Achtzehnter Abschnitt
Frodo war zutiefst
bestürzt und hatte immer noch dieses beklemmende Gefühl in
seiner Brust, dass sich bei Aragorns Worten dort bemerkbar gemacht
hatte, aber er hatte auch die Gewissheit, dass die Worte des Freundes
von Verzweiflung geprägt waren. Frodo machte sich Sorgen und das
auch berechtigt, aber er kannte Aragorn lange genug, um zu wissen,
wann es Sinn machte ihm zu widersprechen und wann nicht. Solange sie
die Freunde nicht gefunden hatten, war es nur verschwendete Zeit,
sich mit ihm zu streiten und von Streit hatten sie in letzter Zeit
ohnehin mehr als genug gehabt!
Diese Erkenntnis löste langsam
den Knoten in seiner Brust und er marschierte zum nächsten
Zimmer, um es zu überprüfen. All die vorangegangenen
Bemühungen waren ohne Erfolg gewesen und auf diesem Gang gab es
nicht mehr viele Möglichkeiten, aber hinter der nächsten
Ecke würde er sicherlich wieder unzählige Türen
finden, die es zu kontrollieren galt.
Er seufzte und öffnete
die nächste Türe und wie er vermutet hatte, war auch dieser
Raum leer. Frodo wollte die Türe gerade wieder hinter sich
zuziehen, als sein Blick das Fenster erfasste und er hielt wie
betäubt inne.
Er konnte die Augen nicht von dem Nachthimmel
abwenden, der sich weit über das Land erstreckte, doch es waren
alle Sterne daraus verschwunden. Selbst die Umgebung wurde von der
alles verschlingenden Finsternis förmlich verschluckt und nur
das kurze Erleuchten der Blitze gewährte ihm eine Aussicht auf
die Berge, die sich nicht weniger bedrohlich vor ihm erhoben. Das
Donnergrollen hallte von ihnen wider und schien den Boden unter
seinen Füßen zu erschüttern, dass auch von ihm Besitz
ergriff und seine Zähne klappern ließ. Er hasste Gewitter
fast noch mehr als eine Horde Orks, denn sie erinnerten ihn noch mehr
an die Zeit im Ringkrieg, als es diese abscheulichen Wesen taten. Er
versuchte mit einer Geste die Furcht abzuschütteln und schloss
die Türe, um den Anblick nicht länger ertragen zu müssen,
aber das Donnern erklang jetzt schon lauter, sodass es nun schon in
dem Gang zu hören war.
Fast von selber wurden seine
Schritte schneller, bis ihm bewusst wurde, dass er rannte. Er wollte
so schnell wie möglich wieder zu Aragorn und Sam, nur nicht
alleine sein und er hastete ohne jede Vorsicht weiter, was ihm auch
umgehend zum Verhängnis wurde.
Er erreichte die nächste
Kurve und prallte augenblicklich gegen den Körper eines Orks,
dessen Gestank ihn wie eine Wolke einhüllte. Von Ekel und Panik
erfasst, versuchte er einen aussichtslosen Fluchtversuch zurück,
doch eine Klaue fasste nach seiner Schulter und riss ihn unsanft von
den Füßen.
Er wehrte sich nach Leibeskräften,
strampelte, kratzte, schlug und schrie, aber all seine Bemühungen
waren sinnlos. Im Nu war er gefesselt und geknebelt und als er dann
wieder auf die Füße gezogen wurde, durchfuhr ihn eine
Schock, als er Sam erkannte, der regungslos über einer der
Schultern der Orks hing und eine dicke Beule am Hinterkopf hatte. Sie
hatten ihn also auch überwältigt und dabei verletzt! Was
sollte er nur tun? Frodo wehrte sich immer noch, obwohl es
aussichtslos war, aber der Anblick von Sam hatte ihm noch mehr Angst
eingejagt, wenn das überhaupt noch möglich war. Ein
heftiger Stoß mit einem Schwertknauf raubte Frodo schließlich
den Atem und er stöhnte von Schmerz gequält auf und gab
Ruhe.
Wir sind verloren, schoss es ihm durch den Kopf. Sie haben
uns in ihrer Gewalt!
Er suchte die Truppe auch nach Aragorn ab,
aber er konnte ihn nicht erblicken und es bleib ein klein wenig
Hoffnung in seinem Herzen.
Die Horde setzte sich in Bewegung
und Frodo suchte mit seinen Augen den Gang ab, weil er hoffte Aragorn
dort irgendwo zu erblicken, aber er sah ihn nicht.
Aragorn, flehte
er im Stillen, komm und helfe uns doch! Aber er wusste, dass Aragorn
keine Chance hatte, gegen eine solche Übermacht von Orks etwas
zu unternehmen.
Legolas hörte das Gewitter über
ihnen toben, wurde aber schnell wieder von einem kurzen aufstöhnen
von Eowyn abgelenkt, deren Kopf in seinem Schoß lag. Sie war
vor einiger Zeit endlich eingeschlafen und er war überzeugt
davon, dass dies ihr Linderung verschaffen würde, denn Pallando
hatte sie nicht allzu schlimm zugerichtet, aber die Prellungen würden
bestimmt hässliche, blaue Flecken hervorrufen.
Er selber
fühlte bereits, dass die Athelas-Salbe gewirkt hatte, denn er
konnte sich schon besser bewegen, ohne sofort von Schmerzen gequält
zu werden. Außerdem beruhigte es ihn, dass Aragorn eine Flucht
gelungen war, denn dann musste er doch nicht so schlimm zugerichtet
sein, wie Eowyn vermutet hatte. Nach ihren Schilderungen hatte
Legolas ernsthaft geglaubt, dass es keine Rettung mehr geben würde,
aber er war froh, sich geirrt zu haben! Wenn Aragorn frei war,
bedeutete dies, dass er gewiss nichts unversucht lassen würde,
um sie zu befreien. Er durfte nur keine Zeit verlieren, denn
Pallandos Zorn war so schon kaum mehr zu bremsen gewesen.
