Kapitel 15

Ohne Alfred aufzuwachen war fast noch schlimmer, als ohne ihn einzuschlafen. schon der Gedanke, dass Alfred heute neben Sarah aufgewacht war und sich wahrscheinlich wie der glücklichste Mensch der Welt fühlte war für Herbert unerträglich.
Ohne Alfred hatte er eigentlich überhaupt keinen Grund aufzustehen. Aber wenn er hier blieb würde ihm noch deutlicher bewusst werden, dass er allein war.
Schwermütig erhob er sich schließlich. Der Pelzmantel für Alfred war tagsüber angekommen und Koukul hatte ihn zu den anderen Kleidungsstücken für Alfred gehängt. Herbert strich über das weiche warme Fell. Den Mantel würde er Alfred heute vorbeibringen, auch wenn sein Vater sicher dagegen sein würde. Auch die anderen Sachen würde er ihm bringen. Schließlich waren sie extra für ihn angefertigt worden. Bei Gedanken daran, dass er Alfred sehen würde, wurde ihm etwas leichter ums Herz. Auch wenn es nur für ein paar Minuten sein würde.
Sarah stand mit verschränkten Armen über dem Sarg, als Alfred aufwachte. "Na endlich" fuhr sie ihn an. "Ich dachte schon du wolltest die ganze Nacht verschlafen. Dabei musst du heute doch endlich dein Versprechen halten und mir ein neues Kleid besorgen. Ich bringe dich auch zum Schlosstor."
Missbilligend sah sie Alfreds entgeisterten Blick. "Also weißt du wenn man dich so sieht könnte man fast denken, du möchtest gar nicht mehr mit mir zusammen leben! Früher hättest du alles für mich getan und jetzt ist es dir schon zu viel ein Kleid für mich zu beschaffen?"
Sie sah aus dem Fenster. Es war stürmisch draußen und es schneite noch immer. Der Schnee lag mittlerweile vermutlich gut einen Meter hoch. "Das Wetter ist gar nicht mal so schlecht" sagte sie trotzig. "Wenn du heute wieder unverrichteter Dinge zurückkommst bin ich schwer enttäuscht Alfred!"

Alfred hatte schlecht geträumt. Im Traum war er ins Dorf gelaufen und bei jedem Schritt bis zu den Knien im Schnee eingesunken. Überall hatten Wölfe geheult, ihm war kalt gewesen und er hatte den Eindruck gehabt, sich verlaufen zu haben. Schließlich hatte er nach Sarah gerufen, aber sie hatte ihn ausgelacht. Er hatte sie nicht gesehen, aber es hatte überall um ihn herum gehallt, und er hatte sich zusammengekrümmt und nach Herbert gerufen, bis er heiser geworden war.
Und nach seinem Erwachen ging es keinen Deut besser weiter. Er zuckte zusammen, als Sarah ihn alles andere als freundlich begrüßte. Und als er hörte, dass er noch einmal versuchen sollte, ins Dorf zu kommen, sah er schon seinen Albtraum wahr werden.
Mit riesigen Augen sah er zu Sarah auf, aber dann nickte er ergeben. Er war es gewohnt, zu tun, was andere von ihm wollten, auch wenn er sich noch so sehr fürchtete. Aber er fühlte sich auf einmal überhaupt nicht mehr so bestärkt, wenn er daran dachte, etwas für Sarah zu tun.
Er stand auf und zog sich an, wobei er seien Verschnürungen wieder ziemlich stümperhaft zusammenschlamperte. Er wünschte, Herbert wäre da, um ihm zu helfen. Und vielleicht... vielleicht würde er ihn ja treffen! Dann könnte er ihn fragen ob er mitkam ins Dorf. Alfred biss sich auf die Lippe. Er wagte das ja gar nicht zu hoffen, aber es war inzwischen auch so, dass er Hunger hatte. Und alleine würde er niemals etwas zu essen auftreiben können. Einen Menschen... Aber es war nicht nur das. Herbert fehlte ihm und er hatte Sehnsucht nach ihm. Auch wenn es nicht einmal zwei Tage her war, dass er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ständig waren seine Gedanken bei dem schönen Vampir, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte.
Wieder versuchte er den Gedanken an Herbert abzuschütteln und lief an Sarahs Seite durch die Gänge. Sie lief schnell, so dass er fast nicht hinterherkam, und als er versuchte, sich an ihr festzuhalten, machte sie einen schnellen Schritt nach vorne, so dass er stolperte.
Er sah sich überall nach Herbert um, aber er hätte ihn wohl auch nicht gesehen wenn er nur 2 Meter entfernt von ihm gewesen wäre. Schließlich erreichten sie das Schlosstor, und Alfred bibberte bereits vor Kälte.
"Was... was für eine Farbe soll dein Kleid denn haben?", fragte er, um den gang ins Dorf noch etwas hinauszuzögern.

