Kapitel 7
"Es war der Junge, den ich von mir trinken lassen habe"
sagte Herbert. "Mir liegt sehr viel an ihm."
Er sah
lächelnd zu Vincent auf. Vincent wusste wirklich wie man
jemanden verführen musste. Das war die Qualität, die
Herbert an ihm besonders schätzte. So gern er auch den Verführer
spielte, hin und wieder tat es gut, selbst der Verführte zu
sein.
Vincents Worte brachten allerdings die Erinnerung an Alfred
zurück. Wollte er ihn wirklich jetzt schon betrügen?
Andererseits ... wem tat er damit weh? Alfred sicher nicht. Der war
noch immer froh, wenn er sich von ihm fern hielt und träumte
stattdessen von Sarah. Jedenfalls war er noch weit davon entfernt
Herberts Bedürfnisse zu befriedigen. Und wie Vincent ihn ansah
war unwiderstehlich.
"Komm rein" hauchte er.
Vincent ließ sich das nicht zweimal sagen. Er erhob sich und
entledigte sich rasch seiner Kleider, bevor er elegant in die Wanne
glitt und sich neben Herbert setzte.
"Mmmmh, endlich wieder
bei dir", sagte er leise und senkte seine Lippen auf Herberts
weißen Hals. Seine Hand glitt unter Wasser über Herberts
Brust und seinen Bauch, den anderen Arm legte er um ihn und zog ihn
zu sich heran.
"Du siehst so gut aus an diesem Abend",
flüsterte Vincent ihm ins Ohr. "Obwohl du natürlich
immer phantastisch aussiehst. Du bist wirklich der schönste
Vampir, den es je gegeben hat." Er fuhr mit seiner Zunge in
Herberts empfindliche Ohrmuschel, bevor er ihn anlächelte und
ihn dann auf den Mund küsste.
Zum ersten Mal in seinem vampirischen Leben führte Herbert den Hauch eines schlechten Gewissens. Natürlich war das lächerlich. Alfred liebte und begehrte ihn nicht, also nahm er ihm nichts weg. Und er brauchte jetzt diese Art von Aufmerksamkeit. Vincents Zärtlichkeiten waren genau das richtige, um ihn vergessen zu lassen, dass Alfred vielleicht nur freundlich zu ihm war, weil er ihn brauchte um als Vampir zu überleben. Dass er ihm vielleicht nie wirklich gehören würde ... dass er ihn nicht glücklich machen konnte...
Seufzend erwiderte er Vincents Kuss und streichelte über dessen muskulösen Körper. Er hatte schon so oft in seinen Armen gelegen und jedes Mal überraschte es ihn wie gut Vincent ihm tat.
Vincent fuhr mit seinen Lippen über Herberts Kinn, seinen Hals,
seine Schultern und seine Brust, während seine Hand über
dessen Oberschenkel streichelte. Er musste Herbert jetzt haben. Es
hatte ihn schon geärgert, als er ihn nach dem Ball nicht
bekommen hatte. Dass Herbert sich Sorgen um diesen Menschen gemacht
und ihn dafür sitzengelassen hatte.
Aber jetzt war Herbert
wieder sein, und genüsslich berührte er dessen zarte Haut,
fühlte sie und schmeckte sie, und er ließ seine Hand höher
wandern und schloss die Finger um Herberts Glied, während er
seine Zähne nur ein klitzekleines bisschen in Herberts Hals
versenkte. Er stöhnte auf und verdrehte die Augen.
Herberts letzte Zweifel waren vertrieben als Vincents Finger sein
Glied umschlossen und sich dessen Zähne schmerzhaft süß
in seinen Hals bohrten. Er reckte sich ihm entgegen und schlang seine
weißen Arme um Vincents Körper. Es hatte Zeiten gegeben in
denen er sich gewünscht hatte, dass zwischen ihm und Vincent
mehr sein könnte, als diese flüchtigen Momente der Lust. Er
hatte sich sogar schon eingebildet in ihn verliebt zu sein, aber sie
waren sich nie näher gekommen. Und Vincent suchte nichts
anderes, als das hier. Aber es war schön genug um alle
Einsamkeit für eine Weile vergessen zu lassen.
"Nimm
mich" hauchte er. "ich will dich in mir spüren. Und
dabei trink mich aus."
