So, es geht weiter. Für die nächsten Tage bin ich dann nicht zu hause, sondern in Bremen.
7 Erinnerungen
Vor ungefähr 4 Jahren
Ängstlich lief die 15-jährige Elayne Stanford durch die dunkle Gasse. Es war spät am Abend und sie würde zu Hause gewiss Ärger bekommen, aber sie hatte sich nicht losreißen können. Ihre Freundin Tracey und sie hatten sich gerade so gut unterhalten, da war es dem jungen Mädchen egal gewesen, dass sie von ihrer Mutter Ärger bekommen würde.
Nur an eines hatte sie in ihrem Übermut nicht gedacht. Die Gassen von Port Royal waren nachts nicht gerade freundlich und übles Gesindel wie Piraten streunerte selbst in dem besseren Viertel der Stadt umher.
Von klein auf wurde Elayne eingebläut, dass Piraten böse waren und alle gehängt werden müssten. Das Mädchen hatte immer Angst gehabt, dass ein ganz bestimmtes Schiff in den Hafen einlaufen könnte, ein Piratenschiff. Doch bisher wurde dies von der Marine verhindert.
Es waren aber nicht nur die Piraten, die Elayne Angst machten. Auch die Bettler und Säufer, und Obdachlosen und Räuber brachten die schwarzhaarige zum schaudern. Ihre Eltern hatten in der Erziehung ganze Arbeit geleistet, denn das Mädchen hielt sich von allem, dass keine teure Kleidung trug fern.
War das eben ein Schatten gewesen? Elayne begann zu laufen… immer schneller, doch der Schatten verfolgte sie. Nun nahm sich auch fremde Schritte auf dem groben Pflaster war. Schwere Schritte, männliche Schritte.
Schritte von dem Dieb, der nun unerwartet vor Elayne auftauchte.
Dem Mädchen entfuhr ein spitzer Schrei, als er sie an dem Armen packte und gegen die Gassenwand drückte.
„Sieh an Püppchen, so ganz alleine unterwegs. Du hast doch bestimmt was Wertvolles dabei."
Der Mann hatte nur noch vereinzelt Zähne im Mund und Elayne drehte angeekelt das Gesicht zur Seite. „N-Nein… hab ich nicht."
„Sicher Püppchen?" Elayne spürte wie raue Finger über ihren Hals glitten und an der Perlenkette innehielten. Die Perlenkette ihrer Großmutter! Elayne hütete diese Kette wie einen Schatz.
„Nicht die Kette! Bitte, bitte nicht die Kette."
„Ach… und warum nicht Püppchen?" Der Dieb grinste boshaft, doch sein lachen verging ihm bald.
„Weil die Lady sicher etwas dagegen hätte."
Im nächsten Moment spürte der Räuber eine Schwertklinge an seinem Hals. Als Elayne an ihm vorbei blickte sah sie in das Gesicht eines gutaussehenden jungen Offiziers. Sobald der Dieb ihr etwas Bewegungsfreiheit gelassen hatte, huschte das Mädchen schnell hinter den Rücken ihres Retters, der dem Dieb mit einer raschen Handbewegung zu verstehen gab, dass er jetzt wohl besser verschwinden sollte, wenn er nicht sein Leben lassen wollte. Kaum war er hinter der nächsten Ecke verschwunden, drehte der Offizier sich zu Elayne um.
„Eine Dame wie Ihr sollte nicht um diese Uhrzeit alleine unterwegs sein. Kommt, ich begleite Euch nach Hause." Er lächelte vertrauensvoll und Elayne seufzte erleichtert.
„Ich danke Euch vielmals. Mein Name ist Elayne Stanford." Der Offizier deutete eine Verbeugung an. „Gerrit Reynolds, stets zu Euren Diensten."
Er bot Elayne seinen Arm an und sie nahm in dankend an. Was wäre nur passiert wenn sie diesem freundlichen jungen Mann, er mochte vielleicht drei Jahre älter als sie sein, nicht begegnet wäre!
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Elayne hielt in Erinnerungen versunken mit dem Erzählen inne. Wie naiv sie damals gewesen war, wie dumm! Wie lächerlich ihr gesamtes Weltbild gewesen war.
„Er ist Myras Vater nicht war?" Erst Jacks Frage riss sie aus ihren Gedanken.
„Mhm", die junge Frau nickte leicht.
„Ich war damals so jung und ungeheuer… dumm! Man hätte mir erzählen können die Erde würde von einem Elefanten getragen und so naiv wie ich war, hätte ich es geglaubt." Ihre Lippen wurden zu einem schmalen, verbitterten Strich.
„Er hat mir die Welt versprochen. Heirat sobald er eine führende Position innehätte, wie glücklich wir doch zusammen sein könnten. Und ich…. ich war dumm und habe ihm geglaubt… ihn angehimmelt und mich von ihm verführen lassen. Doch als er erfuhr, dass ich schwanger war, konnte er seinen Vorgesetzten gar nicht genug anbetteln versetzt zu werden. Da fing ich an langsam klar zu sehen. Meine heile Welt geriet ins wanken, aber da waren ja noch meine Eltern… hah… dachte ich zumindest."
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„Du bist was?" Zwei entsetzte Augenpaare starrten Elayne an.
„Schwanger", wiederholte das junge Mädchen kleinlaut.
„Wer hat dir das angetan?" Ihr Vater, ein reicher Plantagenbesitzer, der nun um die Ehre seiner Tochter, aber vor allem um seinen Ruf fürchtete.
„Aber Kind, vor der Ehe!" Ihr Mutter, blasshäutig, wie es sich für eine Lady gehörte, teuren Schmuck um den Hals, die nun um die Ehre ihrer Tochter, aber vor allem um ihren Stand bei den anderen Damen fürchtete.
