Sechzehnter Abschnitt

Der Turm von Cirith Ungol hatte nichts von seinem erschreckenden, unheilsvollen Aussehen verloren und sowohl Frodo als auch Sam wurden bei seinem Anblick in eine längst vergangene Zeit zurück versetzt. Nie hatten sie es für möglich gehalten, dass sie diesen furchtbaren Ort noch einmal wieder sehen würden, aber jetzt standen sie dicht an die Mauer gepresst an seinem Fuß und vermochten sich nicht zu rühren, aus schier erdrückender Angst.
"Wie hast du es nur vermocht, dich ganz allein zu überwinden, in diesen scheußlichen Turm zu gehen, Sam? Ich habe dich an meiner Seite und trotzdem schlottern meine Knie alleine bei dem Gedanken daran, dass ich diese Mauern noch einmal betreten soll!"
"Kein Wunder, Herr Frodo! Sie beschwören ja auch in mir die grauenhaften Erinnerungen herauf und dich haben sie hier mehr als nur einmal gefoltert und Schmerzen bereitet! Aber damals war es der Gedanke, an genau dieses Elend, dass mich fast wie von selbst dazu trieb, einen Fuß vor den nächsten zu setzen!"
Frodo schimpfte sich selbst einen Feigling, dass er trotz der Gedanken an die Freunde, die wahrscheinlich gerade das Gleiche durchmachten wie er damals, immer noch an Ort und Stelle verweilte, ohne einen Schritt vorwärts zu tun. Statt dessen legte er den Kopf in den Nacken und blickte hinauf zu der Spitze des Turms, der sich drohend über ihm erhob und er fragte sich, wie sie es jemals schaffen sollten, bis dorthin zu gelangen, um die Freunde zu befreien, die sie genau dort vermuteten. Und selbst wenn sie dieses aussichtslose Unterfangen bewerkstelligen sollten, blieb immer noch der Rückweg, der sich als weitaus schwieriger erweisen könnte, je nach dem, in welcher Verfassung die Freunde sich befänden. Außerdem war es weitaus leichter, zwei kleine Hobbits vor unliebsamen Augen zu verbergen als etwa einen hochgewachsenen Elben oder einen Zauberer! Und wenn Aragorn und Eowyn wirklich verletzt waren, kamen sie gewiss nur langsam voran!

Frodo seufzte und zwang sich, den Blick wieder vom Turm zu nehmen, stieß sich unwillig von der Mauer ab und folgte Sam, der bereits einige Meter entfernt um die Biegung lauerte, um die Lage abzuschätzen.
Überrascht stellten sie fest, dass sich keiner der Orks oder Uruk-hai an der Türe aufhielten und nach einem kurzen Blickwechsel wagten sie es, die sicheren Schatten zu verlassen und rannten über den Hof, weiter um den Turm herum und erreichten schließlich völlig aus der Puste den Eingang.

Der Treppenaufgang lag in absoluter Finsternis, aber Sam wurde mit aller Deutlichkeit an die Vergangenheit erinnert und fand mühelos den Weg, an weiteren Türen und Öffnungen vorbei, den nur spärlich erleuchteten Gang entlang.

Pallando hatte Aragorn wieder verlassen, doch seine Worte hallten noch immer wie ein Echo in der Turmkammer wieder. Er hatte Aragorn Bedenkzeit gegeben und das Fieber etwas sinken lassen, was ihm zumindest ermöglichte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Er hatte schon immer die Verantwortung für viele Menschenleben getragen, seit er sich mit Frodo auf die lange Reise des Ringkriegs begeben hatte, aber jetzt lastete die Bürde des Überlebens von ganz Mittelerde auf seinen Schultern und er verspürte plötzlich den Drang, sich zu bewegen. Er kämpfte sich auf die Beine und ignorierte die Schmerzen, als er durch den spärlich erleuchteten Raum hinkte. Er rieb sich den Nacken und schloss die Augen und versuchte seine Möglichkeiten abzuwägen.

