Kapitel 10

Alfred drückte sich an den kalten Sarg hinter ihm, und er wäre zurückgewichen, wenn er gekonnt hätte. Aber es ging keinen Millimeter mehr zurück, und ängstlich sah er, wie Herbert sich ihm näherte und dann die Augen schloss.
'Herbert', wollte er sagen, aber da fühlte er schon Herberts Lippen auf seinen. Seine Hand, die sich an Herberts Brust gelegt hatte, um ihn zurückzuschieben, rutschte kraftlos etwas tiefer, aber sonst erstarrte er…Was sollte er denn jetzt tun? Er hatte noch nie jemanden geküsst, er wusste gar nicht wie das ging. Unsicher versuchte er, die Lippen ein bisschen zu bewegen, so wie Herbert das tat. Er hätte ihn gerne gefragt, ob er es richtig machte, aber natürlich konnte er das nicht. Sicher machte er es sowieso nicht sehr gut.
Er sah, dass Herbert immer noch die Augen geschlossen hatte, und zögerlich schloss er seine auch. Vielleicht würde es ja dann besser gehen.
Herbert vergaß in dem Moment als seine Lippen Alfreds berührten alles andere. Jeder andere Mann, den er in den Jahrhunderten geküsst hatte, war aus seinem Gedächtnis verschwunden und es gab nur noch ihn. Alfreds Lippen waren weich und warm und unglaublich zart für einen Mann. Zuerst hielt er ganz still, aber dann küsste er vorsichtig zurück. Herbert stöhnte leise auf vor Glück. Endlich rannte Alfred nicht mehr von ihm davon.Auch wenn es nur ein Kuss war bedeutete das für ihn doch unendlich viel. Er fühlte sich wie im siebten Himmel. Eine Hand legte er an Alfreds Hinterkopf um ihn näher zu ziehen und die andere um seinen Körper um ihn zu stützen, während seine Zunge jetzt fordernder Alfreds Mund erforschte.
Alfred zuckte zusammen, als er plötzlich Herberts Zunge in seinem Mund fühlte, und einen Moment lang wollte er sich ihm entziehen, aber dann legte sich der erste kleine Schreck, und er entspannte sich wieder ein bisschen.Herbert schien es nichts auszumachen, dass er nicht soviel machte. Und er musste zugeben, dass er überwältigt war. Das war also Küssen. Es fühlte sich sehr ungewohnt an, und es machte ihn unsicher, aber gleichzeitig war es unglaublich toll, und soweit er das beurteilen konnte, konnte Herbert es wirklich gut. Nie würde er das mal so hinkriegen.
Sehr zögerlich bewegte er jetzt auch seine Zunge, und er öffnete kurz die Augen, ob Herberts Züge irgendetwas verrieten. Aber der hatte immer noch die Augen geschlossen und schien ganz konzentriert, also machte auch Alfred die Augen wieder zu. Er legte eine Hand unsicher auf Herberts Schulter und berührte dann mit seiner Zunge vorsichtig Herberts spitze Zähne. Er musste ein bisschen lächeln. Das hier war wirklich toll.
Es gefiel Alfred. Herbert war so froh darüber, dass er ganz weiche Knie bekam und sich jetzt selber ein wenig an Alfred festhalten musste. Dass Alfred jetzt sogar selber ein wenig die Initiative ergriff ließ ihn noch mutiger werden. Er streichelte mit einer Hand Alfreds Hals und ließ die andere tiefer, bis zu seinem Po gleiten. Alfred zuckte kurz zusammen, hielt dann aber wieder still.Schwer atmend löste Herbert sich schließlich von ihm. Wenn er jetzt nicht aufhörte würde er sich nicht mehr zurückhalten können, das wusste er. Und er wollte Alfred dadurch nicht verschrecken. Einen Moment blieb er mit geschlossenen Augen stehen, rang nach Atem und versuchte seine Fassung wieder zu finden.
Dann sah er Alfred lächelnd an. "Du küsst phantastisch, Liebling" hauchte er. "Und jetzt..." Er glitt in den Sarg und streckte sich auf den Polstern aus. Verführerisch bog er den Hals zurück. "Trink so viel du willst, Mon Cher."
