Sechster Abschnitt
Stumm und Verbittert
trottete die Karawane der verbliebenen Freunde durch die Ebene von
Gondor. Arwen hatte sie erst zur Eile getrieben, doch bald war auch
sie von der Angst ergriffen worden was sie wohl in Minas Tirith
erwarten würde, dass sie jetzt auch am liebsten nie dort
angelangt wäre.
Die Stimmung war mehr als bedrückend und
keiner sprach ein Wort, geschweige denn, dass einer den Blick auf
einen der anderen richtete.
Sie würden noch etwa zwei
Stunden bis nach Minas Tirith brauchen, wenn sie schnell ritten, in
diesem Tempo bestimmt eher drei und Frodo hätte nur zu gerne
eine Pause gemacht. Das Frühstück war ganz ausgefallen und
seit dem Abend hatte er nichts mehr gegessen. Neben ihm hörte er
Sams Magen laut knurren und er blickte sich nach Arwen um, die mit
Merry und Eowyn zusammen hinter ihnen ritten.
Als er ihnen eine
Rast vorschlug, hellte sich die Miene des Hobbits ein wenig auf, aber
Eowyn und Arwen nickten nur teilnahmslos und halfen nur lustlos beim
Richten eines kleinen Lagers.
Eomer und Faramir setzten sich
abseits der Gruppe in die Nähe der Pferde und Gimli und Pippin
sprachen kein Wort und mieden die Nähe von Legolas und
Merry.
Ich könnte aus der Haut fahren, dachte Frodo erbost.
Wie konnten sich die Freunde nur so verhalten, wo sie doch schon mehr
als eine Gefahr gemeinsam überstanden hatten und sich
gegenseitig für den anderen ohne zu zögern geopfert
hätten?
Frodo hatte sich nur ein einziges Mal so gegenüber
Sam verhalten, aber da hatte er auch unter dem Bann des Einen Rings
gestanden und hatte nicht mehr klar denken können!
Die
Erkenntnis traf ihn wie ein Blitzschlag. Natürlich, dass musste
der Grund für das Verhalten der Freunde sein! Niemals würden
sie sich gegenseitig so verraten, wenn nicht jemand seinen schlechten
Einfluss auf sie ausüben würde. Aber wer könnte sein
Interesse daran haben, dass solcher Streit zwischen ihnen
herrschte?
Legolas riss Frodo aus seinen Gedanken, als er ihn
anstieß und in die Richtung zeigte, in die er die ganze Zeit
über angestrengt seinen Blick gerichtet hatte.
Zuerst konnte
Frodo gar nichts erkennen und auch Sam zuckte die Schultern, als er
sich ganz kurz ihre Blicke trafen. Dann aber konnte Frodo einen
dunklen Schatten in der Entfernung ausmachen, der sich in ihre
Richtung bewegte und bald erkannte er, das es sich um ein Pferd
handelte.
Angestrengt richteten sie ihre Blicke auf das
herankommende Tier. Frodo konnte erkennen, dass der Reiter sich weit
nach vorne gebeugt hielt und die Zügel des Pferdes hingen
einfach an seinen Flanken herunter. Plötzlich rannte Legolas dem
Reiter entgegen und als er fast an seinem Ziel angelangt war, trat
auch das Erkennen in Frodos Blick.
"Das ist doch Brego!
Kommt, rasch!", rief er entsetzt aus und zog Sam einfach mit
sich. So schnell sie konnten, rannten sie auf das Tier zu. Arwen und
Eowyn hatten sich erhoben, aber die Übrigen verharrten
regungslos.
Als die Hobbits Legolas erreichten, hatte er bereits
Bregos Zügel ergriffen und das Tier blieb stehen. Aragorn drohte
aus dem Sattel zu rutschen und der Elb eilte an seine Seite und half
ihm beim Absteigen. Er erkannte sofort in welchem fürchterlichen
Zustand der Freund war. Er stützte sich schwer auf den Freund
und hob nur flüchtig den Kopf, bevor er ihn mit einem
vernehmlichen Stöhnen wieder senkte und sich mit der Hand die
Augen rieb. Seine Haare waren vom Wind zerzaust und der Schweiß
perlte an seinen Wangen entlang. Die Sonne fiel auf sein Gesicht und
das Licht schien durch seine Haut hindurchzudringen, die Augen lagen
tief in den Höhlen und er konnte sich kaum auf den Beinen
halten. Der Ritt schien ihn zweifellos mehr Kraft gekostet zu haben,
als er erübrigen konnte.
