Am Arm ergriffen von ihrer Zofe verschwand sie durch eine Hintertür des Hauses, fort vom Haus der Hexe den Weg zurück den sie gekommen waren. Dort versteckte sich die junge Frau, während die schwarzen Siedler zurückblieben, forschend auf die Neuankömmlinge blickend.
Gemeinsam mit seiner Besatzung, dem Offizier der britischen Flotte ging noch ein anderer Mann von Board der sich im Erscheinungsbild merklich von diesem unterschied. Seine Hände waren provisorisch gefesselt und sobald sie außerhalb der Sichtweite des Schiffes waren, ließ er sie von seinen Handgelenken gleiten. „Ich nehme an ihr besteht nicht mehr darauf?" Höhnte er seinem Gegenüber zu.
John Boswell, Offizier der königlichen Flagge, sah ihn drohend an. „Ihr habt eure Abmachung noch nicht erfüllt. Ich habe euch nicht umsonst aus den Fluten gefischt nachdem wir die Flying Dutchman hinter uns gelassen haben." Spottend lächelnd blickte Jonathan Taylor zurück auf die Schiffe der Flotte. „Ich würde eher sagen, die Dutchman hat euch hinter ihr gelassen" Boswell drückte seinem Begleiter drohend eine noch verdeckte Klinge an die Seite. „Eure Zunge ist mir nur so lange nützlich bis sie mich zu meinem Ziel führt, vergesst das nicht. Ihr bringt mich zu Davy Jones Schatz, für euer wertloses Leben."
Ohne Umwege führte der Pirat seinen Handelspartner zu dem Haus, unter den Blicken von vielen Inselbewohnern. Taylor trat als Erster in das Haus ein, und machte keine Anstalten weitere Anweisungen zu geben. Der Brite ging an ihm vorbei und wurde in der Tat nach kurzer Zeit fündig, doch das Gold das er fand, schien nicht im Mindesten seinen Erwartungen zu entsprechen. „Ein Scherz über den ihr nicht lachen werdet, WO ist der Rest? Ich folge diesem Piraten nicht durch alle Meere um dann von euch einen Koffer von Goldstücken zu erlangen!"
Taylor deutete mit dem Kopf in Richtung einer schwarzen Frau die sich abweisend an die Wand gestellt hatte. Boswell ging ohne Umschweife auf sie zu um sie an den Haaren zu packen. „Wo ist das ganze Gold?" Als keine Antwort von ihr kam, schüttelte er sie grob um seine Frage zu wiederholen. Taylor blieb ruhig an die Wand gelehnt. „Wo ist deine Herrin? Vielleicht eine bessere Frage." Die schwarze Zofe stieß einen unverständlichen Schwall an Beschimpfungen aus und erhielt dafür einen weiteren Rempler gegen ihren Körper. Doch sie schwieg.
Ungeduldig wandte der Offizier sich ab. „Ich mache mir nicht die Mühe. Brennt das Haus ab, und alles was darin ist. Sperrt sie ein."
„Ihr werdet das nicht wagen!" Sophia trat die Treppe herunter und blickte Boswell hart an. Ihr Blick verließ jedoch bald dessen Gestalt und schwankte auf eine andere nieder. Fassungslos und voller bebender Wut schüttelte sie den Kopf, als sie Jonathan Taylor in Augenschein nahm. „DU! Du feiger, hinterlistiger Verräter." Er schien diese Worte gelassen hinzunehmen. „Die Herrin des Hauses" verspottete er sie.
Boswell ging auf die junge Frau zu und nahm sie eine Weile in Augenschein. Worauf hatte er sich dabei nur eingelassen. Kein Gold, nur eine Landsmännin von ihm die offenbar mit ihren Bediensteten hier lebte. Was zum Teufel hatte ihn geritten, hier her zu kommen. „Was habt ihr mit diesem Mann zu schaffen?"
„Er hat euch belogen. Ihr werdet nichts von dem
Gold finden, dass er euch versprach."
Boswell nahm seine Muskete
in die Hand und lud sie, packte die Frau am Arm. „Dafür habe
ich ja jetzt euch. Vielleicht werdet ihr weniger in Rätseln
sprechen, als euer Freund hier. Brennt das Haus ab, zurück aufs
Schiff."
Einem Wink von Sophia war die dunkelhäutige Frau ungeachtet den englischen Seeleuten entkommen. Sie stahl sich aus dem Haus und beobachtete von einem sicheren Versteck aus, wie die weißen Männer den Piraten und Sophia mit auf ihr Schiff nahmen.