Pallando hatte gefordert, dass er alle Lande von Mittelerde davon überzeugen sollte, sich dem Willen der blauen Zauberer zu unterwerfen und wenn es ihm gelang, würde er die Freunde frei lassen.
Aber was wäre das für eine Freiheit? In einer Welt, in der nur noch Finsternis und Schrecken herrschen würde, mit umherstreifenden Orks, Uruk-hai und anderen furchterregenden Kreaturen, die die Menschen, Elben und Hobbits und anderen Völker ihren Launen aussetzen würden, mit Plünderungen, Schändungen und Gewalt, die ein friedvolles Leben praktisch unmöglich machten. Was wäre das für eine Zukunft? Und was wäre sein Leben und das seiner Freunde im Vergleich zu diesen Aussichten?
Konnte er ein solches Schicksal für Mittelerde mit ruhigem Gewissen verantworten, um das Leben seiner Freunde zu retten und diese dann ein Leben mit diesen Aussichten führen lassen?
Sein eigenes Leben war ohnehin verwirkt, da war er sich sicher und wenn er nicht die Völker zur Unterwerfung überzeugen würde, würden Pallando und Alatar ihren Kampf entfesseln, um ihr Ziel zu erreichen und viele Leben wären beendet, wenn es zum Krieg kam!

Wie er es auch drehte und wendete, der Preis war zu hoch und er war nicht bereit, weder den einen, noch den anderen zu bezahlen! Aber welche Wahl blieb ihm schon? Seine Möglichkeiten waren viel zu begrenzt, um etwas gegen die Magier zu unternehmen!
Seine Hand ballte sich wütend zur Faust und sein Blick schweifte über den Boden der Kammer und blieb an der Falltüre hängen, durch die Pallando verschwunden war und plötzlich packte ihn die pure Verzweiflung.
Er musste hier heraus und sich dem Kampf mit den Magiern stellen! Damit würden sie nicht rechnen und mit etwas Glück konnte er erst die Freunde befreien und gemeinsam würden sie es vielleicht schaffen, die Feinde zu besiegen! Er konnte dieses Schicksal nicht alleine entscheiden! Er brauchte ihre Unterstützung und er wusste auch, dass er nur einen Versuch hatte, diese Unterstützung zu erhalten!

Er sank auf die Knie und untersuchte mit zitternden Fingern die Falltüre. Durch eine schmale Ritze konnte er den Riegel sehen, der die Türe verschlossen hielt, unmöglich ihn von Innen zu öffnen! Er strich am Rand der Bretter entlang und prüfte den Zustand der Nägel, die sie zusammenhielten, auch hier entdeckte er keine Schwachstelle. Es musste doch irgend eine Möglichkeit geben, fluchte er im Stillen und sah sich noch einmal gründlich in seiner Zelle um.
Sein Blick blieb an dem Wandhalter der Fackel hängen und mühsam erhob er sich wieder, humpelte zu ihm herüber und nahm die Fackel heraus. Seine Hoffnungen wuchsen, als er die Halterung in Augenschein nahm, denn die langen Jahre der Hitze hatten das Metall brüchig gemacht und er schloss zuversichtlich die Hand darum.

Mit jedem Ruck durchfuhr ein stechender Schmerz pulsierend seinen Unterarm, wo sich die Klauen des Wargs herein gegraben hatten, aber es lösten sich auch mehr und mehr die Verbindungsstellen der Halterung und mit einem letzten heftigen Ruck gab es nach und Aragorn hatte Mühe, den plötzlichen Schwung abzufangen.
Er hielt ein langes, flaches Stück Metall in den Händen und kehrte mit eiligen Schritten zur Falltüre zurück. Sein Herz klopfte vor Aufregung bis zum Hals und er stieß einen erlösenden Seufzer aus, als er es schaffte, das Stück durch den Spalt an den Riegel zu schieben. Es erforderte seine ganze Geschicklichkeit und einige Zeit, aber endlich gab der Riegel nach, ließ sich Stück für Stück zur Seite schieben und klappte schließlich zurück.
Hastig ließ Aragorn das Metall fallen, das klirrend zu Boden polterte und erschreckt lauschte er auf, sich über sich selbst ärgernd, doch nichts rührte sich. Erleichtert atmete er auf und öffnete langsam die Türe.

Vor ihm klaffte ein schwarzes Loch, dessen Grund er nur schwach und undeutlich ausmachen konnte. Selbst ohne seine Verletzungen war ein Sprung riskant, doch er würde jetzt nicht aufgeben, nicht, wo er der Freiheit und seinem Plan so viel näher gekommen war! Er versuchte die Entfernung ungefähr abzuschätzen und atmete noch einmal tief durch, um sich zu wappnen, dann schwang er die Beine durch die Öffnung und stieß sich ab.