"Bei den Valar! Du siehst
fürchterlich aus, Aragorn! Was ist geschehen?"
Einen
Moment lang schwankte er und stützte sich auf Legolas'
Schulter.
"Du musst dich ausruhen, so entkräftet wie du
bist! Danach kannst du uns alles berichten! Nun komm!"
Legolas
stützte ihn, so gut es ging, um ihm den Weg bis zum Lager zu
erleichtern und Frodo und Sam führten Brego und brachten ihn zu
den anderen Pferden. Arwen und Eowyn kamen ihnen entgegen
gelaufen.
Auch sie erkannten, dass Aragorn fiebrig und
ungewöhnlich blass aussah und unterzogen ihn einer genaueren
Musterung. Was sie sahen, verstärkte ihre Beunruhigung nur noch.
Seine Tunika war halb aufgeschnürt und an der rechten Schulter
zerrissen, sodass sie die flammenrote Narbe sehen konnten die sich
jedoch noch weiter , bis hinunter an seine Brust und am Arm entlang,
zog und unter der Tunika verschwand und Eowyn fragte sich, wie weit
sie sich wohl an seinem Körper entlangwand. Er wirkte fast so,
als habe ihn eine innere Flamme völlig verzehrt und sie ahnte
nicht, wie nah sie damit der Wahrheit kam.
Als Faramir die
Gruppe näher kommen sah und Aragorn erkannte, stand er auf und
verließ umgehend das Lager, doch Gimli sah in seinen Augen den
Hass aufblitzen, als Faramir einen letzten Blick auf Aragorn
warf.
Eomer wollte einem ersten Impuls folgen und herüber zu
Aragorn eilen, aber ein eiskalter Schauder überkam ihn und
tötete die aufsteigenden Emotionen umgehend wieder. Er schlang
die Arme um seine Mitte und rieb kurz seine Hände, ein
vergeblicher Versuch, die Kälte in seinem Inneren zu vertreiben
und folgte dann Faramir.
Eowyn sah den beiden nach und ein
schmerzvoller Stich trieb durch ihr Herz. Sie liebte diese beiden
Männer, aber sie schienen so verändert in den letzten
Tagen. Faramir war von einem unbändigen Hass erfasst worden, den
er gegen Aragorn richtete und auch ihr Versuch, ihn nach dem Streit
wieder milde zu stimmen, war kläglich gescheitert. Er hatte ihr
nicht einen Moment Gehör geschenkt und sie dann angeherrscht,
sie solle doch ihren wahren Gefühlen folgen und ihn endlich
verlassen, um zu Aragorn zu gehen.
Immer noch trieben seine Worte
ihr die Tränen in die Augen. Wie konnte er nur an ihrer Liebe zu
ihm zweifeln? Aber sie hatte keine Möglichkeit gefunden, ihm
ihre Gefühle zu beweisen, denn er hatte sie einfach stehen
lassen und war mit Eomer in den Wald gegangen.
Ihr Bruder
bereitete ihr nicht weniger Sorgen. Er schien alle Wärme und
Güte verloren zu haben und seine Treue gegenüber seinem
Land und seiner Freundschaft zu Aragorn schien gänzlich
erloschen. Selbst ihr brachte er nicht einmal ein Lächeln
entgegen und außer zu Faramir sprach er kein Wort. Fast wirkte
er wie eine leblose Hülle, gespenstisch leer, die ihr eine
Gänsehaut verursachte.
Im Gegensatz zu Eomers Kälte
war Aragorn von Hitze erfüllt, zu viel Hitze. Sein ganzer Körper
war erfüllt davon und jeder seiner Muskeln waren angespannt,
durch die Flammen in seinem Inneren.