Herbert ließ Alfred etwas atemlos zurück, als er sich von ihm löste. Benommen lehnte er sich an den Sarg, und er war schon wieder leicht errötet, weil Herberts Hand an seinem... Po gelandet war. Das war irgendwie aufregend gewesen, und peinlich zugleich.Jetzt kletterte er ihm hinterher in den Sarg, und er rang etwas mit sich, bevor er dann die Zähne in Herberts weißem Hals versenkte. Beim Anblick seiner durchscheinenden, pochenden Halsschlagader konnte er einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen.
'Herbert hat gesagt, ich kann gut küssen.' Das ging ihm durch den Kopf, als das warme Blut in seine Kehle lief, und er schloss überwältigt die Augen. Wieder kroch diese Wärme in ihn und nahm von ihm Besitz, und zwar überall. Sie durchspülte jedes Körperteil, und Alfred spürte voll Scham, wie ihm tatsächlich das gleiche passierte wie gestern. Er rückte mit der Hüfte ein wenig von Herbert ab, trank jedoch weiter. Dieses süße Blut war das Beste, was er je gekostet hatte.

"Ja gut so Liebling" flüsterte Herbert und drückte Alfreds Kopf an seinen Hals. Wenn Alfred nur wüsste, was er mit ihm anstellte. Herbert war gar nicht mehr wirklich er selbst. Leider rückte Alfred etwas von ihm ab, so dass er dessen Erregung nicht mehr spüren konnte, aber er selbst war auch erregt, oh ja...
Er konnte auch nicht verhindern, dass er wieder näher zu Alfred rutschte und sich an ihn presste. Seine Hände liebkosten Alfreds Oberkörper und er glaubte fast, dass er hätte kommen können, wenn es noch etwas länger gedauert hätte. Alfred ließ keuchend von ihm ab und schnappte nach Luft. Seine Lippen waren dunkelrot von Blut und Herbert richtete sich etwas auf, um ihn sauber zu küssen.
Dann ließ er sich wieder zurücksinken und zog Alfred mit sich.
"Hat es dir gefallen mich zu küssen?" flüsterte er. "und trinkst du gerne von mir?"
Alfred fühlte sich berauscht, und zum ersten Mal in seinem Leben für den Moment wirklich frei. Er war noch nie betrunken gewesen, aber er schätzte, dass es sich ungefähr so anfühlen könnte. Sein Kopf war ganz leicht, seine Glieder schwer, es drehte sich ihm alles, aber auf eine angenehme Weise, und er fühlte das Blut heiß durch seinen Körper rauschen.Er drehte den Kopf, um Herbert anzusehen. "Ja", sagte er und lächelte leicht. Er fühlte immer noch diese Härte, und irgendwie hatte es sich gut angefühlt, als Herbert sich so an ihn gepresst hatte. Es war gar nicht schmerzhaft gewesen, wie er es erwartet hätte.
"Ich... ich hab ja noch nie jemanden so geküsst", gestand er. "Aber es war wirklich toll!" Er stellte sich vor, wie es wäre, Sarah zu küssen, aber davon fing er jetzt lieber nicht an. Das hätte Herbert jetzt sicher sehr verletzt.
"Ich hätte nie gedacht, dass es sich so gut anfühlt", gab er zu. "Es war wirklich sehr schön, Herbert." Er lächelte ehrlich. Doch dann wurde er etwas ernster. "Und ich trinke auch sehr gerne von dir. Nur... Immer wenn ich es tue, dann..." Er verstummte errötend und wies in Richtung seiner Körpermitte. Es war ihm peinlich, aber wenn er sich jemandem anvertrauen konnte, dann Herbert. "Wozu ist das gut?", fragte er. "Passiert das jedem dabei?"