Dunkel und schmal wanden sich die Treppen den Turm hinauf und Sam glaubte mit jedem Schritt, dass seine Beine bald nachgeben würden, sie hatten schon so viele Stufen hinter sich gebracht und es war immer noch kein Ende in sicht!
Mehr als einmal hatten sie sich im Dunkel verbergen müssen und es war eine Fügung der Valar, dass sie bis jetzt noch nicht entdeckt worden waren!
Frodo schlich leise hinter ihm her und sah sich immer wieder um, weil er fürchtete, dass sich Orks unbemerkt von hinten anschleichen könnten und sie überwältigen könnten. Aber alles war ruhig, fast zu ruhig.
"Wie weit ist es noch, Sam?", flüsterte Frodo dem Freund zu, denn auch seine Beine schmerzten von der ungewohnten Kletterpartie.
"Ich bin mir nicht sicher. Es ist schon so lange her, weißt du..."

Sie beschleunigten beide noch einmal ihr Tempo, auch wenn es ihnen schwer fiel, denn sie spürten irgendwie, dass jede Minute kostbar war, doch selbst jetzt verstrich die Zeit viel zu schnell und sie schienen überhaupt nicht vorwärts zu kommen. Fast wie von selbst quälten sie sich höher und höher und hörten nur ihren eigenen Atem, aber dann vernahmen sie plötzlich Schritte und sie wechselten einen erschrockenen Blick. Hastig sahen sie sich um und entdeckten einen kleinen Vorsprung in der Mauer und ohne sich weiter absprechen zu müssen, liefen sie hin und verbargen sich, während Frodo auf den Gang lauerte.
Fackelschein tanzte an den oberen Wänden und kam langsam um die Ecke und als erstes kam eine Fackel in Frodos Blickfeld, die von einer Orkklaue getragen wurde. Frodo stockte der Atem und er konnte nicht einmal mehr Luft holen, aus Angst, der Ork könne ihn hören. Sam erging es nicht anders und er zog Frodo noch ein Stück tiefer hinter den Vorsprung und wartete mit klopfendem Herzen, bis sich der Lichtschein endlich entfernt hatte.

Als sie sich wieder auf den Weg machten, waren sie noch mehr darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen und sie schlichen langsam, wobei sie sich an der Hand hielten, um sich gegenseitig Mut zu machen.
Bald erreichten sie einen Treppenaufsatz und von der kleinen Kammer, die dahinter lag, gingen einige Türen ab. Ein trübes Licht machte sie auf eine weitere kleine Treppe aufmerksam und Sam nickte Frodo zu. An diese Stelle konnte er sich noch gut erinnern, denn die Treppe führte in eine weitere Kammer und erst hatte Sam damals geglaubt, in einer Sackgasse gelandet zu sein, bis ihm der Zufall geholfen hatte und ihm den Weg zu der Falltüre gewiesen hatte. Bestimmt hatten sie jetzt auch Aragorn dort gefangen, denn es gab keinerlei Fluchtmöglichkeit, selbst wenn man die Türe geöffnet bekam. Der Raum lag viel zu hoch oben, als das man einen Sprung würde wagen können, was der Ork damals am eigenen Leib gespürt hatte, als er herabgestürzt war und sich dabei das Genick gebrochen hatte.

Sam zog Frodo jetzt mit sich und diesmal waren ihre Schritte wieder eiliger. Sie hatten das Ende der Treppe fast erreicht, als sie einen unterdrückten Schmerzschrei hörten, verbunden mit einem dumpfen Aufschlag. Sie wechselten einen besorgten Blick und zögerten einen Moment, doch dann erfasste sie ein sonderbares Gefühl und sie rannten los.