Arwen legte ihm prüfend
die Hand an die Schulter und obwohl ihre Berührung ganz sacht
war, zuckte er zusammen und entzog sich ihrer Hand.
Er konnte es
kaum selber ertragen und wollte nicht auch noch Arwen Sorgen
bereiten, deshalb versuchte er ein Lächeln und kämpfte sich
in eine aufrechte Position. Endlich fand er die Kraft, um ihnen zu
berichten, was er durch den Palantir gesehen hatte. Als er endete,
konnte er die Bestürzung in den Blicken der Anderen sehen, vor
allem Frodo und Sam konnten ihre Gefühle nur schwer in den Griff
bekommen und kämpften ihre Tränen mit aller Macht
zurück.
"Du hast also wieder diesen verfluchten
Zauberstein benutzt, obwohl es dich bereits damals in der Hornburg
fast all deine Kraft gekostet hat?"
Legolas konnte es nicht
fassen und erkannte in dieser Tat die Verzweiflung, die Aragorn dazu
getrieben hatte.
Aragorn war unfähig, darauf etwas zu
erwidern. In Wahrheit hatte ihn die erneute Benutzung des Stein fast
sein Leben gekostet, aber ohne den Palantir hätte er nie von der
Gefangennahme ihres Freundes erfahren! Auch wenn sich sein Zustand
nur unendlich langsam zu bessern schien, durfte er keine Zeit
verschwenden, im Notfall würde er auch alleine nach Mordor
reiten, um Gandalf zu helfen. Er hatte Faramirs Blick gesehen und war
sich sicher, dass dieser nicht bereit war, mit ihm zusammen einen
Befreiungsversuch zu unternehmen.
"Wir müssen versuchen,
Gandalf zu befreien! Ich werde ihn nicht der Folterung und dem Tod
überlassen, solange ich noch die Kraft dazu habe, etwas
auszurichten! Ich...!"
Arwen unterbrach ihn entschieden und
in ihren Augen konnte er nur zu deutlich ihren Zorn über seine
Unvernunft, aber auch ihre Sorge erkennen.
"Du wirst dich
jetzt erst einmal ausruhen, bevor wir entscheiden was wir tun werden.
Und ich wage zu bezweifeln, dass du die nötige Kraft hast, um zu
reiten, geschweige denn, dich einer Horde Orks in den Weg zu
stellen!"
"Wenn du meinst, ich bleibe hier ruhig sitzen,
während ihr Gandalf sucht, hast du dich getäuscht! Ich
werde mitkommen und wenn es sein muss, werde ich bis zum letzten
Atemzug kämpfen, um ihn zu befreien!"
Aragorn war nicht
davon abzubringen, er hielt ihrem Blick stand und rieb sich dabei die
schmerzende Schulter. Noch einen Freund wollte er nicht verlieren und
wenn er dabei selber sein Leben lassen würde, das musste Arwen
einfach verstehen.
Legolas legte ihm beschwichtigend eine Hand auf
die seine und richtete seinen Blick auf Arwen, in deren Augen jetzt
das Bewusstsein lag, dass sie dabei war, Aragorn zu verlieren, wenn
sie ihn ziehen ließ. Aber nicht einmal sie konnte ihn
aufhalten, egal was sie versuchen würde, dessen war sie sich
sicher.
Dennoch schafften sie es, Aragorn dazu zu bewegen,
sich etwas auszuruhen und Eowyn entzündete ein Feuer, um Wasser
zu erhitzen, in dem Legolas Athelas auskochte. Arwen verrieb
unterdessen eine Salbe aus Kräutern entlang der Narbe, die eine
recht kühlende Wirkung hatte.
Aragorn bemühte sich so
gut es ging, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Er war
froh, als sie ihre Versorgung beendet hatte.
Legolas hatte die
ganze schweigend gewartet. Jetzt wandte er sich an Aragorn.
"Nun
berichte noch einmal, was du genau gesehen hast und lass uns dann
entscheiden, was wir als nächstes unternehmen!"