"Wozu ist das gut?" wiederholte Herbert entsetzt Alfreds Frage und sah ihn ungläubig an. aber dann wurde ihm klar, dass Alfred wirklich nicht wusste was los war. Beinahe wäre er in schallendes Gelächter ausgebrochen, aber er wusste, dass er Alfred damit verletzt hätte. Also hielt er sich nur kurz die Hand vor den Mund, bis er sich wieder beruhigt hatte. "Man sollte doch wirklich denken, dass du zumindest über die wichtigsten Sachen des Lebens bescheid weißt, Cherie, wenn du schon der Assistent eines Professors bist, der sich angeblich für den Fortschritt der menschlichen Natur einsetzt." sagte er Kopf schüttelnd. "Aber wahrscheinlich war Abronsius so sehr auf den Fortschritt aus, dass er die Fortpflanzung völlig vernachlässigt hat, nicht wahr?" Herbert lachte in sich hinein. "Nun ja" er wurde wieder ernst. "das was da mit dir passiert ist notwendig, wenn du dich mit jemandem vereinigen willst. Sei es nun mit einem Mann oder einer Frau. Ich kann nicht glauben, dass du dir niemals Gedanken darüber gemacht hast, was nach dem Küssen kommt Alfred. Du musst doch..." er sah Alfred an und streichelte ihm dann sanft über die Wange. "Überkommt dich nicht manchmal das Gefühl, dass du unbedingt berührt werden willst? Verzehrst du dich nicht manchmal danach? Hast du dich denn noch nie selbst berührt? Aber zumindest Träume musst du doch gehabt haben, nicht wahr?"Er sah Alfreds verwirrten und fast etwas ängstlichen blick. "Kein Angst, Cherie. Ich werde dich nach und nach alles lehren was du wissen musst." flüsterte er. "Und dann wird dir niemand mehr widerstehen können."
Alfred schwirrte schon wieder Kopf. Fortpflanzung? Sich selbst berühren? Träume?Er blinzelte verwirrt. Fortpflanzung hatte er schon bei Tieren beobachtet, vor allem bei den vom Professor so sehr geliebten Fledermäusen. Paarung war das, wovon Herbert hier redete. Er hatte nie so recht einen Zusammenhang zwischen Mensch und Tier hergestellt, und er hatte auch noch nie eine Frau nackt gesehen. Woher sollte er denn wissen, wie das ging?
Er wand sich etwas unter Herberts Fragen und nickte dann. "Doch", sagte er. "Doch, komische Träume habe ich schon gehabt, aber der Professor hat immer nur geschimpft wenn ich das Bett beschmutzt habe."
Er dachte beschämt daran, wie es ihm das erste Mal passiert war, und wie sie beide erst angenommen hatten, er habe ins Bett gemacht. Er wäre am liebsten im Boden versunken, aber als sie herausgefunden hatten, was wirklich passiert war, war es kein bisschen besser geworden. Der Professor hatte ihm nicht mal erklärt, was das war.
"Aber ich habe mich da nie angefasst", sagte er fast stolz. "Der Professor hat gesagt, das wäre ungesund. Aber gegen die Träume konnte ich ja nichts tun. Gestern... gestern hatte ich wieder einen." Er wurde knallrot und sah Herbert fast hilfesuchend an. Er kam sich so unglaublich dumm vor, und es wunderte dass Herbert ihn nicht lange schon ausgelacht und stehen lassen hatte. Der wusste irgendwie alles, und Alfred war froh, dass er es ihm erklärte.
Er runzelte die Stirn. "Aber Herbert", sagte er nachdenklich. "Wenn das notwendig ist zur Vereinigung, warum passiert es dann jetzt? Ich habe doch nicht vor, mich mit irgendwem zu verinigen."
"Du hast es vielleicht nicht vor" sagte Herbert mit einem verschmitzten Lächeln. "Aber dein Körper denkt offensichtlich anders darüber. Das kann man nunmal nicht immer beeinflussen. Immerhin warst du mir gerade sehr nahe und auch das Bluttrinken ist äußerst erregend... da ist es ganz normal, dass dir das passiert." Er lächelte Alfred an. "Ich freue mich jedenfalls, dass es dir in meiner Gegenwart passiert. Das bedeutet immerhin, dass du meine Gesellschaft genießt. Denk nicht mehr daran, was der Professor dir darüber erzählt oder nicht erzählt hat. Er ist nur ein vertrockneter alter Mann, der von diesen Dingen keine Ahnung hatte."Enthusiastisch griff er nach Alfreds Händen und hielt sie in seinen fest. "Alfred." begann er. "Gehst du mit mir zum nächsten Mitternachtsball? der Ball am ersten Dezember ist immer etwas ganz besonderes. Das ganze Schloss wird hell erleuchtet sein und es kommen Vampire von weit her. Und um Mitternacht tanzen wir ein Menuett im Schnee. Ach Alfred es wird phantastisch sein, mit dir zusammen dort hin zu gehen! versprichst du es mir diesmal?"
