Kapitel 6
Als Alfred aufwachte, war seine Unterhose nass. Er öffnete die
Augen und sah, dass der Sargdeckel schon beiseite geschoben war. Also
war Herbert schon auf. Alfred seufzte erleichtert auf.
Er richtete
sich auf, stieg aus dem Sarg und sah, dass Herbert einen
Kleiderständer mit neuen Kleidungsstücken für ihn
hereingebracht hatte. Alfred sah sich um, dann zog er sich rasch um.
Die neuen Kleider waren ebenso schön wie die alten, und Alfred
strich immer wieder bewundernd darüber.
Erst als Alfred sich vollständig angezogen hatte trat Graf von
Krolock aus dem Schatten, in dem er sich verborgen gehalten hatte.
Der Graf liebte die Dunkelheit, aber heute war die Gruft von
einigen Kerzen erleuchtet, da Herbert darauf bestanden hatte. Er
hatte seinem Vater bereits erzählt, dass Alfred ein für
Vampire ungewöhnliches Defizit hatte und deshalb Licht brauchte.
Außerdem hatte er seinen Vater gebeten ein Auge auf Alfred
zu haben, während er ein Bad nahm und das konnte eine Weile
dauern. Herbert war sehr gut gelaunt gewesen, als er aufgestanden
war, also nahm der Graf an, dass die Dinge zwischen Alfred und seinem
Sohn gut liefen. Er freute sich, dass Herbert endlich ein wenig
Gesellschaft bekommen hatte, die ihm angenehm war. Ihm selbst gefiel
der Junge ebenfalls. Er war hübsch und aufgeweckt, wenn auch
sehr naiv. Aber gerade dadurch hatte er etwas herausforderndes und
aufreizendes.
Hoheitsvoll trat er auf Alfred zu. "Ich hoffe
du hast wohl geruht unter meinem Dach? Mein Sohn scheint deine
Gesellschaft zu genießen."
Alfred bekam einen Heidenschrecken, als plötzlich der Graf aus
dem Schatten trat, aber ganz anders als sonst, schrie er nicht auf
oder machte einen Satz. Er konnte sich gar nicht rühren, sondern
nur auf den Grafen starren.
"J-ja, v-vielen Dank",
brachte er schließlich hervor. "Es... es ist sehr schön
unter Ihrem Dach! Und Ihr Sohn ist auch sehr nett!"
Aus
riesigen Augen sah er zum Grafen auf und versuchte, sich wieder ein
bisschen zusammenzureißen. Er hatte nicht nur Angst, er war
auch so furchtbar beeindruckt und eingeschüchtert. Der Graf war
so dermaßen hoheitsvoll und elegant, dass er das genaue
Gegenteil von Alfred darstellte, und Alfred fühlte sich bei
seinem Anblick sehr versucht, zu Boden zu fallen und ihm die Füße
zu küssen.
"Er... er kümmert sich sehr gut um mich", fügte
er hinzu, weil es den Grafen sicher milde stimmen würde, wenn er
etwas Gutes über seinen Sohn hörte. "Ich weiß
nicht, wo er gerade ist, also wenn sie ihn suchen..."
Alfred
machte eine etwas hilflose Handbewegung und schwieg dann wieder
kläglich.
"Er badet" erklärte von Krolock. Der Graf blieb einige
Schritte von Alfred entfernt stehen und musterte ihn schweigend von
oben bis unten. Man konnte förmlich sehen, wie Alfred unter
seinem Blick zusammenschrumpfte. Von Krolock fühlte, dass Alfred
sich vor ihm fürchtete, aber er hatte nicht vor, ihm etwas
anzutun. Im Gegenteil. er war froh, dass Herbert jemanden gefunden
hatte, der ihm die Ewigkeit versüßte. Hoffentlich für
eine lange Zeit. Manchmal machte er sich ein wenig Sorgen um seinen
Sohn, der unter all den Vampiren die er hierher gebracht hatte noch
keinen wirklichen Gefährten gefunden hatte. Er selbst war ein
Einzelgänger, der zwar die kurze Vereinigung genoss, aber
ansonsten nur die Gesellschaft seines Sohnes ertrug. Nun, an Alfred
würde er sich auch gewöhnen können. Der Junge hatte
ihm schon von Anfang an gefallen und er hatte auf den ersten Blick
geahnt, dass er etwas für Herbert war. Sein Sohn war regelrecht
ein wenig aufgeblüht.
