Kapitel 5
Herbert würde sich das nicht länger anhören. Diese
Frau kam jetzt wieder zurück auf den Friedhof und damit hatte
sich das erledigt. Er würde sich doch nicht von einer
dahergelaufenen Göre auf der Nase herumtanzen lassen. So schnell
würde er sich ganz sicher nicht dazu überreden lassen, sie
wieder aufzuwecken.
Er legte einen Arm um Alfred und bedeutete
Sarah zur Tür hinaus zu gehen. Diese funkelte ihn zwar böse
an, gehorchte aber schließlich und stolzierte vor ihnen her zum
Friedhof. Erst dort angekommen drehte sie sich wieder zu Alfred und
Herbert um. "Kann ich einen Moment mit dir alleine sprechen,
Alfred?" fragte sie.
Herbert gab Alfreds flehendem Blick widerwillig nach und setzte
sich auf einen etwas entfernten Grabstein. Allerdings behielt er
Alfred und Sarah unauffällig genau im Blick.
Sarah griff nach Alfreds Arm und
zog ihn noch ein Stück von Herbert weg. Dann sah sie zu ihm auf.
"Alfred, wenn es wirklich so weitergeht, dann möchte ich
nicht hier bleiben." sagte sie fordernd. "Ich möchte
anders behandelt werden. Herbert mag mich nicht und der Graf beachtet
mich nicht. Du läufst doch mit mir weg, wenn ich es will, nicht
wahr? Du hast doch versprochen mich von hier wegzubringen?"
Alfred sah zu Herbert, der jetzt betont in eine andere Richtung blickte. "N-natürlich", sagte er. Aber er hatte ein bisschen Angst. Wenn er so schlecht sah im Dunkeln, wie sollte er denn da auf Sarah aufpassen können, wenn sie flohen? "Aber ich versuche wirklich mein Bestes, damit du besser behandelt wirst!", sagte er überzeugt. Dafür würde er auch wirklich mit dem Grafen reden. "Weißt du... Vielleicht ist es wirklich sicherer für uns, hier zubleiben. Wir kennen uns noch gar nicht richtig aus, und ich weiß nicht, ob ich... Also ich glaube nicht, dass ich einen Menschen überfallen und ihn beißen könnte..."Er schauderte beim Gedanken daran. "Könntest du das?"
"Natürlich könnte ich das" sagte Sarah überzeugt.
"Hast du etwa schon vergessen, dass ich es war, die dich
gebissen hat? Wir sind nun mal Vampire und ernähren uns von
Blut. Ich bin froh, dass ich endlich keine Angst mehr haben muss,
sondern derjenige sein kann, der andere in Angst und Schrecken
versetzt. Und ich werde mich bestimmt von niemandem mehr einsperren
lassen. ab heute nehme ich mir, was ich will . . ." 'und ich
will den Grafen' hätte sie fast noch hinzugefügt, aber sie
ließ es lieber. Das wäre vielleicht Alfred gegenüber
kein kluger Schachzug gewesen.
Stattdessen stellte sie sich auf
die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf den Mund. "Du bist
wirklich ein sehr lieber junger Mann" sagte sie zuckersüß. "Versprich
mir, dass du mich nicht vergisst und den Grafen an mich
erinnerst."
Sie stieg zurück in ihren Sarg und schloss
den Deckel über sich.
Im nächsten Moment war Herbert wieder neben Alfred. "Was wollte sie von dir, mein Schöner?" fragte er.
"N-nichts!", sagte Alfred schnell. "Sie wollte, dass
ich den Grafen an sie erinnere, nichts weiter." Er hoffte,
Herbert würde ihm Glauben schenken und nicht weiterbohren. Er
konnte ja so schlecht lügen. Überhaupt konnte er die
meisten Dinge schlecht, und manchmal hatte er sich gefragt, ob er
denn überhaupt etwas konnte.
"Gehen wir lieber wieder
ins Schloss", sagte er. Eigentlich hatte er gerne mit Sarah im
Mondschein spazieren gehen wollen. Der war nämlich heute hell
und schön, und Alfred sah nach oben und lächelte ein
bisschen. Auch wenn er Nächte nie gemocht hatte, weil er sich im
Dunklen fürchtete - den Mond hatte er immer geliebt.
