aus den Trainingsräumen der Arena, zu jeder Tages- und Nachtzeit trainierten Krieger aller Rassen bei den besten Lehrern Morrowinds. Im Arena-Canton herrschten strikte Regeln zur Gastfreundschaft, nicht einmal die Dunkle Bruderschaft konnte Argonier und Kajiit aus diesem Canton vertreiben. Der Zusammenhalt unter den Kriegern war fast ebenso legendär wie gefürchtet... Es gab keinen sicheren Ort für die Morag Tong, solange Aufträge nicht in Arena ausgeführt wurden, akzeptierten die Krieger die vielerorts gehassten Assassinen. Arena war so ziemlich der einzige Ort, an dem Morag Tong-Mitglieder sich ohne Furcht, ohne Maskerade bewegen konnten...

Kaum hatte die Gruppe die Grenze zu Arena überschritten, entledigten sich die bewaffneten Entführer ihrer Kutten. Außer Eno Hlaalu, einem hochgewachsenen Dunmer mit einem langen Pferdeschwanz erkannte T´Lina Rogdul gro-Bolarz. Der Orc war erst vor kurzem zur Morag Tong gekommen und kümmerte sich die meiste Zeit um die Küche, sie hatte ihn noch nie mit einer Waffe gesehen. Sie nickte ihm leicht zu, eine angedeutete Verbeugung zeigte ihr, dass auch er sie erkannt hatte.
Die anderen kannte sie nicht, die zwei Dunmer ignorierten sie und die fünfte Gestalt trug einen Helm, der das gesamte Gesicht bedeckte. Entweder war er sehr schüchtern oder aber misstrauisch...

"Was hat das zu bedeuten? Wer seid Ihr eigentlich?", murrte Sirius, seine gesamte Haltung machte mehr als deutlich, dass die ganze Situation ihm kein bisschen behagte. Auch Ajira und Severus hatten schon mal entspannter gewirkt...

"Mein Name ist Eno Hlaalu. Ihr werdet mir folgen, sobald wir die Gildenhallen erreicht haben, werde ich die Fragen beantworten, bis dahin möchte ich keinen Ton hören. T´Lina, ich mache dich für das Verhalten deiner Freunde verantwortlich."

"Jawohl, Großmeister." "Aber-", protestierte Sirius.

"Sirius?"
"Ja?"
"Sei leise. Wenn Großmeister Hlaalu sagt, dass eure Fragen beantwortet werden, dann werden sie es auch, verstehst du? Und nun schweig.", wies T´Lina Sirius mit jener speziellen Freundlichkeit zurecht, von der er wusste, dass er besser tun sollte, was sie verlangte.

Zum Glück schwieg Sirius den Rest des Weges, T´Lina hätte nicht gewusst, wie sie ihn sonst davon hätte überzeugen können, dass alles in Ordnung war. Bald hatten sie den verlassenen Lagerraum mit der Geheimtür erreicht, nacheinander kletterte die Gruppe die lange Leiter hinab.

"Folgt mir!", befahl der Großmeister, entließ die vier Assassinen mit einer beiläufigen Handbewegung und machte sich auf den langen Weg bis in sein Arbeitszimmer.

Ihnen blieb nichts anderes übrig als ihm zu folgen...

OoO

"Ihr wollt den Dunklen Gott vernichten?"

Diese Frage kannten sie doch schon irgendwoher... Severus fragte sich, wie oft sie diese Frage wohl noch bejahen mussten, ehe Vivec -oder wie er sich offensichtlich gerne nennen ließ Der Dunkle Gott´- endlich etwas merkte und Gegenmaßnahmen ergriff. Er hoffte, dass Vivec in Hinsicht auf Verräter und Gegner ähnlich blind war wie der Dunkle Lord, welcher ihn viele Jahre als einen Anhänger akzeptiert hatte.

"Ja, Großmeister.", antwortete T´Lina.

"Und wie habt ihr euch das vorgestellt, wenn ich fragen darf? Wolltet ihr ihn mit Sujamma begießen bis er darin ertrinkt? Oder wolltet ihr vielleicht mit euren mickrigen Zaubersprüchen und den kaum einer Erwähnung werten Kampfkünsten an einem Lachkrampf sterben lassen?"

Enos Spott hing belastend zwischen ihnen, als er jeden der Reihe nach ansah. T´Lina und Sirius wechselten einen peinlich berührten Blick, während Ajira lediglich zu Boden sah.

Es schien nicht so, als ob einer der anderen ihre Taktik verteidigen würde...

"Ich verbitte mir die Bezeichnung mickrige Zaubersprüche!", schnarrte Severus als ob er einen Schüler vor sich hätte. "Ich versichere Ihnen, dass ich es bisher mit jedem magischen Wesen aufgenommen habe und sowenig ich Sirius auch leiden kann, muss ich ihm dennoch gewisse Künste in Flüchen zugestehen." Die meisten davon kannte er aus eigener Erfahrung. "Auch ohne Zauberstab ist er zu erstaunlicher Magie fähig. T´Linas Fähigkeiten im Bogen habe ich mit eigenen Augen gesehen und Ajira hat Talent im Heiltränke brauen. Ich wüsste nicht, mit welchem Recht Sie unsere Mission stören!"

