Kapitel 14

Nachdenklich sah Von Krolock seinem Sohn nach, während der mit hängendem Kopf die Gruft verließ. Lange hatte er Herbert nicht mehr so geknickt gesehen. Dann schüttelte er Alfred unsanft an der Schulter.

Alfred schlug verwirrt die Augen auf und tastete schlaftrunken neben sich, aber Herberts Seite war leer. Er sah auf - und bekam einen furchtbaren Schrecken, als er sah, wer ihn da wachgerüttelt hatte. Sofort setzte er sich auf und zog sich die Decke bis über die Brust.
"Herr Graf", stammelte er verwirrt. "Wo ist Herbert?"

Der Graf bedeutete Alfred nur schweigend aufzustehen und sich anzuziehen. Er wurde etwas ungeduldig, als Alfred mit seinen Verschnürungen nicht zurecht kam. Er wollte das hier schnell hinter sich bringen. Er hätte schon viel früher eingreifen müssen. Das war ihm gestern Abend klar geworden. Er hoffte nur, dass es noch nicht zu spät war für Herbert.
"Mein Sohn trifft sich heute mit einem ... Freund" sagte er vieldeutig. "Wie du ja vielleicht gemerkt hast wechseln wir unsere Gesellschaft gerne hin und wieder und du bist Herbert - nun - langweilig geworden."
Aufmerksam beobachtete er, wie sich Alfreds Miene bei seinen Worten verdunkelte. "Allerdings wird es dich freuen, was ich dir noch mitzuteilen habe." Er hieß Alfred ihm zu folgen und ging in Richtung des Ausgangs der Gruft. "Du wirst von nun an in einem Teil des Schlosses mit Sarah zusammenleben."
Er hatte sich entschieden den beiden ganz gegen seine sonstigen Prinzipien tatsächlich zwei eigene Zimmer zur Verfügung zu stellen. Auf jeden Fall wollte er vermeiden, dass Alfred nur aus Bequemlichkeit zu seinem Sohn zurückkehrte. Sarah hatte, nachdem sie eingesehen hatte, dass ihre Chancen verwirkt waren ebenfalls erfreut eingewilligt den kalten Friedhof zu verlassen. Sie hatten sogar ein eigenes Badezimmer.
"Nun komm. Sarah wartet auf dich" sagte er ungeduldig.

Alfred kam absolut nicht mit seinen Verschnürungen zurecht, und er mühte sich ab, während er dem Grafen nur mit einem halben Ohr zuhören konnte. Aber seine Kinnlade fiel herab, als er hörte, dass er Herbert langweilig geworden sein sollte. Seine Finger erstarren in ihrer Bewegung, und er sah den Grafen sprachlos an. Das konnte der doch nicht ernst meinen.
Er wollte gerade etwas sagen, als der Graf weiterredete. Und was er sagte, ließ Alfred erst einmal das andere vergessen. "Ich - ich soll... mit Sarah...? Im... im Schloss?" Er deutete sich ungläubig auf die Brust, bemerkte dann aber den ungeduldigen Tonfall des Grafen und nestelte nervös an seinen Verschnürungen herum. Schließlich gab er es auf und machte einfach ein paar Knoten, bevor er dem Grafen mit klopfendem Herzen folgte.
Er brachte ihn in einen Teil des Schlosses, wo Alfred noch nie gewesen war, und schließlich öffnete er ihm eine Tür, hinter der sich ein hübsches Zimmer befand. Es hatte Bücherregale, ein Tischchen an dem man sitzen konnte, hohe Fenster, ein Sofa und einen Kamin. Durch eine weitere Tür war es mit dem Nebenraum verbunden - dem Schlafzimmer, aber das konnte Alfred noch nicht erkennen. Und vom Schlafzimmer führte wiederum eine Tür in das Badezimmer.
Dafür interessierte Alfred sich jedoch noch gar nicht. Er hatte nur Augen für die Person, die auf dem Sofa vor dem Kamin saß: Sarah. Wie in Trance ging er auf sie zu, und seine Finger hatten sich vor seinem Bauch nervös ineinander verschlungen.
"Sarah", flüsterte er und blieb vor ihr stehen. "Wie schön, dich zu sehen! Du siehst bezaubernd aus!"

