Zwanzigster Abschnitt

Faramir führte eine Gruppe Elbenkrieger sicher durch die Schluchten und Felsen auf die Festung zu, so weit, bis sie nur noch einige Felsvorsprünge zwischen sich und den ersten Ork–Truppen hatten, die die Burg bewachten.
Auf sein Zeichen hin, verbargen sich die Elben hinter großen Felsbrocken und Faramir kletterte noch etwas höher, um eine bessere Sicht zu haben, damit er ihre Chancen und Möglichkeiten zum Kampf besser auskundschaften konnte. Doch auch wenn die Orks in der Überzahl sein würden, würde einen Angriff wagen, denn er wollte jetzt nicht mehr umkehren, nicht, bevor er Eowyn und die anderen in Sicherheit wusste. Es hatte ihm schon viel zu lange gedauert, bis er Thranduil davon überzeugt hatte, dass sie endlich handeln mussten. Das er es geschafft hatte, kam ihm immer noch wie ein Wunder vor und jetzt konnte er die restlichen Elbenkrieger rings um die Festung im Gebirge ausmachen, die er selbst nur unter der größten Anstrengung erkannte, so gut vermochten sie es, sich zu verbergen.

Die Wachposten waren eine Schar von etwa zweihundert Orks, doch es durfte ein leichtes sein, sie zu überwältigen und in den Hof zu gelangen, noch bevor der Kampflärm weitere Truppen auf den Plan rief. Faramir hoffte, dass es ihm, Gimli und den Hobbits gelingen würde, sich einen Weg bis zum Hauptgebäude freizukämpfen und dann zu den Räumen zu gelangen, in denen die Freunde gefangen waren. Dann musste nur noch das Glück auf ihrer Seite sein und er konnte Legolas und Eowyn befreien, die mitgebrachten Waffen geben und die Magier vernichten. Die Orks waren die Sache der Elben. Sie sollten sie so beschäftigen, dass sie von ihrem Ziel abgelenkt waren und nicht auch noch in den Kampf eingreifen konnten, denn ansonsten wären sie einer zu großen Übermacht ausgeliefert.
Faramir hatte genug gesehen und kehrte zu den Hobbits und Gimli zurück, um auf das vereinbarte Zeichen des Elbenkönigs zu warten, damit sie überraschend ihren Angriff starten konnten.
Minuten verstrichen, in denen sich keiner der Gruppe auch nur rührte und Faramir fragte sich schon, wann Thranduil endlich das Zeichen zum Kampf geben würde, als der schrille Pfiff endlich die Stille zerriss und sie stürmten augenblicklich los.

Legolas vernahm die Kampfaufforderung seines Vaters selbst in dem schmalen Gang im inneren der Festung und blieb abrupt stehen und wandte sich mit Erleichterung zu den Freunden um.
"Hört! Unser Volk hat die Festung erreicht und eröffnet den Kampf! Endlich ist die Unterstützung gekommen, den Valar sei Dank!"
Sofort beschleunigten sie ihren Marsch, um schnellstmöglich zu Aragorn und Gandalf zu gelangen, denn jetzt würde es sicherlich nicht mehr lange dauern, bis Pallando und Alatar auf den Angriff reagieren würden und dann waren die beiden Freunde bestimmt ihr erstes Ziel! Bald konnten Frodo und Sam nur noch mit Mühe Schritt halten und fielen hinter Legolas und Eowyn zurück.
Legolas hielt plötzlich erneut inne und nachdem die Hobbits wieder aufgeschlossen hatten, hörten auch sie, was den Elb zum Warten veranlasst hatte. Sie befanden sich jetzt unmittelbar an der Stelle, wo sie das Versteck erreichten, wenn sie um die nächste Ecke gingen und sie vernahmen deutlich Stimmen. Ein rascher Blick um die Ecke, bestätigte Legolas verdacht und er stieß leise einen elbischen Fluch aus und wandte sich dann an Eowyn.
"Drei Uruk-hai! Das ist zu schaffen!"
Eowyn und Legolas atmeten noch einmal tief durch und bedeuteten Frodo und Sam zurück zu bleiben, dann traten sie mit entschlossenen Schritten um die Ecke.

Noch bevor die drei Wachposten sie überhaupt richtig erblickt hatten, fand der erste bereits durch einen Dolch, den Legolas zielsicher geworfen hatte, den Tod und brach mit einem letzten gurgelnden Seufzer zusammen. Die beiden Anderen zogen ihre Schwerter und Eowyn und der Elb griffen erbarmungslos an.
Legolas wehrte mit seinem Schwert einen Hieb des Uruk-hai ab und stieß gleichzeitig seinen Dolch in dessen Kehle und Eowyn hatte ihren Gegner auch mit wenigen Streichen entwaffnet und stieß dann mit ihrer ganzen Kraft zu und durchbohrte dessen Brust. Sie riss ihr Schwert zurück und sah regungslos dabei zu, wie der Uruk-hai ein letztes Mal keuchte und dann sank sein Kopf zur Seite.
Legolas rief nach den Hobbits, die sogleich angelaufen kamen und gemeinsam betraten sie mit klopfenden Herzen den Raum. Sie brauchten einen Moment, um sich an das dämmrige Licht zu gewöhnen, doch dann nahmen sie die Umgebung schemenhaft wahr und ließen die Schwerter sinken, die sie kampfbereit erhoben gehalten hatten.
Das Zimmer war leer – Aragorn und Gandalf waren verschwunden...

Als Gandalf und Aragorn den Kampflärm im Hof vernahmen, wechselten sie erleichterte Blicke und mit Unterstützung von Gandalf kam Aragorn auf die Füße.
Er lehnte den dargebotenen Arm als Stütze ab und hatten fast den Ausgang erreicht, als hinter ihnen die Türe aufgerissen wurde und die beiden Magier hereinstürzten, gefolgt von einigen Orks, die sich umgehend auf sie warfen. Aragorn schaffte es gerade, die ersten Schläge abzuwehren, doch dann traf ihn ein Schlag in die Seite und er krümmte sich zusammen. Seine Arme wurden gepackt und nach hinten gezogen und noch bevor er sich etwas von dem Schmerz erholt hatte, waren seine Hände gefesselt und er wurde fort gezerrt.
Gandalf traf einer der unsichtbaren Fäden Pallandos, der ihn einschnürte und jeden Versuch vergeblich machte, sich zur Wehr zu setzen und er musste mit ansehen, wie Aragorn überwältigt wurde und dann wurde er hinter ihm aus dem Raum geführt.