Außerdem
hatte Eowyn auch positive Nachrichten gehabt, in die er ebenfalls
seine Zuversicht legte. Arwen war auf dem Weg nach Düsterwald
und sein Vater würde sicherlich nicht lange zögern, wenn er
von Gandalfs Gefangennahme erfuhr. Sie waren bestimmt schon auf dem
Weg hierher, da war er sich sicher!
Legolas richtete wieder seinen Blick auf den Zauberer und begann leise, seinen Gesang fortzusetzen, der auch neue Kraft in seinem eigenen Herzen hervorrief. Gandalf gewann ebenfalls daraus Stärke, dass konnte er ihm ansehen, denn er wirkte nicht mehr so ausgezehrt, wie noch vor einigen Tagen und der Stab hatte sein Ziel fast erreicht...
Aragorn hoffte inständig, dass er
nicht gesehen worden war, als er sich im letzten Augenblick hinter
einem der Wandteppiche verborgen hatte, doch die marschierenden
Schritte passierten ihn, ohne anzuhalten und er atmete erleichtert
auf. Vorsichtig spähte er hinter dem Trupp der Orks her, der
sich rasch entfernte und sein Blick schweifte kurz über die
Schar hinweg, wobei sein Blick sofort von der Gestalt gefangen wurde,
die er in der Menge erblickte. Jede Unsicherheit wurde von der Furcht
einflößenden Gewissheit verdrängt, als der Hobbit
seinen Kopf hob, um seinen Blick über den Gang schweifen zu
lassen, bevor die Horde um die Ecke bog.
Bei den Valar, das
Schlimmste war eingetreten! Frodo war in der Gewalt dieser Teufel und
wenn er sich nicht täuschte, so hatte er auch Sam in dem
Durcheinander erblickt!
Er wollte vor Wut über sich selbst
laut schreien, aber er biss die Zähne zusammen, um dem Drang zu
widerstehen. Wenn sie ihn auch noch entdeckten, hatte er keine
Chance, die Übermacht war einfach zu groß, vielleicht
fünfzig zu eins! Außerdem hatte Frodo richtig vermutet,
einen Kampf konnte er unmöglich durchstehen, aber einem
aufsteigendem Impuls folgend, verließ er sein Versteck und
folgte der Gruppe, so schnell er konnte. Vielleicht würden sie
ihn zu dem Verließ führen indem auch die Anderen gefangen
wurden und er fand eine Möglichkeit ihnen zu helfen.
Die
Truppe befand sich nur ein kurzes Stück vor ihm und er hörte,
wie sie stehen blieben und an eine Türe geklopft wurde, die sich
bald darauf quietschend öffnete. Er hörte ein kurzes
Auflachen, das ihm auch auf diese Entfernung einen Schauer über
den Rücken jagte und das Fieber in ihm zu neuem Leben erweckte.
Die Hitze erwachte prickelnd unter seiner Haut zum Leben, erst
schwach, nicht mehr, aber er spürte es dennoch ganz deutlich. Er
hielt mitten in seiner Bewegung inne, wartete mit angehaltenem Atem,
und wenig später fühlte er abermals eine heiße,
sanfte Woge, die an seiner gesamten Seite herunterlief, angefangen an
seiner Narbe.
Ein bitterer Fluch kam über Aragorns Lippen,
und seine Hand ballte sich zur Faust. Seine Zeit war abgelaufen,
Pallando hatte ihn entdeckt! Aber er würde sich diesmal nicht so
leicht bezwingen lassen, nicht, solange die Freunde in der Gewalt
dieser Monster waren! Er würde kämpfen, bis er es nicht
mehr vermochte und nichts konnte ihn davon abhalten...
Er hörte, wie Pallando Befehle erteilte und sich die Horde wieder in Bewegung setzte und ein vorsichtiger Blick verriet ihm, dass die Magier die Gruppe anführten. Erleichterung durchflutete ihn, als er erkannte, dass sie ihn genau dahin führten, wohin er schon die ganze Zeit wollte, denn als sie nun direkt neben den Gemächern der Magier eine Türe öffneten, erhaschte er nur flüchtig den Anblick auf Gandalf. Er hatte die Freunde gefunden!
Diese Erkenntnis verlieh ihm neue Kraft und all seine Schmerzen wurden verdrängt, denn er wusste, was er nun zu tun hatte. Er wartete, bis sich die Orks wieder verzogen hatten und stürmte umgehend los, noch bevor der Letzte hinter der Biegung des Ganges verschwunden war. Er warf sich gegen die Türe, die krachend nachgab und fiel beinahe hin, konnte aber seine Wucht des Aufpralls noch abfangen.
Aragorn stürzte sich auf den einzigen Wachmann, der neben der Türe gestanden hatte und hatte ihn umgehend überwältigt, da dieser viel zu überrascht gewesen war, und zog dessen Schwert aus der Scheide, um sich Pallando zu stellen. Erst jetzt nahm er neben Gandalf, der in einem Lichtkegel gefangen war, die Freunde wahr, die an einer der Wände auf dem Boden kauerten. Legolas sah schlimm zugerichtet aus, aber seine Augen leuchteten erfreut auf, als er Aragorn ansah, Eowyn hielt Sam in ihren Armen und Frodo war erstarrt, als er abwehrend die Arme gehoben hatte, um sich vor einem Schlag zu schützen. Er schrie seinen Namen, gemischt von Erleichterung und Furcht, durch den Raum und warf sich dann schnell zur Seite, um nicht länger zwischen Aragorn und Pallando zu stehen.
Pallando blieb jedoch völlig
ruhig und zog überheblich eine Augenbraue in die Höhe.
"Elessar!
Welch unerwartete Freude! Du glaubst doch aber nicht ernsthaft, du
könntest mich bekämpfen?"
Er hob die Hände,
als ob er etwas heraufbeschwören wollte und Aragorn fühlte
plötzlich einen unsichtbaren Griff um seinen Knöchel und
eine blitzschnelle Drehung von Pallandos Hand reichte aus und er
wurde mit einem Ruck zu Boden geschleudert. Der Aufprall war so hart,
dass ihm der Atem aus den Lungen gepresst wurde, aber Aragorn kämpfte
sich mühsam und nach Luft ringend wieder auf die
Füße.