Sam blieb so plötzlich stehen, dass Frodo ihn fast umgelaufen hätte und er begann wütend zu schimpfen, doch als er dann aufsah und den Grund für Sams abruptes Anhalten erblickte, erstarb jedes Wort auf seinen Lippen. Gleichzeitig stürmten sie auf Aragorn zu, der mit dem Rücken zu ihnen am Boden lag, aber den Kopf ruckartig hob, als er ihre Schritte hörte und sich zu ihnen umdrehte. Seine Augen, in denen eben noch Entsetzen gestanden hatte, weiteten sich vor Verwunderung, als er die Hobbits erblickte, aber dann sank er mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück.
Frodo und Sam erreichten ihn gleichzeitig, erleichtert und besorgt zugleich und fielen neben ihm auf die Knie. Beiden standen die Tränen in den Augen und nach einer Weile, fand Sam als erster seine Stimme wieder.
"Streicher! Wie schön das du lebst! Wir dachten... Aber wie fühlst du dich...? Bist du verletzt...? Was ist geschehen...? Du bist doch nicht etwa gesprungen...? Kannst du aufstehen...?"
Aragorn konnte, trotz der Schmerzen, ein Lachen nicht unterdrücken, angesichts dieser Flut von Fragen, auf die er keine Antwortmöglichkeit bekam und Frodo stieß Sam mit gerunzelter Stirn, die seine Empörung ausdrückte, in die Seite.
"Jetzt gib ihm doch auch die Gelegenheit zu antworten! Außerdem siehst du doch, dass Aragorn verletzt ist!"
Aragorn richtete sich mit Frodos Hilfe auf und klopfte ihm dann beschwichtigend auf die Schulter, doch er machte ganz und gar keinen beruhigenden Eindruck.
"Es geht schon, Frodo, danke! Ich brauche nur noch einen kleinen Augenblick, aber dann müssen wir von hier verschwinden! Ich weiß nicht, wann sie wiederkommen werden und ob sie etwas gehört haben!"

Frodo reichte ihm etwas zu Trinken und Lembas, die er aus seinem Bündel kramte und während Aragorn sich etwas stärkte, machte der Hobbit sich daran, seinen Blick über den Freund wandern zu lassen.
Aragorn nahm seine Musterung sehr wohl wahr, sagte aber nichts, denn er wusste selber, was er für einen erbärmlichen Anblick abgeben musste. Der Sprung in die Tiefe war überdies alles andere als gut für seine Wunden gewesen, vor allem sein Bein und die Stichwunde bereiteten ihm große Schmerzen, aber er versuchte sich so wenig wie möglich davon anmerken zu lassen. Ihm blieb ohnehin nichts anderes übrig, als seinen Plan in die Tat umzusetzen, wenn er das Unheil noch abwenden wollte und dazu war er fest entschlossen.
Er verschloss den Wasserbeutel, drückte ihn Sam in die Hand und machte Anstalten, sich zu erheben, woraufhin Frodo ihn mit einer Äußerung und der Hand auf Aragorns Schulter abhalten wollte, aber ein Blick genügte und Frodo erkannte, dass er nicht umzustimmen war.

Aragorn atmete tief durch und sammelte seine Kraft, um sich auf den bevorstehenden Marsch vorzubereiten und erhob sich mit einiger Anstrengung. Nachdem er sich wenigstens etwas dazu in der Lage fühlte, beugte er sich zu Sam und sah ihn auffordernd an.
"Meinst du, du könntest den Weg zu den anderen finden? Sie müssen hier irgendwo sein! Wo könnten die Zauberer sie versteckt haben?"
Sam überlegte kurz und dann leuchteten seine Augen auf, als er eine Möglichkeit fand.
"Unten, ein Stockwerk tiefer, gibt es eine Kammer mit drei Türen. Ich weiß nicht welche es ist, aber eine muss ins Hauptgebäude führen!"
"Das ist möglich! Gut! Gehe vor, ich werde am Ende gehen. Seid vorsichtig und leise, hier wimmelt es nur so von Orks und Uruk-hai!"
Frodo hatte die ganze Zeit stumm zugehört, aber jetzt hielt er die Freunde zurück.
"Ihr wollt doch nicht einfach so durch diese Orkfestung spazieren? Außer Sams Schwert Stich und unseren Dolchen haben wir keine Waffen, mit denen wir uns verteidigen können! Mal ganz abgesehen, was geschehen wird, wenn wir einem dieser Magier über den Weg laufen! Wir können von Glück sagen, dass wir bis jetzt nicht entdeckt worden sind!"
Aragorn sah den Hobbit ernst und ruhig an.
"Selbst wenn wir bis an die Zähne bewaffnet wären, würde es uns nicht nutzen, Frodo! Wir sind ihnen absolut unterlegen und ich könnte sie ohnehin nur wenige Minuten hinhalten. Unsere Chance besteht nur darin, dass wir uns so lange es geht verbergen, die anderen befreien und dann die Magier überwältigen, möglichst alleine! Dazu benötigen wir aber unbedingt Gandalfs Hilfe, denn ihrer Magie sind wir nicht gewachsen! Und nun komm, je eher wir hier verschwinden, umso besser!"
Frodo nickte langsam und wusste, dass Aragorn Recht hatte, aber er hätte sich ein wenig sicherer gefühlt, wenn wenigstens Aragorn noch ein Schwert gehabt hätte. Er versuchte sich seine Angst nicht anmerken zu lassen und folgte dann Sam.