Alfred sah ihn überrascht an, als er nach seinen Händen griff und ihn dann mit leuchtenden Augen bat, mit ihm zum Ball zu gehen. Alfred wurde es ein bisschen schwerer ums Herz.
"Du bist wirklich sehr nett", sagte er vorsichtig. "Aber ich würde doch am liebsten mit Sarah gehen." Immerhin würde er sie bis dahin wohl nicht mehr sehen, und wenn er an sie dachte, vermisste er sie schon ganz schön. Er musste daran denken, wie sie ihn auf den Mund geküsst hatte. Das war ja noch nichts gewesen im Vergleich zu Herberts Kuss, aber er wollte es so gerne ausprobieren, wie es wäre, Sarah so zu küssen. Wenn er daran dachte wurde ihm wieder ganz heiß.
Er sah Herbert ein wenig ängstlich an. Er wollte ihn nicht verärgern oder enttäuschen, aber er freute sich schon so sehr darauf, mit Sarah zum Ball zu gehen... mit ihr zu tanzen... Und vielleicht könnte er sie im Mondlicht küssen. Das wäre das allerschönste auf der Welt für ihn.
Herberts Lächeln verschwand und er sah Alfred beinahe kalt an. Sarah. Immer wenn es gerade besonders gut lief kam sie ihm dazwischen. Sie war einfach nicht aus Alfreds Gedanken zu vertreiben, egal was er tat. Und Alfred, der sonst so schüchtern und ja, beinahe feige war, riskierte für diese Frau alles. Sogar, dass er wütend auf ihn wurde und ihm aus dem Schloss warf. Und für einen Moment spielte er wirklich mit dem Gedanken. Sollte Alfred doch ein paar Nächte auf dem kalten Friedhof schlafen und selber für seine Nahrung verantwortlich sein. Wahrscheinlich würde er in weniger als einer Woche wieder zu ihm zurückgekrochen kommen und darum flehen, dass er sich wieder um ihn kümmerte. Dann würde er ja sehen, dass Sarah keinen Finger für ihn rührte..."Dann geh doch mit deiner Sarah zum Ball" fauchte er "Es gibt genug andere Vampire die sich freuen werden, wenn ich sie darum bitte." Tief gekränkt drehte er sich zur Seite und starrte an die Seitenwand des Sarges. Noch nie hatte es jemand gewagt, ihn so zu verletzen. Was fand Alfred bloß an dieser Sarah? Hatte sie jemals etwas für ihn getan? Einen lächerlichen Schwamm hatte sie ihm geschenkt ... er konnte sich nicht eingestehen, dass Alfred scheinbar wirklich in Sarah verliebt war und, dass weder die schönen Kleider, noch die gute Behandlung dagegen ankommen konnten.
Er lag noch lange wach und hörte Alfred neben sich atmen.
Am nächsten Abend stand er auf, bevor Alfred erwachte und verließ den Sarg. Heute legte er ihm keine neue Kleidung bereit und er sorgte auch nicht dafür, dass Kerzen angezündet wurden. Sollte Alfred doch selbst sehen, wie er sich zurecht fand. Immer noch tief gekränkt zog er sich in die abgelegensten Zimmer des Schlosses zurück. Er wollte heute niemanden sehen.
Auf dem kalten verschneiten Friedhof erwachte Sarah aus ihrem Schlaf. Missmutig stellte sie fest, dass sie sich immer noch auf dem Friedhof befand und der Graf nicht gekommen war um sie zu holen. Hatte Alfred nicht ein gutes Wort für sie einlegen wollen? Hatte er sie jetzt etwas auch vergessen? Sie beschloss nachzusehen.