Legolas
sah seinen Freund nun bestürzt, aber entschlossen an, als er
geendet hatte, doch es lag noch etwas anderes auf seinem Gesicht,
dass Aragorn nicht zu deuten vermochte.
"Aragorn, lass uns
einen Befreiungsversuch verschieben. Erst müssen wir
herausfinden, was sich für eine Gefahr im Schattengebirge
versteckt! Außerdem muss ich Arwen recht geben, du bist nicht
in der Verfassung, einen Angriff zu führen oder
abzuwehren!"
Aragorn kämpfte gegen die Verzweiflung an.
Wenn selbst Legolas ihn jetzt nicht unterstützte, wie standen
dann erst die Aussichten, dass sie es schaffen konnten Gandalf zu
helfen? Je mehr Zeit verging, desto schwieriger würde es werden
noch Spuren zu finden, die sie zu seinem Aufenthaltsort führen
könnten.
"Jetzt werden wir sowieso nichts ausrichten
können. Ich denke, Legolas hat Recht! Die Gefahr ist einfach zu
groß! Wir müssen erst herausfinden was dahinter steckt!",
schloss sich Eowyn an.
Aragorn kam schwerfällig auf die Füße
und sah seine Freunde fassungslos an.
"Ich werde nicht
wertvolle Zeit vergeuden und darauf warten, dass sich irgendjemand
dazu herablässt, endlich etwas zu tun. Notfalls werde ich eben
alleine nach Mordor reiten!"
Frodo und Sam hatten die
ganze Zeit geschwiegen, doch auch sie waren bestürzt, dass
anscheinend niemand der Freunde bereit war etwas zu unternehmen.
Gandalf war immer ihr Freund gewesen und Frodo wusste, dass er nicht
seine Hände in den Schoß legen konnte, um abzuwarten. Ein
Blick auf Sam genügte und er erkannte, dass dieser ähnliche
Gedanken hegte. Jetzt konnten sie endlich einmal etwas für ihn
tun, nachdem der Zauberer ihnen, immer wenn sie seine Hilfe gebraucht
hatten, beigestanden hatte!
Nach Aragorns Ausbruch hatten die
Freunde begonnen, ihn davon zu überzeugen, wie leichtsinnig ein
solches Vorhaben doch war und sie redeten alle durcheinander. Deshalb
hörte anfangs auch niemand auf Frodo und der Hobbit musste sich
lautstark Gehör verschaffen.
"Wir werden mit dir gehen!"
Frodo machte einen Schritt auf Aragorn zu und wiederholte seine Worte
mit noch mehr Nachdruck. Verwundert und sprachlos drehten sich alle
zu ihm um, nur Aragorn atmete erleichtert auf und nickte dem Hobbit
dankbar zu.
Legolas seufzte und zuckte dann die Schultern.
"Sieht
wohl ganz so aus, als hätten wir keine andere Wahl! Wenn schon
ein Hobbit zu so einem Schritt bereit ist, dann werde ich auch nicht
länger zögern! Mein Bogen wird euch unterstützen, was
auch geschehen mag!"
Sie setzten sich schließlich
wieder an das Feuer und begannen, einen Plan zurechtzulegen, so gut
es ihre Informationen zuließen. Sie wussten nicht, mit wem
genau sie es zu tun hatten, nur, dass sie viele Orks um sich geschart
hatten und sich irgendwo im Schattengebirge oder Mordor versteckt
hielten. Sicher war auch, dass sie zu wenige waren, um einen offenen
Angriff zu wagen, selbst mit den Heeren aus Gondor war dies ein
aussichtsloses Unterfangen. Sie mussten erst einmal das Land
auskundschaften, um einen Anhaltspunkt zu finden, der auf Gandalfs
Versteck schließen ließ.
Aragorn bestand darauf, dass
er sich an der Spurensuche beteiligte und seine Fähigkeiten im
Spurenlesen berechtigten ihn auch zu dieser Forderung, doch Arwen war
ganz und gar nicht wohl dabei, ihn in seinem Zustand einfach so
ziehen zu lassen. Dennoch fanden sie keine anderen Möglichkeiten
und sie beschlossen, dass Legolas und Aragorn zu einem Erkundungsgang
aufbrechen sollten.