"Pallando! Lass sie gehen! Sie sind von
keinerlei Nutzen für dich!"
"Nein? Aber sie haben
mir doch schon genutzt, indem sie dich hierher geführt haben! Du
hättest fliehen sollen, solange du die Gelegenheit dazu
hattest!"
Ein Windhauch traf Aragorn und er holte instinktiv
zu einem Schwerthieb aus, doch die Klinge schnitt nur durch Luft und
Leere. Ein Luftfetzen schlug wie eine Peitsche quer durch den Raum,
und der Schlag traf Aragorn an der Brust, schnitt durch seine Tunika
und schleuderte ihn rückwärts gegen die scharfkantige
Wand.
Schmerz explodierte in seinem Kopf und mit einem Stöhnen
brach er zusammen. Grelles Licht tanzte hinter seinen geschlossenen
Lidern, sein Schädel fühlte sich an, als ob er gespalten
worden wäre und in seinem Nacken fühlte er etwas Warmes und
Feuchtes entlang laufen.
"Aragorn!", hörte er
Frodos Stimme durch den Nebel der Benommenheit schreien, und er
befürchtete, dass ihm etwas schlimmes zustoßen könnte,
noch bevor er sich soweit erholt hatte, dass er sich aufrichten
konnte, um ihm zu helfen.
"Nein!", stieß er mit
ganzer Anstrengung hervor und zwang sich, die Augen zu einem schmalen
Schlitz zu öffnen und er sah Frodo, der sich zwischen sie
gestellt hatte. Angst überkam ihn und er rappelte sich hoch, um
den Hobbit außer Reichweite zu bringen, doch noch bevor er bei
ihm war, wurde Frodo getroffen und fiel mit einem Aufschrei zu Boden,
wo er regungslos liegen blieb.
Dieser verfluchte Bastard, dachte
Aragorn! Wieso tat er seinem Freund das an? Der Hobbit hätte
ohnehin nichts ausrichten können, um Pallando zu gefährden!
Die
Wut verstärkte seinen Griff um das Schwert und er stürmte
vorwärts, zum Schlag ausgeholt, verfehlte jedoch sein Ziel und
fuhr erneut durch die Luft, ohne den erwünschten Schaden
anzurichten. Pallando reagierte augenblicklich, warf blitzschnell
einen weiteren unsichtbaren Faden um ihn und riss ihn mit einem Ruck
von den Füßen. Aragorn keuchte entsetzt auf, als sein
Körper in die Luft gezogen und dann wieder losgelassen wurde, um
mit einem harten Aufprall auf dem Boden zu landen. Das Schwert flog
in hohem Bogen aus seiner Hand.
"Lass meine Freunde gehen –
du kannst mich haben!" Die Worte kamen wie ein schwaches Keuchen
über seine Lippen und er schlang die Arme um seine schmerzende
Brust und versuchte sich aufzusetzen. Es musste ihm irgendwie
gelingen, die Freunde zu befreien und wenn es sein Leben forderte,
nun gut! Außerdem musste er an das Schwert herankommen! Er
blickte sich verzweifelt danach um und sah, dass es neben der Wand
gelandet war, viel zu weit entfernt, als dass er danach hätte
greifen können.
Aragorn rappelte sich mit äußerster Anstrengung auf, obwohl jeder Muskel in ihm dagegen rebellierte und machte zwei Schritte, bevor Pallando ihn mit einer einzigen Bewegung seiner Hand aufhielt und sich ein unsichtbarer Faden wie eine Schlinge um seien Kehle schloss. Aragorn stürzte erneut zu Boden und versuchte verzweifelt, sich zu befreien, da ihm die Luft abgeschnürt wurde.
Pallando kam auf ihn zu und beugte
sich über ihn, um ihn scharf zu mustern.
"Wer stellt
hier nun die Forderungen, König Elessar? Willst du nicht endlich
aufgeben? Oder soll ich mich noch ein wenig um deine Freunde
kümmern?"
Aragorns Angst verlieh ihm neue Kraft und er
stürzte sich mit einem Sprung auf das Schwert, rollte einmal
herum und dann fiel sein Blick auf Gandalf und er reagierte innerhalb
weniger Sekunden.
Der Stab des Zauberers schwebte aufrecht vor
dem Lichtpegel, in unmittelbarer Reichweite von Gandalfs Hand, einzig
und allein von dem Licht getrennt, dass von dem Kristall ausging.
Aragorn schleuderte das Schwert genau auf den Kristall zu und als die
Klinge ihn traf, stoben Funken auf und das Licht erlöschte
Augenblicklich. Gandalfs Hand schloss sich um den Stab, bevor dieser
fallen konnte und wirbelte herum, doch er wurde von Entsetzen
gepackt, als seine Augen sich auf Pallando richteten. Hinter dem
Magier schien die Nacht durch das Fenster zu dringen und umschloss
ihn wie eine weiche Wolke, fast schon liebevoll einhüllend. Eine
Hand hatte er in Aragorns Richtung gestreckt und als Gandalf der
Richtung folgte, sah er, wie dieser sich zusammenkrümmte und der
Schweiß ihm auf der Stirn stand.
"Wage es auch nur
einen Schritt auf mich zu zu machen, und ich werde ihn innerlich von
dem Feuer verbrennen lassen, Gandalf!", drohte er mit ruhiger
Stimme, die ihre Wirkung nicht verfehlte.
Alatar, der die ganze
Zeit hinter Pallando gestanden hatte, ging auf eine Geste seines
Verbündeten zu den Freunden an der Wand und löste ihre
Fesseln, während Pallando weiter sprach.
"Wenn euch sein
Leben lieb ist, verlasst Mordor und rettet euch selbst, und versucht
erst gar nicht, ihm zu Hilfe zu eilen!"