Alfred erwachte, und als erstes fiel ihm auf, dass er ziemlich düster war. "Herbert?", flüsterte er und griff neben sich, aber er griff ins Leere. Jetzt fiel ihm auch wieder alles von gestern wieder ein, und er bekam ein ganz blödes Gefühl im Bauch, fast wie Magenschmerzen.Er kletterte aus dem Sarg und tastete sich vorwärts. Heute lagen keine neuen Kleider für ihn bereit, also zog er die alten an, die schließlich auch heute noch bezaubernd schön waren.
"Herbert?", rief er leise in die Dunkelheit, aber nichts rührte sich. Da er jetzt ungefähr wusste, wo der Ausgang war, bewegte er sich vorsichtig darauf zu, fand ihn und ging in den Flur. Aber auch dort war es stockduster. Alfred fing sofort an, sich zu fürchten.
Er ahnte, dass heute die Kerzen extra wegen ihm nicht angezündet worden waren. Weil Herbert böse auf ihn war. Aber was sollte er denn tun? Er liebte nun einmal Sarah, und er konnte Herbert doch nicht anlügen. Dass er ihm die Wahrheit sagte, war doch nun wirklich kein Grund, derart beleidigt zu sein und auch noch die Kerzen nicht anzumachen, fand er. Das war schon fast gemein.
Aber seine Wut hielt sich nicht lange - wenn es überhaupt wirklich Wut gewesen war, und er begann, sich vorsichtig die Wand entlang zu tasten. Aber nach einer Weile kam ihm das so sinnlos vor, und er ließ sich daran herabsinken und legte das Gesicht in die Hände. Er war Herbert so ausgeliefert. Er konnte sich nicht ernähren, er konnte nichts sehen... Er war so ein schlechter Vampir und auf Herberts Gunst angewiesen. Aber er konnte doch nicht lügen, nur um sich Vorteile zu verschaffen.
Er schniefte leise und sah ängstlich in die Dunkelheit um sich. Irgendwann würde schon jemand über ihn stolpern und ihn irgendwo hinbringen.
Sarah gelang es ohne größere Probleme sich in das Schloss zu schleichen. Nicht einmal die Tür war verriegelt. Sie wusste zwar von Herbert, dass es nicht erwünscht war, dass Vampire einfach in das Schloss kamen, aber sie hatte ja auch nicht vor, sich erwischen zu lassen.Außerdem war es eine bodenlose Unverschämtheit, sie einfach auf dem Friedhof liegen zu lassen. Immerhin war sie etwas Besonderes. Sie erinnerte sich noch gut daran, was der Graf ihr alles versprochen hatte. Hier sollten ihre kühnsten Wünsche erfüllt werden und dazu gehörte es ganz bestimmt nicht auf dem kalten Friedhof herumzuliegen.
Sie hatte sich schon mit einigen anderen Vampiren unterhalten und herausgefunden, dass es vielen so ging wie ihr. Allerdings hatten sich die meisten in ihr Schicksal gefügt und waren trotzdem mit ihrem Vampirleben zufrieden. Schon die allmonatlichen prunkvollen Bälle schienen sie zufrieden zu stellen. Aber Sarah hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Grafen zurück zu erobern. Und Alfred würde ihr dabei helfen.
Auch über Herbert hatte sie einige interessante Dinge in Erfahrung bringen können und alles deutete darauf hin, dass es Alfred bald nicht anders gehen würde als ihr. Sie musste also die Gunst der Stunde nutzen während Alfred noch etwas Besonderes war und Privilegien hatte. Als Vampir hatte Sarah jegliche Skrupel abgelegt.
Sie fand Alfred ein paar Gänge von der Gruft entfernt kläglich am Boden sitzend. Allein.
"Na? Bist du jetzt auch schon im Stich gelassen worden?" fragte sie fast schadenfroh.
Alfred sah auf, und selbst in der Dunkelheit erkannte er Sarah. Rasch stand er auf, und ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus."Sarah!", rief er voller Freude und griff nach ihren Händen. "Wie schön, dass du da bist!"
Er konnte es kaum fassen, dass sie wirklich vor ihm stand. Sie war zu ihm gekommen, hatte ihn gesucht. Vielleicht hatte sie Sehnsucht nach ihm gehabt. Sein Herz klopfte freudig in seiner Brust.