Er selbst war in den letzten zwei
Nächten in die tiefe Melancholie gesunken, die ihn immer
überkam, nachdem er sich ein Opfer zu eigen gemacht hatte. Sie
würde so lange anhalten bis er wieder jemand anderen
fand...
"Ich wusste, dass ihr euch gut verstehen würdet"
brach er das lange Schweigen. "Ich rate dir nur, ihm nicht weh
zu tun."
"Weh tun?", fragte Alfred naiv. "Aber das würde
mir nie einfallen!" Er hob die Hände um das zu beteuern.
Und dann fiel ihm etwas ein, was seinen Kopf heiß werden ließ.
Der Graf wusste, dass er gestern von Herbert getrunken hatte! Und
dafür hatte er ihm natürlich kurz wehtun müssen. Und
jetzt bekam er Ärger mit Herberts Vater. Alfred wünschte,
er hätte sich auf der Stelle in eine kleine Maus
verwandelt.
"Das... also ich... er hat es mir angeboten!",
platzte er heraus und sah den Grafen flehend an. "Ich wollte
erst nicht, wirklich nicht! Ich war so sicher es tut ihm weh, und das
wollte ich doch nicht! Aber er hat es genossen, es sah zumindest so
aus... Wirklich, wenn er Schmerzen gehabt hätte, hätte ich
sofort aufgehört! Und überhaupt war es nur ganz kurz",
sagte er und sah mit brennenden Wangen zu Boden. Hoffentlich jagte
ihn der Graf jetzt nicht hinaus.
Von Krolock hob überrascht eine Augenbraue. Er hatte nicht
gewusst, dass Alfred und sein Sohn schon so weit gegangen waren. Und,
dass sein Sohn dabei auch noch den passiven Part übernommen
hatte wunderte ihn ebenfalls. Aber dann lief es ja besser als
gedacht. Und das erklärte auch Herberts gute Laune an diesem
Abend.
"Manchmal sind Schmerzen eben nicht zu vermeiden"
gab er zu. "Wenn Herbert es wollte und du es bei ihm wieder gut
machst ist alles in Ordnung."
Er sah Alfred wohlwollend an.
Scheinbar hatte er den Jungen noch unterschätzt. Es war wirklich
ein Glück, dass er ihn von diesem verwelktem Professor befreit
hatte. Wenn sein Sohn nicht Alfred für sich ausgewählt
hätte, hätte er sich wahrscheinlich sogar persönlich
seiner angenommen. "Ist sonst alles zu deiner Zufriedenheit?
Gibt es etwas was du benötigst? ich möchte, dass du dich
hier wie zu Hause fühlst." sagte er großzügig.
Alfred war ja so erleichtert, dass der Graf ihm nicht die Hölle heiß machte. Er hätte sich ganz schön erschrocken, wenn er jetzt Ärger bekommen hätte dafür, dass er Herbert gebissen hatte. Denn aus dessen Mund hatte es ja so geklungen, als wäre das ganz normal, und anscheinend war es das auch.
"Ich... ich hätte da zwei Bitten", sagte er und
sah demütig von unten herauf zum Grafen. "Also... ehrlich
gesagt... ich... ich sehe sehr schlecht im Dunkeln", sagte er
ganz leise. Die Miene des Grafen blieb unbewegt. "Und wenn so
wenig Kerzen in den Gängen sind, dann... dann verlaufe ich
mich", schloss er und sah errötend zu Boden. Ihm kam seine
Bitte sehr albern vor, aber er sah, wie der Graf eine Handbewegung
machte. Also brachte Alfred seine zweite Bitte auch schnell noch
hervor.
"Und... erinnern Sie sich an Sarah? Ich durfte sie
gestern auf dem Friedhof besuchen, und sie sagte mir, dass sie sich
dort nicht wohl fühlt. Wäre es vielleicht möglich, Ihr
ein anderes Quartier einzuräumen? Mir liegt nämlich sehr
viel an Sarah, und wenn sie sich nicht wohl fühlt, dann..."