Vincent wurde schwindelig, als er diese Worte hörte und Herbert
seine Arme um ihn schlang. Er hob ihn auf seinen Schoß und ließ
ihn langsam auf sich herab. Er keuchte auf, als er in Herbert
eindrang und lehnte sich dann etwas zurück, Herbert an sich
gedrückt.
"Oh Herbert", stöhnte er, während
er kurz den Kopf hob um Herbert ins Gesicht zu sehen. Wirklich,
Herbert war der schönste Vampir, der jemals gestorben war. Er
strich mit einer sanften Geste die Haare von dessen Hals, warf den
Kopf zurück und vergrub seine Zähne dann in seiner weißen
Haut.
Sofort verspürte er dieses irre Rauschgefühl, und er
trank genüsslich von Herbert, während dieser sich leicht
auf ihm bewegte. Wirklich, nichts war so berauschend wie mit jemandem
zu schlafen und dabei von ihm zu trinken. Von Herbert zu trinken.
Er
leckte gierig jeden Tropfen von Herberts weißem Hals, strich
ihm über den Rücken und den Po und genoss jede Sekunde. Mit
Herbert hatte er wirklich den besten Sex, den er jemals gehabt hatte.
Herbert stöhnte, während Vincent sich in ihm bewegte
und gleichzeitig von ihm trank. Er fühlte, wie Leben ihn
durchströmte und seinen ganzen Körper erzittern ließ.
Vincent war ein fantastischer Liebhaber und er hatte ihm noch keinen
Wunsch unerfüllt gelassen. Aber wie jedes Mal wenn er mit ihm
schlief fürchtete sich schon jetzt ein Teil von ihm vor der
entsetzlichen dumpfen Leere, die Vincent jedes Mal zurückließ.
Das führte dazu, dass er sich noch fester an ihn
klammerte.
"Saug mich aus" flehte er ihn stöhnend
an. "Ich will, dass du alles von mir nimmst."
Vincent hob berauscht den Kopf und sah verlangend auf Herberts Hals,
aus dem immer noch rege das Blut floss, bevor er seinen Blick losriss
und Herbert in die faszinierenden Augen sah.
"Ich will dich
nicht schwächen, Schönster", sagte er und leckte
Herbert mit seiner blutigen Zunge über die Wange und das Kinn.
Er wusste, dass die Ewigkeit mehr an Herbert zehrte als an ihm, und
dass er das vergaß, wenn er mit ihm schlief. Und Vincent
schlief wahnsinnig gern mit Herbert. Nichts anderes war damit
vergleichbar.
Er legte seine Lippen wieder auf dessen Hals und
saugte leicht daran. Er war bereits so mit Blut voll gepumpt, dass
sein Kopf sich leicht anfühlte, und seine Lenden brannten
drängend. Er hob die Hüften und stöhnte auf.
"Herbert", murmelte er gegen dessen Hals. Er liebte es, in
ihm zu sein.
Herbert war wirklich langsam am Ende seiner Kräfte angelangt. Es war eine Weile her, dass er das letzte Mal getrunken hatte und auch, dass Alfred sich bereits an ihm gesättigt hatte machte sich bemerkbar. Trotzdem hätte er sich niemals selbst von Vincent losreißen können und auch als dieser noch einmal von ihm trank wehrte er sich nicht. Es war, als würde er in Vincent vergehen und alles andere war darüber vergessen.
Dann kam sein Höhepunkt und durchflutete seinen gesamten
Körper mit Wollust. Er bäumte sich stöhnend auf und
seine Lenden zuckten.
Erschöpft ließ er sich
anschließend auf Vincent sinken. Er fühlte sich
ausgelaugt, von dem Blutverlust und dem Orgasmus und ihm war etwas
schwindelig. Scheinbar hatte er es ein wenig übertrieben. Und
das nicht zum ersten Mal...
Vincent stöhnte auf, als Herbert zum Höhepunkt kam, und er
kam mit ihm und schloss ihn fest in seine Arme. Erschöpft lehnte
er am Wannenrand und strich träge über Herberts
Haar.
"Herbert, du bist schwach", sagte er dann leise
und hob Herberts Kinn mit einer Hand an, um ihm ins Gesicht zu sehen.
