Zehnter Abschnitt

Legolas war irgendwann erschöpft eingeschlafen, nachdem er vergeblich versucht hatte, sich von seiner Fessel zu befreien und darauf gewartet hatte, dass Gandalf sich regte. Doch weder das eine noch das andere war geschehen und immer noch schmerzte seine Seite von dem heftigen Schlag, den Pallando ihm versetzt hatte. Der Kampf mit den Orks war auch nicht spurlos an ihm vorüber gegangen und sein Kopf hatte gedröhnt, sodass er es als Erleichterung empfunden hatte, die Augen zu schließen.

Das Geräusch von nahenden Schritten ließ ihn aus seinem traumlosen Schlaf hochfahren und er blickte sofort zu Gandalf und stellte erfreut fest, dass er nun erwacht war und zu ihm herüber sah. Im nächsten Moment wurden die Türen des Zimmers aufgestoßen und Pallando kam herein. Legolas konnte sofort an dessen Gesicht erkennen, dass er schreckliches im Sinn hatte und wechselte einen raschen, besorgten Blick mit Gandalf.
Mit einem Lächeln auf den Lippen trat Pallando vor den Zauberer und sah ihn lange schweigend an, bevor er das Wort an ihn richtete.
"Nun, alter Mann, hast du dir überlegt, ob du uns freiwillig an deinen Kräften teilhaben lässt, oder weigerst du dich immer noch dagegen? Jetzt, da dein geliebter König Elessar tot ist, besteht ohnehin keine Hoffnung mehr für euch! Niemand wird kommen und euch noch retten und selbst wenn sie versuchen euren Spuren zu folgen, so werden sie zu spät kommen!"
Abwartend sah der Magier in Gandalfs Gesicht, doch dieser zeigte keine Regung. Nur Legolas, der die ganze Zeit über aufmerksam den Blick auf Gandalf gerichtet hatte, konnte sehen, wie viel Anstrengung den Freund die gespielte Gleichgültigkeit bei Aragorns Erwähnung gekostet hatte.
Diese scheinbare Gleichgültigkeit ließ Pallando vor Wut die Farbe ins Gesicht steigen und die nächsten Worte konnten seinen Zorn nicht länger verbergen.
"Du Narr! Wenn du nicht anders willst, dann erwarten dich eben unendliche Qualen, aber es werden keine körperlichen Schmerzen sein, oh nein!"
Pallandos Stimme nahm eine gefährliche Ruhe ein. "Deine Seele wird leiden, denn bis du mir nicht alles verrätst, werde ich deinen Freund hier zu verwöhnen wissen!"

Jetzt konnte Gandalf seine Angst nicht länger verbergen und er suchte Legolas' Blick, der wohl auch begriffen hatte, was Pallando damit bezweckte. Er wollte den Zauberer in die Knie zwingen, indem er ihn dafür leiden ließ, dass er nicht das Gewünschte tat.
Legolas kam auf die Beine und schüttelte den Kopf, um Gandalf zu bedeuten, dass dieser auf keinen Fall nachgeben durfte und sah dann Pallando entgegen, der langsam auf ihn zukam.
Mit regungslosem Gesicht hielt er dessen Blick stand und hob stolz das Kinn.
Pallando blieb dicht vor ihm stehen und musterte den Elben prüfend, dann zog er verächtlich die Mundwinkel nach unten.
"Mal sehen, ob ihr wirklich so widerstandsfähig seid, wie man von eurem Volk behauptet!", zischte er und schlug Legolas ohne Vorwarnung ins Gesicht. Legolas Kopf wurde durch die Wucht zur Seite gerissen und als er ihn wieder hob, konnte Gandalf eine blutende Schramme sehen, die der Ring des Magiers hinterlassen hatte.
Pallando lächelte grimmig und auf sein Zeichen hin, traten einige Orks ein, die allerlei Waffen hereintrugen und einige Ketten. Sofort packten sie Legolas, der keine Chance hatte sich zu wehren und fesselten ihm die Hände. Danach befestigten sie die Kette an den Schlingen und lösten die Fußfessel, dann wurde die Kette durch einen Ring an der Decke gezogen und sie zerrten solange daran, bis der Elb, mit schmerzvoll nach oben gereckten Armen in der Luft hing.
Anfangs versuchte Legolas noch durch Kraft seiner Muskeln, sich hoch zu ziehen, doch bald gab er auf.