Pallando fühlte sich absolut zufrieden und nichts auf der Welt, konnte seine gute Laune noch trüben. Er hatte den König von Gondor genau da, wo er ihn haben wollte und seine Ziele waren nun zum Greifen nah! Er und Alatar würden die Herrschaft über ganz Mittelerde besitzen, selbst wenn Elessar sich weigern würde, seine Forderungen zu erfüllen, aber darüber machte er sich nicht allzu große Sorgen, denn er hatte seine Freunde in seiner Gewalt und kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Elessar sein eigenes Leben geben würde, um sie zu retten.
Würde er sich trotzdem weigern, so würde er eben seine Armee aussenden und sie mit all seinem Zorn durch die Lande wüten lassen und sein Ziel erreichen. Durch das Wissen, dass er mit aller Mühe diesem widerspenstigem weißen Zauberer Gandalf entzogen hatte, konnte er außerdem noch eine Macht entfesseln, die das Grauen noch übersteigen würde, das bisher in den Herzen der Völker in Erinnerung war.
Er würde Iarfalath entfesseln, die ewige Nacht! Die Finsternis würde sich für immer über das Land legen und keine Sonne würde mehr die Landschaft oder die Herzen der Völker erhellt und Freude, Liebe und Hoffnung ersticken. Ja, und Alatar, der die Kälte heraufbeschwören konnte, würde damit noch größere Qualen bewirken, bis sie ihre Feinde letztendlich doch in die Knie gezwungen hatten und sich keiner mehr wagte zu widersetzen.

Sein volltönendes Lachen hallte durch den Raum, als er seine Hand über den Palantir hielt, um sich die Zelle des Turms vor Augen zu führen, denn er wollte sehen, wie König Elessar litt, während er versuchte, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Und weil es ihm so unendlich viel Freude bereitete, würde er ein wenig mit dem Feuer in seinem Inneren spielen, um zu beweisen, wer hier der Mächtigere von ihnen war!
Langsam verzog sich der schwarze Rauch und enthüllte den Raum, doch er zeigte nicht das, was sich Pallando sicher war zu erblicken. Augenblicklich entdeckte er die offene Falltüre und seine Stimmung schlug abrupt um. Der Zorn, der in ihm aufwallte, hätte jeden in seiner Nähe das Leben gekostet, denn er konnte sich nur noch mit Mühe beherrschen.
Das konnte nicht wahr sein! Wie war es diesem Mann nur gelungen zu entkommen? Wie hatte er selbst nur so dumm sein können und das Fieber in ihm sinken lassen, was unweigerlich dazu geführt hatte, dass Aragorn zu neuen Kräften gekommen war, um einen Fluchtversuch zu überstehen!
Er schrie so wutentbrannt auf, dass der Wachposten vor der Türe fluchtartig das Weite suchte, wohlwissend, dass es besser war, nicht in der Nähe zu sein, wenn der Magier den Raum verließ.
Pallando zwang sich, seine Energie wieder auf den Palantir zu lenken. Er würde den König finden, egal wo er sich verkrochen hatte und dann würde er keine Gnade mehr zeigen und das beenden, was er bisher versäumt hatte zu tun!

Legolas, Eowyn und Gandalf zuckten erschreckt zusammen, als sie den Schrei vernahmen, der aus den Gemächern neben ihrem Kerker erklang. Er weckte umgehend wieder die Furcht in ihnen und sie sahen sich voller Sorge an.
Sie lauschten auf jedes Geräusch, aber außer dem Summen, das von dem Kristall zu Gandalfs Füßen ausging, war nichts zu vernehmen. Sie warteten einige Minuten ab und dann lenkte der Zauberer wieder seine Aufmerksamkeit seinen Bemühungen zu, den Stab zu sich zu ziehen.
Legolas hatte Eowyn erzählt, was Gandalf vorhatte, was neue Hoffnung in ihr geweckt hatte, doch die Sorge um Aragorn hatte diese Nachricht nicht geschmälert. Außerdem spukte ihr immer noch Eomers Gesicht im Kopf herum, wie er sie aus seinen leblosen, matten Augen angesehen hatte, nicht die Spur eines Erkennens darin. Ihre Schilderungen hatten Legolas und Gandalf zu der Vermutung bewogen, dass ihr Bruder unter der Macht der Magier stand und sich nicht bewusst gegen sie gewandt hatte. Das erklärte ihr zwar sein Verhalten, doch hatte auch ihre Angst steigen lassen, dass sie es nicht schaffen könnten, diesen Bann zu brechen, oder das er niemals wieder derselbe werden würde. Beides ließ sie erschaudern und Legolas zog sie noch etwas fester in seine Arme, um sie zu wärmen.
Sie lächelte ihn dankbar an und sah immer noch die Erschöpfung und den Schmerz in seinen Augen, aber er fühlte sich schon um einiges besser, das hatte er ihr zumindest versichert.