Pallando und Alatar führte die Gruppe an und in ihren Gesichtern stand ihr ganzer Zorn und Hass, der Gandalf zeigte, dass sie sich auf das Schlimmste gefasst machen mussten. Er warf einen Seitenblick auf Aragorn, der unbarmherzig mitgeschleift wurde und sich bemühte, mit seinem Bewacher die Geschwindigkeit zu halten und gegen die Schmerzen anzukämpfen, die bei jedem hinkendem Schritt durch seine Seite fuhr.
Sie wurden durch einige Gänge geführt und dann blieben sie in einer Sackgasse stehen, doch ein gezielter Handgriff von Alatar genügte und eine Geheimtüre schwang auf. Ein schwarzes Loch tat sich vor ihnen auf, in das eine steile Treppe hinunter führte und als auch der letzte Ork durch die Türe getreten war, schwang sie geräuschlos zu und die Dunkelheit umfing sie.
Gandalf wurde geschubst und geschoben und hätte mehr als einmal fast das Gleichgewicht verloren und fragte sich besorgt, ob die Orks genauso unsanft mit Aragorn verfuhren und ein gedämpftes aufkeuchen des Freundes bestätigte seinen Verdacht.
Eine endlose Zeit verstrich, bevor Gandalf einen schwachen Schimmer in einiger Entfernung ausmachen konnte und einen leichten Hauch von frischer Luft spürte, der darauf schließen ließ, dass sie das Ende der Treppe erreichten. Sie gelangten kaum auf festen Boden, als sie durch einen schmalen Durchlass gezogen wurden und in eine Höhle traten, deren Anblick Gandalf die Sprache verschlug.

Die Höhle wölbte sich kuppelförmig über ihnen so hoch, dass sich das Dach in Dunkelheit verlor, uns sie erstreckte sich weit in das innere des Berges. Gandalf kam sich der riesigen, hoch aufragenden Höhle zwergenhaft klein vor. Aber nicht nur die Größe fesselte ihn, sonder am Meisten der Glanz, der von den Fackeln von unzähligen Kristallbrocken in den Wänden zurückgeworfen wurde und um sie herum funkelte und glitzerte und selbst der Höhlenboden war von unzähligen zerbrochenen Kristallen und Edelsteinadern bedeckt.
Die Horde Orks führte ihn hinter Aragorn in den hinteren Winkel einer kleinen Ausbuchtung und stieß die beiden einfach zu Boden. Aragorn, der durch seine Fesseln seinen Aufprall nicht abfangen konnte, schlug hart auf die Seite und unterdrückte ein Aufstöhnen, mühte sich aber soweit wieder hoch, dass er sich an die Wand lehnen konnte. Wortlos durchtrennten die Orks dann seine Fesseln und entfernten sich, wobei sie grunzende Laute ausstießen. Gandalf setzte sich an seine Seite und gemeinsam beobachteten sie, was sich vor ihnen abspielte.

Ein Sockel aus schwarzem Gestein erhob sich nicht unweit von ihnen und Pallando schritt darauf zu und legte behutsam den Palantir darauf, Alatar, den sie bisher kaum beachtet hatten, trat neben ihn und reichte ihm etwas. Erst als er zur Seite ging, gab er den Blick darauf frei und Aragorn setzte sich umgehend aufrecht, als er Anduril erblickte. Bisher hatte er angenommen, es wäre in die Tiefe gestürzt und unwiederbringlich verloren, es jetzt hier in den Händen des Magiers zu sehen, rief Freude, aber auch Besorgnis in ihm wach. Er mochte sich nicht ausdenken, was die Kräfte des Schwertes in den falschen Händen für Unheil anrichten konnten und er wechselte einen Blick mit Gandalf, der das Gleiche zu denken schien.

Aragorn musste das Schwert wieder an sich bringen, egal wie, denn er fühlte ganz deutlich, dass er nur damit Gandalf zur Seite stehen konnte, wenn sie den Magiern und Iarfalath gegenüber treten würden. Außerdem benötigten sie Gandalf Stab, der immer noch von Alatar gehalten wurde und Aragorn begann zu überlegen, wie es ihnen gelingen konnte, ihre Waffen wieder an sich zu bringen. Er ließ seinen Blick über die Orks und Uruk-hai Horden schweifen, die sich in der Höhle versammelt hatten. Es waren um die Hundert, denn die restlichen Truppen waren alle in den Kampf geschickt worden, um die Elben abzuwehren, dennoch war das eine Übermacht! Selbst wenn es ihm gelang, an Anduril heran zu kommen, würde er keine Chance haben, nicht, solange sie alleine ihren Feinden gegenüber standen. Sie konnten nur hoffen, dass sie gefunden wurden und es ihnen mit Hilfe der Elben gelang, die Feinde zu überwältigen. Bis dahin waren sie zur Untätigkeit verbannt.

Niedergeschlagen und erschöpft lehnte er sich wieder zurück und Gandalf entging dabei nicht, dass er kurz zusammenzuckte und sein Gesicht vor Schmerz verzog. Der Zauberer beugte sich zu ihm herüber und sah ihn prüfend in die Augen.
"Du solltest versuchen etwas zu schlafen. Im Augenblick können wir nichts ausrichten und der lange Marsch war nicht gut für dich. Ich werde dich wecken, wenn sich etwas regt."
"Selbst wenn ich wollte, könnte ich keinen Schlaf finden, alter Freund! Nicht, solange ich weiß, dass diese Magier unser Volk und unsere Freunde bedrohen! Ich sollte jetzt bei ihnen sein und kämpfen, aber ich habe sie wieder alleine gelassen... so wie Boromir! Ich hätte Eowyn nicht alleine losschicken dürfen, vielleicht hätten wir es dann geschafft, die anderen zu erreichen und Pallando hätte uns niemals in seine Gewalt gebracht, ich hätte erst gar nicht alleine mit Legolas losziehen dürfen, sondern auf die anderen hören sollen und Hilfe ersuchen sollen, dann wäre meinen Freunden viel Schmerz und Leid erspart worden. Ich bin es nicht länger wert, der König von Gondor zu sein!" Aragorn senkte bedrückt den Kopf, unfähig dem Blick von Gandalf zu begegnen.
"Sei kein Narr, Aragorn!", stieß dieser aufgebracht aus. "Du hast nur deshalb so gehandelt, weil du es für das Beste erachtet hast und weil du mir helfen wolltest! Wir sind alle betrogen worden und in geschickt gelegte Fallen gelaufen, die niemand erahnen konnte. Pallando hat es bestens verstanden, unseren Bund zu schwächen und du warst der Einzige, der sich mit all seinem Willen dagegen aufgelehnt hat und es fast mit dem Leben bezahlt hat! Lass dir dein Herz nicht schwer machen, von Lüge und falschen Behauptungen. Du hast dir nicht das Geringste vorzuwerfen!"
"Ach nein? Und was ist mit Boromir? Ich hätte mich seiner mehr annehmen müssen und ihm helfen müssen, der Versuchung des Rings zu widerstehen! Dann hätte ich sein Schicksal abwenden können und er hätte nicht alleine gestanden, als die Uruk-hai angriffen!" Aragorn konnte den Zorn auf sich selbst nicht in seiner Stimme verbergen und seine Augen funkelten Gandalf
herausfordernd an.
"Und dafür vielleicht mit deinem Leben bezahlt!", erwiderte dieser nun ebenso heftig. "Aragorn! Gegen die Verlockung von Saurons dunkler Macht warst du ebenso hilflos wie wir alle! Du hast den richtigen Weg gewählt und das Leben von Frodo geschützt. Du konntest nicht gleichzeitig an beiden Orten sein! Boromir war ein guter Krieger und er ist aus freier Stücken mit euch gegangen! Er wusste auf welches Risiko er sich einließ und doch hat er nicht gezögert! Er hat dich als seinen König anerkannt und dir vertraut – verliere jetzt nicht dein Vertrauen in dich selbst!"
"Aber Faramir...!" Aus seinem Gesicht verschwand die Härte und es nahm einen betrübten Ausdruck an, der nur zu deutlich zeigte, wie nah ihm Faramirs Vorwurf gegangen war.
"Faramir wusste nicht, was er sprach! Er war nicht er selbst, Pallando hat ihn geblendet und dunkle Gedanken in ihn gesät. Er liebt und achtet dich, dass weiß ich ganz genau und er würde dich nie absichtlich so verletzen!" Gandalf legte ihm vertrauensvoll die Hände auf den Arm und lächelte milde. Aragorn war durch seine Worte in Schweigen versunken und man konnte ihm deutlich anmerken, dass er über sie nachdachte, doch immer noch schien er an sich zu zweifeln und Gandalf wusste, dass nichts auf der Welt die Schuldgefühle wegen Boromir ganz auslöschen würde. Sie würden immer ein Teil von ihm sein, ebenso der Schmerz des Verlustes.
Gandalf merkte, dass Aragorn nun einige Zeit brauchte, um seine Gefühle zu ordnen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Treiben in der Höhle zu, doch auch er war noch sehr aufgewühlt und seine Gedanken kreisten immer noch und er schloss müde die Augen.