Der Dunmer grinste lediglich.

"Und ihr glaubt wirklich, dass ihr einen GOTT mit Pfeil und Bogen auch nur verletzen könnt? Ganz zu schweigen von den zahlreichen Dunklen Brüdern, die so nebenbei bemerkt seit Balmora fleißig Jagd auf euch machen und euch schon sehr nahe sind. Wäret ihr nur eine halbe Stunde länger bei Miun-Gei geblieben, hätten sie euch erwischt. Das gleiche Ergebnis hätten wir, wenn ihr euch zu Jobasha aufgemacht hättet -gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, ihr hättet noch heute herausgefunden, wo sich sein Geschäft befindet und gesetzt den noch unwahrscheinlicheren Fall, er hätte überhaupt mit euch geredet."

Der Spott fuhr Severus durch Mark und Bein, er wusste, der Dunmer verhöhnte sie voller Absicht, immer in dem Wissen, dass er hier, in der Hochburg der Morag Tong, nichts zu befürchten hatte. Und so wie der Großmeister wusste, dass er hier sicher war, so wusste Severus, dass er nichts gegen ihn ausrichten konnte, dass sie ihm ausgeliefert waren. Noch.

"Nun, auch ich möchte den Dunklen Gott fallen sehen. Ihr werdet lernen, euch zu verteidigen, mit den Waffen des Geistes und mit denen des Körpers. Ihr werdet lernen, wie man ein Schwert seiner Bestimmung zuführt -welche nicht im Abschlachten wehrloser Wanderratten und Kagoutis liegt, wenn ich das erwähnen darf, White Thrall T´Lina."

Wie aus dem Nichts tauchten zwei Dunmer hinter ihnen auf.

"Sirius, T´Lina, ihr werdet zunächst den Schwertkampf in seiner vollendeten Form erlernen. Taros Dral wird euch Unterricht erteilen."

Ein kleiner, sehniger Dunmer nickte ihnen leicht zu, forderte sie auf, ihm zu folgen. Sirius und T´Lina wechselten einen hilflosen Blick, taten dann, wie ihnen befohlen wurde.

"Ajira, du und dein Begleiter, ihr werdet in den Künsten des Geistes ausgebildet. Minnibi Selkin-Adda wird euch in die Geheimnisse der Clanmagie der Dunmerstämme einweisen. Weiterhin werden eure Braukünste vervollkommnet und euch werden elementare Kampfkünste offenbart. Anschließend werdet ihr in der Lage sein, euch dem Dunklen Gott zu nähern, ohne gleich von Dunklen Brüdern beseitigt zu werden. Nun geht."

Mit diesen Worten kehrte der Großmeister ihnen der Rücken zu und stieg eine lange Treppe hinauf, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.

Minnibi Selkin-Adda forderte Severus und Ajira mit leiser Stimme auf, ihm zu folgen. Der Mann mit dem seltsamen Namen schien ein Dunmer zu sein, obwohl seine Haare statt der schon fast obligatorischen schwarzen Färbung ein leuchtendes Weasley-Rot aufwiesen, welches sich auf wirklich außergewöhnliche Weise mit dem Rot seiner Augen biss.

Ihnen blieb nichts anderes übrig als zu gehorchen, mürrisch ging Severus hinter dem seltsamen Dunmer und der für ihn noch immer höchst verwirrenden Kajiit eine schmale Steintreppe hinauf, welche offensichtlich in eine Art Labor führte.

OoO

Fasziniert lauschte Severus den Ausführungen Minnibis, bereits nach wenigen Stunden spürte er, wie seine Kenntnisse in der fremdartigen Alchemie Morrowinds wuchsen. Das Wissen schien sich direkt in sein Gedächtnis zu brennen, ohne den normalen Umweg über das bewusste Denken. (1)

Sehr fremdartig.
Aber auch effektiv.

Auch Ajira war in den letzten Stunden immer besser geworden beim Brauen, allerdings schien sie ihre Lerngeschwindigkeit für vollkommen normal zu halten. Severus wusste, dass sie ihm immer wieder Blicke zugeworfen hatte, doch er hatte es vorgezogen sie zu ignorieren.

Er durfte sie nicht auch noch in Gefahr bringen. Das beste wäre noch immer, sie würde nach Balmora in den Schutz der Magiergilde zurückkehren anstatt hier mit ihm einen verrückten Gott zu jagen. Dummerweise schien sie für vernünftige Argumente unempfänglich zu sein, seine diesbezüglichen Hinweise hatte sie alle demonstrativ überhört. Das Problem war dabei, dass er in seinem tiefsten Inneren gar nicht wollte, dass sie ging, auch wenn dieses tiefste Innere bisher von ihm sehr effektiv unterdrückt worden war.