Herbert dachte sich schon, dass Alfred nicht ganz die Wahrheit sagte,
aber er beschloss nicht tiefer in ihn zu bohren. Er würde dafür
sorgen, dass Sarah ihn nicht zu irgendwelchen unvernünftigen
Taten anstiftete.
Lächelnd folgte er mit den Augen Alfreds
Blick zum Mond. Mit Alfred allein im Mondlicht ... wie romantisch,
dachte er verträumt und zog den Jungen fester an sich.
"Der
Mond ist schön, nicht wahr?" sagte er melancholisch. "Er
hat sich in den Jahrhunderten, die ich nun schon auf der Erde weile
immer wieder gewandelt und bleibt doch derselbe. Nacht für Nacht
scheint er auf mich herab und ersetzt mir die Sonne. Und jetzt stehe
ich mit dir unter ihm. Weißt du, dass mich das glücklich
macht, Alfred?"
"Ja?", fragte Alfred und sah ebenfalls weiter zum Mond
hinauf. Er lauschte auf das, was Herbert sagte. Und er fragte sich
plötzlich, wie er eine Ewigkeit verbringen sollte. Der Mond war
schon so alt, und irgendwann würde auch er alt sein, so alt wie
Herbert jetzt war. Was sollte er denn all die Zeit tun? Wie sollte
man ein ewiges Leben ausfüllen?
Aber er getraute sich nicht,
das zu fragen, aus Angst, es könnte sich dumm anhören.
"Mich macht der Mond auch glücklich", sagte er
stattdessen schüchtern. "Den habe ich mir immer gern durchs
Fenster angesehen. Unter freiem Himmel ist er natürlich schöner,
aber . . ." 'Aber ich habe mich nie freiwillig rausgetraut, wenn
er am Himmel war', wollte er sagen, aber er ließ es.
'Aber er hatte sich wahrscheinlich nicht freiwillig rausgetraut'
dachte Herbert Alfreds Satz zu Ende, sagte es aber nicht laut. Alfred
hatte wieder nicht verstanden, dass es Herbert froh machte ihn
an seiner Seite zu haben. Konnte er sich das denn wirklich so schwer
vorstellen?
Nun, besonders groß konnte Alfreds
Selbstwertgefühl nicht sein, so wie er sich von Sarah behandeln
ließ. Vielleicht konnte er sich tatsächlich nicht
vorstellen, dass jemand ihn liebte. Und dann auch noch ein Mann . . .
Alfred fröstelte schon wieder.
"Ich würde gerne noch ein wenig mit dir im Mondlicht spazieren gehen, aber das verschieben wir lieber, bis dein Pelzmantel fertig ist. Du frierst ja schon wieder. Morgen werde ich dir wärmere Kleidung aussuchen." Er führte Alfred zurück zum Schloss. "Bist du hungrig mein Freund?"
Alfred schüttelte den Kopf, aber dann nickte er doch. "Ja",
sagte er leise. Das war ihm unangenehm, denn er fand es nicht schön,
Blut saugen zu müssen. Und wenn das jetzt bedeutete, dass sie
sich ein Opfer suchen mussten, würde er einen Rückzieher
machen. Er würde das nie können. Wahrscheinlich würde
er elendig verhungern.
"Aber ich beiße niemanden!",
sagte er und sah zu Herbert auf, während er sich an ihm
festhielt, damit er nicht in der Dunkelheit stolperte. "Das kann
ich nicht, und das werde ich niemals tun!" Ein bisschen trotzig
blickte er Herbert an, aber eigentlich hatte er nur Angst, dass er
ihn auslachte. Er war ja auch überhaupt kein guter Vampir, und
eigentlich wunderte es ihn, dass Herbert so auf ihn Acht gab. Aber er
fragte lieber nicht, sonst würde dem noch aufgehen, dass es gar
keinen Grund dafür gab.
"Das Blut das du heute brauchst um satt zu werden kann ich dir
von mir geben" sagte Herbert beruhigend. "Keine Angst, wir
brauchen nicht jede Nacht etwas zu trinken. Du bist nur schon wieder
hungrig, weil dieses Weib dich gestern bis auf den letzten Tropfen
leer getrunken hat."
Herbert geleitete Alfred zum Schloss und
zu ihrem gemeinsamen Sarg in der Gruft.