Siebter Abschnitt
Es war später
Nachmittag, als sie sich endlich auf den Weg machten, begleitet von
den sorgenvollen Blicken der Freunde.
Faramir stand geschützt
im Schatten einiger Bäume und beobachtete ebenfalls ihren
Aufbruch. Hinter ihm stand Eomer und er konnte das gefährliche
Lächeln auf dessen Gesicht nicht sehen, als dieser den Aufbruch
der beiden beobachtete.
Ein seltsames Gefühl überkam
Faramir, als er hinter dem Elb und dem Mann her blickte, die ihm
einmal so vertraut gewesen waren. Es schien ihm, dass dies schon eine
Ewigkeit zurück lag und doch schien sich tief in seinem Inneren
ein seltsames Beklemmen auszubreiten, dass er sich nicht erklären
konnte. Sicherlich lag es daran, dass er diesen beiden Reitern in den
letzten Schlachten, die sie hatten führen müssen, immer zur
Seite gestanden hatte und es fast zu einer natürlichen Geste
geworden war, dass er den Drang verspürte sich ihnen
anzuschließen. Aber es war ihm unmöglich, den Hass zu
ignorieren, der alleine der Anblick von Aragorn in ihm auslöste,
schließlich war er Schuld daran, dass sein Bruder den Tod
gefunden hatte und das nicht er die Herrschaft über Gondor
erhalten hatte, wie es ihm von Rechts wegen zustand. Zum Glück
hatte Eomer ihm gerade noch rechtzeitig die Augen geöffnet,
sonst hätte es bestimmt nicht mehr lange gedauert und auch
Faramir wäre von Aragorn in einen aussichtslosen Kampf geschickt
worden, von dem er nicht wiedergekehrt wäre!
Und wozu? Damit
er sich auch noch seine Gemahlin aneignen konnte, die nur zu
offensichtlich mehr Gefühle für ihn statt für ihren
Mann hegte!
Faramir schnaubte verächtlich, wandte sich dann
an Eomer und bedeutete ihm, sich nun wieder in das Lager zurück
zu begeben.
Schweigend waren Legolas und
Aragorn bis an den Fuß des Schattengebirges geritten und hatten
dort ihre Pferde gut versteckt. Die Dämmerung hatte inzwischen
eingesetzt und sie machten Rast, um sich von dem schnellen Ritt etwas
zu erholen.
Aragorn reichte dem Elb die Wasserflasche und ließ
den Blick dann in Gedanken versunken auf seinen Händen
ruhen.
Legolas ahnte, woran er dachte und suchte nach den
richtigen Worten, um dem Freund seinen Kummer zu lindern.
"Ich
glaube nicht an das, was Faramir behauptet hat, mellon nin! (mein
Freund!) Ich war damals dabei, als Boromir den Tod fand und du trägst
keinerlei Schuld daran! Die Versuchung nach dem Ring hat ihn dazu
bewegt, sich von uns zu entfernen und du bist so schnell wie nur
möglich zu ihm geeilt, als das Horn erschallte! Quäle dich
nicht selber mit Vorwürfen, du hättest es nicht verhindern
können..."
Der Freund hob den Kopf und ihre Blicke
trafen sich. Trauer und der Schmerz des Verlustes lag in ihrer beider
Augen und Aragorn legte dem Elb dankend die Hand auf die Schulter, er
hatte nicht einen Moment daran gezweifelt, dass dieser die gleichen
Gedanken wie Faramir hegen würde.
"Und was ist zwischen
dir und Gimli vorgefallen? Unser Herr Zwerg kann doch sonst nicht so
leicht aus der Ruhe gebracht werden!" Fast hätte Aragorn
gelacht, aber er konnte sich gut vorstellen, wie sehr Legolas unter
dem Streit mit Gimli leiden musste, auch wenn er noch nicht wusste,
worum es dabei ging.
