Vierzehnter Abschnitt
Frodo hastete über die scharfen, kantigen Klippen und Geröllhaufen auf die Festung zu und konnte gerade noch einen Blick auf die Gruppe erhaschen, die zu Pferde durch das große, eiserne Tor ritt. Vor einem der Uruk-hai saß eine Frau, deren langes, blondes Haar kurz vom Wind erfasst wurde und um ihr Gesicht wehte. Eowyn! Der Griff des Kriegers hielt sie erbarmungslos gefangen, wobei er sie fast zerquetschte und sie gab schließlich auf.
Was Frodo bei einem weiteren Reiter entdeckte, ließ ihn mitten in seinem Lauf verharren, denn ein lebloser Körper hing vor ihm über das Pferd, dessen Hände und Beine gefesselt waren. Hoffnung durchflutete ihn, die durch das Aufblitzen eines Rings, am Finger der linken Hand des Bewusstlosen, noch verstärkt wurde. Aragorn, flüsterte er zu sich selbst und er wiederholte den Namen wieder und wieder, bis er ihn lautstark über die Berge hinweg schrie...!
"Herr Frodo! Herr Frodo! Wach auf! Du hast geträumt!" Sam rüttelte ihn unsanft aus dem Schlaf und in seinem Gesicht stand Furcht und Sorge. Frodo brauchte einen Moment, um seine Benommenheit abzuschütteln, doch die Bilder seines Traums blieben beharrlich in seinem Kopf.
Er fasste sich an die Stirn und blickte den Freund hilfesuchend an, als ob er ihm eine Erklärung geben könnte.
"Du hattest einen Alptraum, Herr Frodo! Du musst wohl von Streicher geträumt haben, denn du hast wieder und wieder seinen Namen gerufen und uns alle geweckt!"
Erst jetzt bemerkte Frodo auch die anderen Hobbits, Gimli und Faramir, die besorgt an seinem Lager standen. Er wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, doch im letzten Augenblick überlegte er es sich anders und schüttelte nur den Kopf.
"Es ist vorbei, Sam! Danke, dass du mich geweckt hast! Ihr könnt wieder schlafen gehen!"
Die Freunde warfen ihm noch einen fragenden Blick zu, aber nachdem Frodo ihnen noch einmal versicherte, dass es ihm gut ging, machten sie sich daran, wieder in ihre Betten zu klettern. Sam wollte ebenfalls aufstehen, aber Frodo hielt ihn zurück und warf noch einen prüfenden Blick auf die anderen, bevor er sicher war, dass sie niemand mehr hören konnte. Trotzdem flüsterte er, als er dann das Wort an Sam richtete.
"Ich habe wieder etwas in meinen Träumen gesehen, Sam! Ich glaube, Aragorn ist nicht tot! Er und Eowyn wurden gefangen, genau wie Gandalf und Legolas!"
Hastig erzählte er von seinem Traum und mit jedem Wort hellte sich die Miene des Freundes auf und er konnte kaum noch still sitzen.
"Aber warum hast du das denn nicht gleich erzählt, Herr Frodo! Lass uns das gleich den anderen erzählen! Sie werden sich darüber genau so freuen wie wir. Vor allem Arwen! Komm!"
"Nein, Sam! Warte! Ich kann das nicht mit Bestimmtheit sagen! Vielleicht habe ich auch nur geträumt, was ich mir so von Herzen wünsche! Ich möchte auf keinen Fall falsche Hoffnungen wecken, nicht bevor ich sicher bin! Außerdem...
Ich habe noch nicht vergessen, was Faramir zu Aragorn gesagt hat! Ich glaube ihm zwar seine Trauer, aber Vorsicht ist trotzdem geboten! Wenn Aragorn noch lebt, will ich nicht die Schuld daran tragen, dass er verraten wird!"
Sam wollte etwas darauf erwidern, aber dann schloss er den Mund wieder und dachte kurz über Frodos Worte nach.
"Was willst du dann tun?" fragte er und fürchtete doch, die Antwort schon zu kennen, was sich auch im nächsten Moment als richtig erwies.
"Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich möchte dich bitten, mich nach Mordor zu begleiten! Ich muss herausfinden, ob es wahr ist, was ich geträumt habe, aber dafür benötige ich deine Hilfe!"
Sam lief ein Schauer über seinen Körper und er begann umgehend vor Furcht zu zittern. Mordor! Er hatte sich geschworen, nie wieder einen Fuß über dessen Grenzen zu setzen oder auch nur über den Fluss, der das Land von Gondor trennte. Alleine der Anblick des Schattengebirges reichte aus, um ihm die Landschaft wieder mit all ihren Erinnerungen vor Augen zu führen. Vor allen die Angst, die er um Frodo gehabt hatte, mehr noch als um sein eigenes Leben. Und jetzt wünschte sein Herr, dass er einfach wieder an den Ort zurückkehrte, an den Ort der Qualen, Ängste, Trostlosigkeit und ihres vermeintlichen Todes? Nein! Das konnte er nicht über sich bringen!
Aber gerade, als er Frodo zur Vernunft bringen wollte, tauchte das Gesicht von Streicher vor ihm auf. Er hatte sie furchtlos vor den Ringgeistern gerettet, ihnen bei vielen Gefahren beigestanden und, und das war das Wichtigste, er hatte Frodo das Leben gerettet! Und jetzt brauchten er und die anderen ihre Hilfe.
Frodo sah, wie die Gefühle in Sams Gesicht miteinander kämpften und er konnte sich gut vorstellen, was für Gedanken jetzt in ihm kämpften. Er würde verstehen, wenn der Freund es nicht über sich bringen könnte, ihn zu begleiten. Ihm selbst jagte es eine Heidenangst ein, wenn er an das Land dachte und doch hatte er seinen Entschluss gefällt.
Plötzlich ergriff Sam seine Hand und sah ihn unverwandt an.
"Ich lasse dich nicht allein! Ich habe es einmal Gandalf versprochen und an diesem Versprechen halte ich fest! Wann brechen wir auf?"
Erleichterung durchflutete Frodo und er lächelte Sam dankbar an.
"So schnell wie möglich!"
Legolas schaffte es kaum, die Lider seiner Augen zu heben. Er war selbst zu schwach, seinen Körper zu fühlen, was in seinem Zustand als Erleichterung aufzufassen war, ihm aber auch Unruhe bereitete. Er zwang sich, die aufsteigende Panik zu unterdrücken und eine vertraute Stimme, drang zu ihm, die ihn umgehend beruhigte.
"Bleibe liegen, Legolas! Es ist alles gut! Es wird dir bestimmt bald besser gehen!"
Langsam kehrte sein Gefühl mit einem
Kribbeln in seine Glieder zurück und leider auch der Schmerz,
doch er schaffte es, sich langsam hinzusetzen.
Gandalf lächelte
ihm so aufmunternd zu, wie er es eben vermochte, selber unendlich
erleichtert, dass der Freund wieder zu sich gekommen war, aber er
konnte nur zu gut sehen, welche Qualen er litt und hoffte, dass bald
Rettung nahte. Doch er wusste auch, dass es nicht leicht werden würde
die Magier zu besiegen, deshalb hing viel davon ab, ob es ihm
gelingen würde, seinen Stab wieder zu erlangen. Seine ganze
Kraft und Anstrengungen hatte er auf dieses Ziel gerichtet und er
ging jetzt schon bis an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Der
Lichtkegel war von einer seltsamen Macht erfüllt, die es ihm nur
unter der größten Mühe ermöglichte, seine Kräfte
einzusetzen und nur weniger als die Hälfte davon trafen ihr Ziel
und richteten nicht viel aus. Und wie er den Stab denn letztendlich
durch das Licht erreichen sollte, darüber war sich Gandalf
ebenfalls nicht im Klaren. Er konnte nur hoffen.