Er wusste nicht, was dann. Eigentlich hatte er sagen wollen, dass er
sich dann auch nicht richtig wohl fühlte, aber das stimmte nicht
so ganz. Gestern hatte er jedenfalls nicht soviel an Sarah gedacht
wie er eigentlich sollte, und es machte ihm ein wenig ein schlechtes
Gewissen.
Also schwieg er und sah hoffnungsvoll und mit immer noch
geröteten Wangen zu Herberts Vater auf.
Um Alfreds erste Bitte hatte sich der Graf bereits gekümmert, da Herbert ihn schon darum gebeten hatte. Koukol hatte die Kerzen in den Gängen angezündet und hatte den Auftrag bekommen jede Nacht zumindest die Teile des Schlosses in denen Alfred sich bewegen würde zu erhellen. Zwar waren die Gänge auch mit dem Kerzenlicht noch düster und die vielen tanzenden Schatten, die dadurch entstanden machten das Schloss noch etwas gruseliger, aber immerhin konnte sich jetzt auch jemand, der nicht im Dunkeln sehen konnte zurecht finden.
Bei Alfreds zweiter Bitte allerdings verfinsterte sich die Miene des Grafen sichtbar. "Schlag dir das aus dem Kopf" donnerte er. "Sarah kann von Glück sagen, dass ich sie überhaupt auf meinem Friedhof dulde. Immerhin ist sie aus meinem Schloss geflohen. Wenn Koukol sie nicht zurückgebracht hätte, wäre sie elendig in der Sonne zu Asche verbrannt! Sie soll sich mit dem zufrieden geben was sie hat. Und das Schloss darf sie erst wieder zum nächsten Mitternachtsball betreten, oder wenn mein Sohn es ihr erlaubt, hast du mich verstanden?" Er funkelte Alfred böse an.
"Ja, natürlich!", sagte Alfred hastig und krümmte
sich unter dem Blick des Grafen zusammen. "N-natürlich.
Bitte entschuldigen Sie, ich wollte Sie wirklich nicht verärgern,
Herr Graf..."
Das war wirklich das Letzte, was er im Sinn
gehabt hatte. Wenn der Graf wütend auf ihn war, hatte er hier
sicher nicht mehr viel zu lachen. Obwohl er so ja auch nichts zu
lachen hatte. Er war ein jämmerlicher Vampir und auf die Gunst
der beiden von Krolocks angewiesen, das war ihm jetzt nur allzu klar.
Um Entschuldigung flehend sah er zum Grafen auf und hoffte, dieser würde ihm verzeihen. Vielleicht konnte er ja etwas sagen, um ihn wieder einigermaßen zu versöhnen. "Ihr... Ihr Schloss ist aber wirklich sehr schön, und ich bin froh, dass ich die Ehre habe, hier sein zu dürfen", sagte er kleinlaut. "Ich habe noch nicht soviel davon gesehen, aber vielleicht zeigt Herbert es mir nachher einmal."
Von Krolock gefiel Alfreds Demut. Er war auch nicht wirklich wütend auf ihn. Seine ehemaligen Geliebten waren allerdings immer ein wunder Punkt, da er selber nicht verstand wie schnell und unvermittelt seine Leidenschaft jedes Mal erkaltete, wenn er sie einmal besessen hatte. Viele von ihnen versuchten ihn zurück zu erobern, aber er fühlte nichts mehr, wenn er an sie dachte. Nichts.
Jetzt trat er wieder auf Alfred zu und legte ihm eine Hand auf den Oberarm. "Denken wir nicht mehr daran" sagte er versöhnlich. "Es freut mich, dass du dich nicht mehr davor fürchtest deine verborgenen Wünsche zu leben. Siehst du jetzt, was du dir vorenthalten hast?"
