Juhuu, ich habs geschafft, ich habs geschafft! Und ich habe nur 11 Anläufe gebraucht, um es hochzuladen!

Meine lieben LeserInnen. Jetzt ist es doch passiert. Aber der Mann kommt einfach nicht auf den Punkt und ich will zum Ende kein Zehn-Seiten-Kapitel updaten. Also gehen wir gemeinsam in die Verlängerung. Ich hoffe ihr seid mir deswegen nicht all zu böse ;-). Vielen Dank an die vielen Reviewer, die mich ein wenig an ihren Gedanken teilhaben ließen, ich hoffe, ich habe eure Fragen beantworten können und ihr habt weiterhin viel Freude an der Geschichte. Ein ganz besonderes Dankeschön möchte ich TheVirginian sagen, für ihre ehrliche Einschätzung und ihre tief greifenden Fragen.

Im Gegensatz zu den doch aufwühlenden vorhergehenden Kapiteln, geht es hier heute sehr sanft weiter.

Hohlt euch einen guten Wein und als sanfte, leise Hintergrundmusik, obwohl man sie sonst eher laut hören sollte, empfehle ich Melissa Etherigde mit „Breathe".

Obwohl mir vor Schreck fast der Tonkrug aus der Hand fällt, bin ich gefesselt von der Art wie er sich bewegt. Sein Gang ist von raubtierhafter Schönheit. Anmutig und geschmeidig bewegt er sich und straft so seinen staksigen Körperbau Lügen. Er vermittelt den Eindruck, von einem Ort zum anderen zu fließen, statt zu laufen.

Katzengleich.

Und mit eben jener inneren Ruhe nähert er sich mir, mit der sich alle Raubtiere ihrer Beute nähern, sobald sie diese erst einmal sicher in der Falle wissen. Langsam und in der Vorfreude eines finalen Spieles, dessen Einsatz nichts Geringeres ist, als das Leben der Beute, den alles entscheidenden Moment so lange wie möglich hinauszögernd.

Ich denke zurück an Juli, die smaragdäugige Gefährtin meiner Kindheit und den Tag, an dem ich begriffen habe, dass sie nicht nur die warme weiche Pelzkugel in meiner Armbeuge war, nachts, wenn ich schlief, sondern auch eine grausame Jägerin.

Zu ihrer Beute konnte sie in der Tat in dem selbem Maße grausam sein, in dem sie zärtlich war.

Sie hatte an diesem Tag eine Maus gefangen, lebendig und unversehrt. Das konnte sie, denn sie war eine Meisterin in diesen Dingen. Die Jagd bereitete ihr Freude und wenn sie schwierig gewesen war, wenn sie glaubte, einen würdigen Gegner gefunden zu haben, so begann sie mit ihm um sein Leben zu spielen. Ich habe sie oft dabei beobachtet.

Es begann immer gleich. Sie setzte sich vor ihr Opfer, gerade soweit entfernt, dass das verzweifelte Tierchen noch eine Chance für sich sah, doch nah genug, dass es nicht wagen würde, sie zu ergreifen.

Dann begann sie sich zu putzen während sie die Maus keines Blickes würdigte und Desinteresse heuchelte.

Sie konnte sich sehr ausgiebig putzen.

Zu solchen Gelegenheiten legte sie immer ein besonderes Augenmerk auf Zähne und Krallen. Sie wusch sich zwischen den Ballen, kämmte ihre eleganten Schnurrhaare und achtete sorgfältig darauf, dass die dolchartigen Waffen immer wieder, gut sichtbar für ihre Gefangene, hervorblitzten.

Ein solches Spiel erwartet mich jetzt. Ich kann es in seinen kühl glitzernden Augen sehen. Und ich weiß, dass die ersten Tatzenhiebe nur leichte Stubser sein werden, ohne Krallen. Sanft. Zärtlich.

Er setzt sich mir gegenüber ans andere Ende der Holzbank und kein Tisch ist mehr zwischen uns, der mich vor seinem sezierenden Blick verbirgt. Seine Beine schlägt er übereinander und lehnt seinen schmalen Körper lasziv gegen das abgewetzte Holz.