"Zieh dich aus."
befahl er und begann sich selbst zu entkleiden. Alfred brauchte mit
den vielen Knöpfen und Schnüren viel länger als er
selbst und er trat zu ihm, um ihm zu helfen. Fürsorglich
streifte er ihm das Hemd über die Schultern und löste die
Verschnürungen seiner Hose. Dann zog er Alfred an der Hand
hinter sich her zum Sarg und stieg hinein. Wohlig räkelte er
sich auf den Polstern. "Heute musst du von meinem Hals trinken"
sagte er mit einem wohligen Schauer. "Dann schmeckt es noch
besser."
Alfred hatte ein bisschen ein komisches Gefühl, als er sich bis
auf die Unterhose ausziehen sollte. Er hätte gern ein Nachthemd
oder so etwas gehabt, denn so würde er ja noch mehr frieren als
letzte Nacht.
Etwas zögerlich kletterte er zu Herbert in den
Sarg und sah ihn gleich darauf entsetzt an. "V-von deinem
H-Hals?", fragte er mit geweiteten Augen. Herbert sah jedoch
nicht so aus, als wäre das schlimm. Eher so, als freue er sich
sehr darauf. Alfred konnte wirklich nicht umhin, ihn beizeiten etwas
merkwürdig zu finden. Aber vielleicht wurde man das eben mit der
Zeit, wenn man ewig lebte.
"Aber wenn... wenn ich dir wehtue,
Herbert!", sagte er besorgt und legte sich neben ihn. "Das
muss doch schmerzhaft sein!"
Herbert wand sich auf den Polstern. Er konnte es kaum noch abwarten,
von Alfred gebissen zu werden. Es war immer ein sehr lustvolles
Gefühl und schon allein die Vorstellung, dass Alfred es sein
würde . . .
"Du tust mir nicht weh" flüsterte
er heiser und zog Alfred näher an sich. "Es schmerzt nur im
allerersten Moment. Ich mag das Gefühl." Er atmete
schneller, als er Alfreds Kopf zu sich zog. "Tu es Alfred. beiß
mich. Du bist doch durstig." Er drehte den Kopf zur Seite und
präsentierte Alfred seinen weißen Hals. Seine
Halsschlagader pochte gleichmäßig unter der beinahe
durchscheinend bleichen Haut.
Alfred starrte wie hypnotisiert auf die bläulich schimmernde,
einladend pochende Hauptschlagader, und ehe er noch wusste, was er
tat, schlug er seine Zähne in Herberts weiße Haut. Als
gleich darauf ein kleiner, heißer Blutstrom in seinen Mund
floss, verdrehte er genussvoll die Augen, und seine Hand schloss sich
Halt suchend um Herberts Oberarm.
Er fühlte, wie ihm ganz
warm wurde, regelrecht heiß. Als würde neues, frisches
Blut durch seine Adern fließen, durch seinen ganzen Körper,
die Arme und Beine, seinen Kopf und . . .
Erschrocken ließ
er abrupt von Herbert ab und drehte sich hastig weg von ihm. Er war
knallrot im Gesicht, und das Blut lief ihm noch die Mundwinkel hinab.
Herbert keuchte auf, als Alfred ihn biss. Er fühlte den
vertrauten kurzen scharfen Schmerz und dann war da nur noch
Verzückung. Seine Augen verdrehten sich nach oben und schlossen
sich dann genüsslich, während seine Hände sich in das
Polster klammerten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte
Alfred den letzten Tropfen Blut aus ihm heraussaugen können.
Er
schnappte nach Luft, als Alfred plötzlich viel zu früh von
ihm abließ.
"Was?" fragte er mühsam und tastete nach seinem
Hals, um die Wunde mit einem Tuch zu verschließen. Sie würde
sehr schnell wieder heilen und makellose Haut zurücklassen.
Nichts
außer Sex war so intensiv und intim wie voneinander zu trinken
und selbst Alfred in seiner Naivität hatte das scheinbar
begriffen.
Jedenfalls war er jetzt knallrot im Gesicht und wich
immer weiter von Herbert zurück. Herbert war noch etwas
benommen, von den Gefühlen, aber er griff nach Alfreds Hand.
"Bleib" flüsterte er. "Du musst dich nach dem
Trinken ausruhen, sonst kann dir schwindelig werden. Besonders wenn
du das Herzblut eines anderen Vampirs getrunken hast."
Alfred nickte rasch, immer noch knallrot. Er griff nach unten und zog
schnell die Decke über sich. Dann starrte er nach oben und
fühlte sich, als würde er gleich im Boden versinken vor
Scham.
