Diese Geschichte stammt mal wieder aus dem Wettbewerb, den meine Freunde und ich veranstalten. Thema war "Talent". Und mit diesem Beitrag habe ich gewonnen freu
Disclaimer: Die hier verwendeten Charaktere aus X-Men: Evolution gehören nicht mir, sondern ihren Schöpfern. Ich habe sie lediglich ausgeliehen und verdiene damit auch kein Geld.
Eine Feder, mächtiger als das Schwert
Jeder
wünscht sich über ein besonderes Talent zu verfügen,
eine Begabung, die einen aus der Masse heraushebt. Aber was, wenn
dieses Talent den üblichen Rahmen sprengt? Ein Läufer nicht
mehr nur schneller als seine Konkurrenz rennt, sondern sogar Autos
überholen kann? Intuition, Menschenkenntnis und
Einfühlungsvermögen sich zu Telepathie und Empathie
steigern? Dann spricht man von Mutation, einer sprunghaften,
genetischen Weiterentwicklung.
Nicht immer setzen sich diese
Mutationen in einer Spezies durch, doch unabhängig davon, ob sie
sich eines Tages durchsetzen oder nicht, zunächst können
solche Mutationen furchteinflößend sein. Nicht nur für
das Umfeld des Mutanten, sondern auch für diesen selbst.
Im
Tierreich werden derart mutierte Artgenossen einfach getötet,
sofern sie sich nicht als überlegen erweisen, und auch der
Mensch, obgleich, oder vielleicht gerade weil er sich als Krone der
Schöpfung betrachtet, neigt dazu Sonderlinge weg zu beißen,
sie zu vertreiben und wegzusperren.
Aber Wegsperren ist nicht
gleich Wegsperren, es gibt Unterschiede im Grad der Isolation, und
wie erträglich ein derartiges Leben gestaltet wird. Eine der
angenehmsten Formen ist die Schule von Professor Charles Xavier für
besonders begabte Kinder. Dort lernen die Mutanten mit ihren Talenten
verantwortungsvoll umzugehen, und diesem Prinzip folgend als X-Men
für ihre Rechte zu kämpfen.
An einem
milden Frühlingstag stand ein junges Mädchen von etwa 16
Jahren vor den Toren der Schule und sah zu dem mit Efeu bewachsenen
Gebäude hinüber. Wenn ihre Recherchen stimmten, würde
sie hier eine Zuflucht finden.
Sie zog ihr Notizbuch und einen
Bleistift aus ihrem Rucksack.
‚Hoch ragte das altehrwürdige,
steinerne Gebäude der Schule vor mir auf. Lediglich das Tor
trennte mich von meinem neuen Zuhause. Ein wenig unsicher, aber auch
neugierig sah ich mich um. Doch noch ehe ich eine Klingel hätte
suchen können, geschweige denn mich durch Drücken selbiger
bemerkbar machen können, schwang eine Hälfte des eisernen
Tores auf und ließ mich ein. Vielleicht wurde ich ja erwartet?
Hoffnungsvoll trat ich ein, und gleich darauf schloss sich das Tor
hinter mir wieder.'
Mit einem Lächeln steckte sie das
Notizbuch wieder weg. Genau wie sie geschrieben hatte, hatte sich das
Tor geöffnet, bereit sie einzulassen.
„Scott, würdest
du bitte unserem neuen Schützling entgegen gehen?", bat der
Professor den jungen Mann, der zu seinen ältesten Schülern
gehörte.
„Neuer Schützling? Ich wusste gar nicht,
dass wir heute jemanden erwarten."
„Das wusste ich bis vor
wenigen Minuten auch nicht. Sehr interessante Gabe..." Damit rollte
der Professor an Scott vorbei in sein geräumiges Büro, wo
eine Handvoll jüngerer Schüler bereits auf ihre Ethikstunde
wartete.