Seine Arme kommen weit ausgestreckt auf der Lehne zu liegen und es sieht aus, als hielte er mich dazwischen gefangen. Er hat seine Beute gesichert und nicht für einen Augenblick verlassen seine Basiliskenaugen die meinen, halten mich gefangen und gelähmt.

Er hat eine beachtliche Spannweite, wenn er sich so auseinanderfaltet und wirkt nun wesentlich imposanter als noch vor wenigen Minuten in seiner zusammengekauerten Lauerstellung. Ich warte darauf, dass er sich zu putzen anfängt und er enttäuscht mich nicht. Seine Finger zupfen konzentriert an akkurat sitzenden Hemdsärmeln und hypnotisieren mich in ihrem federleichten Tanz.

Doch es blitzen weder Zähne noch Krallen.

Der Zauber, den er seinem unattraktiven Körper mit jeder Geste verleiht, nimmt mich mehr gefangen, als alle Basiliskenblicke dieser Welt es könnten.

Ich bin atemlos in meiner Faszination versunken und so weiche ich nicht aus, als er sich plötzlich nach vorne beugt, direkt auf mich zu. Ich kann mich zu keiner Reaktion entschließen, sitze nur da, mit angehaltenem Atem.

Doch er zieht mir nur mein zerfleddertes Notizbuch aus den zusammengekrampften Fingern, während ich ihn fassungslos anstarre und obwohl mein Gehirn lautstarke Einwände formuliert, entweicht meine Lippen nicht der allerkleinste Laut.

Meine Zunge klebt fest an meinem Gaumen und meine einzige Äußerung zu dieser Anmaßung besteht in einem überraschten Blinzeln.

Er entlässt mich aus seinem hypnotisierenden Blick und schlägt die letzte Seite auf, an der ich geschrieben habe. Seine Hände verfahren dabei ebenso vorsichtig, wie sie es vorhin mit seinem eigenen Buch taten, so als wäre diese lose Zettelsammlung meiner Hirngespinste von unschätzbarem Wert. Gegen meinen Willen berührt mich die Geste und söhnt mich leise mit seinem harschen Überfall aus.

Doch die dunkle Stimme in mir fragt sich, wann die Krallen kommen.

Während er blättert und mit Alabasterfingern die geschundenen Seiten glatt streicht, bekomme ich ausgiebig Gelegenheit ihn von Nahem und mit unverhohlener Neugier zu betrachten. Doch inzwischen scheint ihn das nicht mehr sonderlich zu stören. Vielleicht ist er auch der Meinung, meine Gedankenskizzen gegen seine Erscheinung wäre ein angemessener Tausch.

Seine Augen gleiten schnell und sicher über die Zeilen, finden Ergänzungen und Querverweise mühelos. Er ist ein geübter Leser und es offensichtlich auch gewohnt, sich in verworrenen handschriftlichen Texten zurechtzufinden.

Hin und wieder verlässt sein Blick meine Aufzeichnungen, wandert über den Seitenrand hinaus und trifft den meinen. An manchen Punkten schließt er seine Augen, legt den Kopf dabei ein wenig schief oder in den Nacken, seine schmalen, farblosen Lippen bewegen sich lautlos, so als spreche er sehr leise, nur für sich selbst. Er kostet die Worte, ihren Klang, wie einen alten schweren Wein.

Der Anblick bannt mich und ich spüre, wie sich in mir eine Spannung aufbaut, die nichts mit Angst oder Nervosität zu tun hat, sondern fiebrig vor Erregung auf sein Urteil lauert.

Er lässt sich Zeit. Sorgfältig liest er jede Seite, kostet jede Zeile, formt Worte und lässt seinen Blick unfokussiert durch den Raum streichen und darüber hinaus.

Und dann, ganz unvermittelt, klappt er das Buch zu und seine volle Aufmerksamkeit trifft mich mit ungeminderter Intensität. Ich habe den Eindruck, als schaue er mich nicht nur an, sondern in mich hinein, genau auf jenen Punkt, an dem die Worte geboren werden.