Aber er kannte das ja. Das würde einfach wieder
vorbeigehen, so wie der Professor ihm das erklärt hatte. Man
durfte nur nichts tun, denn das war ungesund. Aber ob das als Vampir
noch eine Rolle spielte, überlegte er.
Trotzdem verließ
er sich natürlich lieber auf das, was er kannte und wusste. Ihm
war es immer sehr peinlich gewesen, wenn ihm das einmal vorher
passiert war, aber es war immer von selber wieder weggegangen. Also
würde es das auch diesmal tun.
Er drehte ganz leicht den Kopf
zur Seite und schielte zu Herbert. Der hatte doch bestimmt nichts
gemerkt, oder? Und selbst wenn, eigentlich musste es ihm nicht
peinlich sein. Aber trotzdem war es das.
Herbert bemerkte, dass Alfred ihn ansah und wandte den Kopf zu ihm.
"Hat es dich ... aufgeregt?" fragte er verführerisch
und tastete mit seiner Hand nach Alfred. Also war der Junge doch
nicht aus völlig asexuell, wie er ehrlich gesagt schon fast
befürchtet hatte. Wenn er beim Blut saugen aus seiner
Halsschlagader nichts gefühlt hätte, hätte das Herbert
mehr Sorgen bereitet, als Alfreds Nachtblindheit. Aber ein kurzer
Blick an Alfreds Körper entlang nach unten bestätigte, dass
seine Befürchtungen ungerechtfertigt waren.
Trotzdem
entschloss Herbert sich, dieses Mal keinen weiteren Versuch zu wagen.
Vielleicht hätte Alfred dieses Mal sogar nachgegeben. Er hatte
genug Blut getrunken, um sich in einer Art Rauschzustand zu befinden.
aber auf diese Art wollte Herbert es nicht. Er wollte ihn ehrlich
verführen.
Außerdem war er durch den Blutverlust
selbst erschöpft. Also richtete er sich etwas auf, um den
Sargdeckel zu schließen. Dann ließ er sich zurücksinken
und zog eine Samtdecke über sich und Alfred. "Bon nuit, mon
cherie" flüsterte er und war so schnell eingeschlafen, dass
er nicht hörte, wie sein Vater sich etwas später zur Ruhe
begab.
Alfred lag noch eine Weile wach und wartete darauf, dass die Härte
in seiner Körpermitte endlich verschwand. Ob es ihn aufgeregt
hatte? Oh ja, es hatte ihn sehr aufgeregt. Und auch das war ihm
peinlich, weil er es eigentlich nicht gut fand, Blut zu trinken.
Deswegen sollte er es wirklich nicht so genießen.
Er wartete
immer noch darauf, dass seine Erregung sich legte, als er einschlief.
Und er hatte seltsame Träume.
Er träumte, dass er in
einem Bett lag, und seltsamerweise war er nackt. Plötzlich kamen
aus allen Richtungen lauter Herberts auf ihn zu gekrochen, aber statt
sich zu fürchten, bemerkte Alfred, wie sein Körper sich auf
dem Laken wand wie er es noch nie getan hatte. Und dann kroch der
erste Herbert über ihn und bot ihm seinen nackten, blassen Hals
an. Alfred schlug seine Zähne hinein und trank, und dann kam
auch schon der nächste und der nächste . . . Alfred war wie
im Rausch, sein Gesicht und seine Brust waren blutverschmiert, und
ihm wurde immer heißer und heißer, je mehr Blut er
trank.
Wieder kam ein Herbert über ihn, und er schlug seine
Zähne fest in dessen Hals, und als das Blut seine Kehle
hinabströmte, merkte er, wie sein Körper sich seltsam
anspannte, und dann war ihm so heiß, dass er glaubte, zu
verglühen.
So, wie ja bereits angekündigt ist das rating jetzt auf "R" hochgegangen. Zwar war es noch recht harmlos, aber man will ja auf Nummer sicher gehen.
Jagura: Also wie wir Herbert kennen, wird er sich da schon zu helfen wissen ;)
Gräflicher Trottel: Ja unser lieber Alfred ist halt ein bisschen naiv. Aber er hat ja jetzt in Herbert bestimmt einen besseren Lehrmeister als im Professor.
Vielen Dank für eure Reviews!