Pallando richtete noch einen fragenden Blick auf Gandalf, aber dieser bemühte sich, seine Ruhe zu bewahren und heftete seine Augen auf seinen Freund.
"Du hast es nicht anders gewollt!", flüsterte Pallando und griff nach einer Peitsche, an dessen zahllosen Lederriemen kurze Silberspitzen blinkten.
Bereits als er zum ersten Schlag ausholte, glaubte Gandalf, den Schmerz von Legolas zu fühlen.

Aragorn zuckte zusammen, als er versuchte, sich in die Steigbügel zu stellen, um Brego den Abstieg ins Tal etwas zu erleichtern. Stöhnend sank er zurück in den Sattel und presste sacht seinen Arm an die schmerzende Wunde.
Eowyn sah die Erschöpfung in seinem Gesicht und suchte die Umgebung nach einem geeigneten Unterschlupf ab, wo sie für die hereinbrechende Nacht rasten konnten.
Sie entdeckte, nicht weit entfernt, den Eingang einer Höhle und drehte sich dann wieder zu Aragorn um und zeigte in diese Richtung.
"Komm, für heute haben wir genug geschafft! Lass uns dort rasten und die Pferde versorgen. Außerdem könnte ich etwas zur Stärkung gebrauchen!"
Aragorn nickte und so schlugen sie die Richtung ein, die sie zur Höhle führte.

Aragorn stieg mühsam ab und wollte die Zügel von Brego packen, um ihn zu der Stelle zu führen, an der Eowyn bereits dabei war, ihr Pferd zu versorgen, doch der aufkommende Schwindel zwang ihn dazu, sich am Sattel festzuhalten und er lehnte die Stirn an Bregos Hals. Es dauerte eine Weile, doch schließlich fand er die Kraft und führte Brego neben die Stute und löste den Sattelgurt. Eowyns Hand ließ ihn jedoch in seinen Bemühungen innehalten und sie zog ihn bestimmt von den Tieren fort.
"Du wirst dir jetzt endlich etwas Ruhe gönnen! Wenn ich die Pferde versorgt habe, werde ich ein kleines Feuer machen und unsere Lager richten. Bis ich damit fertig bin, rührst du dich nicht vom Fleck, hast du verstanden?"
Einen Augenblick huschte ein Lächeln über seine müden, viel zu kantigen Gesichtszüge, doch dann ergriff er ihre Hand und sah sie ernst an.
"Danke Eowyn! Ich wüsste nicht, wie ich es ohne dich schaffen sollte!"
Er drückte kurz ihre Hand und lehnte sich dann an die Felswand. Eowyn nickte ihm aufmunternd zu und machte sich dann an die Arbeit.

Einige Zeit später knisterte ein gemütliches Feuer in der Mitte der Höhle und sie wärmten ihre Hände an Bechern mit heißem, dampfendem Tee, den Eowyn gekocht hatte. Nach der Mahlzeit von Brot und Käse fühlten sie sich ausreichend gestärkt und schließlich machten sie es sich so gut es ging bequem. Es dauerte nicht lange, da war Aragorn auch schon völlig erschöpft eingeschlafen und Eowyn beobachtete seinen unruhigen Schlaf.
Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, strich sie ihm eine Strähne seines Haares aus der Stirn und legte ihm eine Hand auf die Brust. Sofort entspannte er sich etwas und eine Weile verharrte sie neben ihm, doch dann überkam auch sie die Müdigkeit und sie rollte sich in ihre Decke ein, um zu schlafen.