Während Scott zum Tor schritt, überlegte er,
ob er nicht versuchen sollte, nachher Jean zu überreden mit ihm
eine Spritztour auf dem Motorrad zu unternehmen. Das Wetter war dafür
geradezu ideal. Er war so in seine Gedanken versunken, dass er
beinahe das Mädchen, welches ihm schwerbepackt mit Reisetasche
und Rucksack entgegen kam, übersehen hätte. Irritiert blieb
er stehen. Sicher, der Professor hatte ‚entgegengehen' gesagt,
aber... „Wie bist du hier hereingekommen?"
Da sie nicht
wirklich damit gerechnet hatte, lange unbemerkt zu bleiben, lächelte
das Mädchen den jungen Mann nur an und erwiderte schlicht: „Ich
habe mich hineingeschrieben. Und es hat funktioniert."
„Hineingeschrieben?"
„Ja." Das Mädchen nickte.
„Alles, was ich schreibe wird Wirklichkeit. Na ja, nicht alles,
aber sehr vieles."
„Aha." Wirklich verstanden hatte Scott
nicht, wie dieses Talent funktionierte, aber das war auch nicht seine
Aufgabe, darum würde sich der Professor kümmern. „Mal
sehen, wo wir ein Zimmer für dich finden... Bei Rogue dürfte
noch ein Bett frei sein."
„Wie hast du gemerkt, dass das,
was du schreibst, Realität wird?" Ruhig blickte der Professor
das Mädchen, welches sich ihm als Penny vorgestellt hatte, an.
„Ich habe mir schon immer gerne Geschichten ausgedacht. Denn
die Freunde, die ich in diesen Geschichten hatte, blieben mir
erhalten, egal wie oft wir umgezogen sind. Und wir sind sehr oft
umgezogen. Irgendwann habe ich angefangen, diese Geschichten
aufzuschreiben. Aber es waren immer Geschichte, die in einer nicht
existenten Phantasiewelt spielten", fügte sie rasch hinzu.
„Über das Internet habe ich Gleichgesinnte gefunden, bei denen
meine Geschichten Anklang fanden, und die mir Anregungen und
Ratschläge gaben. Vor kurzem ist meine Familie dann in eine
Stadt gezogen, in der zufällig auch einer dieser
Internetbekannten lebte. Wir beschlossen uns zu treffen und gemeinsam
eine Geschichte zu schreiben.
Eines Tages, als wir in der
Bibliothek recherchierten, kamen wir an einen Punkt, wo uns die
vorhandenen Bücher nicht mehr weiterhelfen konnten, und so
wollten wir unser Glück im Netz versuchen. Aber es waren gerade
alle Rechner besetzt. Da sagte mein Bekannter: ‚Schade, dass das
nicht eine unserer Geschichten ist, sonst könnten wir uns jetzt
einen freien Rechner herbeischreiben.' Darauf meinte ich: ‚So in
etwa?', und fing an etwas auf ein Stück Papier zu kritzeln.
Und dann geschah das Unfassbare: Genau wie ich geschrieben hatte,
stand ein Mann auf und ging zum Kaffeeautomaten. Zuerst hielt ich es
für einen Zufall, aber um es zu überprüfen, schrieb
ich weiter. Und tatsächlich, alles was ich schrieb, tat der
Mann. Zu Hause habe ich es dann noch einmal probiert. Und total
vieles von dem, was ich geschrieben habe, passierte. Mit meiner
Familie, mit mir... Warum manches allerdings nicht geklappt hat, weiß
ich nicht." Penny schwieg für ein paar Sekunden, ehe sie
fortfuhr.
„Zu Anfang hat es total Spaß gemacht. Etwa in
der Schule, wenn ich nicht an die Tafel gerufen werden wollte,
einfach zu schreiben, dass der Lehrer mich zwar ansieht, aber doch
jemand anderen drannimmt. Aber nach und nach habe ich gemerkt, dass
das ganze auch eine Kehrseite hat, jede Menge Gefahren mit sich
bringt. Was, wenn ich irgendwann jemanden aus Versehen töte, mit
dem, was ich schreibe, weil ich vielleicht vergessen habe einen
kleinen Handlungsstrang zu Ende zu schreiben? Das hat mir Angst
gemacht."
„Und deshalb bist du hierher gekommen?"
Penny
nickte.