"Warum kümmerst du dich um diesen Jungen? Er raubt dir
deine Kräfte. Was sagt dein Vater dazu?"
Er strich sanft
über Herberts Haut und genoss es, wie dieser an ihm lehnte. Er
genoss es immer, Herbert nahe zu sein, denn er wusste, dass es jedes
Mal das letzte Mal sein könnte. Herbert könnte jemanden
finden, der ihm mehr bieten konnte, obwohl das schwierig war. Und
dass dieser Junge es sein könnte, war ausgeschlossen.
Herbert zog sich von Vincent zurück. Nach dem absoluten Glück spürte er den Abgrund und die Leere hinter seiner eigenen schillernden Fröhlichkeit immer noch deutlicher. Er fühlte sich wirklich schwach. Eigentlich hätte er sich heute ein Opfer suchen müssen, aber das war zu gefährlich für Alfred. Er wollte ihn weder allein lassen, noch ihn mit auf die Jagd nehmen. Außerdem musste er zu ihm zurück. Er durfte die Geduld seines Vaters nicht überstrapazieren.
Einen Moment überlegte er, ob er Alfred in Vincents Obhut
lassen könnte, aber er wusste nicht, wie weit Vincent gehen
würde, um seine Privilegien zu verteidigen.
Er trocknete
sich ab und zog sich rasch und wortlos an. Jetzt hatte er wirklich
Sehnsucht nach Alfred.
"Bleib solange du möchtest"
sagte er zu Vincent. "Das Schloss steht dir nach wie vor
offen."
Er öffnete die Badezimmertür und machte
sich auf den Weg zurück zur Gruft.
Alfred sah dem Grafen nach. Dann setzte er sich auf den Rand des Sarkophags, baumelte mit den Beinen und dachte nach. Von dem, was er da eben erfahren hatte schwirrte ihm der Kopf. Also konnten auch zwei Männer sich lieben. Und warum auch nicht, dachte er. Eigentlich war es ja nicht so ungewöhnlich. Schließlich waren das auch nur zwei Menschen - oder eben Vampire.
Er fragte sich, ob man denn dann als Mann immer Männer
liebte oder auch mal eine Frau. Oder vielleicht abwechselnd, Mann,
Frau, Mann, Frau... Er musste mal Herbert fragen.
Er war so völlig
in Gedanken versunken, dass er aufschrak, als plötzlich die Tür
aufging. Er verlor das Gleichgewicht, ruderte kurz mit den Armen und
fiel dann hintenüber in den offenen Sarg.
"Herbert!", rief er. "Es tut mir leid, dass ich dich gekränkt habe!"
Herbert ging zum Sarg, reichte Alfred die Hand und zog ihn wieder
hoch. Der Junge war selbst für einen Menschen sehr ungeschickt
und Herbert konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er lehnte
sich neben Alfred an den Sarg. Er vermutete, dass ein Gespräch
mit seinem Vater zu Alfreds plötzlicher Einsicht verholfen
hatte. Der Graf war meistens ziemlich direkt und offenbar war es ihm
sogar gelungen Alfred klar zu machen, dass er Herbert möglicherweise
damit verletzte, wenn er seine Zuneigung zu Sarah so deutlich
zeigte.
Aber so war es nun mal. Alfred liebte Sarah. Er hatte sie
geliebt, bevor er zum Vampir gemacht worden war und seine Liebe hatte
sogar diese Prüfung überwunden, was ungewöhnlich war.
Mit Vincent zu schlafen hatte ihm wieder bewusst gemacht was er war. Ein gewissenloser Vampir, der sich nahm was er bekommen konnte. Sein Interesse an Alfred rührte vielleicht nur daher, dass er diesen noch nicht gewonnen hatte. Er konnte ihn dazu bringen ihm zu verfallen, aber dann...?
"Du hast ich nicht gekränkt" sagte er. "Du hast nur das gesagt, was du ehrlich fühlst. Du liebst Sarah und du möchtest bei ihr sein." Er legte einen Arm um Alfred. "Doch ich liebe dich und möchte dich bei mir haben."