"Äh... ja", sagte Alfred, obwohl er keine Ahnung hatte, wovon der Graf redete. Aber er würde alles sagen, um ihn nur nicht wieder zu verärgern. Er war sehr erleichtert, dass er wohl nicht wirklich wütend auf ihn war, und er würde ab jetzt vorsichtiger sein, was er sagte. Naja, er würde es zumindest versuchen. Er hatte ja nicht einmal wirklich verstanden, was er so falsches gesagt hatte. Er grübelte darüber nach, was der Graf gemeint haben könnte. Seine geheimen Wünsche? Er hatte es sich sicher niemals gewünscht, in einem Sarg zu schlafen und Blut zu trinken.
Von Krolock wunderte sich ein wenig über Alfreds ahnungslose Miene. Der sah nicht so aus, als würde er auch nur im Geringsten verstehen, wovon er redete. Er legte Alfred einen Arm um die Schultern und sah auf ihn herab. "Alfred? Was genau hast du gestern mit meinem Sohn gemacht?" fragte er.
Jetzt bekam Alfred doch wieder Angst. Wieso fragte der Graf ihn das denn jetzt? Wusste er es vielleicht doch nicht? Alfred wand sich ein bisschen im Arm des Grafen und biss sich auf die Lippe. "Ich... naja... wir...", druckste er herum. "Er... ich... Er hat gesagt, dass ich von ihm trinken soll", sagte er unsicher. "Er meinte, das wäre in Ordnung, und ich wollte ja wirklich erst nicht! Ich wollte Ihrem Sohn ganz sicher nicht weh tun!", sagte er verteidigend und ängstlich.
Alfred war wirklich ein seltsamer Vampir, dachte der Graf. Er war der erste, den er kannte, der sogar ein schlechtes Gewissen hatte, wenn jemand anders ihn von sich trinken ließ. Skrupellos wie Vampire waren hatten sie normalerweise nie ein schlechtes Gewissen. Einen Moment lang sah er Alfred verwundert an. "Wenn Herbert dich von sich hat trinken lassen, solltest du dich darüber freuen" sagte er dann. "Es ist ein Beweis seiner Zuneigung. Aber sag mir Alfred..." Er fasste an dessen Kinn und hob seinem Kopf, so dass er ihm in die Augen sehen musste. "Sehnst du dich nicht danach meinem Sohn auch anders näher zu kommen?"
Alfred sah den Grafen an wie ein Kaninchen, dem man eine Schrotflinte
vors Gesicht hält. "W-was? N-näher kommen?",
fragte er verdutzt. Er wusste überhaupt nicht, wovon der Graf
redete. Er schlief doch schon in Herberts Sarg, konnte er ihm
vielleicht noch näher kommen?
Er überlegte fieberhaft,
wie der Graf das meinen könnte, aber er hatte nicht die leiseste
Ahnung. Vielleicht meinte er irgendetwas, was für Vampire normal
war, von dem Alfred aber keine Ahnung hatte. "W-was meinen
Sie?", fragte er schließlich.
Von Krolock musterte Alfred einen Moment lang fassungslos. Der Junge hatte tatsächlich nicht den leisesten Schimmer wovon er sprach. Und anscheinend war es Herbert auch noch nicht gelungen, ihm das begreiflich zu machen. Diese Unverdorbenheit des Jungen, selbst als Vampir war geradezu verführerisch. Er trat auf ihn zu und Alfred der zurückwich prallte gegen den Sarg, immer noch ängstlich zu ihm aufsehend. "Was ich meine ist..." von Krolock strich mit einer Hand an Alfreds Oberkörper entlang. "Sehnst du dich nicht danach berührt zu werden? Hast du nicht manchmal verführerische Träume in denen du jemandem so nahe bist, wie es nur möglich ist? Erinnere dich doch daran was du von Sarah wolltest... warum gibst du dich nicht einfach hin und lässt dich fallen? Was hindert dich noch?"
"Was?", schrie Alfred, und schlug sich gleich darauf die Hand auf den Mund. Er glaubte langsam, zu verstehen, wovon der Graf redete. Zwar hatte er sich selbst noch nicht so genau Gedanken darüber gemacht, was er eigentlich von Sarah wollte, aber er ahnte, dass es da etwas gab, das nach all dem Händchenhalten und küssen kommen musste. Nur, wenn er ehrlich war, hatte er nur eine vage Vorstellung davon. Der Professor hatte sich in dieser Hinsicht immer etwas unverständlich ausgedrückt. Und er hatte dabei auch immer nur Männer und Frauen erwähnt.