„Und vorhin, da hast du dich auch hier aufs Gelände
geschrieben?"
Sie zog ihr Notizbuch hervor und zeigte dem
Professor den Abschnitt.
„Wie ich sehe, hast du schon eine
Menge über deine Gabe gelernt. Immerhin hast du schon daran
gedacht, das Tor wieder zu schließen", sagte Xavier mit einem
Lächeln.
„Ja, vielleicht... aber wieso klappt nicht alles,
was ich schreibe?"
„Das zu beantworten, würde ich gerne
einem Freund von mir überlassen. Er hat sich in seiner Freizeit
viel mit den großen Literaten dieser Welt beschäftigt und
wird dir bestimmt eine große Hilfe sein."
Hank
McCoy war hocherfreut endlich mal eine Schülerin zu bekommen,
die Shakespeare und dessen Werke wohl zu schätzen wusste. „Eine
mutierte Schriftstellerin, wie ich höre", begrüßte
der massige blaue Mann Penny.
„So in etwa", erwiderte das
Mädchen, und sah fasziniert den Lehrer an. Ohne, dass sie sich
dessen wirklich bewusst war, fügten sich in ihren Gedanken die
Worte zu Sätzen zusammen, die treffend ihre Eindrücke
beschrieben.
Hank lachte. „Wie gut, dass du nicht auch noch
telepathisch veranlagt bist, sondern noch immer deine Gedanken erst
zu Papier bringen musst."
Ertappt senkte Penny den Blick. „Na
ja, aber es funktioniert ja nicht immer."
„Irgendeine Idee,
wieso nicht?"
„Nein. Der Professor hat mir gesagt, Sie
könnten mir helfen."
„Also gut", nickte Hank. „Was
zum Beispiel hat nicht geklappt?"
„Mir Superkräfte wie
Fliegen oder Teleportation zuzuschreiben. Oder meiner Familie zu
einem Lottogewinn zu verhelfen."
Der massige Mann lächelte.
„Hattet ihr denn überhaupt einen Lottoschein?"
„Ähm,
nein", gab Penny zu.
„Na also, da hast du schon einen Teil
der Lösung. Denn wie soll deine Familie ohne Lottoschein im
Lotto gewinnen? Und lass mich raten, du hast auch nichts davon
geschrieben, dass deine Mutter oder dein Vater zufällig den
Schein finden, oder?" Fragend sah er Penny an. Diese schüttelte
den Kopf.
„Weißt du warum die großen Autoren mit
ihren Geschichten so berühmt geworden sind? So berühmt,
dass die Geschichten heute noch die Menschen faszinieren und noch
immer aktuell sind?" Er wartete nicht wirklich eine Antwort ab,
sondern fuhr gleich fort. „Nicht etwa wegen des Themas. Das ist
selten neu. Sondern weil sie keine logischen Fehler enthalten. Keine
sprunghaften Entwicklungen in Handlung oder Charakter, die sich nicht
nachvollziehen lassen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die
Figur der Katharina aus ‚Der Widerspenstigen Zähmung'.
Katharina ist störrisch, schwierig, kurz widerspenstig. Anders
ihre jüngere Schwester Bianca, welche in den Augen ihrer
Verehrer als liebreizend und sanft erscheint. Und bemitleidenswert,
da sie unter der strengen und dominanten Katharina zu leiden hat.