Gandalf war
aschfahl im Gesicht geworden und suchte Legolas Blick, um ihm kurz
zuzunicken. Der Elb verstand, aber war unfähig einen Finger zu
rühren, denn er konnte nicht einfach Aragorn seinem Schicksal
überlassen.
Pallando sah sein Zögern und unter einer
erneuten Handbewegung ließ er die Hitze in Aragorn anschwellen
und dieser stöhnte gequält auf. Das genügte, um
Legolas widerwillig dazu zu bewegen, zu Frodo zu gehen und er hob den
bewusstlosen Hobbit sacht auf die Arme und ging auf die Türe zu,
gefolgt von Eowyn, die Sam trug. Bevor sie jedoch den Raum verließen,
sahen sie noch einmal zu Aragorn herüber, der nun auf dem Rücken
lag und sich nicht mehr rührte.
Gandalf stand immer noch
unbeweglich da, unfähig, auch nur einen Schritt zu tun und er
hielt Pallandos Blick stand, wobei keiner der beiden die Lider als
erster senken wollte. Ihre Mächte trugen einen stummen Kampf
miteinander aus und nur eine Regung in Gandalfs Augenwinkeln
veranlasste ihn dazu, den Blick abzuwenden und ihn auf Aragorn zu
richten, der langsam wieder zu Bewusstsein kam. Gandalf sah, wie der
Freund eine vergebliche Anstrengung unternahm, sich herumzurollen,
aber er war so geschwächt, dass er selbst dazu nicht mehr fähig
war. Seine Augen glänzten von Fieber und sein Körper war
völlig zerschunden. Mit einem vernehmlichen Stöhnen sank er
wieder benommen zurück und seine Brust hob und senkte sich in
schier unendlicher Anstrengung.
Gandalf vergaß Pallando und
eilte an die Seite des Freundes und zog entsetzt die Hand zurück,
die er Aragorn kurz an die Stirn gelegt hatte – er stand regelrecht
in Flammen! Sein Gesicht war von Schmerz und dem Fieber verwüstet,
tiefe Ringe lagen unter seinen Augen und seine Wangenknochen
zeichneten sich scharf ab, sein Mund war eine angespannte, erschöpfte
Linie. Seine Haut glänzte feucht und auch sein Haar war
schweißnass.
Pallando konnte mit Genugtuung die Sorge und Verzweiflung in dem Gesicht des Zauberers lesen und sowohl er als auch Alatar lachten schallend, sich ihres Sieges absolut sicher.
Das Unwetter tobte heftig und wild über
die Ebene, Donner und Blitz führten einen erbitterten Kampf aus
und der Sturm riss alles mit sich, was nicht fest mit der Erde
verwurzelt war. Selbst an den Mauern der Festung zerrte er und die
Balken ächzten und stöhnten und der Wind pfiff kalt durch
die Gänge und ließ die Fackeln noch wilder tanzen.
Legolas
und Eowyn hatten erst gar nicht versucht, die Burg zu verlassen, denn
sie brauchten sich nicht abzusprechen, um zu wissen, dass sie Gandalf
und Aragorn nicht ihrem Schicksal überlassen konnten. Außerdem
waren die Hobbits immer noch bewusstlos und in diesem Wetter wären
sie ohnehin nicht weit gekommen.
Die ganze Burg war wie
ausgestorben, kein Ork oder Uruk-hai war zu sehen, denn sie hatten
sich in die finsteren Gewölbe unter der Burg zurückgezogen,
nachdem Pallando sie entlassen hatte. Der Magier war sich seiner
Macht bewusst, die er nun besaß, denn keiner der Freunde würde
angreifen, solange Aragorn und Gandalf in seiner Gewalt
waren.
Legolas strich Frodo sanft über die Stirn und
bettete ihn vorsichtig neben Sam, dann sah er sich in dem kleinen
Raum um, in dem sie sich versteckt hielten. Es musste das Zimmer
eines Hauptmanns sein, denn es war zwar schlicht, aber doch wohnlich
eingerichtet. Neben einem großen Bett standen zwei Kommoden und
ein Tisch und Stuhl darin und ein Vorhang hielt den Regen davon ab,
ungehindert in den Raum zu strömen. Es gab auch einen Kamin,
indem trockenes Brennholz lag, aber Legolas wagte nicht es zu
entzünden, denn er wollte nicht den Feind durch den Rauch
anlocken.
Eowyn saß auf dem Bettrand und wachte über
die Hobbits, doch zu ihrer Beruhigung fand sie keine ernstlichen
Verletzungen an ihnen, auch wenn Frodo eine schlimme Schramme hatte,
die sich quer über seinen Hals zog, wo der unsichtbare
Peitschenhieb ihn getroffen und herum gerissen hatte.
Eowyn sorgte
sich immer noch am meisten um Aragorn und als sie Frodos Kratzer
entdeckt hatte, war ihr Augenblicklich die Frage durch den Kopf
gegangen, welche Spuren Aragorn von dem Kampf davon getragen hatte,
wenn schon der leichte Hieb dieser Macht eine solche Wunde
hinterlassen konnte.
Legolas suchte ihren Blick und brach
unvermittelt das Schweigen, aber seine Stimme war gedämpft.
"Was
meinst du, wann wird Verstärkung aus Düsterwald hier sein?
Oder ist es ein schlechtes Zeichen, dass die Hobbits hier sind? Hat
Pallando die Gruppe abgefangen, bevor sie Düsterwald erreicht
hatten?"
Eowyn schüttelte entschieden den Kopf.
"Das
glaube ich am Wenigsten! Ich könnte mir eher vorstellen, dass
sich Frodo und Sam auf eigene Faust auf den Weg gemacht haben! Du
weißt doch, wie viel Frodo an Aragorn liegt und er konnte
bestimmt nicht länger warten, bis die Truppen von deinem Vater
bereit waren."
