September 1670
An der weißen Sandküste der Insel inmitten des blauen Meeres legte ein Schiff durch die Ebbe begünstigt an. Seine Segel sowie das Äußere Holz hatten gelitten, es sah aus als hätte es eine lang Zeit auf See und die meiste Zeit davon im Sturm hinter sich. Fast genauso ausgemergelt wie ihr Schiff seilten die Seeleute sich von den dunklen Holzbrettern ab um nach langer Zeit wieder festen Grund unter den Füßen zu haben. Einigen von Ihnen kam dieser Grund süßer vor als das versprochene Himmelsparadies bei göttlicher Gnade. Sie ließen sich am Sand auf den Boden fallen stützen ihre Hände auf den fasten Sandbänken ab.
Der Rest der Crew ging gemäß ihrer Gewohnheit an Land. Anders als sonst wurde ihr Erscheinen von stummen, misstrauischen Blicken der Einheimischen begleitet, die stumm an Ort und Stelle verweilten, wenn die Seeleute an ihnen vorüberschritten, als würden sie einen Zug des jüngsten Gerichtes mit ansehen.
Einigen Seeleuten viel diese Veränderung auf, den Meisten jedoch blieb sie unberührt. Sie hatten ihren harten Dienst auf See geleistet und wollten nun die ihnen zustehende, kurzweilige Erholung von der zermürbenden Reise.
Ihr Captain beachtete die Blicke der schwarzen Siedler nicht im Geringsten, seine Augen waren nur auf das Ziel vor ihm gerichtet, dass er endlich, allen Widrigkeiten zum Trotz erreicht hatte.
Sein Begehren richtete sich weniger darauf, seinen funkelnden Schatz in Augenschein zu nehmen, noch aus einer dunklen Höhle die gestohlenen Reichtümer hervorzutragen. Hier auf dieser Insel lag etwas versteckt, dass ihm teurer war als alles Gold dass er jemals in Augenschein genommen hatte. Viel weniger funkelnd war seine Art, und von kürzerer Weile würde sein Leben sein, als das des Goldes. Kein kaltes Metall oder Edelgestein wartete auf ihn, sondern ein schlagendes Herz, dessen langes Warten endlich belohnt werden würde.
Sophia hatte schon in der Ferne die flaggenlosen Segel bemerkt, die ihr Herz höher schlagen ließen. Sie legte sich einen Überwurf um die Schultern und wartete an der Tür auf sein Eintreten.
Davy Jones sprach kein Wort als er eintrat und seine Frau fest an sich drückte. Sophia seufzte erleichtert und beide küssten sich noch an der Tür, bevor er endgültig in das Innere des Hauses eintrat. Neckend zog er sie am Band ihrer Taille zu sich und die junge Frau fand bald ihr Lachen wieder. Sie küssten sich noch einmal und trennten sich weit aus sanfter voneinander, als bei ihrer ersten Liebkosung. Sophia legte ihren Kopf an seiner Schulter ab um glücklich zu ihrer dunkelhäutigen Zofe blicken zu können, nahm jedoch zu ihrer Überraschung wahr, dass diese ängstlich in das andere Ende des Raumes zurückgewichen war. Langsam hob die junge Britin den Kopf und sah ihre Freundin und Vertraute verständnislos an. Sie sprach kein Wort und verschwand aus dem Zimmer. Unbekümmert zog Davy seine Frau wieder in seine Arme und streichelte über ihr gewelltes schwarzes Haar, das ihren Rücken herabrieselte. „Sie hat Angst vor dir".
Davy zog halb belustigt, halb
desinteressiert einen Mundwinkel nach oben. „Hatte sie nicht genug
Zeit sich daran zu daran zu gewöhnen?" Sophia streichelte über
seine Schulter, schüttelte aber nachdenklich den Kopf. „Sie
hat sich nie so verhalten." Die zärtlichen Gesten ihres Mannes
holten sie wieder aus ihren Gedanken zurück. Sie wandte ihm ihr
Gesicht und ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu.