Gegen Morgen schreckte Aragorn auf und aus einem Reflex heraus, packte er nach seinem Dolch, der griffbereit neben ihm gelegen hatte. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an das fahle Licht in der Höhle, dass durch den Eingang fiel, aber er konnte nichts Beunruhigendes entdecken und entspannte sich wieder. Er rieb sich die letzte Müdigkeiten mit einer Handbewegung aus den Augen und sah zu Eowyn herüber, die immer noch schlief. Ihre goldenen Haare lagen wie ein glänzender Teppich um ihr hübsches Gesicht, auf dem ein ruhiger, entspannter Ausdruck lag, doch trotzdem blieben ihm nicht die Sorgen verborgen, die ebenfalls in ihr ruhten.
Eine so tapfere Frau wie sie war ihm noch nie begegnet und er musste daran zurückdenken, wie er sie das erste Mal gesehen hatte, auch damals hatte Sorge ihr Gesicht gezeichnet, die sie sich um ihren Onkel gemacht hatte.

Leise stand er auf und schlich zum Eingang der Höhle, um die Landschaft zu beobachten, die sich vor seinen Augen erstreckte. Dieser Anblick ließ ihn immer noch erschaudern, denn obwohl bereits einige Jahre vergangen waren, war dieser Fleck von Mittelerde immer noch vom dunklen Herrscher gezeichnet. Kaum eine Pflanze wuchs in dem kargen Boden und kleine Sumpffelder erstreckten sich überall um graue Felsbrocken. Kein Wunder, dass sich alle zwielichten Gestalten aus Mittelerde hierher zurückzogen, das Land bot zahlreiche Verstecke und Schlupfwinkel und kein ehrliches Wesen setzte je auch nur einen Fuß hinein.
Doch sie hatten es getan, von Sorge und Verzweiflung getrieben und sie hatten Tribut zahlen müssen. Gandalf und Legolas gefangen und der Bund zerfallen, es gab für Aragorn kaum einen schlimmeren Gedanken.

Ein Geräusch veranlasste ihn, sich umzudrehen und er sah, dass Eowyn erwacht war und jetzt auf ihn zukam.
"Wie fühlst du dich? Hat dir der Schlaf ein wenig Linderung verschafft?"
"Der Schlaf und dein Athelas-Tee! Ich habe sehr wohl gemerkt, dass das Kraut darin enthalten war, aber es hat seine Wirkung nicht verfehlt!"
Er musste lächeln, als sie beschämt und ertappt die Augen senkte, doch dann hob sie wieder den Blick und sah ihn fragend an.
"Welchen Weg werden wir einschlagen? Hast du schon etwas entdecken können, was auf eine Vermutung schließen lässt, wohin wir gehen müssen?"
"Jeder Weg birgt Gefahren mit sich, aber ich will mich nach Norden halten. Wenn mich nicht alles täuscht, haben sie sich nach Udûn zurückgezogen. Dort sind noch einige Festungsanlagen erhalten, die genügend Möglichkeiten enthalten, um Gefangene unter zu bringen."
"Dann lass uns rasch aufbrechen! Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl, dass mir sagt, dass Eile Not tut!"
Aragorn nickte zustimmend und sie suchten ihre Sachen zusammen, um sich so schnell wie möglich auf den Weg zu machen.

Sorgenvoll hatte Gandalf den Blick auf Legolas gerichtet, der immer noch völlig regungslos an den Ketten hing, qualvoll die Arme nach oben gereckt. Sein Gewand hing zerrissen herunter und sein Oberkörper war gezeichnet von zahlreichen Striemen, von der Peitsche hinterlassen. Immer noch sickerte aus einigen Wunden das Blut und die Wucht der Schläge hatten Blutergüsse entstehen lassen, die sich dunkel von der blassen Haut des Elben abhoben.
Pallando hatte es sichtliches Vergnügen bereitet Legolas zu foltern und mit jedem neuen Hieb, den er gegen ihn führte, hatte der Wahnsinn in seinem Blick zugenommen. Besessen von der Lust, Schmerz zu bereiten, hatte er erst inne gehalten, als der Elb schließlich das Bewusstsein verloren hatte, vom Schmerz übermannt.
Seitdem war er nicht wieder zu sich gekommen, obwohl bereits Stunden vergangen waren und nur die Bewegung seines Atems, ließ erkennen, dass noch Leben in ihm war.