Die Schlacht tobte innerhalb der Festungsmauern und die Elben hielten mit all ihren Kräften der Abwehr stand, um Faramir, Gimli und den Hobbits die Zeit zu verschaffen, die sie benötigten.
Es war ihnen gelungen, sich bis zu der Türe durchzukämpfen und auch ein beträchtliches Stück der Festung zu durchkämmen, aber immer wieder stießen sie dabei auf vereinzelte Ork-Gruppen und mussten sich kleinere Kämpfe liefern. Gimlis Axt vernichtete dabei eine Unmenge an Feinden, denn er wurde von der Sorge um Legolas getrieben und wollte keine wertvolle Zeit verschwenden, sodass er noch verbissener kämpfte als sonst. Immer tiefer drangen sie in die Burg ein und erreichten bald auch den Teil der Festung, in dem sich Legolas und Eowyn mit Frodo und Sam versteckt gehalten hatten.
Merry war der Erste, dem der Gestank nach verbranntem Fleisch in die Nase stieg und bald nahmen ihn auch die Anderen wahr, bis sie die Übelkeit überkam, denn der Geruch wurde unerträglich. Faramir folgte ihm dennoch und gelangte schließlich an das Zimmer und stieß die Türe auf.

Mit einem kurzen Blick hatte er die Quelle des Gestanks ausgemacht und ein weiterer ließ ihn auf dem Bett verharren und er stürmte auf die Gestalt zu, die sich geknebelt und gefesselt darauf hin und her wand.
"Êomer!", flüsterte er und blieb regungslos in der Türe stehen. Merry und Pippin traten an seine Seite und als sie den Freund erblickten, wollten sie gleich loslaufen, um ihn zu befreien, aber Faramir hielt sie zurück.
Merry wollte gerade verwundert protestieren, als Faramir das Wort an sie richtete.
"Er wurde von keinem Ork gefesselt! Seht euch die Art und Weise der Knoten an, die ihn binden! Das ist eindeutig Legolas' Werk! Êomer muss unter dem Bann der Magier stehen, denn er war es, der mich gegen Aragorn aufgebracht hat!"
"Aber wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen!" Pippin konnte es nicht fassen.
"Uns bleibt keine andere Wahl! Mitnehmen können wir ihn jedenfalls nicht, es würde uns viel zu lange aufhalten! Kommt, wir müssen die weiter!"

Merry und Pippin äußerten noch einige Zeit ihren Unmut, doch ein grimmiger Blick von Gimli ließ sie schließlich verstummen. Diesem hatte die Erklärung von Faramir überzeugt, aber noch mehr die Tatsache, dass Legolas derjenige gewesen war, der den Freund gefesselt hatte. Der Elb wusste ganz genau was er tat und das alleine hatte ihn schon überzeugt.
So setzten sie schweigsam ihren Weg fort und hofften inständig, dass sie die Freunde bald finden würden.

Eowyn und Legolas hatten einige Mühe gehabt, Frodo und Sam ihre Hoffnungslosigkeit wieder zu vertreiben, denn die Besorgnis um Gandalf und Aragorn hatte sie zur Verzweiflung getrieben. Sie hatten einfach nicht mehr die Kraft gehabt, auch nur noch einen Schritt zu tun, denn sie waren überzeugt davon gewesen, dass sie zu spät gekommen waren.
Erst als Legolas einige Bluttropfen im Gang entdeckt hatte, die eine kleine Spur bildeten, hatten sie sich schwerfällig auf die Füße gekämpft und waren ihnen wieder gefolgt. Immer wieder blieb der Elb stehen und bückte sich, um die Spuren besser zu erkennen und hin und wieder tupfte er etwas Blut mit den Fingerspitzen auf und zerrieb es prüfend.

Als sie das Ende eines Ganges erreichten, der in einer Sackgasse endete, fluchte er unterdrückt und ging abermals in die Hocke. Eine Weile verharrte er regungslos, doch dann wandte er sich zu den Anderen um.
"Hier ist die Spur noch frisch und es hat sich eine kleine Lache gebildet. Sie müssen hier einen Moment verweilt haben! Dann führt die Spur geradewegs auf die Mauer zu und es gibt sonderbare Schleifspuren auf den Steinen. Ich vermute, dass sich hier eine Geheimtüre befindet! Seht euch um und überprüft alles ganz genau – irgendwo muss es einen Mechanismus geben, der sie öffnet!"

Sofort begannen alle mit der Suche, bis Eowyn endlich etwas fand. Ein Stein in der Mauer war blank gescheuert und glatt und ein leichter Druck genügte und die Wand schwang knirschend auf. Legolas zögerte nur einen Augenblick, dann betrat er die Treppe und Frodo und Sam folgten. Eowyn ging als Letzte und zog die Türe hinter sich wieder zu, um sicher zu gehen, dass ihnen so leicht niemand folgen konnte.

Irgendwann waren Gandalf und auch Aragorn entkräftet eingeschlafen, doch Aragorn fand keine Erholung darin. Wieder und wieder tauchten die verschiedensten Erinnerungen in ihm auf und bald vermischten sie sich zu einem wirren Durcheinander, dass ihn Alptraumhaft verfolgte.