Und Elayne erzählte, weinend und die Wahrheit. Was Gerrit ihr versprochen hätte und wie er sich nun hat versetzen lassen.
Die Tränen flossen in Strömen und Elayne wirkte blass und kränklich, verzweifelt, aber zu ihrem Entsetzen sahen ihre Eltern nur hart auf das Häufchen Elend herab.
„Ich kann den Jungen gut verstehen, an seiner Stelle hätte ich genauso gehandelt."
„Du bist so was von Verantwortungslos, wie eine kleine Hure lässt du dich vor der Ehe schwängern! Hab ich dir gar nichts beigebracht?"
„Elayne, geh in dein Zimmer, sofort!" Die Stimme ihres Vaters war hart und duldete keinen Widerspruch. Geknickt und verzweifelt schlich Elayne in ihren großen Raum…… und dort wartete sie. Wartete, wartete und wartete.
Von unten hörte sie die lauten Stimmen ihrer Eltern und da kam ihr in den Sinn, dass sie selbst ja bald Mutter werden würde. Irgendwie tröstlich. Sie würde gewiss nicht so mit ihrer Tochter schimpfen, falls jener das gleiche Unglück widerfahren sollte.
Schließlich, es kam dem Mädchen wie Stunden vor, betraten ihre Eltern den Raum.
„Also Tochter, hör gut zu." Ihr Vater räusperte sich, während die Blicke ihrer Mutter kummervoll auf ihr ruhten.
„Da du verantwortungslos gehandelt hast, deine Familie Schande bereitet hast und deiner armen Mutter einen Nervenzusammenbruch bereitet hast, mussten wir beraten wie es nun weitergeht. Anscheinend scheint es dir egal zu sein, wie viel wir für dich getan haben, also musst du nun die Konsequenzen aus deinem Handeln ziehen. Eine Möglichkeit wäre, einen ehrbaren Mann zu suchen, der dich trotz des Kindes heiraten wird, aber , da das ja sozusagen eine Belohnung für dich wäre und mich ein Vermögen kosten würde, haben deine Mutter und ich beschlossen, dass es das Beste wäre, wenn du ins Kloster gehst. Ich werde dem Kloster in Port Hope eine schöne Summe spenden und dann werden sie dich schon aufnehmen. Du und dein Kind werden dort ein gutes Leben führen und frei von Sünde leben."
Nach dem letzten Satz ihres Vaters begann es in Elaynes Ohren zu rauschen und die Erkenntnis traf sie rücksichtslos hart.
Sie war allein!
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„Ich hab mich in dem Moment so allein gefühlt. Ich hatte doch plötzlich niemanden mehr. Ich war doch mein ganzes Leben von jemandem abhängig gewesen und nun sollte ich plötzlich ganz allein zu Recht kommen."
Elayne schluckte. Niemals würde sie die Seefahrt zum Kloster vergessen. Dort hatte sie Zeit zum nachdenken gehabt, viel Zeit und je mehr sie nachdachte, desto deutlicher sah sie alles.
Gerrit war ein Schwein, das sie benutzt hatte. Ihre Eltern hatten sie abgeschoben und die Nonnen wollten sie eigentlich gar nicht.
„Die erste Zeit im Kloster war für mich die Hölle", begann sie nun wieder. „Die Nonnen haben mich wie eine… eine Verbrecherin behandelt und auf mich herabgesehen. Nur… nur der Gedanke an Myra hat mir geholfen. Ich hab mir immer vorgenommen eine gute Mutter zu sein und… und mir immer vorgestellt wie es wohl sein würde, wenn sie erst auf der Welt wäre…"
Elayne lächelte, doch noch immer lag Trauer in ihrem Blick.
Jack griff wieder nach ihrer Hand und streichelte sanft ihren Handrücken.
„Du bist eine gute Mutter, die Kleine liebt dich über alles. Sie hat dich so vermisst und mir die Ohren vollgeschwärmt, wie toll du doch wärst." Der Pirat grinste aufmunternd. „Das Kloster hast du hinter dir, deine allerliebsten Eltern auch und… ach ja… deinen ehemaligen beinahe Göttergatten hab ich auch vor kurzem getroffen."
„Du hast Gerrit getroffen?" Elaynes Stimme rutschte gleich ein paar Tonlagen höher.
„Ja Liebes und er ist, was er anscheinend schon immer war: Ein mieser Dreckskerl UND auf dem Weg nach Port Hope."
„Aber was soll er in Port Hope wollen?" Verwirrt legte Elayne einen Arm unter ihren Kopf.
„Vielleicht… dich besuchen." Erneut entblößte Jack seine Goldzähne. „Ich will ja nichts sagen, aber hier bist du in wesentlich besserer Gesellschaft."
Und wie um Jacks Worte zu untersteichen, ertönte vom Deck ein dröhnendes Männerlachen, das nur von Clark komme konnte, und ein hohes vergnügtes Quietschen bis in die Kabine.
„Jack ich… ich hab ein ungutes Gefühl bei der Sache." Unbewusst schloss ihre zierliche Hand sich fester um Jacks.
„Ich… Wir… Könntest du Myra und mich nach Kuba bringen? Dort lebt meine Großmutter, sie würde uns bestimmt helfen."
„Klar Schatz, solange die werte Dame mich und meine Mannschaft nicht an den Galgen bringen will."
Nun lächelte Elayne. „Das wird sie sicher nicht. Sie ist ganz anders als die anderen, ich glaube sie würde dich sogar mögen."
„Na dann…" Jack küsste ihr übermütig die Hand. „Segeln wir nach Kuba!"