Gandalf hatte mit Schrecken und verzweifelter Ohnmacht dabei zusehen müssen, wie Legolas litt, doch der Elb hatte seine Gedanken auf den Freund gerichtet und zu Gandalfs Verwunderung hatte er den Freund verstanden, obwohl kein Wort seine Lippen verlassen hatte.
Halte stand und nimm keine Rücksicht auf mich! Es gibt Schlimmeres als den Tod! Kämpfe! Kämpfe für Mittelerde und unsere Freunde!
Es hatte Gandalf fast das Herz zerrissen, aber er hatte Legolas zugenickt und zu den Valar gefleht, dass sie seine Qualen lindern mochten und ihm nicht noch einen Freund rauben mochten.
Unweigerlich erschien Aragorns Bild vor ihm und er dachte voll Kummer an den Freund. Er hatte sich geopfert, um das Leben des Elben zu retten und wofür? Damit Pallando jetzt das zu Ende führte, was seine Orks eigentlich beabsichtigt hatten?
Und das alles nur, um einem alten Mann zu Hilfe zu eilen, der blind in eine Falle gelaufen war, anstatt ihnen beizustehen, schimpfte Gandalf mit sich selber. Was mutete er seinen Gefährten nicht noch alles zu? Reichte es nicht, dass er Frodo und Aragorn schon so oft das Schicksal von Mittelerde aufgebürdet hatte? Eine Last, die sich mit den Giften der dunklen Feinde immer noch mit sich herumtrugen und die sie für immer gezeichnet hatten.
Nun wurde Legolas dazu benutzt, um ihn gefügig zu machen und er konnte es nicht länger ertragen, den Freund so leiden zu sehen. Doch seine Worte hallten immer noch in Gandalfs Kopf und er vergrub verzweifelt sein Gesicht in den Händen.
Was sollte er nur tun?

Alatar war auf dem Weg in die tiefen Verliese der Festung und fluchte leise vor sich hin. Er hasste diesen dunklen, feuchten und stinkenden Ort, der den Orks und ihren fürchterlichen Kreaturen als Unterkunft diente, doch Pallandos Anweisungen waren unmissverständlich gewesen und er wagte es nicht, sich dem zu widersetzen.
Er stieß eine letzte, schwere Türe auf und der Gestank steigerte sich ins unermessliche und die Luft war von Schreien und Wortfetzen erfüllt, die jedoch unmittelbar erstarben, als sie ihn erblickten.
Ein Hauptmann der abscheulichen Horde kam auf ihn zu und verbeugte sich tief.
"Was bringt ihr für Anweisungen, mein Herr und Gebieter?"
"Schickt eure Wargreiter aus. Im Süden des Schattengebirges wartet eine Abwechslung für ihren Speiseplan. Und sorgt dafür, dass diesmal keiner überlebt!"
Fluchtartig verließ Alatar die Verliese, um dem grauenhaften Ort zu verlassen, während der Hauptmann lautstarke Befehle erteilte.

Elfter Abschnitt

Aragorn und Eowyn waren bis zum Mittag geritten, sorgsam darauf bedacht, immer im Schatten der Berge zu bleiben, um unentdeckt ihrer Wege gehen zu können. Eowyns Pflege, der Tee, aber vor allem der Schlaf hatten Aragorn neue Kraft gegeben und trotz des langen Ritts, waren die Schmerzen in seiner Seite gering. Dennoch mussten sie endlich eine Pause einlegen und ihren Pferden eine Rast gönnen. Aragorn saß ab und untersuchte prüfend einige Abdrücke von klobigen Füßen, die sich tief in den feuchten Boden gedrückt hatten.
Er sah Eowyn an und entdeckte ihren fragenden Blick.
"Ungefähr zwanzig Orks! Und einer trägt eine leichte Last, sein Abdruck ist etwas tiefer als die übrigen. Sie haben Legolas also mitgenommen!"
Eowyn konnte die Erleichterung aus seiner Stimme heraus hören und sie schenkte ihm ein freudiges Lächeln. Aragorn erwiderte es nur zu gerne und wollte sich gerade wieder erheben, als er zögerlich inne hielt. Er legte eine Hand flach auf das Erdreich und das Lächeln verschwand umgehend aus seinem Gesicht, abgelöst von Sorgenfalten, als er die Brauen zusammenzog.
Ein Dröhnen erschütterte die Erde und pflanzte sich auf seinen Arm hin fort, der leicht zu zittern begann. Hastig stand Aragorn auf und kniff die Augen zusammen, um bei der blendenden Sonne besser sehen zu können, den Blick unverwandt nach Süden gerichtet. Eowyn versuchte seinem Blick zu folgen, doch sie konnte nichts ungewöhnliches entdecken.