"So ähnlich...", vernahmen sie
plötzlich eine schwache Stimme und sie lenkten ihre Blicke auf
Frodo, der endlich erwacht war. Er stützte sich mühsam auf
die Ellenbogen und schluckte schwer, rieb sich den Hals und zuckte
bei der Berührung der Wunde kurz zusammen, doch dann versuchte
er ein Lächeln, dass ihm mehr schlecht als recht gelang. Frodo
sah zu Sam, der immer noch nicht die Augen geöffnet hatte, aber
auf seinem Gesicht lag jetzt ein entspannter Ausdruck, er schien zu
spüren, dass er vorerst in Sicherheit war und Frodo wandte sich
von ihm ab.
Er berichtete den Freunden kurz von seinem Traum und
wie er sich mit Sam auf den Weg gemacht hatte, doch zu den Truppen
der Elben konnte er leider auch keine Angaben machen.
"Sie
waren dabei, sich zu rüsten, weil dein Vater von deiner
Gefangennahme erfahren hatte, aber wie weit ihre Vorbereitungen waren
und wie lange sie noch benötigt hätten, um aufzubrechen,
weiß ich nicht! Aber sie sind mindestens einen halben Tag
hinter uns, denn sie werden ja erst am frühen Morgen gemerkt
haben, dass wir weg sind und uns dann auch erst gefolgt
sein!"
Legolas nickte gedankenverloren, denn das
bedeutete, dass es noch lange dauern würde, bis Hilfe eintraf
und solange konnten sie unmöglich warten. Eins war nämlich
völlig klar – Gandalf würde allem zustimmen, was Pallando
forderte, nur um Aragorn zu retten, aber wenn der Magier keine
Notwendigkeit mehr sah, würde er sicherlich nicht zögern
und Aragorn töten! Aber das würde er nicht zulassen, nicht,
solange noch eine Chance bestand, etwas zu unternehmen. Die Frage war
nur, zu was sie imstande waren, denn selbst wenn die Hobbits wieder
zu Kräften gekommen waren, standen sie einer Übermacht
gegenüber und welche Macht Pallando hatte, hatte er deutlich
demonstriert.
Legolas bekam jetzt noch einen kalten Schauer, wenn
er an die unsichtbaren Angriffe dachte, denen man keine Gegenwehr
leisten konnte, aber auch an diese erdrückende Finsternis, die
der Magier heraufbeschworen hatte.
Sie mussten sich etwas
überlegen – und zwar rasch! Wie lange würde Aragorn wohl
noch durchhalten?
Aragorns Wille war gebrochen,
von den glühenden Blitzen, die in seinem Inneren das Feuer
entfacht hatten. Falls Gandalf gemerkt hatte, wie es um ihn stand, so
hatte er sich nichts anmerken lassen und hatte mit geübten
Händen seine Wunden notdürftig versorgt, doch Aragorn
spürte keinen Unterschied.
Wieder rollte eine Woge der Hitze
durch ihn hindurch, und er biss verzweifelt die Zähne zusammen
und ergriff Gandalfs Hand, um zu verhindern, dass er von der Wucht
der Woge mitgerissen wurde.
"...Arwen", flüsterte
er, während er gegen den endlosen Strom von Feuer ankämpfte,
aber ihr Bild tauchte nicht erlösend vor seinem inneren Auge
auf, sein Flehen wurde nicht erhört.
Er fühlte, wie ihm
ein Gefäß an die Lippen gehalten wurde und Wasser seinen
trockenen Hals hinunter rann und dann hörte er Gandalfs Stimme,
die jedoch weit entfernt zu sein schien.
"Lass ihn frei,
Pallando! Du hast doch jetzt das, was du wolltest! Ich werde mich
unterwerfen, aber nur, wenn du ihn von diesen Qualen befreist!"
Gandalf hatte sich noch nie so hilflos gefühlt! Er musste doch
etwas für Aragorn tun können! Wozu besaß er all die
Kraft und Macht, wenn er noch nicht einmal in der Lage war, das
Fieber zu senken?
Aragorns Kräfte ließen immer mehr
nach und wenn er die Augen öffnete und ihn ansah, fand Gandalf
nicht mehr das kleinste Zeichen darin, dass der Freund ihn erkannte.
Er wand sich und stöhnte unter seinen Berührungen und immer
wieder verlor er das Bewusstsein.
Irgendwie hatte Pallando ihn in
seiner Gewalt und verursachte das Feuer in seinem Inneren, aber
Gandalf konnte keinen Anhaltspunkt finden, der ihm verraten hätte,
welche Kraft Pallando einsetzte.
Pallando lachte belustigt auf und
fixierte den Zauberer dann mit eisigem Blick.
"Jetzt brauche
ich deine Macht nicht mehr, alter Narr! Deine Aufgabe kommt zu spät!
Ich habe den König von Rohan und den König von Gondor in
meiner Gewalt, niemand ist mehr da, der das Volk der Menschen führen
würde, um sich mir zu widersetzen! Und ich benötige beide
eigentlich nicht länger, sie machen mir ohnehin nur
Scherereien!"
Gandalf erkannte, dass der Magier damit
völlig recht hatte! Selbst die Elben würden nicht
angreifen, wenn die Menschen sie nicht unterstützten, denn
alleine hatten sie nicht die kleinste Aussicht auf einen Sieg gegen
einen solchen Gegner.
Panik ergriff ihn, denn wie sollte er nur
verhindern, dass Pallando seine Drohung nicht umgehend in die Tat
umsetzte und Aragorn und Eomer umbrachte? Er überlegte
fieberhaft und da kam Gandalf plötzlich ein Gedanke, ein
Einfall, der den Magier doch noch zum Zweifeln zwang und ihn
vielleicht zu einem unüberlegten Schritt verleitete. Er musste
es zumindest versuchen!
"Du vergisst nur einen entscheidenden
Punkt bei der ganzen Sache, Pallando! Durch deine Intrigen hast du
Aragorn zu einem Schritt bewegt, den du nicht bedacht hast! Er hat
sein Amt längst Herrn Faramir übertragen und somit gibt es
doch noch einen Mann, der das Reich Gondor verteidigen wird und die
Heere anführt! Er wird sich den Elben anschließen! Wenn du
den Bruder seiner Frau tötest, wird sein Zorn endlos sein und er
wird ihn gegen dich richten! Und nur wenn Aragorn diese Machtübergabe
widerruft, wird dir Gondor und Rohan sicher sein!"