Sie fuhren erschrocken auf, als die Türen aufgerissen wurden und Pallando mit Alatar in den Raum stürmte und sie sahen, dass ihre Gesichter von unbändigem Zorn erfüllt waren.
Während Alatar sich jedoch etwas zurück hielt, brüllte Pallando unverständliche Worte und durchquerte mit drei Schritten den Raum. Noch bevor sie reagieren konnten, packte er Eowyn an den Haaren und zog sie daran in die Höhe, ohne auf ihren kurzen Aufschrei zu achten, hervorgerufen durch den Schmerz.
"Euer geliebter Elessar hat einen gewaltigen Fehler begangen, wenn er meint, er könnte mich überlisten! Er hätte besser dort bleiben sollen, wo er war, anstatt mit mir Versteckspielchen zu spielen! Aber eure Schmerzensschreie werden ihn schon hervorlocken! Bedankt euch schon einmal für euren qualvollen Tod bei ihm!", schrie er dann, mit kreischender Stimme.
Er schlug Eowyn mit der flachen Hand ins Gesicht und die Wucht riss ihren Kopf zur Seite. Legolas war mit einem Sprung auf den Füßen und wollte sich zwischen Eowyn und den Magier werfen, aber sein Angriff wurde umgehend von Alatar abgefangen, der unbeachtet näher getreten war und Legolas herumzog, mit eisernem Griff gepackt.
Der Elb, nun völlig machtlos, warf Eowyn einen letzten, verzweifelten Blick zu, bevor er tatenlos zusehen musste, wie Pallando ihr neue Qualen bereitete.

Pallando würde seine ganze Wut an diesem Weib auslassen, dessen war er sich sicher! Elessar würde schon sehen was er von diesem Versuch hatte, ihn an der Nase herumzuführen! Trotz all seiner Bemühungen war es ihm nicht gelungen, den König ausfindig zu machen, aber er hatte seine beiden Garderegimente losgeschickt, um jeden Winkel der Festung zu durchkämmen, um ihn zu finden und sie würden ihn finden!

Siebzehnter Abschnitt

Faramir warf einen Blick über seine Schulter auf die folgenden Truppen zurück, die ihnen im Gleichschritt folgten. Es mochten gut und gerne zweihundert Elben sein, die ihrem König folgten und die Entschlossenheit in ihren Gesichtern gab auch Faramir ein Gefühl der Hoffnung zurück.
Bevor er mit Thranduil aufgebrochen war, um den Hobbits zu folgen, die so dumm gewesen waren, einfach Hals über Kopf in die Hände des Feindes zu laufen, hatte er sich zu Arwen begeben. Das Gespräch mit ihr hatte ihm keine Linderung der Erleichterung gebracht, wie er erhofft hatte und die Erinnerung war noch in seinen Gedanken.