"Rot" sagte Sarah sofort. "Aber ein bisschen dunkler als das letzte. Und lass dir bloß keine billigen Stoffe andrehen hörst du! Nimm nur das Beste. Sag einfach, dass du zum Schloss des Grafen gehörst und lass es anschreiben. Und lass dich nicht davon abwimmeln, dass die Schneiderei geschlossen ist. Klopf einfach so lange bis dir jemand öffnet." Sie wollte das Tor schon hinter sich zu ziehen, als ihr noch etwas einfiel. "Und pass im Wald auf wegen den Wölfen" sagte sie. "Die greifen Menschen oder Vampire nur an wenn sie sehr hungrig sind und jetzt im Winter sind sie natürlich sehr hungrig. Ach und das Kleid muss unbedingt bis zum ersten Dezember fertig sein. Dann gehe ich vielleicht mit dir auf den Ball."
Sie schloss endgültig das Tor und ließ den zitternden Alfred draußen stehen. Bei dem Wetter jagte man wirklich keinen Hund vor die Tür. Ein Glück, dass sie drinnen bleiben konnte und jetzt ein behagliches schönes Schaumbad nehmen würde. Fröhlich summend ging sie zurück in Richtung ihrer Wohnung. Mit dem neuen Kleid würde sie den Grafen ganz sicher beeindrucken.

Herbert vergrub das Gesicht in einer Jacke, die Alfred in der vorletzten Nacht getragen hatte. Sie roch noch ganz leicht nach ihm. Es erinnerte ihn daran wie angenehm sich Alfreds Nähe immer angefühlt hatte. Er war immer so warm und anschmiegsam gewesen. Es kam Herbert so vor als wären sie schon eine Ewigkeit getrennt. Er sehnte sich danach Alfred wieder zu sehen, aber er fürchtete sich auch davor. Wie würde er reagieren? Hatte er Sehnsucht nach ihm? Dachte er jetzt gerade an ihn oder hatte er ihn schon vergessen?
Erst nach Mitternacht konnte er sich dazu aufraffen wirklich zu Alfreds und Sarahs Räumen zu gehen. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb als er anklopfte.

Alfred stand noch eine ganze Weile vor der Tür, aber schließlich sagte er sich, dass es keinen Sinn hatte, hier noch kälter zu werden. Voller Angst drehte er sich um. Wölfe, hatte sie gesagt. Ihm klapperten die Zähne vor Angst und vor Kälte, während er die ersten vorsichtigen Schritte durch den tiefen Schnee in Richtung Wald machte.
Er versank wirklich bis zu den Knien, aber zum Glück hatte er von Herbert diese Stiefel bekommen. Zwar froren seine Füße in ihnen, aber wenigstens schützten sie ihn vor der Nässe.
Mühevoll stakste er bis zum Waldrand, wo der Schnee nicht mehr so hoch lag. Dafür gab es da drinnen Wölfe... Alfred wandte sich noch einmal zum Schloss um, und am liebsten wäre er zurückgegangen und hätte Herbert gesucht. Der hätte ihm vielleicht geholfen - vielleicht aber auch nicht. Er war schon einmal böse auf ihn gewesen, damals, als er lieber mit Sarah zum Ball hatte gehen wollen.
Jetzt hätte er darauf gern verzichtet, denn schließlich musste er deswegen ins Dorf gehen. Er wunderte sich ein bisschen über sich selbst, aber nur ein bisschen. Er liebte Sarah ja, aber das hier war nicht die Sarah, in die er sich verliebt hatte. Diese hier war gar nicht mehr freundlich zu ihm, und sie sah ihn auch nicht mehr so an. Da konnte er sich wünschen und einbilden, was er wollte. Er fühlte einfach, dass es anders war.
Er schlang die Arme um sich und wagte sich schließlich in den Wald hinein. Nach etwa zehn Schritten hörte er in der Ferne Wölfe heulen, und er schrie auf, machte einen Satz, stolperte über einen Baumstumpf und legte sich hin. Ein Ast riss ihm einen Schnitt in Hose und Oberschenkel, und erschrocken sprang er wieder auf und hastete weiter.
Er versuchte, ganz fest an Herbert zu denken. Das war nämlich der einzige, bei dem er sich jemals sicher und geborgen gefühlt hatte, und von diesem Gefühl brauchte er jetzt dringend etwas. Er wusste nicht einmal, ob er in die richtige Richtung unterwegs war. Es konnte gut sein, dass er nur immer tiefer in den Wald hineinlief, und in regelmäßigen Abständen hörte er Wölfe heulen. Jedes Mal klangen sie ein bisschen näher.
"Herbert", wimmerte er, ohne dass er es merkte. Er rannte jetzt fast, und ab und zu stolperte er, weil er nichts sah. Er wollte gar nicht mehr ins Dorf. Er wollte zurück ins Schloss. Aber als er sich umdrehte und in die andere Richtung weiterlief, kam und kam er einfach nicht aus dem Wald heraus.