Gandalf
hoffte, dass Pallando nicht die Unsicherheit in seiner Stimme hörte,
denn er vermutete nur, dass Aragorn sein Amt an Faramir übergeben
hatte, doch es war die einzige Chance, um das Leben der beiden Könige
zu retten – zumindest vorerst!
Der Magier war tatsächlich
bei Gandalfs Worten ins Grübeln geraten und fluchte im Stillen,
als er erkannte, dass diese Möglichkeit wirklich bestand. Zorn
begann in seinen Augen zu funkeln, der sich augenblicklich auf
Aragorn entlud und der erneut schmerzvoll aufstöhnte, als ein
Fieberkrampf ihn ergriff.
Doch dann schien Pallando von ihm
abzulassen, durch Gandalf dazu bewegt, denn Aragorn lockerte den
Griff um Gandalfs Hand und sank erschöpft zurück. Er hatte
die Augen geschlossen, aber schien nicht wieder in Bewusstlosigkeit
gesunken zu sein und seine Atemzüge gingen ruhig und
gleichmäßig.
Pallando wandte sich abrupt ab und winkte
Alatar hinter sich her, beide verließen den Raum und Gandalf
atmete erleichtert auf, legte prüfend die Hand auf die Stirn des
Freundes und eine Woge der Erleichterung überkam ihn. Das Fieber
war gesunken, die Gefahr für den Moment
abgewendet.
Neunzehnter Abschnitt
Gerade noch rechtzeitig hatte die Truppe der Elben Schutz in einer Höhle gefunden, bevor das Unwetter mit aller Gewalt losgebrochen war, doch auch jetzt, wo sich der Sturm gelegt hatte und der Donner verstummt war, trat keine Erleichterung in ihre Herzen. Sie waren wieder aufgebrochen, aber das Land um sie herum, war völlig verwüstet, Bäume entwurzelt, kleinere Äste und Zweige rings um verstreut, aber das Bedrückendste war die unendliche Finsternis, die alles einhüllte. Obwohl es bereits Mittag sein musste, herrschte dunkelste Nacht, sodass man kaum die Gebirgskette ausmachen konnte, die drohend vor der Armee aufragte.
Gimli umfasste seine Axt
fester und rutschte auf dem Rücken seines Ponys hin und her. Ihm
behagte das gar nicht, denn man konnte die Gefahr in der Luft
förmlich spüren und greifen, aber selbst seine Axt
vermochte nichts dagegen zu tun.
Faramir war an Thranduils Seite
geritten und die beiden redeten leise miteinander, aber Gimli konnte
kein Wort verstehen, doch er hoffte doch inständig, dass sie
endlich etwas unternehmen würden, denn er konnte dieses
bedrückende Warten nicht länger ertragen.
Merry und
Pippin erging es nicht besser, sie warfen immer wieder einen Blick
auf Faramir und den Elbenkönig, doch sie konnten auch nichts
ausmachen, was auf eine Einigung schließen ließ. Merry
seufzte.
"Wenn nicht endlich etwas geschieht, werde ich
alleine Losreiten und unsere Freunde suchen! Es muss endlich etwas
geschehen, sonst wird diese Finsternis noch alles verschlingen und
nie wieder verschwinden!"
"Du hast Recht, Merry! Unsere
Freunde brauchen uns, aber alleine können wir nichts ausrichten!
Aber gib die Hoffnung nicht auf! Faramir wird etwas unternehmen, ganz
gleich was Thranduil tun wird. Ich vertraue ihm und er wird unsere
Freunde nicht mehr im Stich lassen! Ihm wird schon etwas
einfallen!"
Gimli schnaubte zustimmend, denn er würde
auch alles tun, um Legolas wieder bei sich zu haben und sich endlich
bei ihm entschuldigen. Er fragte sich immer noch, wie er nur auf
diese Lügen hereingefallen war und die Sorge um den Elben war
unerträglich.
Doch im Moment konnten sie nur abwarten, dass
Faramir etwas erreichte.
Pallando hielt das Schwert Anduril in den Händen und versuchte einen Hinweis zu finden, um die Kräfte des Schwertes endlich entfesseln zu können. Unzählige Versuche hatte er nun schon unternommen, aber all seine Zauberformeln hatten nichts bewirkt, das Schwert blieb immer noch matt und stumpf und lag nicht gut in seiner Hand. In den Kampf mit den Orks, den er durch den Palantir beobachtet hatte, hatte das Schwert in der Hand von König Elessar jedoch gefunkelt und gestrahlt und seine Klinge hatte vielen dieser abscheulichen Wesen den Tod gebracht. Es hatte wie eine natürliche Verlängerung des Schwertarms gewirkt und selbst dem geschwächten König genug Kraft gegeben, seine Gegner abzuwehren. Mit diesem Schwert in seinen Händen könnte er die Völker in die Knie zwingen, ganz gleich, wer sie führte, denn sie wussten, wem es gehörte und das der rechtmäßige Besitzer in seiner Gewalt war.
Als es an der Türe klopfte, ließ der
Magier das Schwert sinken und auf seinen Befehl hin trat König
Eomer ein, oder besser gesagt, dass, was von ihm noch übrig war.
Er war vielmehr nur noch eine körperliche Hülle ohne
eigenen Willen, der alles von seiner eigenen Persönlichkeit
verloren hatte.
Stumm und teilnahmslos nahm er Pallandos
Anweisungen entgegen und machte sich umgehend auf den Weg, um die
vier Flüchtigen zu suchen, denn Pallando war bewusst geworden,
dass er einen großen Fehler gemacht hatte, als er sie hatte
ziehen lassen. Dieser Faramir würde bestimmt nichts tun, dass
das Leben seiner Frau gefährdete und dieser Elb war der Sohn des
Königs aus Düsterwald! Wie hatte er nur so dumm sein
können?