Erst konnte auch Aragorn nichts ausmachen, aber dann weiteten sich seine Augen vor Entsetzen und Panik ergriff ihn.
"Warge! Komm rasch!", herrschte er Eowyn an, packte sie an der Hand und versuchte im Laufen einen Unterschlupf ausfindig zu machen, der ihnen vor der drohenden Gefahr Schutz bieten könnte.
Die Pferde witterten ebenfalls die kommende Bedrohung und nachdem Aragorn seinen Bogen von seinem Sattel gelöst hatte, trieb er die beiden Tiere mit einem Schlag auf die Flanken weg. Sie mussten sich selber einen Weg zur Flucht suchen.
Aragorn folgte Eowyn, die bereits ein ganzes Stück den Berg herauf geklettert war, auf eine schmale Felsspalte zu, aber plötzlich rutschte sie aus und mit einem kurzen Aufschrei glitt sie in den Abgrund, und nur Aragorns schnelles Handeln rettete sie. Er packte sie am Arm und half ihr, in Sicherheit zu kriechen. Er warf einen schnellen Blick über seine Schulter zurück und sah, dass die Warge mit ihren Reitern bereits in wenigen Minuten bei ihnen sein würden.
Er machte zehn der riesigen Wölfe aus und prüfte seine Pfeile. Sieben! Selbst wenn jeder sein Ziel todbringend traf, würden sie sich drei der Bestien gegenüber sehen.

Eowyn war bereits an der Spalte angelangt und quetschte sich hindurch, eine Anstrengung, die ihm zeigte, dass er es niemals schaffen würde. Der Durchlass war einfach zu schmal für ihn.
Er erreichte den Vorsprung und drehte sich um, wobei er gleichzeitig seinen Bogen spannte und den ersten Warg ins Visier nahm. Sicher traf er sein Ziel und der Wolf fiel mit seinem Reiter in die Tiefe. Schwirrend verließen auch die übrigen Pfeile seinen Bogen, bis seine Hand keinen weiteren in seinem Köcher fand. Er ließ ihn ungeachtet zu Boden fallen und zog Anduril, um sich den Angreifern in den Weg zu stellen.
Eowyn kehrte an seine Seite zurück, ebenfalls mir gezogener Waffe und noch bevor er sie zu dem Spalt zurückdrängen konnte, war der Feind bei ihnen angelangt.
Den Fels sicher im Rücken, brach der Kampf mit aller Heftigkeit los und ihre Waffen trafen klirrend aufeinander. Bald perlte ihnen der Schweiß von der Stirn, als sie sich bemühten den Angriffen der Orks stand zu halten, aber auch den Klauen und Reißzähnen der Warge zu entkommen. Ein heller Aufschrei zeigte Aragorn, dass Eowyn getroffen worden war und er fuhr zu ihr herum. Eine Klinge hatte an ihrem Schwertarm einen tiefen Schnitt hinterlassen und jede ihrer Bewegungen bereitete ihr Schmerzen.
Seine Wut über ihre Verletzung, verlieh ihm neue Kraft und Anduril fuhr auf die Feinde nieder und brachte zwei weiteren den Tod. Der Kampf war beinahe ausgeglichen, denn nur noch zwei Warge mit Reiter waren übrig geblieben und Eowyn drängte den einen geschickt zurück, sodass der Warg mit den Hinterläufen den Halt verlor. Als das Tier nach vorne sprang, warf es den Ork von seinem Rücken, der mit einem Schrei den Abhang hinab stürzte.