"Graf von Krolock!" flüsterte Sarah und ließ das Buch sinken in dem sie gerade gelesen hatte. einen Moment lang hatte sie nur Augen für den Grafen, aber als sie dessen abweisende Mine sah ließ sie ihren Blick weiterschweifen zu Alfred. Er war wieder einmal ausnehmend gut gekleidet. Was er trug passte perfekt zu ihm und stellte seine Vorzüge sehr deutlich heraus. Anerkennend nickte sie ihm zu. Immerhin hatte sie es auch ihm zu verdanken, dass sie den Friedhof hatte verlassen dürfen und dem Grafen jetzt wieder etwas näher war.
Zwar ließ ihre eigene Kleidung noch immer zu wünschen übrig - sie besaß noch immer nur das zerrupfte Ballkleid und die Sachen in denen sie hergekommen war - aber vielleicht würde sich das ja bald ändern.
Graziös ging sie Alfred entgegen um ihn lächelnd zu begrüßen. "Wie schön, dass wir endlich zusammen sind." sagte sie. "Legst du etwas Holz im Kamin nach? Es wir kalt."
Von Krolock verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort.

"Natürlich!", sagte Alfred eifrig, und beeilte sich, Holz nachzulegen. "Es ist wirklich sehr kalt", plapperte er dabei. "Gestern gab es einen richtigen Sturm, hast du den mitbekommen? Richtig unheimlich war das. Und..." Er stockte, als er daran dachte, wie Herbert ihm die Gedanken an den Sturm vertrieben hatte. Seine Wangen glühten, was nicht nur vom Feuer kam, dem er jetzt so nahe war.
Rasch legte er das letzte Scheit hinein und wandte sich zu Sarah um. Enthusiastisch ergriff er ihre Hände und strahlte sie an. "Kannst du dir das vorstellen, Sarah?", fragte er begeistert. "Wir kriegen unsere eigenen Zimmer! Ist das nicht wundervoll? Davon habe ich immer geträumt! Zwar nicht unbedingt als Vampir... Aber Hauptsache, ich bin bei dir, Sarah!"
Er hob Sarahs Hand an seine Lippen und küsste sie ungefähr so, wie Herbert es bei ihm getan hatte.

"Pass auf, dass du mein Kleid nicht noch dreckiger machst" sagte Sarah und wich zur Seite. "Wie soll ich denn beim nächsten Ball aussehen, wenn ich kein neues Kleid bekomme? Du hingegen brauchtest dir ja um neue Sachen offensichtlich keine Sorgen zu machen." Sie betrachtete Alfreds neue Kleidung mit unverhohlenem Neid. "Offenbar war für dich ja nur das Beste gut genug. Du hattest sicher eine schöne Zeit hier, während andere auf dem Friedhof gefroren haben."
Sie entzog Alfred ihre Hände und verschränkte die Arme. "Mich wundert es ja fast, dass du dich entschieden hast mit mir hier zu leben, anstatt weiterhin Herberts Schoßhündchen zu sein. Man hört ja so einiges auf dem Friedhof. Oder hatte er genug von dir?"

'Ja, das hatte er', wollte Alfred erst sagen, aber er besann sich. "Aber du wusstest doch, dass Herbert mich liebt", sagte er zu Sarah. "Und er war wirklich gut zu mir. Ich habe trotzdem immer versucht, etwas für dich zu tun; Sarah, wirklich. Aber weder Herbert noch der Graf wollten etwas tun. Ich schwöre dir, wenn der Graf mich nicht heute hiermit überrascht hätte, wäre ich zu dir auf den Friedhof geschlichen!"
Er sah Sarah in die Augen und sein Herz klopfte laut gegen seine Brust. "Und ich finde dich wunderschön", sagte er etwas verlegen. "Dein Kleid ist doch gar nicht... ich meine, es sieht doch gar nicht... so schlimm aus..." Himmel, es war wirklich nicht leicht, Komplimente zu machen. Sarahs Kleid sah wirklich etwas mitgenommen aus, aber er meinte es ganz ehrlich, wenn er ihr sagte dass er sie hübsch fand.
Er setzte sich auf das Sofa und zog Sarah sanft neben sich. Ziemlich vorsichtig legte er ihr einen Arm um die Schultern. Seine Augen leuchteten. Er hatte wirklich so oft davon geträumt, mit Sarah vor einem Kamin zu sitzen. Nur hatte er sich da natürlich immer mehr getraut. Auch jetzt würde er sie gerne küssen, aber er sah nur in die Flammen und hörte sein Herz laut in seiner Brust hämmern.