Pallando wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem
Schwert zu und er merkte nicht, dass Eomer sich noch einmal umdrehte,
um sich noch einmal vor seinem Gebieter zu verbeugen. Als sein
verklärter Blick auf Anduril fiel, blitzte kurz der Kerzenschein
auf der Klinge auf und er verharrte, die Augen unverwandt auf das
Schwert gerichtet. Bilder traten vor sein inneres Auge, in denen ein
Mann das Schwert in der Hand hielt, in einem Kampf gegen eine
Übermacht an Feinden. Und dann fiel sein Blick auf einen
weiteren Mann, der an dessen Seite kämpfte..., er selbst!
Diese Erinnerung ließ ihn schwanken und er stützte sich am Türrahmen ab. Hastig sah er auf den Magier, doch dieser war so in Gedanken, dass er ihn nicht mehr wahrnahm und Eomer schlich sich aus dem Raum und schloss leise die Türe. Er schüttelte den Kopf, um die Verwirrung zu vertreiben und im nächsten Augenblick war die Erinnerung verflogen und er machte sich auf die Suche.
Legolas war der Erste, der die Schritte auf
dem Gang vernahm, aber es dauerte nicht lange, da wurde auch Eowyn
ihrer gewahr und suchte den Blick des Elben. Frodo war wieder
eingeschlafen, geschwächt von der Verletzung und Strapazen der
langen Suche und jetzt lag er eng an Sam gekuschelt in dem großen
Bett.
Legolas schlich zur Türe und wagte einen Blick den Flur
hinunter und seine Befürchtungen wurden bestätigt.
Eine
kleine Gruppe Orks durchsuchten die Zimmer in den Fluren und es würde
sicherlich nicht lange dauern, dann würden sie auch hier
ankommen.
Legolas stieß einen unterdrückten Fluch aus
und schloss dann die Türe wieder, als er sich zu Eowyn umdrehte,
stand sie bereits hinter ihm, eine der Fackeln kampfbereit in der
Hand und Legolas nickte ihr kurz zu, bevor er sich ebenfalls nach
einer Waffe im Zimmer umsah.
Er entdeckte einen Schürhaken
neben dem Kamin und nachdem sich Eowyn hinter der Türe verborgen
hatte, stellte er sich mit erhobener Waffe an die Wand, um den ersten
Ork niederzustrecken, der den Kopf durch die Türe stecken
würde.
Minuten verstrichen, doch dann hörten sie die
rauen, knurrenden Stimmen der Orks und langsam wurde die Türe
aufgedrückt.
Augenblicklich traf Legolas' Schlag den Führer
der Gruppe und er hatte gerade noch genug Zeit, dem Schwertstreich
des nächsten auszuweichen und er sprang zur Seite. Eowyn stürmte
von hinten auf die Gruppe los und steckte zwei Orks die Kleidung in
Brand, die daraufhin kreischend im Zimmer herumrannten und wie
verrückt versuchten, die Flammen auszuklopfen.
Frodo und Sam
wurden von den Schreien geweckt und ein Blick genügte, um die
Situation zu erfassen und sofort zu reagieren. Frodo stürzte
sich auf Legolas' Angreifer und schlug mit den Fäusten auf
dessen Rücken ein, wobei er sich an dessen Wams festklammerte
und versuchte, nicht von ihm herunter zu rutschen. Durch den Hobbit
abgelenkt, verschaffte dies Legolas wieder Zeit, um auf die Füße
zu kommen und er stieß den Schürhaken in das Herz des
Gegners, der daraufhin in sich zusammensank.
Eowyn hatte eines
der Schwerter ergriffen, die die brennenden Orks fallen gelassen
hatten und hatte diese mit wenigen Hieben getötet. Der letzte
Kämpfer der Truppe hatte sie nun angegriffen und gemeinsam mit
Sam wehrten sie die Schläge ab und drängten ihn immer näher
an das Fenster, bis ein letzter Stoß den Ork über die
Brüstung in die Tiefe fallen ließ.
Schwer atmend
standen die Freunde im Zimmer, alle noch von dem plötzlichen
Kampf erschöpft. Es stank nach versenkten Haaren und Fleisch,
der in ihnen Übelkeit erregte und sie aus ihrer Erstarrung riss.
Legolas durchsuchte die Toten nach Waffen und diese drückte er
den Hobbits und Eowyn in die Hände. Jeder erhielt ein Schwert
und Eowyn noch einen Dolch, Legolas selber nahm zwei lange
Kampfdolche an sich, die er sich in den Gürtel steckte, denn im
Nahkampf war er der Schnellste. So ausgerüstet wollten sie sich
gerade auf den Weg machen, als sie wieder Schritte vernahmen. Stumm
wies der Elb ihnen Plätze zu und sie verbargen sich in dem
Zimmer, gespannt und kampfbereit.
Erst fiel ein großer
Schatten in das Zimmer und verharrte einen Moment in der Türe,
als die Person dann einen Schritt herein wagte, stürmte Legolas
auf sie zu, bereit, ihr das Schwert in die Rippen zu stoßen.
Frodo
und Sam sahen den Elben, doch dieser riss plötzlich erschrocken
die Augen auf und bremste seinen Schwung ab, als er den Freund
erkannte. Eomer reagierte schnell, zog einen Dolch und Eowyn schrie
erschrocken auf und rannte auf ihn zu. Er hatte sich auf Legolas
gestürzt, der nun unter ihm lag und verzweifelt versuchte, die
Hand mit dem Dolch davon abzuhalten, sich in seine Brust zu
senken.
Zweifellos erkannte er Legolas nicht und setzte alles
daran, ihn zu töten, doch Eowyn zögerte nicht. Sie warf
sich gegen ihren Bruder und beide fielen zur Seite. Legolas und Eowyn
waren blitzschnell wieder auf den Füßen, ergriffen Eomers
Schultern und drückten ihn auf den Boden und Eowyn rief immer
wieder seinen Namen.