"M-meinen Sie etwa... Denken Sie, Herbert will... Ich meine... Er ist doch ein Mann, und... und das bin ich auch." 'Mehr oder weniger', fügte er in Gedanken hinzu.
Von Krolock lachte schallend. Sich mit Alfred zu unterhalten war wirklich amüsant. Mehr als das. Er hatte nicht geglaubt, dass er heutzutage noch einem Menschen begegnen würde, der sich seine Unschuld so sehr bewahrt hatte. Die unverdorbenen Knaben, von denen es zu seinen Lebzeiten noch sehr viele gegeben hatte starben langsam aus. Aber hier hatte er wirklich noch ein herausragendes Exemplar. Fast war es ein wenig schade, dass er seinem Sohn gehörte. Er hätte sich auch gerne selbst seiner angenommen. Alfred erinnerte ihn an Michelotto, den hübschen und sanften Pagen Napoleons, den er 1813 verführt hatte. Auch dieser hatte ihn damals aus solch fragenden blauen Augen angeblickt.
Er musste sich abwenden, um sein Versprechen Herbert gegenüber
nicht zu brechen.
"Du wirst schon noch erfahren, dass das
gleichgültig ist" sagte er zuversichtlich. "Alles was
zählt sind deine Wünsche."
Alfred sah den Grafen aus großen Augen an. Der hatte ja nur lachen können über Alfreds Unsicherheit. Demnach war es ganz normal, wenn zwei Männer...? Davon hatte Alfred ja noch nie gehört, aber anscheinend war es so normal wie wenn zwei Vampire voneinander tranken. Warum hatte der Professor ihm nie davon erzählt? Hatte er es vielleicht nicht gewusst? "Ach so...", murmelte Alfred nachdenklich. Dass nur seine Wünsche zählten, das war wirklich etwas ganz Neues für ihn. Beim Professor hatte überhaupt nichts gezählt außer dessen Forschung, und Alfred hatte auch nie irgend welche Wünsche geäußert. Und jetzt durfte er auf einmal welche haben?
Wenn er daran dachte, was er sich wünschen könnte, kam
ihm eigentlich als erstes Sarah in den Sinn, aber von der wollte er
wirklich nicht noch einmal anfangen. Der Graf war anscheinend gerade
gut gelaunt, und er wollte ihn auf keinen Fall wieder verärgern.
In
seinem Kopf arbeitete es. Zwei Männer konnten sich also auch
nahe sein. Ließ Herbert ihn dann bei sich schlafen, weil er das
gern von ihm wollte? Wenn er das gewusst hätte... Dann hätte
er sich vielleicht nicht so verhalten. Er musste Herbert beizeiten ja
ganz schön gekränkt haben.
"Es tut mir leid, dann habe ich Ihren Sohn wohl doch so verletzt, wie Sie es gemeint haben", sagte er kleinlaut zum Grafen. "Aber ich wusste das nicht. Ich wusste ja nicht einmal, dass das möglich ist."
"Nun, jetzt weißt du es." sagte von Krolock nur.
"Offenbar hat Abronsius dir die wichtigen Dinge des Lebens nicht
beigebracht."
Er sah in Richtung der Badezimmertür.
Schließlich hatte er heute Nacht noch anderes zu tun, als auf
den jungen Gefährten seines Sohnes aufzupassen. Vor allem, wenn
er ihn noch nicht einmal anrühren durfte...
Alfred sah zu Boden. Offenbar hatte er wirklich keine Ahnung von den Dingen die hier wichtig waren. Von allen Dingen. Beim Professor war ja nur die Forschung wichtig gewesen, und Notizen und dergleichen. Hier war das alles nichts mehr wert, und er vermutete, dass er viel dazulernen musste, um wenigstens ein bisschen alleine zurechtzukommen. Wer wusste, wie lange es Herbert mit ihm aushalten würde, wo er sich so anstellte. Und dann hatte er ihn auch noch gekränkt. Er nahm sich vor, sich nachher zu entschuldigen. Herbert badete schon ganz schön lange.