"Ich habe dich so vermisst! Ich bin... etwas ausgeliefert alleine. Weißt du, ich kann noch nicht so gut im Dunkeln sehen, aber das kommt sicher noch!", beeilte er sich zu versichern. "Und Herbert ist böse auf mich, weil er mit mir zum nächsten Ball gehen wollte. Aber ich habe gesagt, dass ich mit dir gehen möchte. Das willst du doch auch, oder, Sarah? Diesmal werde ich richtig schöne Kleider haben, nicht so wie das letzte Mal. Siehst du?" Er sah an sich herab. "Herbert hat sie mir gegeben, sind sie nicht bezaubernd?"
Vor Freude plapperte er wie ein Wasserfall. "Was möchtest du denn tun? Wollen wir vielleicht im Mondschein Spazieren gehen?" Seine Wangen färbten sich rötlich, als er daran dachte, dass er Sarah dann vielleicht küssen könnte. Ihre Lippen auf seinen... Ihm lief ein wohliger Schauer den Rücken hinab.
Sarah sah ein bisschen neidisch an Alfred hinab. Seine neuen Kleider waren wirklich wunderschön und aus erlesenen Stoffen gefertigt. Ihr Ballkleid hingegen hatte bei der Flucht im Wald schon ein wenig gelitten und war an mehreren Stellen zerrissen. Sie brauchte unbedingt ein neues.Die Vorstellung mit Alfred zum Ball zu gehen begeisterte sie nicht gerade sehr. Sie sah sich schon in den Armen des Grafen. Aber wahrscheinlich war es besser sich diese Option offen zu halten...
Also lächelte sie Alfred freundlich an. "Nun, wir werden sehen, was die Zukunft bringt" sagte sie ein wenig unbestimmt. "Der Ball ist ja noch fast einen Monat hin." Sie sah sich auf dem Gang um. "Lass uns lieber wieder in dieses gemütliche Zimmer gehen, in dem wir letztes Mal waren. Draußen war ich lange genug. Ich muss mich unbedingt ein wenig aufwärmen."Sarah hatte eine gute Orientierung. Selbstsicher schritt sie durch die Gänge, knapp gefolgt von Alfred und stieß schließlich die Türen zu dem Zimmer auf. "Herrlich" sagte sie begeistert und ließ sich auf eins der weichen Sofas sinken. Dann sah sie Alfred Stirn runzelnd an. "Aber was ist das eigentlich mit Herbert und dir? Was will er von dir? Das ist doch geradezu widernatürlich. Zwei Männer auf einem Ball... das habe ich ja noch nie gehört." Sie schüttelte den Kopf. "In unserem Dorf sind mal zwei Jungen dabei erwischt worden, dass sie sich geküsst haben. Sie wurden weggejagt."
"Was? Warum?", fragte Alfred erstaunt. "Herbert liebt mich, sagt er. Deswegen war er sehr enttäuscht, dass ich mit dir zum Ball gehen möchte. Und es tut mir auch sehr leid für ihn, denn er ist so nett zu mir."
Er sah Sarah ein wenig fragend an. "Ist es denn nicht in Ordnung, wenn zwei Jungen sich küssen? Bei Herbert fand ich es jedenfalls nicht schlimm. Und er meinte auch, dass das normal wäre. Er hat mir ganz viel erklärt!" Er strahlte und legte Sarah schüchtern eine Hand auf den Arm. Wenn er sie so ansah, würde er sie am liebsten sofort in seine Arme ziehen und so küssen, wie Herbert gestern ihn geküsst hatte. Und dann...
Sein Kopf wurde ganz heiß, als er rot anlief. Er wollte sich gerne mit Sarah vereinigen, das merkte er. Er wusste nicht einmal genau, wie es ging, aber es musste wunderbar sein wenn schon Küssen so berauschend war. Aber natürlich würde er warten, bis Sarah es auch wollte.


An dieser Stelle wollen Sevvie und ich uns nochmal ganz herzlich für eure Reviews bedanken! Jedes einzelne ist wirklich unheimlich motivierend für uns.