Er sah sich wieder auf der kleinen Lichtung, sah Boromir vor den Füßen des Feindes knien, von Pfeilen durchbohrt, doch als dieser den Kopf hob, wandelte sich das Gesicht in das von Faramir. Aragorn rannte los, doch er schien keinen Schritt vorwärts zu kommen. Er sah, wie der Uruk-hai die Armbrust spannte, den Bolzen auf Faramir richtete, hörte das kurze surrende Geräusch, als der Pfeil abgeschossen wurde...und sein Ziel traf!

Ein Schrei entfuhr seiner Kehle, erfüllt von Schmerz und Trauer und Gandalf war augenblicklich an seiner Seite und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Brust. Die Berührung holte ihn aus seiner letzten Benommenheit und er richtete sich mühsam auf und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Dabei fiel sein Blick auf Pallando, der ihn mit einem eisigen Blick fixierte und dann langsam auf sie zukam.
"Was ist, Elessar? Geht es euch nicht gut? Ihr wirkt recht blass! Habt ihr etwa Schmerzen?"
Der Magier beugte sich zu ihm herunter und ergriff Aragorns verletzten Arm, wobei er seine Finger fest in den Verband drückte und mit Genugtuung beobachtete, wie sich Aragorn vor Schmerz anspannte, doch dieser hielt den Blick auf ihn gerichtet, unbeugsam und herausfordernd und verunsichert gab Pallando schließlich den Arm frei.

Erst als der Magier sich ein Stück entfernt hatte, keuchte Aragorn auf und presste den Arm an seine Brust, der wieder zu bluten begonnen hatte. Gandalf schob behutsam aber entschieden seine Hand beiseite, die den Arm umklammerte, doch Aragorn hielt ihn zurück und schüttelte den Kopf.
"Es wird schon vergehen! Du kannst ohnehin nichts weiter tun!" Es dauerte einige Zeit, bis Aragorn fühlte, wie der Schmerz verging und er atmete erleichtert auf.
Gandalf legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter und reichte ihm etwas Wasser, warf dann aber gleich wieder einen zornigen Blick auf die Magier, die sich über den Palantir gebeugt hatten.
"Sie schmieden wieder eine Teufelei gegen unsere Freunde, ich spüre es! Ich muss unbedingt an meinen Stab heran und das Schlimmste verhindern! Zu viel Zeit ist schon verstrichen und sie konnten ungehindert ihre dunklen Ränke schmieden!"
Aragorn folgte Gandalfs Blick und die Sorge um die Freunde ergriff auch von ihm erneut Besitz und ohne über die weiteren Folgen nachzudenken fasste er einen Entschluss.
"Worauf warten wir dann noch? Komm, rasch!"

Die Orks und Uruk-hai waren sich zu sicher gewesen, dass ihre beiden Gefangenen sich nicht auflehnen würden und in keiner Weise darauf vorbereitet, was in den nächsten Augenblicken geschah.
Aragorn hatte den Dolch, der die ganze Zeit über in seinem ledernen Armschutz gesteckt hatte, fast selbst völlig vergessen und sich seiner erst wieder erinnert, als Pallando ihn an seinem Arm ergriffen hatte, dessen Klinge dabei in seine Haut geschnitten hatte.
Aragorn kam hoch, zog Gandalf an seine Seite und näherte sich dann fast lautlos dem einsamen Wachposten, der mit dem Rücken zu ihnen stand. Mit einer schnellen, fließenden Bewegung schnitt er ihm die Kehle durch und fing den leblosen Körper auf, der sofort in sich zusammensank. Er ließ ihn zu Boden gleiten und setzte seinen Weg fort, ohne Gandalfs Versuch zu beachten, ihn von seinem aussichtslosen Vorhaben abzuhalten.

Fast hatte er die Magier erreicht und wollte Alatar von hinten packen, als ein fürchterlicher Aufruhr in der Horde Orks losbrach, die dem Eingang der Höhle am nächsten stand.
Pallando wirbelte herum, erblickte Aragorn und reagierte blitzschnell. Er riss die Hand in Aragorns Richtung empor, um ihn wieder mit seiner unsichtbaren Macht anzugreifen, aber Aragorn ließ sich instinktiv auf den Boden fallen, rollte sich ab und kam wieder auf die Füße. Wo er eben noch gestanden hatte, splitterte das Gestein, als etwas hart darauf einschlug und scharfe Bruchstücke flogen umher und hinterließen kleine Schnitte in Aragorns Haut, wo sie ihn trafen.
Alatar war so erschrocken, dass er Gandalfs Stab fallen ließ und schützend seine Arme hochhielt, um sich vor Aragorns Angriff zu schützen, aber noch bevor dieser einen erneuten Versuch wagen konnte, wurde er von einem Ork angegriffen, der herangeeilt war.

Legolas, Eowyn und die Hobbits hatten nach einer Ewigkeit, so kam es ihnen jedenfalls vor, das Ende der Treppe erreicht und verbargen sich im Schatten des Durchlasses, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
Frodo überkam eine Welle der Erleichterung, als er Gandalf und Aragorn erblickte, doch er sah auch ihre Erschöpfung und als Pallando dann auf Aragorn zutrat und ihm an seinem verletzten Arm packte, konnte er sich nur mit Mühe davon abhalten, loszulaufen und Aragorn zu helfen.

Legolas' Hände umschlossen dabei die Hefte der Dolche so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten und er murmelte Worte der Rache und in seinen Augen blitzte der Zorn. Er wünschte sich, noch seinen Bogen zu besitzen, denn dann hätte er keinen Moment gezögert, doch so blieb ihm nicht die geringste Möglichkeit, Pallando daran zu hindern, Aragorn weitere Qualen zu bereiten. Sie zogen sich wieder in die Dunkelheit zurück, als sie sahen, dass Pallando von Aragorn abließ und Eowyn blickte erwartungsvoll auf Legolas. Sie mussten etwas unternehmen, und das rasch. Während die beiden beratschlagten, was sie nun tun konnten, machte sich bei Sam die Ungeduld bemerkbar und er schlich wieder zum Durchlass, um zu sehen, was die Freunde machten. Dabei stützte er sich an der Felswand ab und beugte sich ein Stück vor und da geschah es.

Einige Steine waren so locker, dass sie unter Sams Berührung ins Rutschen gerieten, er strauchelte, ruderte verzweifelt mit den Armen und konnte gerade noch einen Sturz verhindern, aber die Felsbrocken fielen krachend und polternd zu Boden. Legolas, Eowyn und Frodo fuhren herum, sahen was geschehen war und dann vernahmen sie auch bereits die Schreie und Schritte der Orks. Sam hatte keine Zeit mehr, sich zu entschuldigen, denn der erste Ork hatte bereits den Durchlass erreicht und die Freunde zogen ihre Waffen, um sich zu verteidigen. Zum Glück hatten sie einen kleinen Vorteil, denn durch den schmalen Eingang konnten nur zwei Feinde gleichzeitig treten und so schafften sie es, die Gegner schnell außer Gefecht zu setzen, bis die nächsten sich durch die Öffnung zwängten.