"Nun, das will ich hoffen, dass du mich nicht ganz vergessen hättest vor lauter verwöhnt-werden" sagte sie immer noch ein wenig missmutig. Aber sie wusste auch, dass sie es sich mit Alfred besser nicht verdarb. Aus irgendeinem Grund schien er hier mehr Privilegien zu haben als andere Vampire. Vielleicht fand ja der Sohn des Grafen wirklich etwas an ihm. Sarah wusste nicht wie es aussehen würde, wenn Alfred sich für eine andere Vampirin entschied.
also setzte sie eine etwas versöhnlichere Miene auf. "Ich freue mich, dass wir jetzt wirklich ein Zimmer haben" sagte sie. "Es ist sehr gemütlich. Sogar eine Badewanne gibt es!" Sie nahm Alfreds Hand in ihre. "Und du darfst mich jetzt gerne küssen wenn du möchtest."

Alfred schluckte und sah Sarah an. "W-wirklich?", stotterte er. Er fuhr sich nervös über die Lippen, bevor er sich vorlehnte, die Augen schloss und dann vorsichtig seine Lippen auf Sarahs drückte.
Er versuchte, sich zu erinnern, was Herbert bei ihm gemacht hatte, und er bewegte die Lippen und öffnete sie leicht. Sarah so zu küssen war sein sehnlichster Wunsch gewesen, aber wie viele Wünsche, die plötzlich in Erfüllung gehen, fühlte dieser sich nicht so toll an wie erwartet. Ohne dass er es wollte, musste er ständig daran denken, wie Herbert ihn geküsst hatte, das erste Mal, am Sarg. Er versuchte, das Bild zu verdrängen, denn es machte ihn traurig. Warum hatte Herbert genug von ihm bekommen? Er konnte es gar nicht so wirklich glauben, denn gestern hatte er zwar traurig gewirkt, aber nicht gelangweilt oder genervt. Er hatte niemals genervt gewirkt, egal wie dusselig Alfred sich verhalten hatte. Nur manchmal, wenn er von Sarah geredet hatte.
Alfred versuchte noch stärker, sich nur auf den Kuss zu konzentrieren, aber schließlich gab er es auf, leicht frustriert und verwundert. Er löste sich von Sarah, lächelte sie aber an.
"Was möchtest du tun?", fragte er sie. Er konnte ihr leider keine französischen Gedichte vorlesen oder auf dem Flügel vorspielen, aber vielleicht gab es etwas anderes, mit dem er sie erfreuen konnte.

Sarah hatte den Eindruck, als würde Alfred dieses Mal nicht so gut küssen wie letztes Mal. Es fehlte einfach irgendetwas. Seufzend dachte sie daran wie es sein müsste den Grafen zu küssen statt dieses unerfahrenen Jungen, dem sie wahrscheinlich noch würde zeigen müssen wo es lang ging.
Sie seufzte leise. Aber man musste das Beste aus seinem Schicksal machen. Insgesamt war sie ja jetzt besser dran als früher Zuhause. Dieses Zimmer war um einiges eleganter eingerichtet und ihr stand es auch relativ frei was sie tun und lassen wollte.
Auf Alfreds Frage hin zuckte sie gelangweilt die Schultern. Gebadet hatte sie vorhin schon und sonst gab es hier nichts besonders interessantes. "Ich weiß nicht. Wir haben hier ein paar Bücher, aber soweit ich gesehen habe waren das alles nur Gedichtbände."

Gedichtbände... "Bestimmt französisch", murmelte Alfred und lächelte.
Doch dann hellte sich Sarahs Gesicht auf. "Du könntest ins Dorf gehen und mir ein neues Kleid bestellen!"
"Ich soll... ich?" Alfred deutete sich auf die Brust und sah mit ängstlichem Blick zum Fenster, vor dem wieder dichte, träge Flocken vom Himmel fielen. Draußen war es bitter kalt, und er hatte seinen Pelzmantel noch nicht. Aber ob er den jetzt jemals bekommen würde?
Er sah Sarah an, dass sie es vollkommen ernst meinte, und seufzend stand er auf. "Also gut", sagte er und fühlte sich, als hätte er sich eben zum Selbstmord entschieden. Aber wenn Sarah wollte, dass er ihr ein neues Kleid holte, dann würde er ihr eins holen. Irgendwie würde er es schon schaffen. Für Sarah.
"Ich, ähm... ich beeile mich, ja?", sagte er und zupfte nervös an seiner Kleidung herum. Insgeheim hoffte er, dass Sarah lachen und ihm sagen würde, dass es ein Scherz war, dass er doch um Gotteswillen nicht zu dieser Zeit und bei diesem Wetter draußen herumlaufen sollte, und schon gar nicht bis ins Dorf. Aber sie sah ihn nur auffordernd an, und er schluckte.
"Dann... dann bis später...", sagte er und ging zur Tür. 'Herbert hätte mich nie geschickt', ging es ihm durch den Kopf, aber er wischte den Gedanken beiseite.