Aber weshalb ist Katharina so anders als Bianca? Die Antwort: Ihre
Mutter. Tritt sie irgendwo auf? Nein. Also können wir zu recht
annehmen, dass sie tot ist. Was zur Folge hat, dass Katharina als
älteste Tochter den väterlichen Haushalt führt. Sprich
das Haushaltsgeld verwaltet, die Dienstboten beaufsichtigt,
Streitereien schlichtet, ehe der Vater sie mitbekommt, und auch ein
Auge auf ihre jüngere Schwester hat. Eine Menge Verantwortung,
eine Menge Arbeit, kaum Zeit für Müßiggang. Bianca
dagegen hat, abgesehen von dem Unterricht, den sie erhält,
nichts weiter zu tun als sich für die Männerwelt hübsch
zu machen und mit ihnen zu flirten. Natürlich hat sie damit weit
mehr Erfolg bei den Männern als Katharina. Und die
Aufmerksamkeiten der jungen Herren steigen Bianca selbstverständlich
zu Kopf, sie wird ziemlich verwöhnt und verzogen. Dass Katharina
dem mit entsprechend scharfer Kritik entgegenwirken will ist also nur
allzu begreiflich. Allerdings bekommen die Verehrer somit aber auch
stets nur eine keifende Katharina zu sehen, was sie vor einer Werbung
um Katharinas Hand zurückschrecken lässt. Einzig Petruchio
erkennt ihr wahres Potenzial und heiratet sie. Nun, an dieser Stelle
greift das Theater zu recht drastischen Mitteln um die Verwandlung
Katharinas, ihre Zähmung darzustellen. Aber letztendlich
bedeutet es nichts anderes, als dass er ihr zeigt, dass sie nicht
mehr alles alleine tragen muss, dass er als ihr Gatte nun die
Verantwortung für sie hat, dass sie auf ihn vertrauen und
loslassen kann. Und als Katharina das verstanden und angenommen hat,
verwandelt sie sich in eine liebenswerte, tüchtige, vernünftige
Frau. Während ihre Schwester Bianca nun, zum ersten Mal ohne
garstige Schwester, neben der sie glänzen kann, als verwöhntes
Biest entlarvt wird.
Alles hat also eine Ursache und eine
logische Konsequenz. Und Veränderungen können nur im Rahmen
einer nachvollziehbaren Logik stattfinden. Das sind die Regeln. Sie
gelten nicht nur für die berühmten Autoren, sondern für
alle Schriftsteller und somit auch für dich und deine Gabe.
Solange dem, was du schreibst, der logische Rahmen fehlt, wird es
nicht funktionieren, dass aus dem geschriebenen Wort Realität
wird. Auch musst du stets bedenken, dass sich eine Figur, unabhängig
davon ob fiktiv oder real, stets nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten
ändern kann. Du wirst also nie fliegen können."
Unter der Anleitung von Hank McCoy lernte Penny die Grenzen ihres Talentes auszuloten und sie mit den ethischen Richtlinien in Einklang zu bringen. Auch lernte sie auf seinen Vorschlag hin Steno schreiben, nachdem sich herausgestellt hatte, dass weder Schrift noch Schreibmethode Einfluss auf die Umsetzung des Geschriebenen hatte. Denn die Stenographie verfügte über einen entscheidenden Zeitvorteil, da Penny nur, wenn sie in der Lage war, sehr schnell zu schreiben, ihr Talent jederzeit und überall zur Verteidigung einsetzen konnte.
„Mist! Ich hasse diese neuen
elektronischen Schlösser. Wenn wir die kurzschließen,
lösen wir einen Alarm aus", fluchte Wolverine.
Währendessen
waren Shadowcat und Nightcrawler an den Wänden abgeprallt. Wer
auch immer sich dieses Gefängnis ausgedacht hatte, war sehr
sorgfältig vorgegangen.
„Irgendeine Idee, Letter?",
fragte Beast Penny, doch deren Stift hetzte bereits in
Höchstgeschwindigkeit über das Papier.
‚Top Secret,
höchste Priorität, das war die Aufschrift, die jede Akte
der hier Einsitzenden trug. Und der einzige Weg, dem damit
verbundenen hohen Sicherheitsniveau gerecht zu werden, bestand für
den zuständigen Verantwortlichen darin, beinahe täglich den
Zugangscode zu ändern. Das war zwar mühsam, aber er
verfügte über ein herausragendes numerisches Gedächtnis.
Es war eine der Grundvoraussetzungen für diesen Job. An diesem
Tag hatte er sich für die Kombination DH650258HU13259
entschieden.'
„Okay, probiert es mal mit DH650258HU13259."
Ohne groß zu fragen, tippte Wolverine die Nummern ein. Es
funktionierte, mit einem metallischen Klicken gab die Tür den
Zutritt frei.