Gandalf vernahm das Klirren von Schwertern und Erleichterung durchflutete ihn. Die Elben waren gekommen, um sie zu retten und lenkten die Aufmerksamkeit der Krieger vom Geschehen vor ihm ab.
Panik breitete sich unter den Orks in der Höhle aus und bald schubsten und rempelten sie sich gegenseitig an. Ein Hauptmann stürzte sich in das Gewühl am Höhleneingang und befahl der wild durcheinander wimmelnden Horde, sich in geordneten Reihen aufzustellen, doch sein Befehl ging in den Schreien und Rufen unter.
Gandalf richtete sich wieder zu den Magiern und sah, wie sein Stab zu Boden fiel und mit drei großen Schritten rannte er darauf zu und bekam ihn in dem Augenblick zu fassen, als Aragorn von dem Ork angegriffen wurde. Er packte ihn und sofort wurde er von einem Leuchten erfüllt, das eine Wärme ausstrahlte, die durch seine Handfläche drang, erst den Arm und nach und nach seinen ganzen Körper ergriff und alle Strapazen der vergangenen Stunden linderte.
Der Zauberer fuhr zu Aragorn herum, der inzwischen am Boden lag und versuchte, den Dolch zu packen, der ihm beim Fall entglitten war und nun wenige Zentimeter von seiner Hand entfernt lag. Der Ork hatte seine Kehle umklammert und gleichzeitig schlug er ihm unerbittlich mit der Faust in die Rippen. Aragorn keuchte und wehrte einen der Schläge ab, doch immer noch bemühte er sich, den Dolch zu fassen.

Gandalf begann mit dröhnender Stimme eine Formel zu sprechen und senkte die Spitze seines Stabes in Richtung des Orks und dieser wurde herumgerissen und lockerte den Griff um den Hals seines Opfers. Aragorn konnte das Heft des Dolches packen und mit einer schwungvollen Bewegung, stieß er ihn seinem Gegner in die Rippen, der sofort über ihm zusammenbrach.

Faramir hatte vergeblich versucht, die Gruppe durch das Gewirr der Gänge zu führen und war nahe daran gewesen, aufzugeben, als ihnen der Zufall zu Hilfe kam. Vor ihnen vernahmen sie Stimmen, untrüglich die von einer Bande Orks, und sie eilten den Gang entlang, der sich gabelte und dann den Blick auf eine schmale Gasse freigab, die an einer Mauer endete.
Die Freunde drückten sich an die Wand, um nicht entdeckt zu werden und beobachteten die kleine Gruppe, die sich an einem Stein zu schaffen machten und plötzlich schwang die Wand zurück und enthüllte einen Geheimgang dahinter.
Binnen Sekunden hatte Faramir seinen Bogen gespannt und mit der gleichen Schnelligkeit schoss er die Orks nieder, bevor auch nur der letzte reagieren konnte und stürmte vorwärts. Die drei Freunde folgten ihm in die Dunkelheit und rannten, so geschwind sie es vermochten, hinter ihm her, dem Kampflärm entgegen. Oft stolperten und rutschten sie auf den ausgetretenen Stufen, doch selbst das konnte sie nicht aufhalten, denn sie spürten, dass sie ihrem Ziel immer näher kamen und endlich konnten sie vor ihnen einen Lichtschein ausmachen und erkannten beim Näher kommen ihre Freunde, die sich gegen Orks und Uruk-hai verteidigten.

Faramir übersprang die letzten Stufen, landete sicher am Fuß der Treppe und eilte auf Eowyn zu, die gerade von einem Uruk-hai bedrängt wurde und mit einem kräftigen Hieb tötete er ihn.
Eowyn blickte ihn an, als ob sie einen Geist ansehen würde, aber dann stürmte sich auf ihn zu und schlang ihre Arme um seinen Hals und er umfing sie mit einem Gefühl der Erleichterung und drückte sie fest an sich.
Um sie herum kämpften die Freunde weiter, doch eine Zeit lang hielten sie einander nur fest, bis sich Faramir aus der Umarmung löste, ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen drückte und an Legolas' Seite eilte. Eowyn schloss sich ihm an und gemeinsam mit den Hobbits und Gimli, drängten sie die Angreifer immer weiter zurück in die Höhle, bis sie selbst hinein gelangten.

Zwischen dem Durcheinander der herumlaufenden Orks und Uruk-hai und dem Kampfgetümmel konnten sie Gandalf ausmachen und neue Hoffnung keimte in ihr auf, als sie seinen Stab erblickte, den er in der Hand hielt. Sie würden es schaffen, dessen war sie sich nun absolut sicher!

Pallandos Zorn wuchs ins unermessliche und verschlang jede andere Gefühlsregung in ihm, als er sah, wie Gandalf es schaffte, seinen Stab zu erreichen und dann dem König zu Hilfe kam. Aber noch war die Schlacht nicht verloren, noch würde er nicht aufgeben!
Er besaß noch immer seine Macht und diese war größer und stärker, als seine Gegner dachten! Er würde diesem einfältigen Zauberer schon zeigen, wer hier der Stärkere war! Jetzt würde er keine Gnade mehr zeigen!
Er zog Alatar neben sich und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf Aragorn, der sich inzwischen erhoben hatte und auf den Palantir zu eilte. Pallando griff fester um das Schwertheft von Anduril, holte ihn mit raschen Schritten ein und mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er den König gepackt und die Klinge an seine Kehle gedrückt. Er zwang ihn, den Dolch fallen zu lassen, indem er den Druck noch etwas verstärkte und eine feine, rote Linie in seinen Hals ritzte und schrie triumphierend auf und sein hysterisches Lachen hallte von den Höhlenwänden wider und übertönte noch den Kampflärm. Alatar trat neben ihn, suchte Aragorn Blick, der verzweifelt versuchte, sich dem festen Griff zu entwinden und hielt ihn fest.

Aragorn blickte in dessen Augen und wurde von der Macht Alatars ergriffen. Die Augen des Magiers waren von einer eisigen Kälte erfüllt und durchbohrten ihn regelrecht und er vermochte es nicht, seinen Blick abzuwenden. Ein eisiger Strom erwachte in seinen Adern und strömte unter seine Haut, der von Sekunde zu Sekunde noch kälter wurde und drohte, ihn innerlich zu Eis erstarren zu lassen.
Er wusste nicht, was ihm schlimmere Qualen bereitete. Die unerträgliche Hitze, die Pallando in ihm heraufbeschworen hatte und ihn beinahe hatte verbrennen lassen, oder die Kälte, die nun von ihm Besitz ergriff. Beide Magier richteten ihre Macht rücksichtslos auf nur ein Ziel, unbarmherzig und grausam und um dies zu erreichen, würden sie nicht davor zurückschrecken, ihn zu benutzen, um die Freunde in die Knie zu zwingen.