Alfred sah fast beeindruckt zu Herbert auf. Er liebte ihn also wirklich. So wie er selbst Sarah liebte. Er runzelte ein wenig die Stirn vor Anstrengung, als er sich Herberts Gesicht genau ansah und sich vorstellte, in ihn verliebt zu sein. Aber es ging irgendwie nicht.
"Herbert, sag mal", fing er an. "Glaubst du denn, dass jeder einen Mann lieben kann? Oder ist das etwas Besonderes? Ich kannte es bisher nur, dass ein Mann eine Frau liebt. Und ich dachte, das wäre immer so. Wenn jetzt ein Mann, der eine Frau geliebt hat, sich in einen Mann verliebt - geht denn das?
Herbert sah Alfred überrascht an. Normalerweise war der Junge ja
nicht so direkt... aber das gefiel ihm. Und er beschloss ehrlich zu
ihm zu sein.
"Es ist nicht immer so, dass man sich in beide
verlieben kann. Meistens, aber nicht immer. Und es gibt oft ein
Geschlecht, das man bevorzugt. Ich zum Beispiel könnte mich
nicht in eine Frau verlieben." Er zog Alfred an sich und strich
ihm eine Locke aus der Stirn. "Aber du hast doch etwas gefühlt,
als du von mir getrunken hast, habe ich Recht?"
Er erinnerte
sich lächelnd daran, wie Alfred stocksteif neben ihm gelegen
hatte, darum bemüht vor ihm zu verbergen was los war.
Aber
war Alfred wirklich derjenige, nach dem er suchte? Der, der seine
Liebe erwidern konnte und seine Sehnsucht stillen, wie es alle vor
ihm nicht gekonnt hatten? Alfred, der nicht einmal etwas für ihn
empfand?
"Ich liebe dich wirklich" flüsterte er und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Alfred hielt ganz still, als Herbert ihn an sich zog und ihm schließlich den Kuss auf die Wange hauchte. Er konzentrierte sich angestrengt darauf, wie sich das anfühlte, und eigentlich war es nicht so schlecht. Schließlich hatten Männer wie Frauen die gleichen Lippen, und ein Kuss war ein Kuss.
Trotzdem wäre es ihm lieber gewesen, dieser Kuss wäre von Sarah gekommen. Wenn er schon ihre Hand hielt, wurde ihm ganz anders, und als sie ihn gestern auf den Mund geküsst hatte, da war ihm ganz heiß geworden und ganz glücklich, und irgendetwas war durch seinen Körper geströmt, das sich glitzernd und lebendig angefühlt hatte.
So war das eben bei Herbert nicht gewesen. Aber das war ja auch nur auf die Wange gewesen und nicht auf den Mund. Er sah unsicher lächelnd zu Herbert auf.
"Ich glaube, bei mir geht das nur mit Frauen", sagte er, wurde dann aber knallrot, als er daran dachte, was passiert war, als er von Herbert getrunken hatte. "Obwohl... ich weiß nicht... Also gestern..." Er wurde noch viel röter und sah zu Boden. "Da habe ich wirklich etwas gefühlt, als ich von dir getrunken habe." Er war jetzt ziemlich verunsichert. Warum kannte er sich bei so etwas nur so schlecht aus?
Vincent saß in der Badewanne, die Arme auf den Rand gelegt und den Kopf nach hinten gelehnt. Das warme Wasser tat gut, aber Herbert darin fehlte. Vincent seufzte auf und erhob sich. Herbert war öfters nach ihren Stelldicheins sehr ernüchtert und traurig gewesen. Vincent war sehr gewillt, diese Leere in ihm für eine Weile zu füllen, aber er wusste schon, dass es ihm auf Dauer nie gelingen würde. Und er hatte auch gar nicht die Ambition dazu. Er mochte Herbert sehr, er hatte ihn schätzen gelernt, aber er war nicht derjenige, Herbert Seelenheil zu schenken.
Er genoss es, wenn Herbert für ein paar Stunden ihm gehörte, und er dachte oft an ihn, aber er war nicht der Typ für etwas wirklich Bindendes. Am Anfang war es ihm so vorgekommen, als habe Herbert das in ihm gesucht, aber er hatte dann wohl gemerkt, dass da nichts zu holen war. Vincent liebte seine Freiheit, aber auch seine Privilegien. Er wusste Herbert immer richtig zu behandeln, damit sie ihm nicht genommen wurden.
