Aus Tage wurden Wochen, aus Wochen wurden Monate.
Sophia saß vor ihrem Spiegel und kämmte umsichtig ihr Haar, während ihre Augen immer wieder den Anhänger fanden, der um ihren Hals hing.

Sie legte die Bürste zur Seite und erhob sich von ihrem Platz. Ihre Vertraute, eine dunkelhäutigen Frau mit einem weißen Kopftuch in ihren Haaren, folgte wie stets jeder Bewegung ihrer Herrin mit den Augen. Sophia blieb am Fenster ihres Hauses stehen und sah hinab auf das in weiter Entfernung vor sich liegende Meer. Der Horizont zog eine glatte Linie und unterteilte die ruhigen Wassermassen von dem Himmel.

„Und sie kann wirklich die Zukunft sehen?" fragte die junge Britin ihre Freundin. Die dunkle Frau nickte tief. „Ja, doch sie sieht auch großes Unglück, das unabwendbar ist und einem heimsuchen wird."

Sophia war eine Weile in Gedanken, doch dann war ihr Entschluss gefasst. Die Sorge brachte sie um ihren Verstand und sie musste endlich Gewissheit haben, Gewissheit über ihre Ängste und Sorgen.

Der Weg war nicht weit, nicht fernab von der zerfallenen Kirche und den Hütten der Schwarzen Einsiedler befand sich über dem Wasser eine mit den Bäumen verbundene Hütte. Hier also lebte sie, die Frau die in ihrem Stamm als Auge für die Zukunft gesehen wurde. Die Krankheit und Tod vertreiben oder ihn anhexen konnte.

Im Inneren der Hütte prallte einem stickige übel riechende Luft entgegen. An einem zerkratzen Holztisch saß eine alte Frau mit langen verknoteten grauen Haaren, neben ihre eine junge Dunkelhäutige. Gleich den Augen und Ohren der Alten, erfasste sie alles im Raum. Jede Bewegung und jeden Luftzug verfolgte sie.

Sophia trat gefolgt von ihrer misstrauischen Zofe in den Raum ein und begrüßte die geheimnisvolle Frau mit einem Nicken. Sie wies ihr einen Platz zu und musterte sie eingiebig. „Was habt ihr der großen Seherin mitgebracht?" Sophia sah ihr Gegenüber diplomatisch an. Offenbar schien sie hier die sprechende Zunge zu besitzen. „Wenn ihr Gold wollt…" doch die alte schüttelte langsam den Kopf. Sie streckte ihre seltsam proportionierte Hand aus und deutete auf das Leibchen von Sophias Kleid. Erst konnte sie den Sinn darin nicht verstehen, dann erkannte sie, dass sie seifernde Alte ihren Anhänger meinte.

„Ausgeschlossen" Sophia erhob sich und wollte schon gehen. Ruhig blickte das junge Mädchen an der Seite der Hexe ihr nach. „Ihr seid nicht umsonst gekommen. Ihr wollt wissen, warum Davy Jones so lange fortbleibt, und was dies mit euch zu tun hat. Ich kann nur in eure eigene Zukunft blicken."

Sophia blieb stehen und schloss einen Moment seufzend die Augen. Sie kehrte wieder an den Tisch zurück und ließ sich langsam auf den Stuhl sinken, sah die Seherin noch immer zweifelnd an. „Vielleicht seht ihr aber Unglück"

„Dann wird es eintreten, so wie ich es gesehen habe." Die Alte zog ein wissendes lächeln. „Kein Grund sich zu fürchten, es ist nur die Zukunft…" Sophia atmete abermals tief durch und gab mit ihrem Nicken dann ihr Einverständnis. Die Seherin bereitete einen Stapel voller alter Karten auf dem Tisch aus und ließ ihrer Besucherin die Wahl 5 davon zu ziehen.

Umgedreht lagen die Karten nun zwischen der Seherin und ihrer Hilfesuchenden. Sie begann auf der linken Äußeren Seite. „Der Mond. Dein Leben wird lang sein. Du wirst eine Reise machen, eine lange Reise, in die Tiefen deiner selbst."

Sophia entspannte sich etwas, eine sehr übliche Prophezeiung und nichts was auf ein nahendes, oder bereits geschehendes Unglück schließen ließ. Die zweite Karte wurde umgedreht. „Und dann tritt ein Mann in dein Leben, ein schöner Mann. Er hat Macht über dich, er ist der Teufel!"

Die Besprochene schnaubte leise und hob ihren Kopf. „Vielleicht für andere, doch nicht für mich."

Die Seherin, deckte nun die Karte der gegenüberliegenden Richtung auf. „Der Gehängte. Diese Karte ist mächtig. Ich sehe Gefahr, große Gefahr. Gebrechen und Krankheit. Welche Krankheit kann ich nicht sagen, es gibt viele Arten von Krankheit."

Sophias Haltung versteifte sich wieder etwas, besonders als sie die nächste Karte aufdeckte. „Die Gerechtigkeit. Ich sehe einen Prozess. Einen großen Prozess vor einem sehr mächtigen Gericht." Sie hob ihre Hand um in ihre Richtung zu deuten. „Und du wirst die Schuldige sein. Die ganze Welt wird über dich richten."

Sophias Aufmerksamkeit war nun auf die mittlere der fünf Karten, diese die alle anderen bestimmte. Das Herzstück des künstlichen Gebildes dass die Prophezeiung bildete. Die Alte ließ sich Zeit und beobachtete schweigend die Regungen ihres Gegenübers, bevor sie die letzte Karte heben würde. „Oh mein Gott" Sophia hatte sich erhoben als in mitten der Reihe ein Skelett mit einer Sichel in der Hand erschien. Die Alte blickte mit durchbohrendem Blick auf ihr Gegenüber. „Deine Reise geht zu Ende. Ich sehe einen Sturm der dich umweht und dann … nichts mehr"

Sophia wollte gerade etwas darauf erwidern als Kanonenschüsse ihre Aufmerksamkeit weit ablenkten. Sie mit einem letzten Blick auf die Kartenreihe die Seherin links liegen und hastete nach draußen um auf den Horizont blicken zu können. Vor ihren Augen erschienen zwei übel zugerichtete Schiffe, an ihren Flaggen konnte sie erkennen, dass sie der englischen Krone unterstanden.