Legolas hatte
den Blick unverwandt auf Gandalf und den Stab gerichtet und sah, wie
er sich dem Freund Millimeter um Millimeter näherte. Er sah aber
auch, dass es Gandalf viel Kraft kostete und er überlegte, wie
er ihn unterstützen konnte und schließlich kam ihm ein
Gedanke. Erst ganz leise, dann aber immer kräftiger, begann er
elbische Worte zu sprechen, alte Heilformeln aus Lórien. Die
Worte erklangen bald wie von selbst, harmonisch und volltönend
und wurden getragen von einer sanften Melodie, die bis zu Gandalf
drang und er konnte förmlich spüren, wie sie in ihn mit
neuer Kraft füllten und seine Hoffnung steigerten.
Er musste
es schaffen und er würde es auch!
Eowyn hatte lange gegen die Verzweiflung angekämpft, aber nachdem sie gesehen hatte, dass die Uruk-hai mit Aragorn über ihrer Schulter zu ihrer Gruppe gestoßen waren, hatte sich auch ihre letzte Hoffnung zerschlagen. Sie versuchte einen Blick auf Aragorn zu erhaschen, aber ihr Bewacher hielt sie so fest gepackt, dass sie nicht die Möglichkeit hatte, sich so weit herumzudrehen. Das, was sie jedoch erkennen konnte, beunruhigte sie jedoch zutiefst. Ein kleines Rinnsal Blut lief an seinem Bein entlang und färbte seine Hose, wobei hin und wieder kleine Tropfen auf die Erde fielen und er hing absolut bewegungslos über den Rücken des Pferdes.
Als sie die Festung erreichten, wurde sie vom Sattel
gezerrt und einer der Krieger bohrte ihr fast seine Finger in den
Arm, um sie so fest wie möglich zu halten. Sie konnte sehen, wie
sie Aragorn vom Pferd zogen ihn einfach auf die Erde fallen ließen
und der Hauptmann trat ihm brutal in die Rippen, nur um zu prüfen,
ob er wieder zu Bewusstsein kam. Doch nicht die kleinste Regung
zeigte sich und Eowyn wurde von Panik ergriffen. Sie versuchte sich
loszureißen, um zu ihm zu laufen, aber der Griff des Uruk-hais
hielt sie unbarmherzlich umschlossen.
Eomer trat in ihr Blickfeld
und voller Wut und Zorn schrie sie ihn an, um wenigstens ihre
Hilflosigkeit zu vertreiben.
"Eomer! Wie kannst du nur
tatenlos dabei zusehen, wie sie Aragorn zu Tode quälen! Tu
endlich etwas, um diese Teufel davon abzuhalten! Hilf uns doch!
Bitte! Er ist dein Freund und braucht dich jetzt!"
Die
einzige Reaktion von ihrem Bruder war ein abfälliger Blick in
ihre Richtung, bevor er Anweisungen an die herannahenden Orks
erteilte. Eowyn konnte nicht verstehen, was er sagte, aber dann kam
eine Gruppe auf sie zu und nach einem kurzen Wortwechsel, von dem sie
wieder kein Wort verstand, da sie sich eher wie knurrende Laute
anhörten, wurde sie auf das Hauptgebäude zu geschleift,
begleitet von den krächzend lachenden Orks.
"Eomer!
Eomer!", sie schrie und wand sich hin und her, stemmte die Füße
mit ihrer ganzen Kraft in die Erde, aber es nutzte alles nichts.
Immer weiter entfernten sie sich von ihrem Bruder und Aragorn, der
noch reglos auf dem kalten Boden lag und sein Anblick war das Letzte,
was sie sah, als die großen, schwere Eichentüre hinter ihr
geschlossen wurde.
Eomer blickte auf den Mann nieder, der vor
ihm lag und musterte dessen Gesicht, das ihm auf einmal, nur für
den Bruchteil einer Sekunde, seltsam vertraut vorkam. Doch noch bevor
er weiter darüber nachdenken konnte, erklang eine machterfüllte
Stimme hinter ihm und er fuhr herum. Alatar trat an Aragorn heran und
warf einen prüfenden Blick auf ihn, dann wandte er sich an
Eomer.
"Ausgezeichnet! Gleich zwei unserer Feinde bringst du
uns! Pallando und ich sind dir sehr dankbar, du hast uns großen
Nutzen erwiesen! Geh, und schaffe den Mann in das obere Turmzimmer,
danach komme zu uns, du sollst eine ganz besondere Belohnung
erhalten!"