"Ich kann euch nicht mehr in Wissen in Alchemie geben. Daher werden wir uns nun der Clanmagie zuwenden, welche sich auf die Schule der Zerstörung spezialisiert hat. Diese Art der Magie umfasst sämtliche Zauber, welche auf die eine oder andere Art den physischen Zustand eines Feindes des Magiers verändern. Zu den einfachsten Zaubern zählen der Feuer- und der Frostball."

Dankbar ließ sich Severus von Minnibis sanfter Stimme aus seinen Grübeleien reißen. Mit dem Feuerball hatte er bereits ausführliche Bekanntschaft gemacht, nur ungern erinnerte er sich an die Episode in der Höhle, als T´Jen entführt worden war. Einen Feuerball zu beschwören schien nicht allzu schwer zu sein, es musste nur die nötige Konzentration aufgebracht und das Prinzip verstanden werden.

Als Severus sah, dass Ajira Schwierigkeiten beim Beschwören des Glutballes hatte und sie ihn um Hilfe bat, kam ihm eine Idee. Vielleicht würde sich Ajira doch noch überzeugen lassen, dass er nicht der Richtige für sie war...

OoO

Eine halbe Stunde später nutzte Sirius die kurze Pause und packte den Slytherin vor sich am Kragen, schmetterte ihn gegen die Wand. Heißer Hass brodelte in ihm, ließ die Konturen seiner Umwelt in feurigem Rot verschwimmen. Wieder und wieder schlug er Snape gegen die Wand, ließ seiner Wut freien Lauf.

Wie nur konnte dieser... Mistkerl... dieser Snivelly nur so grausam sein? Wie konnte er jemanden, der immer nur freundlich ihm gegenüber gewesen war, so sehr verletzen?

"Wie kannst du nur?", fragte er mit Abscheu in der Stimme, nicht gewillt, dem schlanken Mann vor ihm auch nur den Hauch von Gnade zu gewähren. Er hatte gedacht, sich endlich mit Snape -SNIVELLUS!- irgendwie versöhnen zu können, aber die letzte Aktion des Schleimbeutels hatte ihm deutlich gezeigt, wie sehr er sich geirrt hatte.

Ein dumpfes Röcheln veranlasste ihn, seinen Griff ein wenig zu lockern, so leicht sollte Snape es nicht haben.

"Also?", fragte er eisig.

"Lass mich runter, Flohbeutel.", schnarrte der Slytherin mit kalter Stimme.

"Nicht bevor ich eine Antwort bekommen habe!"

"Es geht dich nichts an. Hör gefälligst auf, dich in mein Leben einzumischen!", fauchte Snape heiser.

"Warum bei Merlin hast du Ajira vorgeworfen, sich dir gegenüber nur zu ihrem persönlichen Nutzen freundlich zu verhalten? Du weißt genau, dass sie dich mehr als nur mag, weißt du überhaupt, wie sehr du sie damit verletzt hast?"

Überrascht sah Sirius einen betroffenen Schatten über Snapes Gesicht huschen, bevor es wieder zu der gewohnten Maske erstarrte. Also hatte der Schleimbeutel doch Gefühle...

"Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich werde mich in dieser Hinsicht nicht mehr wiederholen: Hör gefälligst auf, andere Leute immer nach dir zu beurteilen! Du wirst jetzt zu Ajira gehen, mit ihr reden und dich entschuldigen. Hast du verstanden?"

"Oder was? Willst du mich dann wieder verprügeln?", röchelte Snape, als Sirius seinen Griff erneut verstärkte.

Sirius sah den Mann an der Wand kalt an. "Du wirst dir dann wünschen, mir nie begegnet zu sein.", antwortete er eisig.

"Das tue ich sowieso, Black!"

Sirius sah rot. Bevor Er selber richtig wusste, was er tat, landete seine Faust auf Snapes übergroßer Nase. Blut tropfte dem Slytherin aufs Kinn, als sein Kopf nach hinten flog und erneut Bekanntschaft mit der Wand machte.

Snape reagierte verblüffend schnell, die Spitze seines Zauberstabes bohrte sich in Sirius´ Seite, noch bevor der schwarzhaarige Kopf vor ihm von der Wand wieder abgeprallt war. Verfluchte Todesserinstinkte.

"Na, los tu es. Tu es, du Feigling!", zischte Sirius kalt lächelnd.

"ICH BIN KEIN FEIGLING!"

"Dann rede mit Ajira."

Mühsam löste Sirius seine Finger aus dem Stoff, bevor er Snape noch einmal zunickte und ging. Er hatte sein Ziel erreicht.

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(1) Wenn man genug Geld hat, gibt es in Morrowind die Möglichkeit, Levelaufstiege ein wenig zu beschleunigen, indem man bestimmte Fertigkeiten von Trainern verbessern lässt. Es dauert eine Stunde eine Fertigkeit um einen Punkt zu erhöhen. Wenn Sev und Ajira also mehrere Stunden gelernt haben, haben sich ihre Fähigkeiten in Alchemie immens verbessert.