Legolas erzählte ihm von den
Behauptungen, die Gimli ihm an den Kopf geworfen hatte und beteuerte
seine Unschuld, doch auch so war Aragorn sich sicher, dass es sich
nur Lügen handelte, die man dem Zwerg erzählt hatte. Nur
konnte er sich immer noch keinen Reim darauf machen, wer solche
Anschuldigungen verbreitete und warum! Wer konnte ein Interesse daran
haben? Fragen, auf die er keine Antworten finden konnte!
Die
beiden Freunde warteten auf den Einbruch der Dunkelheit und machten
sich in ihrem Schutz auf den Weg.
Aragorn und Legolas hatten
einen kleinen Pfad jetzt hinter sich gelassen und erreichten den
ersten Vorsprung eines hohen Gebirgsausläufers. Sie waren nun
schon mehrere Stunden geklettert und gingen nun nebeneinander einen
steinigen Weg entlang, um von dort dann die Richtung zur Bergspitze
einzuschlagen, von wo aus sie dann das Land Mordor überblicken
konnten.
Erst im Morgengrauen wollten sie die Stelle aufsuchen, an
der die Orks Gandalf überwältigt hatten, denn dann würde
ihnen die aufgehende Sonne die nötige Sicht
verschaffen.
Legolas fiel auf, dass Aragorn sich immer öfter
an die Schulter fasste und blieb schließlich stehen.
"Du
bist erschöpft! Lass uns einen Moment hier rasten. Ich kann auch
eine kleine Pause vertragen, wir sind schon weit gekommen!"
Nur
zu gerne nahm er Legolas' Vorschlag an und lehnte sich gegen den
kalten Fels. Die Hitze kroch zwar nicht mehr so unerträglich
durch seinen Körper, aber dennoch fühlte er sich völlig
erschöpft.
"Hennaid evyr, Aragorn! Es bedeutet mir viel,
einen Freund wie dich an meiner Seite zu wissen!" Legolas musste
das einfach loswerden und suchte zur Bekräftigung seinen Blick.
(Vielen Dank)
Aragorn sah ihn an und nickte. "Mae! Mir
bedeutet es ebenfalls viel!" (Ja)
Sie tranken etwas aus
Aragorns Wasserbeutel und schwiegen, doch es war auch nicht nötig
noch etwas zu sagen.
Die Ruhe tat Aragorn gut und bald fühlte
er sich genug erfrischt, um den Weg fortzusetzen.
Sie wollten
sich gerade wieder auf machen, als sie ein Geräusch
vernahmen.
Sie wechselten einen Blick, der keine Worte mehr
bedurfte. Langsam und leise zogen sie ihre Waffen.
"Si
dartho, Aragorn!" (Bleibe hier)
"Law! Ich werde dich
nicht alleine lassen!" (Nein) Aragorn würde nie wieder einen
seiner Freude im Kampf alleine lassen, noch einen solchen Verlust wie
den von Boromir wollte er nicht erleiden, ganz gleich, wie er sich
fühlte.
"Mae! Le tiriel!" Legolas konnte ihn wohl
nicht umstimmen. (Gut ! Sei wachsam!)
"Tirim, lathram a
osradam had vîn!", flüsterte Aragorn Legolas zu. (Wir
schauen uns mal in der Gegend um!)
"Mae!"
Langsam
gingen sie weiter und suchten das umliegende Gelände mit den
Augen ab. Dabei waren sie bis auf das Äußerste gespannt,
um jederzeit reagieren zu können. Sie verließen den Weg
und schlugen die Richtung ein, aus der sie das Geräusch
vernommen hatten, was äußerst schwierig war, denn sie
begaben sich in unwegsames Gelände. Bald waren sie an der einen
Seite von einer hohen Felswand und von der anderen von einer tiefen
Schlucht umgeben.
"Tiro i dalaf!", warnte Legolas den
Freund. (Achte auf den Boden!)
Der Boden war hier sehr uneben und
es bestand die Gefahr im Dunkeln zu stolpern und sie mochten sich
nicht ausdenken, was ein falscher Schritt für Folgen haben
würde.