"Sehr wohl, mein Gebieter!"
Bei
seinen Worten verbeugte er sich tief und wartete, bis der Magier den
Hof verlassen hatte. Er erteilte den Orks weitere Befehle und sie
packten den leblosen Körper und schleppten ihn weg.
Pallando
hatte das ganze Geschehen vom Fenster aus verfolgt und als Alatar
jetzt hinter ihn trat, drehte er sich mit einem zynischen Lächeln
zu ihm um.
"Alles läuft nach Plan mein Freund! Herr
Eomer steht nun völlig unter unserem Bann und erkennt seine
eigene Schwester schon nicht mehr! Wir haben den Zauberer und den
Prinzen der Elben! Das bedeutet, dass uns das Elbenreich und Rohan
schon sicher sind, Herr Faramir, der als Truchsess die Befehlsgewalt
über Gondor hat, wird wohl auch nichts tun, was das Leben seiner
Frau gefährden wird und jetzt da wir den König von Gondor
haben…..!"
Er sprach den Satz nicht zu Ende, denn Alatar
wusste auch so, dass sie damit ihren größten Trumpf
besaßen. Selbst wenn sie sich ihnen jetzt noch widersetzten,
konnten sie durch ihn alles erreichen, denn wenn ihr todgeglaubter
König doch noch am Leben war, würden sie alles tun, um ihn
zu befreien, dessen war sich Pallando sicher!
Frodo
und Sam hatten Düsterwald noch in der Nacht heimlich verlassen
und inzwischen schon ein beträchtliches Stück ihres Weges
hinter sich gebracht, aber sie hatten noch etliche Meilen vor
sich.
Frodo wurde erstmals von Zweifel gepackt, ob ihr Plan sich
auch durchführen ließ und ob sie nicht doch besser eine
Nachricht hinterlassen hätten, aber dafür war es jetzt zu
spät und umkehren würde er nicht. Je weiter sie ritten,
desto sicherer wurde er nämlich auch, dass sein Traum ein
Zeichen gewesen war und die Freunde dringend ihre Hilfe benötigten
und diese Erkenntnis trieb ihn zu noch mehr Eile. Frodo hatte im
Traum deutlich erkannt, dass sowohl Eowyn als auch Aragorn verletzt
waren und er schimpfte sich selber einen Narren, dass sie sich von
ihrer Trauer hatten abhalten lassen, sofort etwas zu unternehmen.
Jetzt war wertvolle Zeit verloren, die vielleicht über das
Gelingen oder Scheitern ihres Vorhabens entscheiden würde und
vielleicht auch über Leben und Tod! Zwei Magier, die zu allem
bereit waren, sollten sie nicht unterschätzen und ihre Stärke
musste beträchtlich sein, wenn es ihnen gelungen war, Gandalf
und Aragorn zu überwältigen!
Wenn er an ihre
Zauberkräfte dachte, wurde ihm ganz flau im Magen und er
murmelte einen erzürnten Fluch, der ihn aber keinesfalls von
seiner Angst ablenkte.
"Hast du etwas gesagt, Herr
Frodo?"
Frodo schreckte aus seinen Gedanken hoch und sah Sam
an, der sich zu ihm umgedreht hatte.
"Nein, nein, Sam. Ich
habe nur laut nachgedacht!"
"Ja, ich denke auch ständig
an unsere Freunde, aber vor allem an Streicher! Ich wünsche mir
so, dass du Recht hast und er noch lebt! Ich kann mir Gondor nicht
mehr ohne ihn vorstellen!"
Frodo musste lächeln, denn er
wunderte sich schon sehr darüber, wie gut Sam ihn kannte und er
genau gewusst hatte, dass er an die Freunde gedacht hatte.
"Ach,
Sam! Ich wünsche mir selbst nichts sehnlicher!"
Er
seufzte tief und die Hobbits verfielen wieder in Schweigen, doch
beide waren von neuer Entschlossenheit erfüllt.