Aragorn konnte den letzten Warg samt Reiter niederstrecken und fuhr zu Eowyn herum, die sich den kraftlosen Arm hielt. Bei ihrem letzten Hieb war ihr das Schwert aus der Hand gefallen und sie sah sich nun wehrlos dem Wolf gegenüber, der um sie herumschlich, die Entfernung abschätzte, zum Sprung bereit. Aragorn zögerte nicht lange, er schleuderte seinen Dolch auf den Hals der Bestie, verfehlte ihn jedoch und die Waffe bohrte sich in die Schulter. Der Warg riss den Kopf herum und fand den Verursacher seiner Verletzung. Er ließ von Eowyn ab und noch bevor einer der beiden reagieren konnte, sprang er mit einem riesigen Satz auf Aragorn zu.

Aragorn wurde von den Füßen gerissen und der Aufprall raubte ihm den Atem. Im Nu war sein Angreifer über ihm, wild knurrend und ihn erbarmungslos zu Boden drückend. Felsbrocken gruben sich in seinen Rücken und er versuchte sich hin und her zu winden, um sich zu befreien. Die Klauen schlossen sich in festem Griff um seine Glieder und tief gruben sich die Krallen in sein Bein und der Schmerz lähmte ihn regelrecht.
Er versuchte Anduril zu heben, doch mit einem Hieb seiner gewaltigen Tatze schlug der Warg es ihm aus der Hand und hinterließ eine Risswunde entlang seines Unterarms. Ein Furcht einflößendes Knurren entrann seiner Kehle und er fletschte die Zähne. Gerade als er sein Maul aufriss, um Aragorn den tödlichen Biss zu geben, warf er den Kopf in den Nacken und jaulte ein letztes Mal auf, bevor er schwer auf Aragorn niedersank.

Keuchend taumelte Eowyn, Anduril noch immer mit beiden Händen haltend und sie sah erschöpft und erleichtert, dass die Bestie tot war. Sofort ließ sie das Schwert fallen und rannte zu Aragorn, der sich mühsam von seiner Last befreite und mit ihrer Hilfe rollte er den Warg von seinen Beinen.
Aragorn stöhnte schmerzvoll auf, als er versuchte aufzustehen und Eowyn wollte ihm helfen.
"Nein, lass nur", sagte er und winkte sie fort. "Es wird schon gehen!"
Er kam zum Stehen, aber Eowyn sah, welch große Anstrengungen es ihn kostete, dann ergriff er ihre Hand und nach einem schnellen Blick hinunter und über das Land, eilte er hinkend zu ihren Sachen. Sie fühlte, dass seine Muskeln vor Anstrengung steinhart waren und er sich nur mit Mühe aufrecht hielt. Sie selbst war völlig erschöpft und ihr Arm schmerzte fürchterlich, doch sie wusste, dass sie auf keinen Fall hier bleiben durften.
Aragorn hob sein Schwert auf und sah sich noch einmal um, um sich zu orientieren und schlug dann den Pfad ein, der sie etwas höher auf das Gebirge führen würde. Hierher konnten Warge nur schwer gelangen, denn der Grat war zu schmal, außerdem konnte man nur hintereinander gehen, was ihnen erleichterte einen weiteren Angriff leichter abzuwehren.

Bei jedem Schritt schoss ein stechender Schmerz durch sein Bein, doch Aragorn wagte nicht anzuhalten und wertvolle Zeit zu vergeuden. Er war sich sicher, dass sie wiederkommen würden und dann wollte er so weit wie möglich von diesem Ort entfernt sein. Doch irgendwie fühlte er auch, dass es ein aussichtsloser Versuch war, denn ihre Feinde schienen genau gewusst zu haben, wo sie nach ihnen suchen mussten.
Eine schreckliche Gewissheit überkam ihn und er blieb abrupt stehen und rieb sich den Nacken.
"Saurons Palantir! Natürlich! Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hätte es bereits wissen müssen, als ich meinen Stein hielt und mich die Macht in ihren Bann zog. Gandalf muss etwas geahnt haben, deshalb ist er auch nach Mordor aufgebrochen!"
Er sah Eowyn an und wusste nun, dass es aussichtslos war, noch weiter zu fliehen. Egal wohin sie gingen, man würde sie entdecken!