Aufs Schiff gezerrt, ließ man die beiden Gefangenen bewacht an der Reling zurück, während Boswell zu seinem Captain ging. Sophia blickte hasserfüllt ihr Gegenüber an. „Der tiefste Schlund der Hölle ist Verrätern und Lügnern vorbestimmt, du hast deine Seele nicht nur ins ewige Verderben gestürzt sondern dein Leben an den Galgen gebracht! Und wofür? Für das süße Gefühl von geringfügiger Rache!"
„Besser als auf der Dutchman einem gleichen Schicksal entgegen zu sehen! Es war nicht mehr zu ertragen. Ich lasse mich nicht von einem Mann durch die sieben Weltmeere jagen, der sich zum Spielball einer Frau gemacht hat. Du bist der einzig wahre Grund der ein ganzes Schiff ins Verderben gestürzt hat! Deinetwegen allein sind wir alle verdammt!"
An Deck wurde es still als Boswell und der alte Captain Reyes dasselbe betraten. Reyes blickte auf die junge Frau und dann auf seinen Offizier. „Mit welcher Begründung habt ihr das veranlasst?"
„Sie ist seine Komplizin, sie weiß von dem Schatz!" Der Captain gab sich unzufrieden. Ihm reichte es langsam, dass seine Crew den Ozean in die gegenüberliegende Richtung durchquert hatte, nur weil ein aufgelesener Pirat nach dem Fiasko mit der Flying Dutchman behauptete er könne sie zu Davy Jones Schatz führen. Der Erfolgsdruck von England hatte ihn einwilligen lassen, doch langsam ging ihm das Spiel zu weit.
„Sperrt den Piraten unter Deck. Wir werden ihn im nächsten Hafen richten lassen. Ich habe genug von den Seemannsgeschichten!" Der Ergriffene sah dies ganz anders. „Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt! Ich habe euch nie versprochen, dass ihr Gold und Silber finden würdet. Vor euch steht Davy Jones größter Schatz auf Erden, wofür er sogar bereit ist seine eigenen Crew ins Verderben segeln zu lassen: Seine Frau."
Alle Augen richteten sich vom sprechenden Piraten auf die Gegenseite des Schiffes zur Reling, wo die junge Frau stand. Mit vor Wut bebenden Schultern ließ Boswell den Piraten los und stapfte zur Reling hinüber. „Wo ist Davy Jones?" Sophia hob ihren Kopf. „Auf See" antwortete sie spottend. „Ihr seid also nah dran..." Boswell holte aus und schlug sie ins Gesicht, zog sich wieder in die Höhe. „Und wenn ich es aus euch herausprügeln muss, wo-„
„Boswell!" Die Stimme des Captains ließ keine Widerrede zu. Er sah seinen Offizier streng an. „Ich denke Ihr habt schon genug getan. Genau genommen geschieht es euch recht, wenn ihr euch auf den Handel mit einem Piraten einlasst! Aber auf meinem Schiff, lasse ich nicht zu, dass Ihr euch wie einer gehen lässt." Er blickte zu dem Piraten hinüber. „Hier wird niemand gerichtet. Wir segeln zurück in den Heimathafen, und dort wird ein ordentliches Gericht beschließen, ob und wer hier etwas schuldig ist." Sophia rappelte sich wieder auf und sah den Männern nach, die dem Captain folgten um den Piraten in Eisen zu legen.
Boswell hatte keinen Widerspruch zu den donnernden Worten des alten Captains eingelegt, dennoch sah man in seinen Augen mit welcher Wut er innerlich kämpfte. Er wandte sich wieder der jungen Frau zu und musterte sie eingehend. Seine Hand verfolgte den Verlauf der schwarzen Perlen, an deren Mitte der silberne Anhänger die Front des Kleides zierte. Sophia hielt diesem Blick stand. „Egal wie weit ihr mich fortbringt, euer Weg war umsonst." Boswells Stimme war ungewöhnlich ruhig, er lächelte sogar ein bisschen. „Nein. Ich werde dafür Sorgen, dass es Davy Jones nicht gleichgültig ist, ob wir hier waren. Und ich werde die Gewissheit haben, dass sein Gold ihn nicht trösten kann."
Beinah lautlos im Vergleich zu seinem üblichen Geräusch durchbrach ein Schuss die Geschäftigkeit an Board des Schiffes. Die Handschellen hatten sich noch nicht um die Gelenke des Piraten geschlossen, ehe die Aufmerksamkeit aller Männer an Deck an die Reling wanderte. Boswell zog seine Muskete zurück und nur der größenwerdende dunkle Fleck an der verzierten Front des Kleides zeugte von der schweren Verletzung der Trägerin. Diese konnte kein Wort mehr von den Lippen bringen und sank langsam, instinktiv die Hand an ihre Wunde gelegt, an der Reling hinunter, bis sie schließlich auf den Boden sank. Nur ein paar schrecklich lange Sekunden musste sie zitternd und tief atmend den Schmerz der Schussverletzung ertragen, ehe sie vor allen Augen auf dem Deck starb.