Er verweilte noch einen Moment unentschlossen vor der Türe und hätte fast wieder kehrt gemacht, doch plötzlich hörte er ihre klare und feste Stimme.
"Komm herein, Faramir! Du brauchst nicht auszuweichen!"
Ein beklemmendes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, als er eintrat und ihren Blick auf sich gerichtet fand, erfüllt von Trauer und Qual. Er machte eine unbeholfene Geste zur Begrüßung und setzte sich dann auf den Stuhl, der neben ihrer Lagerstätte stand und brachte es nicht fertig, sie noch eine Sekunde länger anzusehen.
"Ich... ich möchte dich um Verzeihung bitten!" Er schwieg und suchte nach den richtigen Worten, die dennoch nicht auszudrücken vermochten, was er fühlte. Sie zeigte keine Regung, sondern wartete einfach ab, was die Sache nicht unbedingt einfacher machte.
"Arwen, wenn ich die Zeit zurück drehen könnte, würde ich es auf der Stelle tun! Ich war nicht ich selbst, als ich Aragorn bezichtigte, er sei schuld an Boromirs Tod und habe die Herrschaft über Gondor an sich gerissen. Ich weiß jetzt, dass das nicht stimmt und nur zu gerne würde ich ihn selber dafür um Verzeihung bitten, aber es ist mir nicht mehr möglich... ich kann es mir selber nicht verzeihen und ich bitte auch gar nicht darum, dass du mir vergibst, aber ich flehe dich um dein Verständnis an! Verständnis dafür, dass ich fehlgeleitet wurde und nicht Herr meiner Sinne war, als ich diese absurden Anschuldigungen erhob."
"Du hast ihn mehr verletzt als es die schärfste Klinge des Feindes vermocht hätte. Ich habe die Qualen in seinen Augen gesehen und den Schmerz in seinem Herzen!"
Es war mehr eine Feststellung als ein Vorwurf, doch ihre Worte riefen noch mehr Schuldgefühle in ihm wach.
"Selbst wenn ich wollte, könnte ich dir nicht verzeihen oder dir Linderung deiner Seele bringen, denn ich bin nicht Aragorn! Er alleine vermag dir zu helfen, aber er..."
Ihre Stimme brach ab und sie senkte den Blick. Faramir hätte ihr gerne etwas gesagt, oder sie getröstet, aber er war nicht fähig, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Minuten verstrichen, die ihm wie Stunden vorkamen, als Arwen endlich den Blick wieder hob.
"Ich vermisse ihn so schrecklich, dass mir der Verlust und der Schmerz fast die Kraft zum Atmen nimmt..."
Neue Tränen brachen aus ihren Augen hervor und ein Impuls ließ Faramir reagieren, als er sie endlich wie selbstverständlich in seine Arme zog, um sie zu trösten...

Faramir rieb sich die Brust, doch der Schmerz in seinem Herzen vermochte auch diese Anstrengung nicht zu lindern. Die Leere blieb.

Sie waren zwei Tage hinter den Hobbits, solange hatte es gedauert, bis Merry und Pippin Thranduil endlich zum Handeln bewegt hatten und die Truppen Marschbereit waren. Sie würden weitere Zeit dadurch verlieren, dass die Elben zu Fuß unterwegs waren, während Frodo und Sam ihre Ponys genommen hatten und sich scheinbar nur wenig Rast gegönnt hatten. Nirgends hatten sie Spuren eines Lagers gefunden und die Hufabdrucke waren nur noch schwach auf den trockenen Boden sichtbar, verwischt vom Wind und Sturm.

Faramir wandte den Blick zum Himmel und Besorgnis trat auf sein Gesicht, als er die Gewitterwolken erblickte, die sich bereits seit einiger Zeit vor ihnen auftürmten. Wenn das Unwetter losbrach, wären sie gezwungen anzuhalten und Schutz zu suchen und weitere Zeit ging verloren!
Gimli schien das genauso zu sehen, denn er grummelte etwas Unverständliches vor sich hin und richtete dann das Wort an ihn.
"Eine dunkle Macht scheint gegen uns zu sein und uns aufhalten zu wollen!"
"Ja, es ist zum Verzweifeln! Wenn ich an unsere Gefährten denke, wird mein Herz schwer! Unsere Feinde schrecken vor nichts zurück und werden gewiss nicht zögern, sie wie Aragorn..."
Pippins Stimme erstarb, als er an Aragorn denken musste und seine Brust zog sich schmerzvoll zusammen. Merry legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn voll Mitgefühl an.
"Wir werden sie retten! Mache dir nicht so viele Sorgen!", doch sein Zittern in der Stimme verriet seine wahren Gefühle.

Sam hatte die Freunde durch die gewundenen Gänge geführt und war von einer unbeschreiblichen Sicherheit geleitet worden, die er sich selber nicht zu erklären vermochte. In diesem Bereich der Festung war er noch nie gewesen und doch hatte er ganz genau gewusst, welche Richtung sie einschlagen mussten und jetzt hatten sie einen Abschnitt der Burg erreicht, der Aufgrund seiner Ausstattung darauf schließen ließ, dass sie sich ganz in der Nähe der Privaträume der Magier befanden.
Ihre Umgebung wirkte fast wohnlich, es lagen Teppiche auf dem Steinfußboden, der jeden Schritt dämpfte, kleinere Möbelstücke standen an den Wänden und in regelmäßigen Abständen wurde der Flur durch Fackeln erhellt, die in aufwendig gearbeiteten Halterungen steckten.
Sam sah sich nach seinen Begleitern um, die ihm dicht folgten und er blieb stehen, um sich kurz mit ihnen zu beraten und um Aragorn eine kleine Verschnaufpause einzuräumen, die er sich niemals selber gegönnt hätte.
Er sah furchtbar aus, um nicht zu sagen erbärmlich und sein Atem ging in kurzen, heftigen Stößen, als er sich jetzt an die Wand lehnte und den Hobbit anblickte.