"Eomer! Eomer! Wir sind es! Erkennst du
uns denn nicht? Komm zu dir! Eomer!"
Frodo und Sam sahen
fassungslos zu, wie Eomer sich wehrte und dabei durch die Freunde
hindurch zu blicken schien, die all ihre Kraft aufbringen mussten, um
ihn zu halten. Alle Bemühungen von Eowyn ihn wieder daran zu
erinnern, wer sie waren, blieben erfolglos und so blieb Legolas bald
keine andere Wahl und er schlug Eomer bewusstlos.
Eowyn standen
die Tränen in den Augen, denn sie war völlig verzweifelt,
dass es ihnen nicht gelungen war, Eomer von dem Bann zu befreien, der
ihn gegen sie aufbrachte. Sie sah stumm dabei zu, wie Legolas ihn
fesselte und knebelte und ihn dann auf das Bett hob und dann richtete
er sich an Eowyn.
"Wir müssen ihn hier lassen, aber ich
bin mir sicher, dass ihm nichts geschehen wird! Wenn wir Gandalf und
Aragorn erst befreit haben, wird Gandalf ihm sicher helfen können.
Mache dir keine Sorgen, Eowyn!"
Sie war unfähig, etwas
darauf zu erwidern, sondern nickte nur kaum merklich mit dem Kopf und
nachdem Legolas einen Blick in den Flur geworfen hatte, brachen sie
auf.
"Gandalf!" Aragorn sah zu dem Zauberer
auf und versuchte sich aufzurichten, doch gleich darauf zuckte er
zusammen, als ein scharfer Schmerz durch seine Brust schnitt.
"Schön,
dass du endlich wach bist, mein Lieber! Du hast dich schließlich
lange genug ausgeruht und mich hier alleine mit den Magiern
verhandeln lassen!" Gandalf versuchte ein Lächeln, doch
Aragorn sah auch die Sorge und die ehrliche Erleichterung in seinem
Blick. Aragorn ergriff die helfende Hand des Zauberers und richtete
sich auf, biss die Zähne zusammen und presste eine Hand gegen
seinen Brustkorb, um den Schmerz zu lindern.
Gandalf stellte fest,
dass er immer noch völlig erschöpft aussah und große
Schmerzen zu haben schien. Sein Gesicht war bleich, sein Haar wild
zerzaust und auf seiner Stirn glänzte ein dünner
Schweißfilm.
Als Gandalf ihm einen Becher Wasser reichte,
zitterte seine Hand und das Brot, dass er ihm anbot lehnte er mit
einem gedämpften Laut des Ekels ab.
"Wie lange war ich
bewusstlos? Und wo sind die anderen, Gandalf?", fragte er
schließlich und fuhr sich mit allen zehn Fingern durchs Haar,
dann nahm er das Wasser und wusch sich Gesicht und Hände.
Das
kühle Nass erfrischte ihn etwas und half ihm, wieder einen
klaren Gedanken zu fassen. Er sah Gandalf erwartungsvoll an, eine
Antwort abwartend und dann räusperte sich dieser.
"Ich
schätze, dass seid dem Kampf mit Pallando ein Tag vergangen ist.
Genau kann ich es nicht sagen, denn die Sonne ist nicht mehr
aufgegangen! Pallando hat Iarfalath entfesselt und das ganze Land mit
der Dunkelheit überzogen. Legolas, Eowyn und die Hobbits hat er
ziehen lassen, aber ich vermute, dass er sie inzwischen wieder sucht,
denn er hat wohl erkannt, wen er hat so einfach ziehen lassen. Das
ist auch zum Teil meine Schuld, aber es war der Preis für deine
Rettung! Ich kann nur hoffen, dass sie bereits weit genug weg
waren."
Er berichtete Aragorn auch noch von den Elben aus
Düsterwald und Eowyns Bericht bezüglich Eomer, was Aragorn
mit Bestürzung und Sorge aufnahm.
Als der Zauberer
endete, brauchte Aragorn ein paar Minuten, um sein Gleichgewicht in
seinem Inneren wieder herzustellen, denn eine Woge von Gefühlen
drohte ihn zu überrollen. Es dauerte, bis er endlich wieder dem
Blick des Freundes begegnete.
"Was können wir tun?",
verlangte er zu wissen. "Wie können wir Pallando und Alatar
besiegen und Eomer aus ihrem Bann befreien, ohne das er zu Schaden
kommt? Sprich, Gandalf!"
Gandalf zögerte mit seiner
Antwort, doch dann merkte er, dass Aragorn ohnehin keine Ruhe geben
würde, bevor er alles wusste – er hatte bereits zu viel
gesagt, als dass er jetzt noch etwas hätte verbergen können.
"Es
ist nur eine Vermutung, aber ich denke, es hat mit den Palantir zu
tun! Die Magier sind die Meister der Steine und können durch sie
ihre Kräfte von Feuer und Eis einsetzen. In Eomer haben sie die
Kälte entfacht und in dir die Hitze! Ich fürchte, nur wenn
wir die Steine vernichten können, wird der Bann gebrochen der
auf euch liegt, aber dann werden sie ihre Kräfte dennoch
einsetzen können! Um Iarfalath zu besiegen, wird wohl eine
andere Macht von Nöten sein, aber ich hoffe, dass mir dieses
Schicksal erspart bleibt. Das letzte mal, als ich die Flamme von Anor
heraufbeschwor und gegen die dunklen Feuer ankämpfte, hat es
mich fast das Leben gekostet."
Aragorn konnte sich nur zu gut
an den Kampf mit dem Balrog erinnern und legte Gandalf mitfühlend
die Hand auf den Arm.
"Diesmal stehst du nicht allein! Ich
lasse mich nicht wieder von dir fortschicken, mit vereinten Kräften
können wir es schaffen!"
Gandalf seufzte und sah Aragorn
an – genau diese Antwort hatte er erwartet, aber auch gefürchtet,
denn er kannte den Freund zu gut, um nicht zu wissen, dass er dabei
keine Rücksicht auf sich selber nehmen würde.