Frodo war die Erleichterung anzusehen, als sie endlich die Dichte des Waldes durchbrachen und sich vor ihnen das Reich der Waldelben erstreckte.
Hier standen die Bäume nicht so dicht gedrängt, doch sie waren üppig und von einen intensiveren Grün. Hoch in ihren Wipfeln konnte man die Behausungen der Elben ausmachen, die geschickt und ohne die Rinden und Zweige zu beschädigen, in die Kronen gebaut waren. Frodo fragte sich immer wieder, wie sie diese Meisterleistung wohl vollbracht hatten, doch als er Legolas einmal danach gefragt hatte, hatte er nur gelächelt und ihm kein Wort verraten.
Auf dem Waldboden, zwischen Efeu und Farn, waren kleine Feuer entzündet, um die einige Elben saßen und ihren Tätigkeiten nachgingen. Es wurden Speisen zubereitet, aber einige waren auch damit beschäftigt, Pfeile zu fertigen und die Klingen der Schwerter und Dolche zu schärfen.
Frodo überkam bei diesem Anblick ein ungutes Gefühl und wechselte einen vielsagenden Blick mit Arwen. Es sah fast so aus, als rüstete sich Thranduils Volk für einen Angriff, aber gegen wen?

Ihre Befürchtungen wurden bereits wenige Minuten später bestätigt, als der König der Elben, Legolas' Vater, ihnen entgegentrat, um sie zu begrüßen. Sein sonst so würdevolles und gütiges Gesicht war gezeichnet von Sorge und bitterer Entschlossenheit und Frodo konnte es kaum abwarten, bis sie endlich die formelle Begrüßung beendet hatten.
Thranduil unterzog sie alle mit einem prüfenden Blick und als Arwen ihm den Grund für ihr Kommen erzählt hatte, seufzte er und sah sie wehmütig an.
"Dann ist es also wahr! Ich hatte gehofft, ihr würdet meine Befürchtungen zerstreuen, als mit meine Kundschafter von eurem Erscheinen berichteten."
Thranduil machte eine Pause und schien nach den richtigen Worten zu suchen, als er den Kopf hob und zu sprechen begann, konnten sich alle nur noch mit Mühe zusammennehmen.

"Gestern kam eine Horde Orks an den Rand von Düsterwald und überbrachte eine Nachricht, die nur für mich bestimmt war. Sie war von zwei Zauberern namens Pallando und Alatar, die mir mitteilten, dass sie Legolas in ihrer Gewalt hätten und ich sein Leben nur retten könnte, wenn sich mein Volk ihnen unterwerfen würde. Ansonsten würden sie uns angreifen und dieses Reich mit Gewalt an sich reißen!"
Arwen blickte den Elbenkönig völlig bestürzt an und ihre Stimme zitterte bei ihren Worten.
"Aber Legolas war doch mit Aragorn unterwegs! Haben sie etwas über ihn geschrieben? Sind sie beide in ihrer Gewalt?"
Thranduil schwieg einen Moment, der ihnen wie Stunden vor kam, doch endlich begann er leise zu sprechen.
"Sie schrieben, dass ich erst gar keine Hilfe aus Gondor anfordern bräuchte! König Elessar könne mir nicht mehr helfen...! Er..., er..."
"Was? Was ist mit ihm? Nun sagt es uns schon!" Sam war erzürnt auf den Elben zugegangen und sah den König herausfordernd an.
Thranduil schluckte und suchte Arwens Blick.
"Er ist... in den Abgrund gestürzt. Er ist tot..."
"Nein!" Frodo wurde von seiner Trauer übermannt und sprang auf die Füße, packte Thranduil und schüttelte ihn, der ohne sich zu wehren vor ihm im Gras saß.
"Das ist nicht wahr! Ihr lügt, und diese Zauberer ebenfalls!" Tränen verschleierten Frodos Blick und Arwen gelang es nur mühsam, seine Hände von den Schultern des Königs zu lösen. Sie zog ihn in ihre Arme und er fühlte, wie ihre Tränen auf seine Stirn perlten.
Auch die übrigen Gefährten waren ungläubig in sich zusammengesunken, unfähig, auch nur noch eine Regung zu zeigen. Selbst Faramir schluckte schwer, doch dann fing er sich wieder und richtete sich an Eomer. Was er jedoch im Gesicht des Freundes erblickte, ließ ihn erstarren.
Er zeigte nicht die kleinste Regung von Trauer, sondern hatte seine Lippen zu einem freudigen Lächeln verzogen und in seinen Augen stand eisige Kälte, die Faramir frösteln ließ.