Als er die Türe hinter sich geschlossen hatte, konnte er nicht einmal mehr die Hand vor Augen erkennen. Er holte einmal tief Luft, warf sich in die Brust und marschierte entschlossen drauflos - gegen eine Wand. Aber nicht nur das. Er prallte von der Wand zurück, fand jedoch keinen Halt, als sein linker Fuß rückwärts ins Leere trat, und stürzte dann mit ziemlich viel Gepolter eine Treppe herunter. Unten blieb er benommen liegen und überprüfte, ob er noch heil war. Sein Hintern tat ihm weh, weil er damit unsanft viele Stufen gestreift hatte, und er sah nicht einmal jetzt, wo er sich befand. Um sich tastend versuchte er, den Fuß er Treppe zu finden.
"Sarah?", rief er kläglich. "Herbert? Sarah!

Sarah streckte sich auf dem Sofa aus. Sie hoffte inständig, dass Alfred mit einem schönen neuen Kleid für sie zurückkommen würde. Aber so ganz traute sie ihm da nicht. Eigentlich war es für die Vampire ja kein allzu großes Problem ins Dorf zu kommen. Sie selbst war zwar auch noch nicht dort gewesen, weil es ihr im Wald zu ungemütlich war, aber die Vampire mit denen sie auf dem Friedhof geredet hatte redeten öfter davon. Angeblich behandelten die Dorfbewohner sie immer sehr zuvorkommend. Sie freute sich schon darauf sich an einigen von ihnen zu rächen, wenn sie erstmal da war.
Aber Alfred war ja leider so ein lascher Vampir... wahrscheinlich verlief er sich noch im Dunkeln. Er hatte als Mensch ja auch schon Angst im Wald gehabt. Nun, wenn er sich verlief war es nicht ihre Schuld.
Eine Weile später nahm sie noch ein Bad und kämmte dann gründlich ihre Haare.
Erst als der Morgen näher rückte fing sie an sich über Alfreds Verschwinden ein wenig Gedanken zu machen. Sie öffnete die Tür des Raumes. "Alfred?" rief sie fragend.

Alfred hatte den Fuß einer anderen Treppe gefunden, die ihn direkt in den anderen Flügel des Schlosses gebracht hatte. In der Annahme, er sei dieselbe Treppe hochgestiegen wie er heruntergefallen war, war er völlig verzweifelt, als er Sarahs und sein Zimmer einfach nicht wieder finden konnte.
"Aber es kann doch nicht einfach verschwunden sein!", murmelte er verzweifelt vor sich hin, während er sich immer tiefer im anderen Flügel verirrte. Ab und zu rief er nach Herbert oder Sarah, aber niemand antwortete ihm. Dass er ins Dorf wollte, hatte er schon vergessen. Wie sollte er da auch jemals hinkommen, wenn er nicht einmal den Weg in sein eigenes Zimmer fand?
Er bekam Angst vor dem Morgen. Er spürte, dass es bald soweit sein musste. Und bald konnte er Umrisse erkennen, als sich das Dunkel der Nacht ganz langsam auflöste und der Himmel vor den Fenstern sich blau statt tiefblau färbte.
"Hilfe!", rief er, und dann hielt er ganz still. Da kam irgendetwas auf ihn zu, etwas Furchtbares. Es machte schreckliche Geräusche, und es humpelte, und es - es war Koukul. Alfred schrie auf, als er plötzlich vor ihm auftauchte und ihn am Arm packte, und erst wollte er sich wehren, oder kreischen, oder beides. Aber dann merkte er, dass er ihn nur wieder zurück auf sein Zimmer brachte. Das dauerte eine ganze Weile, und Alfred fragte sich, wie er es nur immer fertig brachte, sich so sehr zu verirren. Andere hätten das nicht einmal mit Absicht fertig gebracht.
Endlich stand er wieder vor der Zimmertür, und er nickte Koukul nervös zu und öffnete dann die Tür.
"Sarah!", rief er und versuchte, fröhlich zu klingen, aber er klang einfach nur am Ende. "Ich bin wieder da! Es tut mir leid, ich hatte mich verlaufen..."