Fünfzehnter Abschnitt
Eowyn erblickte
Gandalf, noch bevor sich die Türe ganz geöffnet hatte und
ein Schauder überlief sie bei seinem Anblick. Es sah
beängstigend aus, wie er dort in dem Lichtkegel schwebte,
erbarmungslos aufrecht gehalten durch eine unsichtbare Kraft. Er
wirkte völlig erschöpft und ausgemergelt und um Jahre
gealtert, seine Haut von einer erschreckenden Blässe überzogen,
die Augen geschlossen, doch sie sah auch Konzentration und Anspannung
an ihm.
Als Legolas in ihr Blickfeld geriet, keuchte sie
erschrocken auf und diesmal konnte sie sich aus dem griff des
Uruk-hai befreien und war mit wenigen Schritten bei ihm.
"Bei
den Valar!", murmelte sie, als sie mit den Fingerspitzen sacht
über das geschundene Gesicht des Elben strich und Tränen
traten ihr in die Augen.
Ein Ork packte sie am Knöchel
und fesselte sie neben Legolas an die Wand und dann verließ die
Horde lautstark den Raum.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder
Legolas zu und flüsterte seinen Namen, als sie dabei eine Hand
auf seine Brust legte.
Es dauerte nicht lange, da schlug er die
Augen auf und war umgehend hellwach, als er Eowyn erblickte. Mit
ihrer Hilfe richtete er sich auf und sie nahm jede Verletzung an ihm
wahr, was ihr erneut die Zornesröte auf die Wangen
trieb.
"Eowyn! Wie kommst du denn hierher? Sind die anderen
auch gefangen worden? Du bist ja verletzt!"
"Das? Ach,
das ist nichts! Aber dich haben sie ja ganz schön zugerichtet!
Wer sind die überhaupt? Und was wollen sie von uns?"
Kurz
und knapp berichtete Legolas was geschehen war und sah sie dann aber
bedrückt an und hielt inne. Wie sollte er ihr nur sagen, dass
Aragorn nicht mehr lebte? Das er für ihn sein Leben geopfert
hatte und nun am Grund einer Schlucht lag, wo eigentlich sein Körper
liegen sollte!
Sie schien zu merken, dass er ihr noch etwas
Wichtiges verschwieg, wartete jedoch geduldig ab, bis er endlich die
Kraft fand, ihr die Wahrheit zu sagen.
"Eowyn…., es ist
etwas geschehen, als wir nach Gandalf gesucht haben. Aragorn.., er
ist, … er ist tot!"
Sie nahm diese Nachricht
unglaublich gefasst auf und holte dann tief Luft, doch als sie zu
sprechen begann, lag Ruhe und Zuversicht in ihrer Stimme und sie
lächelte.
"Nein, Legolas! Er lebt,…noch! Ich habe ihn
gefunden! Er ist zwar verletzt, aber noch lebt er. Die Orks haben ihn
ebenfalls hierher gebracht, aber uns dann getrennt. Ich weiß
nicht, was sie mit ihm vorhaben, aber bestimmt nichts Gutes!"
Ihre
Worte hatten eine Vielzahl an Gefühlen in Legolas
heraufbeschworen, angeführt von Freude, Erleichterung und
Hoffnung, aber jetzt auch wieder Angst, Sorge und Zweifel.
"Aber
ich habe doch mit eigenen Augen gesehen, wie er in den Abgrund
gestürzt ist! Wie…? Ist er schwer verwundet?"
Eowyn
erzählte ihm rasch, wie es um Aragorn stand und auch, das sie
von Wargen angegriffen worden waren, dabei versuchte sie aber ihre
eigene Besorgnis zu unterdrücken, vor allem, nachdem sie Aragorn
im Hof gesehen hatte. Um sich und Legolas abzulenken, ließ sie
sich berichten, was mit ihm geschehen war und kramte dann in ihrem
Bündel, dass sie immer noch bei sich trug, um seine Wunden
notdürftig mit Athelas-Salbe zu versorgen.
Noch während
sie sich um ihn kümmerte, fragte sie Legolas nach Gandalf und
nach den Magiern und was sie über diese erfahren hatten. Der Elb
berichtete alles, was er wusste und konnte ihre Sorge um Gandalf
beschwichtigen und als ob der Zauberer es gehört hatte, erwachte
er und bald hatten sie alle Neuigkeiten mit ihm ausgetauscht.