Gandalf sah mit Entsetzen, wie Aragorn von Alatar in seinen Bann gezogen wurde und wollte ihm zu Hilfe eilen, aber Pallando schrie ihm eine Drohung zu, die auch alle Kämpfe abrupt beendete. Eine bedrückende Stille trat ein, noch fürchterlicher als der Kampflärm, der eben noch die Luft erfüllt hatte.
Die Freunde ließen bestürzt die Waffen sinken, als sie die Szene erfassten, die sich vor ihnen abspielte und von Angst gepackt eilten sie an Gandalfs Seite.

Pallando lachte immer noch, doch dann hielt er inne und richtete seinen verachtenden Blick auf die Gemeinschaft.
"Ihr habt wohl gedacht, ihr könntet mich besiegen, was? Ihr seid einfältige Narren, wenn ihr geglaubt habt, ihr könntet es schaffen, aber ihr besitzt nicht genug Macht dazu! Seht ihn euch an, euren König Elessar! Schwach ist er und das Eis wird ihn vernichten, schneller, als ihr reagieren könnt! Gebt auf und ich werde ihm dieses Schicksal vielleicht ersparen und ihn eines schnellen Todes sterben lassen!"
Bei seinen Worten wallten um Alatar hauchdünne Nebelfetzen, die sich ineinander verknäulten und umeinander schlangen und sich zu eisigen Fingern formten, die sich Aragorn näherten und sich dann an ihn krallten.

Der eisige Strom, in den sein Blut verwandelt war, floss immer näher zu seinem Herzen und würde ihn zweifellos töten, wenn er sein Ziel erreichte. Ihm war entsetzlich kalt, sein ganzer Körper schmerzte vor Kälte, aber es gelang ihm nicht, dagegen anzukämpfen. Obwohl Alatar seinen Blick inzwischen abgewandt hatte, war keine Linderung eingetreten, doch wie ein einziger Halt den er noch hatte, sah er zu den Freunden, die ihn mit entsetzten Gesichtern ansahen.

Faramir war von großer Freude erfüllt worden, als er Aragorn erblickt hatte, ebenso wie Merry, Pippin und Gimli, doch nun war dieses Gefühl wieder abgelöst worden, durch die unerträgliche Furcht um sein Leben. Sie erkannten, wie seine Haut sich totenbleich, fast bläulich verfärbte und sein Atem kam in weißen, keuchenden Stößen über seine Lippen.
Faramir sah Gandalf an, doch er erkannte, dass dieser ebenso hilflos und unfähig war zu handeln, war wie er und die Verzweiflung ließ ihn fast durchdrehen.
Eowyn klammerte sich schluchzend an ihn und er blickte zu ihr herunter. Als sich ihre Blicke trafen, schluchzte sie kurz auf, aber dann begann sie mit flüsternder Stimme zu sprechen.
"Faramir, der Palantir ermöglicht den Magiern ihre Macht! Gandalf hat das angedeutet! Durch ihn haben sie Aragorn und Eomer in ihrer Gewalt! Er muss zerstört werden!"

In Faramirs Gesicht trat bei ihren Worten Entschlossenheit und sein Blick schweifte zurück und er sah zu dem Palantir. Dabei schätzte er den Abstand zu dem Stein ab, erblickte den Dolch, der an dem Fuß des Sockels lag und löste sich langsam aus Eowyns Umarmung. Er drückte ihr noch einen letzten Kuss auf die Stirn und hoffte, sie würde ihm sein leichtsinniges Vorhaben verzeihen, aber er konnte nicht anders handeln, er musste es versuchen.

Alles ging unglaublich schnell – noch bevor überhaupt einer der Gefährten reagieren konnte. Faramir stürzte plötzlich vorwärts, und versuchte, den Palantir zu erreichen, damit Gandalf die Möglichkeit hatte, sich die Kräfte des Steins zu unterwerfen und den Bann zu lösen, der von Eomer und Aragorn Besitz ergriffen hatte. Dies war die einzige Möglichkeit.
Alatar stellte sich ihm jedoch lachend in den Weg und hob ein Schwert, zum Kampf bereit. Faramir zögerte nicht, ihm einen Kampf zu liefern. Er duckte sich unter dem ersten, schwungvollen Hieb des Magiers, sprang zur Seite, rollte sich ab und ergriff dabei den Dolch, den Aragorn fallen gelassen hatte. Dann schoss er vorwärts und brachte Alatar zwei Schnittwunden bei – einen langen Schnitt am Kinn und einen am Bein, was den Magier in seinen Bewegungen schmerzlich behinderte.

Zwei raue Hände packten ihn, doch Faramir duckte sich, wobei er den Ork mit sich zog und Sekundenbruchteile später sauste Alatars Schwert an der Stelle nieder, wo Faramir eben noch gestanden hatte und traf stattdessen den Ork.
Der Ork ließ ihn schreiend los und wälzte sich im Todeskampf auf dem Boden.
Faramir sprang mit einem Satz auf die Füße, sorgsam darauf bedacht, dem Schwert auszuweichen, denn die scharfe Klinge erforderte ein hohes Maß an Vorsicht.
Wieder sauste das Schwert durch die Luft und nur durch eine schnelle Drehung entging Faramir der tödlichen Klinge, die genau auf seine Brust gezielt hatte. Er hörte Eowyns angstvollen Schrei, doch er wagte es nicht, in ihre Richtung zu blicken.
Abermals verfehlte Alatar ihn, doch Faramir traf ihn erneut und rammte ihm den Dolch in den Schwertarm, zog ihn wieder heraus und brachte etwas Abstand zwischen sich und seinen Gegner, um den nächsten Angriff abzuwarten. Alatar heulte laut auf und fasste den schmerzenden Arm, wobei er Faramir böse anfunkelte.
Faramir wagte einen Blick auf Pallando und der Schock des Anblicks, der sich ihm bot, ließ ihn rückwärts stolpern. Er hielt Aragorn immer noch in festem Griff, doch der Freund wirkte bereits mehr tot als lebendig, denn seine Haut war inzwischen vollkommen bleich und seine Augen matt.
Seine Hand mit dem Dolch sank kraftlos herab. Er stand da, vollkommen hilflos und bis ins Mark erschüttert und starrte den Freund an. Faramir wurde von der Furcht ergriffen, dass er ihn diesmal endgültig verlor und er keine Gelegenheit mehr bekommen würde, sich bei ihm zu entschuldigen.

In diesem Moment stürzte sich Alatar auf ihn, und es war reiner Instinkt, den Faramir veranlasste den Doch zu heben und sich gegen den Angriff zu verteidigen. Er wehrte den Schwerthieb ab und auch den nächsten, wich immer weiter zurück, bis er an den Sockel stieß, auf dem der Palantir ruhte. Mit der freien Hand packte er ihn und wollte ihn in Gandalfs Richtung werfen, doch der Kampf forderte ihn so sehr, dass er genau vor Pallandos Füßen landete.
Faramir kämpfte verbissen weiter, gepackt von blindem Zorn und begann, seinen Kontrahenten nun zurück zu drängen und fügte ihm immer mehr Verletzungen zu. Alatar stolperte und Faramir trat ihm das Schwert aus der Hand und stürzte sich dann auf ihn. Mit seinem ganzen rasenden Zorn ließ er den Dolch niederfahren und senkte ihn in Alatars Brust.