Sarah war gerade dabei gewesen sich zum Schlafen zu legen, als Alfred zurückkam. Sie hatte einfach mal angenommen, dass er irgendwo einen Schlafplatz gefunden hatte und heute Nacht nicht mehr zurückkommen würde.
Jetzt drehte sie sich zu ihm um. "Hast du mein..."
Sie musterte ihn überrascht von oben bis unten. "Alfred" sagte sie dann streng. "Willst du mich veralbern? Du warst doch überhaupt nicht draußen! Sonst hättest du Schnee auf deiner Kleidung oder sie wäre nass. Hast du es dir etwas hier im Schloss gemütlich gemacht oder dich gar mit Herbert getroffen, während ich mich hier zu Tode langweilen musste?"

Alfred trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. "Nein, ich... ich war auch nicht draußen. Ich habe mich gleich hier verlaufen, im Schloss!" Er sah, dass Sarah ihm nicht wirklich glaubte. "Ich, ähm... ich sehe nicht so gut im Dunkeln", flüsterte er beschämt. Er sah Sarah entschuldigend an, aber die verzog plötzlich das Gesicht und lachte. Sie lachte ihn aus.
Etwas gekränkt wandte Alfred sich ab, um sich den Gehrock auszuziehen. Er konnte doch auch nichts dafür, dass er so ein schlechter Vampir war. Und Herbert hatte ihn nie ausgelacht. Der hatte ihm immer geholfen.
Etwas sehnsüchtig dachte er an ihn, und was er wohl gerade machte. Alfred glaubte einfach nicht, dass er ihn so schnell über gehabt hatte. Nicht, dass er es nicht verstanden hätte, wenn es so wäre. Aber Herbert hatte einfach nicht so gewirkt. Er hatte höchstens traurig gewirkt, und er hatte ihn die ganze Nacht fest im Arm gehabt. Das war ein schönes Gefühl gewesen.
Er zog sich die Schuhe aus, das Hemd und die Hose, und legte alles überaus ordentlich auf einen Stuhl. Er hatte so ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Eigentlich hätte er sich freuen sollen, dass er endlich am Ziel seiner Wünsche war und mit Sarah einen Sarg teilen würde. Aber er konnte es nicht genießen, wenn er daran dachte, dass es Herbert vielleicht schlecht ging.
Gedankenverloren stieg er zu Sarah in den Sarg, schloss den Deckel und sah leise seufzend nach oben. Er war viel zu betrübt, um das hier wirklich genießen zu können. Das fand er schade, aber es war nun einmal so. Vielleicht würde er Herbert morgen einmal sehen und mit ihm reden können. Er wollte doch auf jeden Fall, dass er sein Freund blieb.
"Gute Nacht, Sarah", sagte er leise.

Ganz gegen seine Gewohnheit war Herbert in dieser Nacht außergewöhnlich still. Er saß auf einem Sessel im Kaminzimmer und sah in die Flammen. Er war unglaublich traurig. Schon lange hatte ihn die Traurigkeit nicht mehr so erfüllt und alles in ihm so schwer werden lassen. Es fühlte sich an, als würde er sich nie mehr bewegen können. Und er vermisste Alfred, als würde ein Teil von ihm fehlen. Und das schlimmste war diese absurde Hoffnung, dass Alfred doch zu ihm zurückkommen würde...
Einmal glaubte er sogar, ihn von Ferne seinen Namen rufen zu hören und wäre fast aufgesprungen. Aber dann sagte er sich, dass es nur seine Einbildung gewesen war.
Und er machte sich auch Sorgen darüber, wie Alfred jetzt zurecht kommen sollte...
Morgen würde der Pelzmantel für ihn fertig sein. Den würde er Alfred auf jeden Fall bringen lassen. Jetzt wo er doch alleine ins Dorf musste um zu trinken würde er ihn brauchen.

Von Krolock sah besorgt auf seinen Sohn hinab, der nicht einmal bemerkt hatte, dass er das Zimmer betreten hatte. Dass Herbert nicht weinte und schluchzte war ungewöhnlich. Es wirkte fast, als sei er versteinert.
"Soll ich vielleicht Vincent aufwecken, damit er dir etwas Gesellschaft leistet?" fragte er, während er zu seinem Sohn trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
Herbert schüttelte nur leicht den Kopf.
"Sehr bald werden wir jemand anderen für dich finden." versuchte der Graf es noch einmal. Herbert reagierte nicht. Unter den sorgenvollen Blicken seines Vaters verbrachte er die Nacht vor dem Feuer. Erst als der Morgen bereits dämmerte erhob er sich von seinem Platz.


Vielen Dank für eure Reviews! Adrian und ich haben uns sehr gefreut. Da macht es doch gleich noch viel mehr Spaß weiterzuschreiben.