Gandalf
war nicht minder erfreut über die Nachricht, dass Aragorn noch
lebte, aber er hatte ebenso wie Eowyn kein gutes Gefühl dabei,
dass sie ihn nicht mit ihnen eingesperrt hatten. Sie stellte
verschiedene Überlegungen an, doch sie fanden keine Erklärung,
die ihre Sorgen auch nur ein wenig verringert hätte und so
schwiegen sie bald.
Nach einer Weile richtete Gandalf jedoch
noch einmal das Wort an Eowyn.
"Dich scheint aber noch etwas
zu beschäftigen, was du uns bis jetzt noch nicht erzählt
hast! Es belastet dich sehr! Vielleicht verschafft es dir etwas
Linderung, wenn du es uns mitteilst!"
Er hatte seine Augen
auf sie gerichtet und sein Gesichtsausdruck war sanft und mitfühlend,
fast wie der ihres verstorbenen Onkels, wenn er in ihren Kindertagen
an ihrem Bett gesessen hatte, wenn sie um ihre Eltern geweint und
sich so alleine gefühlt hatte. Dann hatte er sie gehalten, bis
sie erschöpft in seinen Armen eingeschlafen war und gerne würde
sie sich jetzt in Faramirs Arme schmiegen, um sich dort den Trost zu
holen, dessen sie so dringend bedurfte. Sie zögerte noch einen
Augenblick, doch dann begann sie zu sprechen.
"Eomer! Er hat
uns verraten! Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist! Er ist
es schuld, dass sie mich in ihre Gewalt bekommen haben, er hat mich
in eine Falle gelockt! Es lässt ihn völlig kalt, dass sie
uns so behandeln und er scheint sich nicht einmal bewusst zu sein,
dass ich seine Schwester bin!"
Sie konnte die Tränen
nicht länger zurück halten und verbarg ihr Gesicht
schluchzend in ihren Händen, alle Anspannung der letzten Tage
fielen von ihr ab und sie weinte hemmungslos.
Legolas wechselte einen bestürzten Blick mit Gandalf und dann legte er ihr seinen Arm um die Schultern und streichelte ihr sanft über den Rücken, um sie ein wenig zu trösten. Etwas zu sagen vermochte auch er nicht, denn er konnte es selber nicht fassen. Eomer auf der Seite der Feinde? Wie konnte das nur sein? Was hatte ihn nur dazu getrieben?
Aragorn schwebte irgendwo zwischen
Bewusstlosigkeit und Erwachen und war kaum dazu fähig, einen
klaren Gedanken zu fassen. Bilder schwirrten durch seinen Kopf, mal
aus weiter Vergangenheit, mal aus den vergangenen Tagen, vom
Auenland, aus Lórien und auch aus Gondor. Schließlich
tauchte Arwens Gesicht vor ihm auf und ein warmes Gefühl der
Zuneigung durchströmte ihn, dass ihn langsam erwärmte, sich
über seinen Körper ausbreitete und die Kälte vertrieb.
Erst genoss er die wohlige Wärme, doch dann stellte er fest,
dass die Hitze auf ein unnatürliches Maß stieg, immer
weiter und weiter, bis ihm der Schweiß auf der Stirn stand und
dennoch kletterte die Temperatur höher und verzehrte ihn bald
innerlich. Er stöhnte auf und versuchte die Augen zu öffnen,
sich dessen bewusst, dass es kein Trugbild der Vergangenheit war,
sondern die Gegenwart, die ihn erneut mit der Hitze erfüllte.
Immer
noch tobte das Feuer in ihm, dass durch den Palantir hervorgerufen
war und quälte ihn, unbarmherzig und ohne sich abzukühlen,
um ihm ein wenig Linderung zu verschaffen.