„Wie lange du
fort warst, ich dachte schon du würdest nie zurückkommen"
Davy schnaubte leise und diese Worte schienen einen bitteren Sinn für
ihn zu ergeben. „Diesmal hattest nicht nur du diese
Sorge…."
Sophia zog missverständlich ihre Augenbraun zusammen, doch er blieb ihr die Antwort schuldig. Stattdessen kündigte sich das Eintreten eines weiteren Mannes an. Jonathan Taylor, 1. Maat und fast ständiger Begleiter des Captains. Sophia sah aus dass er blass wirkte, mehr als es normalerweise seine Art war.
Sophia zog ihre Arme sanft zurück doch Davys Hand verweilte in ihren Haaren, glitt weiter nach oben an ihre Wange, die er sie vorsichtig streichelte. „Die Segel sind in einem furchtbaren Zustand, nicht mehr in der Lage ihr Ziel zu erreichen." Die Flying Dutchman war während der Überfahrt in einen furchtbaren Sturm geraten. Fast 2 Monte war sie als Spielball von Wind und Wellen über die Meere getrieben, einem Wunder gleich, dass sie nicht in den Stürmen die sie umgeben hatten gesunken war. Gottes Gnade oder Teufels Geschick.
Der bleiche Mr. Taylor hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen und seine wassergrauen Augen starrten vor sich hin. „Ich segle nicht noch einmal durch diesen Sturm." Er nahm einen tiefen Schluck aus seiner umklammernden Flasche. „Man betrügt den Teufel nicht ein zweites Mal, ich habe den Lazarus gesehen wie er uns mit glühenden Augen gefolgt ist. Wochen lang auf See ohne einen Windstoß, und dann in der Nacht von einem schrecklichen Sturm verfolgt, meterhohe Wellen, die den Mond verdeckten." Seine Lippen zitterten leicht und er schüttelte hastig den Kopf.
„Unsinn!" Hart schnitt Davy Jones Stimme seinem Maat ins Wort. Mit strengem Blick musterte er seinen ersten Seemann und die Unzufriedenheit in seinen Augen flammte auf.
„Verflucht will ich sein, dieses Geschwätz weiter mit anzuhören! Dein Aberglaube vernebelt deinen Verstand! Und ich bin es leid, ihn ertragen zu müssen!"
Langsam mit ausgestrecktem Arm erhob sich der Segler. „Du weißt es, was uns gefolgt ist. Seit jener Nacht wo du das ganze Schiff und die Crew verwunschen hast. Du weißt was du über uns gebracht hast, es wird sich an unseren Bug heften und keine Ruhe geben, bis es uns weit genug auf die See getrieben hat. Und dann wird der Sturm wieder aufkommen und wir werden das Land nie wieder sehen, allein durch deine Schuld!"
Nun war es Davy Jones genug. Mit einem fürchterlichen Gewitter scheuchte er seinen Maat hinaus. Er hasste den Aberglauben der sich seit Wochen durch seine Mannschaft fraß wie eine Pestilenz, wie ein Fieber. Sophia trat wieder an seine Seite und ihre Berührung brachte wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. Sie legte ihre Hand an seinen Arm und ihren Kopf an seine Schulter, gemeinsam verließ er mit ihr die Küche über die er das Haus betreten hatte.
Die Crew der Flying Dutchman verbrachte nur wenige Tage auf der Insel um die Schäden an Schiff und Segeln zu beheben. Der Sturm der sie durch die Meere gefegt hatte, brachte die Mannschaft und ihren Captain von ihrem eigentlichen Ziel ab. Einige der Segler sahen es als Warnung, andere waren genauso erpicht darauf wie ihr Captain doch noch ihr Ziel zu erreichen. Binnen zwei Wochen brach die Flying Dutchman wieder von der Insel auf und mit den Versprechen bald wieder mit ihr vereint zu sein, verließ der Captain seine Frau an einem windigen morgen. Die aufkommende Flut trug die Dutchman hinaus auf die See und schon bald war von dem mächtigen Dreimaster nichts mehr zu sehen, als ein schwaches Schemen am Horizont.