"Nein, hat er nicht", antwortete er dem Grafen und folgte dessen Blick zur Tür des Badezimmers. "Deswegen bin ich dankbar, dass Sie mir das sagen."
"Ich muss jetzt aufbrechen" sagte von Krolock. Er hatte
diesem Jüngling schon mehr als genug Zeit geopfert. Nachdem er
ein Opfer für sich gewonnen hatte war er immer unruhig bis er
ein neues hatte. Er konnte nicht die ganze Nacht hier vergeuden. Er
musste hinaus und sich umsehen, nach einer neuen Zierde seines Balls,
einem neuen Sternenkind, das sich ihm hingeben würde. Alfred
würde schon alleine klar kommen.
"Warte hier auf
Herbert. Ich komme nicht vor der Morgendämmerung zurück."
Er
drehte sich abrupt um und verließ mit wehendem Mantel die
Gruft.
Vincent stand vor der Badezimmertür, hinter der er Herbert leise in der Wanne plätschern hörte, und er schloss kurz genussvoll die Augen, das Bild genießend, das er dabei im Kopf hatte. Dann hob er die Hand und klopfte einmal leise an, bevor er die Tür öffnete, eintrat und sie leise wieder hinter sich schloss.
Herbert lag in der Wanne wie ein junger Gott, eingehüllt in
Schaum und wundervolle Düfte, und Vincents Lippen hoben sich zu
einem Lächeln, als er an die Wanne herantrat.
"Herbert",
sagte er leise, und der Name kam ihm über die Lippen wie etwas
sehr, sehr wertvolles. "Ich konnte nicht schlafen. Ich musste
dich sehen." Er setzte sich auf den Wannenrand und sah auf
Herbert herab. "Du raubst mir den Schlaf, und wenn ich doch
schlafe, bist du in meinen Träumen. Verbring die Nacht mit mir,
ich habe Sehnsucht nach dir."
Er lächelte gewinnend und
streckte die Hand aus, um Herbert über die nackte Schulter zu
streichen.
Herbert erschrak nur für einen kurzen Moment, als Vincent sich zu ihm setzte. Die Gegenwart des anderen Vampirs war ihm vertraut und angenehm und er schloss genießerisch die Augen, als Vincents kühle Hand seine vom Wasser erwärmte Haut berührte.
Vincents Worte waren wie Balsam für seinen durch Alfreds ständige Abwehrhaltung etwas verletzten Stolz. Er fühlte, dass er Vincent ebenfalls vermisst hatte. Ihre Beziehung war für Vincent nicht mehr gewesen, als ein angenehmer Zeitvertreib. Herbert hatte jemanden in seiner Nähe gebraucht und Vincent genoss die Vorzüge, die er als Geliebter des Grafensohnes hatte. Vincent war seit langer Zeit derjenige gewesen mit dem er auf die Bälle ging und mit dem er die Bälle verließ...
Herbert schlug die Augen auf und sah Vincent sehnsuchtsvoll an. "Du hast mir auch gefehlt, Vincent." flüsterte er.
Vincent seufzte auf, als Herberts helle Augen in seine dunklen
blickten, und er strich mit seinen Fingern sanft über Herberts
Hals - wo er allerdings inne hielt und den Kopf neigte, um genauer
hinzusehen.
"Was ist das?", fragte er, und sein Gesicht
verzog sich. "Wen hast du von dir trinken lassen?" Er sah
Herbert an, und Erkenntnis flammte in ihm auf. "Oh, doch nicht
etwa diesen kleinen Waschlappen? Sag mir bitte, dass es nur dein
Vater war. Du kannst es doch unmöglich ernst meinen mit dem
Jungen."
Er hob spöttisch die Augenbrauen, fuhr aber
wieder fort, über Herberts Haut zu streicheln. "Er weiß
dich sicher gar nicht zu schätzen... deine weiße Haut...
deine Augen..." Vincent lächelte und ließ seine
Finger sanft über Herberts Brust wandern. "Wünschst du
vielleicht etwas Gesellschaft in der Wanne?", fragte er dann und
grinste leicht.