Sein Blick war noch
verzerrt, doch er konnte undeutlich seine Umgebung wahrnehmen, ein
kleiner Raum, kreisrund und keinerlei Fenstern oder Türen. Er
hatte keine Vorstellung davon, wie er hierhin gelangt war, doch als
er sich langsam auf die Seite rollte, erwachte der Schmerz an seiner
linken Seite erneut zum Leben und er erinnerte sich undeutlich an den
Kampf und Sturz in den Abgrund, den Angriff der Warge und den
Geschmack der bitteren Flüssigkeit.
Ganz plötzlich
durchzuckte ihn ein scharfer, stechender Schmerz und er rang keuchend
nach Luft, krümmte sich zusammen und sein Herz klopfte zum
Zerspringen.
Gerade als er glaubte, der Schmerz und die
unerträgliche Hitze würde ihm wieder die Besinnung rauben,
drang eine tiefe, ruhige Stimme an sein Ohr, die jedoch sofort die
Bedrohung erkennen ließ, die von ihr ausging.
"Versuche
erst gar nicht, dich dagegen zu wehren, es wird dir nichts nützen!
Ich alleine kann dir die Linderung verschaffen, nach der du dich
sehnst! Aber natürlich hat alles seinen Preis, König
Elessar!"
Er wandte unter größter Anstrengung
den Kopf und erkannte undeutlich einen Mann, gekleidet in eine
dunkelblaue Robe, dessen schwarzes Haar bis über seine Schultern
fiel und dessen Gesicht Aragorn sofort fesselte. Es trug Spuren eines
hohen Alters und seine Züge waren von keinerlei Herzlichkeit
oder Wärme gezeichnet. Aber das Erschreckendste waren seine
Augen, die Aragorn, trotz seines verzerrten Blicks, klar sehen
konnte. Sie waren von einem unnatürlichen hellen Grau, fast
weiß, und strahlten eine solche Kälte und Unnachgiebigkeit
aus, das ihm, trotz des Fiebers, ein Schauer über den Rücken
lief. Durchdringend haftete der Blick auf ihm und schien ihn zu
durchbohren, erfüllt mit Hass, Zorn und vorherrschend
Macht.
Macht über die Armeen der Orks und Uruk-hai, über
das umliegende, öde Land, über die Hitze und die Kälte
und somit auch über Leben und Tod! Sein Leben! Seinen
Tod!
Aragorn spürte das mit einer solchen Gewissheit, dass er
unweigerlich versuchte, sich ein Stück von dem Magier zu
entfernen. Ja, es war nicht schwer zu erkennen, dass Magie diesen
Mann erfüllte, die zweifellos von Dunkelheit beherrscht wurde,
nicht weniger gefährlich wie einst die von Sauron oder
Saruman.
Als Pallando die kümmerlichen Versuche des Königs
sah, mit denen er versuchte sich von ihm zu entfernen, lachte er
dröhnend auf und verringerte mühelos mit wenigen Schritten
den Abstand zwischen ihnen.
"Das wird dir nichts nützen,
Elessar! Du wirst schon dafür bezahlen müssen, wenn du das
hier überleben willst!"
Aragorns Augen suchten die des
Magiers und er strengte sich an, dem Blick dieses Mannes mit all
seiner Kraft stand zu halten, als er jetzt keuchend eine Antwort
gab.
"Ich hege keinen Zweifel daran,...das der Preis
sicherlich zu hoch sein wird! Ich werde nichts tun, um mein eigenes
Leben zu retten, was euch auch nur im geringsten Macht über mich
geben würde!"
"Oh! Ich fürchte, die habe ich
bereits über euch! Und das nicht nur mit dem Feuer, dass ich in
euch hervorgerufen habe. Aber ich habe immer noch eure Freunde in
meiner Gewalt! Und eure kleine, blonde Freundin! Was würde Herr
Faramir wohl sagen, wenn er erfahren würde, dass ihr diesmal SIE
alleine einer Herde Uruk-hai in die Hände geschickt
habt?"
Seine Worte trafen Aragorn wie ein Schlag und er
versuchte, die Fassung zu wahren, doch er schluckte schwer, denn nun
wusste er, dass er verloren hatte!
All seiner Kraft und Zuversicht
beraubt, senkte er die Lider und seine Frage kam flüsternd.
"Was
verlangt ihr?"