Während der letzte Lebensatem die Lungen von Alatar verließ, wurde auch seine Macht qualvoll und viel zu abrupt aus Aragorns Körper gerissen und Pallando ließ seinen leblosen Körper zu Boden fallen, um nun seinerseits einen Angriff auf Faramir zu starten.
Pallando holte zu einem gewaltigen Hieb aus, ließ Anduril auf Faramir niederfahren und dieser sprang zur Seite, der jedoch durch den Kampf mit Alatar vollkommen erschöpft war. Er wurde von der scharfen Klinge getroffen, die eine tiefe Wunde in seine Seite schnitt aus der augenblicklich das Blut quoll. Faramir stöhnte auf, taumelte und sackte zusammen und wurde von Legolas aufgefangen, der mit einem Satz bei ihm war.
Gandalf riss seinen Stab in die Höhe und ein blendend heller Lichtblitz von reinstem Weiß erwachte explosionsartig zum Leben und ließ die Wände der Höhle erzittern. Es breitete sich absolut lautlos aus, wurde von den Kristallen vielfach zurückgeworfen und erfüllte alles mit seiner Helligkeit, die alle die Lider niederschlagen ließ.

Genau so schnell, wie das Licht erschienen war, verlosch es auch wieder und war verschwunden – genau wie Pallando.
Gandalf sank am Ende seiner Kraft auf die Knie, denn auch wenn es nur Sekunden gewesen waren, die er für den Kampf benötigt hatte, so hatte er fast sein Leben dafür gegeben. Pallando hatte seine ganze dunkle Macht eingesetzt, um das Licht von Anor erlöschen zu lassen, doch im letzten Moment war es Gandalf gelungen, dass Schicksal abzuwenden und die Helligkeit hatte gegen die Finsternis gesiegt. Merry und Pippin stützen ihn und halfen ihm auf die Beine.
Die Orks und Uruk-hai suchten fluchtartig das Weite und binnen weniger Minuten fanden sich die Gefährten alleine in der Höhle wieder, in der nur ihre raschen Atemzüge zu hören waren; sie lösten sich aus ihrer Erstarrung und eilten zu Aragorn und Faramir. Eowyn stolperte noch immer geblendet auf ihren Mann zu, der sie schwach anlächelte, als sie sich mit Tränen in den Augen über ihn beugte.
"Sag Aragorn..., dass es mir Leid tut...!", flüsterte er, dann sank er in Legolas' Arme zurück und seine Augen fielen zu.
Mit zitternden Händen tastete Eowyn nach seinem Herzschlag und fand ihn schließlich, jedoch nur noch sehr schwach. Sie blickte sich hilfesuchend zu den anderen um und sah, dass Aragorn sich regte und mit Frodos und Sams Hilfe langsam auf die Knie kam. Er brauchte einen Augenblick, bevor er die Kraft fand, wieder einen klaren Gedanken zu fassen und hob dann den Kopf in ihre Richtung. Ihre Blicke trafen sich und sofort erfasste er Faramir und kämpfte sich hoch, um zu ihm zu eilen.
"Nein!", stieß er bekümmert hervor und ließ sich nieder und begann verzweifelt, die Verletzung genau zu untersuchen.

Aragorn glaubte, seine eigenen Schmerzen würden ihm die Sinne rauben, doch er ignorierte sie entschieden und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Faramir. Er verlor immer noch viel zu viel Blut und Aragorn presste verzweifelt ein Stück von Frodos Mantel auf den Schwertstreich. Frodo riss noch einige weitere Streifen aus dem groben Leinen und reichte sie Eowyn, die Aragorn half, Faramir damit zu verbinden. Erst, als er alles in seiner Macht stehende für den Freund getan hatte, übermannte ihn die Erschöpfung.
Gandalf hatte sich wieder ein wenig erholt und hob den Palantir und Anduril auf und trat dann zu den Anderen, die sich sorgenvoll um Faramir und Aragorn bemühten.

Einundzwanzigster Abschnitt

Mühsam hatte die Gemeinschaft es geschafft, Faramir und Aragorn hinaus aus der Höhle zu schaffen und als sie endlich das Ende der Treppe erreicht hatten, eilten ihnen auch sogleich die Elben entgegen, die umgehend zwei Tragen beschafften. Thranduil schloss seinen Sohn erleichtert in die Arme, froh, dass er außer Prellungen und Schürfwunden keinen weiteren Schaden genommen hatte. Gimli erging es ebenso und es bedurfte keiner Erklärung, um zu sehen, dass der Zwiespalt zwischen ihnen vergessen war.
Merry und Pippin führten eine Gruppe Elben und Gandalf zu Eomer und befreiten ihn endlich von den Fesseln. Nachdem Gandalf ihn gründlich untersucht hatte, stellten sie fest, dass er außer heftigen Kopfschmerzen unversehrt und wieder ganz der Alte war. Er erinnerte sich an alles was geschehen war, wie an einen Traum und die Hobbits bestätigten ihm betreten, dass sich alles genau so ereignet hatte.

Als sie dann zu den Freunden kamen und er Faramir und Aragorn erblickte, war er zutiefst bestürzt, denn er gab sich die Schuld daran, was mit ihnen geschehen war.
Eowyn sah ihn an und löste sich von Faramirs Seite und suchte seinen Blick.
"Eomer, sei nicht so streng mit dir selbst! Du warst es nicht wirklich, der den Streit und den Hass in ihnen geweckt hat! Die Magier haben dich dazu benutzt. Dich trifft keine Schuld!"
Eomer drückte seine Schwester an sich und hielt sie so eine ganze Weile umfangen.
"Wie geht es ihnen?", fragte er schließlich flüsternd.
"Faramir hat viel Blut verloren und die Wunde ist tief, aber Aragorn hat ihn so gut es ging versorgt, bevor er selbst das Bewusstsein verlor. Er hat viele Qualen erleiden müssen und einige Verletzungen davongetragen. Sie sind sehr schwach, aber... wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Sie sind stark und werden kämpfen...!"
Ihre Stimme brach ab und sie versuchte vergeblich, die Tränen zurückzudrängen, doch sie liefen ihr ungehindert über die Wangen. Eomer wischte einige zärtlich fort, umfasste ihre Schulter und gemeinsam gingen sie zu Faramir und Aragorn, um über sie zu wachen.

Zwei Tage würden sie für den Marsch nach Düsterwald benötigen, wo sie sicherlich bereits von Arwen erwartet wurden. Sie hatten einen Boten vorausgeschickt, denn mit den Verletzten kamen sie nur langsam voran und Gandalf erholte sich ebenfalls nur langsam von seiner Erschöpfung. Am Ende des ersten Tages erwachte Aragorn endlich.