In diesem Moment zweifelte er das erste Mal an seinem Vorwurf gegenüber Aragorn, denn sein Verlust schmerzte ihn zutiefst und er dachte an die vielen gemeinsamen Stunden zurück, die sie zusammen erlebt hatten.
Aragorn war es auch gewesen, der ihm geheilt hatte und ihm somit einen qualvollen Tod erspart hatte und dank ihm war auch Eowyn geheilt worden. Durch ihn war es ihm vergönnt gewesen, sie kennen und lieben zu lernen und er begriff nun, dass sie Aragorn nur verteidigt hatte, weil sie ebenfalls diese Dankbarkeit für ihn empfand. Auch Liebe, aber die für einen Freund, dem sie ihr Leben verdankte. Wie hatte Faramir nur jemals an Aragorn zweifeln können? Wie oft hatte er sein Bedauern über Boromirs Tod geäußert und sich von Faramir erzählen lassen, wie er als Bruder gewesen war! Das war echtes Interesse gewesen und keine Fragen aus Pflichtgefühl.
Plötzlich wurde Faramir bewusst, wen er verloren hatte und in seinem Inneren schien eine Mauer einzustürzen, die alle seine Gefühle wie eine Welle über ihm zusammenbrechen ließ.
Er sank auf die Knie und vergrub sein Gesicht in den Händen. Niemand bemerkte, wie Eomer sich von der Gruppe entfernte und zwischen den Bäumen in Richtung Mordor verschwand.

Wie sie in ihre Unterkünfte gelangt waren, konnten sie nicht mehr sagen. Stumm saßen die Freunde zusammen, darum bemüht, ihre Fassung wieder zu erlangen.
Arwen war zu Thranduil gebracht worden, wo er sie so gut es ging versorgt hatte und schließlich war sie in tiefen Schlaf gesunken.
Faramir ging als einziger unruhig in dem Gewölbe aus Blättern und Ästen hin und her, seine Gedanken um Eowyn kreisend. Wo steckte sie nur? War sie auch gefangen genommen worden? Hatte sie die beiden Freunde überhaupt schon erreicht, als sie überfallen wurden?
Er wurde fast wahnsinnig vor Sorge um sie und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, sich gedankenlos auf die Suche zu machen.

Frodo ließ seinen tränenverschleierten Blick über die Freunde schweifen und trotz seiner Trauer konnte er erkennen, dass sich eine Veränderung bei ihnen vollzogen hatte. Merry und Pippin hatten sich wieder vertragen, Gimli sorgte sich um Legolas und Faramir stand eine ehrliche Trauer, aber auch Schuldgefühl im Gesicht, das ihn wohl immer begleiten würde, denn er konnte Aragorn nun nicht mehr um Verzeihung bitten.
Aragorns Tod hatte den Bann gebrochen, der von den Zauberern auf sie gelegt worden war, doch es war einfach zu spät und der Preis, den sie hatten zahlen müssen, war viel zu hoch gewesen.

Aragorn, dachte Frodo bestürzt. Er würde den Freund nie wieder sehen! Der Schock saß so tief, dass ihn selbst das Luftholen schmerzte. Seine Augen brannten, doch er hatte keine Träne mehr in seinem Inneren, um sie zu befeuchten und so schloss er die Augen, um sich Linderung zu verschaffen. Irgendwann überkam ihn die Müdigkeit und er glitt in einen unruhigen Schlaf.