Frodo wechselte einen vielsagenden Blick mit Sam und dann wandten sie sich an Aragorn.
"Was jetzt? Die Anderen könnten hier überall stecken und es gibt etliche Türen und Kammern, wir bräuchten Stunden, um sie alle zu durchsuchen!"
Aragorn nickte resigniert und sah in beide Richtungen des Ganges hinunter. Ein Stück weiter vorn gabelte er sich und von dort gingen ebenfalls weitere Türen und Durchgänge ab, deren Ende nicht zu sehen war.
"Uns bleibt wohl nur die Möglichkeit uns zu trennen! Jeder von uns übernimmt einen Gang und sucht dort. Wir treffen uns spätestens in einer Stunde wieder an dieser Stelle wieder, hoffentlich mit guten Nachrichten! Wenn ihr sie findet, unternehmt nichts, sondern kommt zurück und wartet hier auf mich! Sam, gib mir deinen Dolch."
Er hielt Sam seine Hand entgegen und sein Verband schaute unter dem Ärmel seiner Tunika hervor, der ihnen den Blick auf getrocknete, aber auch frische Stellen von Blut offenbarte. Dieser Anblick war zuviel für Frodo und er konnte seinen Ärger nicht länger zurück halten.

"Aragorn, dass ist Wahnsinn! Wenn wir uns trennen, haben wir überhaupt keine Chance mehr, falls wir entdeckt werden! Drei gegen eine Horde von Orks ist schon aussichtslos, aber alleine! Und du bist schwer verwundet! Sie würden dich sofort überwältigen und wer weiß was mit dir anstellen! Sei vernünftig und lass uns zusammen bleiben, wir..."
Aragorn hatte erst schweigend zugehört, doch dann hatte sich sein Gesicht verfinstert. Er wusste selber, dass sie in einer ausweglosen Situation waren, aber es gab nun einmal keine andere Möglichkeit. Seine Verzweiflung verlieh seiner Stimme eine unbeabsichtigte Härte, als er Frodo ins Wort fiel.
"Das war keine Bitte, sondern ein Befehl, Frodo Beutlin! Ich weiß schon genau was ich tue! Und jetzt gib mir den Dolch, Samweis!"
Sams Blick wanderte noch einmal zwischen Aragorn und Frodo hin und her, bevor er zögernd die Hand mit dem Dolch ausstreckte und ihn Aragorn reichte, der ihn wortlos entgegen nahm. Frodo senkte bedrückt und auch verärgert die Lider und nahm dann die weiteren Anweisungen entgegen und schließlich trennten sie sich.

Aragorn fühlte sich nach diesen barschen Worten gegenüber den Hobbits noch elender als zuvor, doch soviel hing von ihrem Gelingen ab, so viel! Er konnte es den Beiden jedoch nicht so schnell begreiflich machen, die Zeit drängte und so sah er ihnen mit schwerem Herzen nach, wie sie mit gesengten Häuptern in ihre zugewiesenen Richtungen verschwanden.
Er wartete, bis sie aus seinem Sichtfeld verschwunden waren und fasste sich erst dann an seine schmerzende Seite, lehnte den Kopf gegen die kühle Wand und atmete tief durch. Nachdem er sich einen Moment gesammelt hatte, umschloss er fest den Griff des Dolchs und drehte ihn im Schein der Fackel. Die Elben hatten ihn gefertigt und er lag schwer und sicher in seiner Hand, perfekt ausbalanciert. Das Heft war schlicht, aber in die Klinge waren Runen graviert, die der Kraft und des Schutzes. Diese Feststellung ließ ein zynisches Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen, denn beides konnte er jetzt nur zu gut brauchen und wenn die Valar ihm gnädig waren, war das ein gutes Zeichen und wenn nicht...
Er befahl sich selber zum Aufbruch und hinkte dann den Gang entlang, in der Hoffnung, noch rechtzeitig zu kommen, um den Freunden zu helfen.