Legolas, der an seinem Lager wachte, bemerkte erst eine Bewegung in seinen Augenwinkeln und als er den Blick wandte, trat ein Lächeln auf sein Gesicht.
"Aragorn! Schön, dass du wieder bei uns bist! Van mathach, mellon nin?" (Wie fühlst du dich?)
Aragorn lachte kurz auf, doch sofort zuckte ein Schmerz durch seine Brust.
"Als ob mich eine Herde Orks überrannt hätte!", gab er stöhnend zurück und Legolas' Lächeln verbreiterte sich. Wenn Aragorn bereits wieder scherzen konnte, ging es ihm wohl schon etwas besser.
Er drückte ihm ein Gefäß in die Hand und half ihm, daraus zu trinken. Erst als Aragorn ihn geleert hatte, gab der Elb sich zufrieden. Er brachte ihn zu einem kleinen Tisch, der im Inneren des Zeltes stand und als er sich wieder umwandte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Aragorn war aufgestanden und stützte sich schwerfällig an der Liege ab.
"Was machst du denn da? Leg dich wieder hin, es ist noch zu früh um bereits wieder aufzustehen!" protestierte Legolas, doch ein finsterer Blick von Aragorn reichte aus und er schwieg.
"Hilf mir mich anzukleiden! Ich möchte nach Faramir sehen!" Und als Legolas sich nicht rührte, fügte er entschieden hinzu: "Bitte, Legolas!"

Aragorn blieb lange bei Faramir sitzen, bis er sich endlich selber wieder etwas Ruhe gönnte und am nächsten Morgen bestand er darauf, den Rest des Weges selber zu reiten und blieb immer am Ende der Gruppe, wo vier Elben die Bahre mit Faramir trugen.
Spät am Abend erreichten sie endlich Düsterwald. Arwen eilte ihnen entgegen, als sie Aragorn erblickte, blieb sie einige Schritte entfernt von ihm stehen. Er stieg von seinem Pferd und sie musterte ihn, erfasste jede noch so kleine Verletzung und hielt schließlich seinen Blick gefangen. Sie fand darin all die Qualen und Schmerzen, aber vor allem die Angst und Sorge um Faramir und ohne den Blick abzuwenden, trat sie zu ihm und schloss ihn endlich in ihre Arme wobei ihr stumm die Tränen über die Wangen rannen.

Aragorn saß an Faramirs Lager und wagte nicht, sich auch nur kurz von ihm zu entfernen. Er hatte sich gerade einmal die Zeit genommen, seine eigenen Wunden neu versorgen zu lassen und war dann, trotz der Proteste von Arwen, zu Faramir geeilt. Gemeinsam mit Eowyn hatte er über den Freund gewacht und nun waren schon vier Tage vergangen, ohne das er erwacht war.
Eowyn war irgendwann erschöpft eingeschlafen und er hatte sie auf das Lager neben ihrem Mann gebettet, wo sie immer noch fest schlief, doch er selber konnte keinen Schlaf finden.
Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht und versuchte die Niedergeschlagenheit zu verdrängen, doch es wollte ihm nicht zu gelingen. Er verharrte in seiner Bewegung, das Gesicht in den Händen verborgen, und schreckte hoch, als er hinter sich plötzlich Gandalfs Stimme vernahm.
"Du solltest dir endlich selber etwas Ruhe gönnen! Es wird Faramir nichts nutzen, wenn du vor Schwäche zusammenbrichst!"
Aragorn schnaubte und richtete seinen müden Blick auf den Zauberer.
"Selbst wenn ich es versuchen würde, könnte ich es nicht schaffen zu schlafen! Nicht, bevor er erwacht ist und mir vergibt!"
"Dir vergeben?" Gandalf zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Was sollte er dir denn vergeben?"
"Gandalf... Mir fehlt jetzt die Kraft, mich mit dir zu streiten! Bitte!"
Aragorn wandte sich zu Gandalf um und sah ihn flehend an, doch noch bevor dieser darauf etwas erwidern konnte, erklang eine schwache Stimme und Aragorn fühlte eine Hand auf seinem Arm. Als er sich umdrehte, fand er Faramirs Blick auf sich ruhen.
"Ich muss dich um Verzeihung bitten...! Ich war nicht ich selbst..., als ich behauptet habe..., du seist Schuld an Boromirs Tod!"
Aragorn unterbrach ihn und sah ihn unverwandt an.
"Das ist schon vergessen, mein Freund! Aber durch meinen Leichtsinn habe ich dich, deine Frau und alle Freunde in Gefahr gebracht! Ich stehe in deiner Schuld, denn du hast mir das Leben gerettet!"
"Du hast mir das meine... bereits ein Dutzend Mal gerettet..! Und ich würde... es immer wieder tun…!"

Lange redeten die Freunde miteinander, bis Faramir wieder erschöpft einschlief. Aragorn wachte noch so lange an seiner Seite, bis Eowyn erwachte und nachdem er ihr berichtet hatte, dass Faramir wieder zu Besinnung gekommen war, gönnte er sich endlich selbst den erholsamen Schlaf.

In den folgenden Tagen wurde Faramir immer wieder von den Freunden besucht, die erfreut feststellten, dass sich sein Zustand mehr und mehr besserte. Auch Aragorn machte bald einen viel kräftigeren Eindruck und sie nutzten die Zeit, um ihren Aufenthalt in Düsterwald zu genießen.
Nachdem zwei Wochen vergangen waren, hatten sich alle wieder soweit unter der Pflege der Elben erholt, dass sich die Gemeinschaft wieder auf den Weg nach Minas Tirith machen konnte. Sie schlugen jedoch nicht den direkten Weg dorthin ein, sondern verweilten noch an den Ufern des Anduin und holten dort die Gedenkfeier für Boromir nach.

Dabei ergab es sich, dass an einem Abend alle schlafen gingen, bis nur noch Faramir und Aragorn, der gedankenverloren Anduril hielt, am Lagerfeuer saßen und nach einer Weile brach Faramir das einvernehmliche Schweigen.
"Aragorn! Ich weiß, dass dich der Verlust von Boromir ebenso schmerzt wie mich, aber ich weiß auch, dass du damals alles versucht hast, um ihm beizustehen! Quäle dich nicht mit zweifeln an dir selbst, denn dich trifft keine Schuld! Außerdem bin ich mir sicher, dass Boromir stolz gewesen wäre, wenn er sehen könnte, mit wie viel Liebe und Weisheit du seine Stadt regierst!"
Er legte Aragorn die Hand auf die Schulter und Aragorn sah ihn an.
"Danke, mein Bruder! Das bedeutet mir viel. Doch oft wünschte ich, er könnte es selber miterleben! Er hat diese Stadt wahrlich sehr geliebt!"
Faramir nickte und beide versanken in Schweigen, bis Aragorn sich wieder an Boromirs Worte in Lorien erinnerte.
"Wenn wir in Minas Tirith eintreffen, werden die Trompeten vom weißen Turm erklingen und verkünden: Die Herren Gondors sind zurückgekehrt!"