Das plötzliche Aufleuchten einer Klinge ließ
sie die Bedrohung in der Finsternis erkennen. Blitzschnell fuhr
Legolas herum und rief Aragorn zu:
"Meigol am! Dravo gorn,
mellon!" (Schwerter hoch! Schlage kräftig, Freund!)
Aragorn
hielt Anduril erhoben, als die Orks bei Legolas' Ruf aus den
Schatten der Felsen sprangen.
Seite an Seite kämpften
sie, sich gegenseitig schützend. Doch die Angreifer waren in der
Überzahl. Einige lauerten hoch über ihnen und als sie ihre
Chance witterten, warfen sie sich in die Schlacht.
Legolas merkte,
dass Aragorn nur noch mit Mühe standhalten konnte.
Seine
Kräfte schwanden zusehendst. Bald würden seine Gegner ihn
überwältigen.
"Im dravo a le awarthach had! Taltho
tulu!", rief Legolas ihm zu. (Ich kämpfe und du weichst
zurück! Hole Hilfe!)
"Law! Alleine wirst du es nicht
schaffen!"
Aragorn hatte nicht vor, seinen Freund kampflos an
die Orks auszuliefern! Entschlossen führte er weitere Streiche
aus, doch seine Kräfte reichten einfach nicht aus.
Ein
Angreifer nutzte eine Schwäche in seiner Deckung und warf sich
ihm entgegen. Aragorn verlor das Gleichgewicht und strauchelte.
Sofort sprangen seine Feinde vor und mehrere Schläge trafen ihn.
Vergeblich versuchte er, sie abzuwehren, doch es waren einfach zu
viele.
Er wurde erneut von harten Schlägen getroffen und dann
gepackt und gegen einen Felsvorsprung gestoßen. Mit voller
Wucht prallte er auf und brauchte einen Moment, um die Benommenheit
abzuschütteln und konnte erst im letzten Augenblick den nächsten
Schlag einer Orkklinge abwehren.
Plötzlich fiel sein Blick
auf Legolas, der am Rande des Abgrundes seinen Angreifern auswich und
den Ork in seinem Rücken nicht sah, der einen wurfbereiten Dolch
in seinen Klauen hielt, um ihn auf den Elb zu schleudern.
Noch
in dem Moment, als er die Situation erfasste, stieß Aragorn
seinen nächsten Angreifer zur Seite und stürmte auf den Ork
zu, der schon zum Wurf ausholte. Ohne die Entfernung richtig
einschätzen zu können, sprang Aragorn in die Flugbahn der
Waffe, als sie die Hand ihres Eigentümers verließ.
Die
Wucht, mit der das Messer oberhalb seiner Leiste eindrang riss ihn
herum und er schlug hart auf den Boden, wobei er gefährlich nah
an den Abgrund rutschte. Sofort stürzte sich der Ork auf ihn und
wollte ihn über den Rand stoßen und in einem letzten
Impuls packte Aragorn ihn an seinem Wams und riss ihn mit sich in die
Tiefe...
Als Legolas zu dem Kampflärm herumfuhr, blieb
ihm einen qualvollen, grauenhaften Moment lang das Herz stehen. Er
schrie auf und versuchte, sich zu Aragorn durchzukämpfen, doch
alleine hatte er nun keine Chance mehr.
"Aragorn!",
flüsterte er, als er vorwärts stürmte.
"Aragorn!"
Er sah noch, wie der Freund nach seinem
Gegner griff und dann war er aus seinem Blickfeld verschwunden.
Die Orks stürzten sich auf Legolas, überwältigten ihn und rissen ihn zu Boden. Legolas wehrte sich selbst jetzt noch, denn er wollte den Rand des Abgrunds erreichen und Aragorn zu Hilfe eilen und er schickte eine Bitte an die Valar, dass der Abgrund nicht so tief sein möge. Die Orks schlugen wie wild auf ihn ein und als er auch nach mehreren Tritten nicht aufgab, schlug ihn einer der Gegner mit einem großen Stein bewusstlos. Mit einem Stöhnen sank Legolas in sich zusammen, sie fesselten ihn, dann wurde von einem der Orks geschultert und unter Siegesschreien fortgeschleppt.