Boswell blieb ruhig vor der toten Frau stehen und besah sich mit Genugtuung wie alles Leben aus dem Körper gewichen und das Blassgewordene Gesicht einen starken Kontrast zu dem gelockten schwarzen Haar ergab.
Jonathan Taylor blickte mit stummer Miene auf dass was vor seinen Augen geschah. Er vergaß sogar zu fliehen, als die Briten die Handschellen wieder sinken ließen. Aye, er hatte sich rächen wollen, dafür das Davy Jones eine Frau in seinen Gedanken über sein Schiff, über seine Crew, ja sogar über sich selbst stellte. Doch ihren Tod hatte er niemals gewollt.
Der Captain durchbrach als erstes die Stelle. „Mit welchem Recht!" Schrie er Boswell an und die Aufmerksamkeit der Männer konzentrierte sich nun auf die Beiden. „Mit dem Recht, dass wir nicht Tausend Meilen umsonst gesegelt sind! Mit dem Recht, dass wir nun kein Gold aber Genugtuung haben!"
Boswells Stimme wurde durch ein läuten
unterbrochen das von der Insel kam. Ein stürmischer Wind hatte
nun eingesetzt und riss Blätter und Sand von der Insel um sie
aufs offene Meer zu tragen, das Schiff schaukelte düster und das
Wasser grollte von der Tiefe.
„Schafft sie weg."
Hektisch
begann die Mannschaft die Segel zu setzen um den Aufbruch
vorzubereiten, der Pirat war von Deck verschwunden und zwei Soldaten
zogen Boswell unter Deck während der Captain seine Befehle
donnerte das Schiff klar zu machen.
Durch die Wellen schaffte Taylor es an Land und nahm die Beine in die Hand um vom Strand wegzukommen und vom Wasser. Sein Weg führte ihn den Strom der Insel entlang auf die andere Seite.
Als der Sturm schwächer wurde begaben sich die schwarzen Siedler zum Meer um an dessen Ufer eine Entdeckung zu machen. Ein Mann hob die leblose Frau hoch um sie zu der Hexe zu bringen. Das Meer hatte etwas aus seinen Tiefen zurückgegeben, so wie es alles einmal zurückgibt.
Begleitet von ihrer Dienerin fanden sich die schwarzen Gläubigen in dem Haus der Hexe ein. Die Tote wurde auf den Tisch gelegt und die Hexe betastete schweigend die Frau, die noch vor wenigen Stunden hier vor ihr gesessen hatte. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf das Medaillon um ihren Hals. Die Hexe schickte alle Anwesenden fort um schweigend auf den Tisch zu blicken. Ihre Hände hatten die Schere in der Hand mit welcher sie die schwarzen Locken abschnitt. Blut tropfte auf den Boden und nach getaner Arbeit betete die Hexe das Medaillon auf einen leeren Platz in ihrer Sammlung. Sie würde es weitergeben wenn ihre Zeit gekommen war, über viele Generationen hinweg würde sie es bewahren, so wie die Insel vor dem Zorn der weißen Siedler bewahrt worden war durch das Verlassen der weißen Frau. Sie vergrub die Überreste im Sumpf und kehrte zurück in ihre Hütte. Die Karten der jungen Frau lagen noch vor ihr auf dem Tisch. Sie besah sich diese noch einmal.
Nach 2 Monaten kam ein Schiff an die Küste
der Insel und fand nur noch Verlassenheit vor.
Stumm stand
Jonathan Taylor an der Seite seines Captains als dieser ungläubig
auf die Insel starrte. In Tortuga hatten sich ihre Wege wieder
gekreuzt und er war wieder an Board gegangen, nachdem er in dem
Gefecht mit den Engländern unglückseliger Weise von Board
gespült worden war doch überlebt hatte. Sein Blick war auf
das Wasser gerichtet, das Wasser, wo er sie das letzte Mal gesehen
hatte, nachdem er sie verraten hatte. Niemand würde es je
erfahren, er würde dieses Geheimnis mitnehmen in sein Grab, das
Schicksal das er in der Hölle landen würde für seinen
Verrat annehmend.
Doch Jonathan Taylor und der Flying Dutchman sollte ein anderes Schicksal vorbestimmt sein. Er würde die Hölle niemals zu sehen bekommen. Stattdessen war er dazu verdammt die Ewigkeit auf der Flying Dutchman zu verbringen, in dem Wissen dass er diesen Fluch, der Davy Jones vor Gram sein Herz herausschneiden und die Flying Dutchman auf ewig durch die Meere segeln ließ, über sie gebracht hatte.