„Und?", frage ich, um die Spannung, die ich nicht länger aushalten kann zu zerreißen.

„Düster", antwortet er. Nur das. Als wäre damit alles gesagt.

Ich bin enttäuscht und vergesse für einen Augenblick, dass ich in diesem Spiel ja nur die Maus bin.

„Aber doch nicht ausschließlich", protestiere ich. „Es sind doch auch ein paar sehr leuchtende Passagen da drin. Mit Licht und Farbe und allem."

Er nickt. „Aber nur, damit man erkennen kann wie dunkel die Finsternis wirklich ist", entgegnet er ruhig. „Hier und da, an passender Stelle ein Sonnenstrahl und ein paar leuchtende Farbtupfer, nur um den Leser in eine neue Dunkelheit zu werfen. Damit er sich nicht an die Schatten gewöhnt, sondern in der ständigen Erinnerung dessen gefangen ist, was er verloren hat."

Ich erschauere durch den Klang seiner Stimme. Ein dunkler Bariton, sanft vibrierend und von so samtiger Tiefe, dass ich versucht bin, allen mir bekannten Göttern für sein hässliches Gesicht zu danken. Ich wäre sonst hoffnungslos verloren.

„Dunkelheit muss ja nicht immer gleich etwas Schlechtes sein", verteidige ich meine Gedanken. „Es gibt auch sehr schöne Empfindungen, die man mit dunklen Farben umschreiben kann. Geborgenheit zum Beispiel. Niemand assoziiert Geborgenheit mit Licht."

Er wirkt nachdenklich aber sein blasses Gesicht gibt nichts preis. Stattdessen winkt er die Kellnerin herbei, doch er spricht so leise, dass ich keines seiner Worte verstehen kann. Sie nickt zu der Bestellung und huscht zurück in den vorderen Teil des Schankraumes.

„Geborgenheit", sagt er, und hüllt dabei jede Silbe in dunklen Samt, „sucht nur, wer einsam ist. Und einsam sind nur jene, die im Dunkeln leben."

Ich kann darauf nichts entgegnen, denn er trifft genau den Punkt und ich stimme ihm im Stillen zu.

Die runde Kellnerin kehrt zu unserem Tisch zurück und durchbricht die Stille, die sich zwischen uns gelegt hat mit dem kristallinen Klingen von zwei edlen, zu schierer Brillanz geschliffenen Gläsern, die selbst im trüben Dämmerlicht der kleine Kneipe jeden noch so kleinen Lichtquanten reflektieren und von innen heraus zu leuchten scheinen. Es sind mit Abstand die teuersten Gläser, die ich je gesehen habe und wohl kaum ein übliches Kneipeninventar. Im Gegensatz zu Hüten kenne ich mich mit Gläsern recht gut aus und ich runzle die Stirn und bedenke mein Gegenüber mit einem verwirrten Blick.

Er geht nicht darauf ein sondern betrachtet mit geübtem Auge, wie die kleine Kellnerin die teuren Gläser mit einer durchscheinenden rotgoldenen Flüssigkeit füllt.

Mein mysteriöses Gegenüber läßt dafür einige hell klingende Münzen in die Hand der Kellnerin fallen und ihre sich leicht weitenden Augen, verraten mir, dass auch ein ordentliches Trinkgeld enthalten ist. Dann entlässt er sie mit einem knappen Kopfnicken. Sie sieht jedoch nicht besonders glücklich aus und als ihr Blick mich für einen winzigen Moment streift, kann ich so etwas wie Besorgnis darin lesen.

Mein Trinkgefährte ist also kein unbeschriebenes Blatt und hilft in seiner Freizeit auch keinen Omas über die Straße. Nein, die Reaktion der Kellnerin auf seine großzügige Geste bestätigt meine Supermarkttheorie ziemlich gut.

Er scheint meine Überlegungen zu erraten, denn er sagt: „Wenn Sie gehen wollen, dann gehen Sie gleich." Und aller Samt ist bei diesen Worten aus seiner Stimmer verschwunden. Sie klingt jetzt hart und kalt wie die Steilwand eines Achttausenders.