Herbert stand mit dem Pelzmantel im Arm vor Sarahs und Alfreds Tür. Er hatte Angst davor anzuklopfen. Oder eigentlich Angst davor, dass Alfred sich nicht so sehr über seinen Besuch freue würde, wie er hoffte, dass er es tun würde. Er wusste, dass er sich nicht zu große Hoffnungen machen durfte. Immerhin war Alfred weder in der vorigen noch in dieser Nacht zu ihm zurückgekommen. Offensichtlich vermisste er ihn also nicht.
Schließlich nahm er seinen Mut zusammen und klopfte an. Es dauerte eine Weile bis jemand öffnete. Es war Sarah. Unwillkürlich wich er ein Stück zurück. Sarah sah mehr als überrascht aus ihn zu sehen und überhaupt nicht erfreut.
"Ach. Ich dachte es wäre Alfred" sagte sie nur. "Ich habe mich schon gewundert warum er anklopft."
"Alfred? Wo ist er?" fragte Herbert alarmiert.
"Im Dorf. Er soll mir..."
"Im Dorf?" fragte Herbert und sah sie entsetzt an. "Du hast ihn ins Dorf gehen lassen?" Er machte eine Handbewegung zum Fenster. "Bei dem Wetter?"
Sarah zuckte die Schultern. "Warum nicht? er hätte doch sowieso bald Hunger bekommen!"
"Du..." Herbert brach ab und machte eine wegwischende Handbewegung. Dann drehte er mit wehendem Umhang um und stürmte in Richtung des Schlosstores.
"Alfred!" reif er, sobald er dieses aufgestoßen hatte. Er konnte es nicht fassen, dass Alfred gegangen war, ohne ihn wenigstens um Hilfe zu fragen. Angstvoll sah er in das Schneegestöber. Zum Glück hatte Alfred eine tiefe Spur hinterlassen, so dass er ihm gut folgen konnte. Und das tat er sofort, leichtfüßig über den Schnee laufend. Die Spur führte in den Wald, aber nicht in Richtung des Dorfes.
"Alfred!" reif er immer wieder.

Alfred hatte sich an einen Baum geklammert und traute sich nicht mehr weiter. Vor einer Viertelstunde war er einen Abhang hinabgepurzelt, war dabei an ein paar Bäume geprallt, durch Sträucher gekugelt und hatte sich zusätzlich zum Oberschenkel den Ellenbogen aufgeschrammt, an einem abgebrochenen Bäumchen.
Danach war er fast in Tränen ausgebrochen, denn er war sich jetzt sicher, dass er niemals den Weg zurück zum Schloss finden würde, bevor der Morgen graute. Er würde hier sterben, und dann würde er Herbert nie wieder sehen. Oh, und Sarah... natürlich.
Er umarmte den Baum, und nach einer Weile fing er doch an zu heulen, und zwar lautstark. Einige Wölfe heulten mit ihm, aber während ihr Heulen eher triumphierend klang, klang Alfreds ziemlich verzweifelt. Nach einer weiteren Weile wurde er sogar etwas wütend.
"Alles nur wegen deinem blöden Kleid!", sagte er mit zittriger Stimme, die sich nicht so recht traute, seine Wut zu zeigen. "Ich will hier doch nicht sterben! Wenn ich hier je rauskomme, setze ich nie, nie wieder einen Fuß vor die Tür!", informierte er den Baum und umarmte ihn noch ein wenig fester. Dann weinte er wieder ein bisschen, bis er auf die Idee kam, dass er mal um Hilfe rufen könnte. Mittlerweile war ihm mehr als kalt, und er konnte seine Finger und seine Zehen nicht mehr fühlen.
"HIIIIILFE!", schrie er, und schluchzte danach ein bisschen. "HILFE! ICH HABE MICH VERLAUFEN! ZU HILFE!" Und dann, einfach aus Gewohnheit setzte er noch ein "HERBERT!" hinten dran.

Herbert versuchte Ruhe zu bewahren, obwohl er innerlich zitterte vor Angst um Alfred. Alfreds Spur führte erst in die eine Richtung und dann in die andere. Dann machte sie einen weiten Bogen, so dass sie im Kreis führte. In der Ferne heulten bereits die Wölfe und mit jedem Heulen klangen sie näher. Er musste Alfred schnellstens finden und ihn aus diesem Wald herausbringen.
Dann kam er zu einer Stelle, an der Alfred offensichtlich das Gleichgewicht verloren hatte und einen Abhang hinuntergestürzt war. Hoffentlich hatte er sich nicht verletzt, dachte er unruhig.
Und dann hörte er Alfred endlich. Angespannt blieb er stehen um zu lauschen aus welcher Richtung es kam und rannte dann auf Alfred zu.
"Alfred! Endlich!" Er war grenzenlos erleichtert, als er den Jungen entdeckte. Er hatte sich an einen Baum geklammert, aber als er Herbert sah ließ er los und fiel diesem in die Arme. Herbert hielt ihn einen Moment lang einfach nur glücklich fest. Dann legte er ihm den Pelzmantel den er ihm mitgebracht hatte um die Schultern und zog ihn wieder an sich.
"Wie konntest du das tun Alfred?" fragte er dann heftig. "Wieso hast du mich nicht um Hilfe gebeten? Wolltest du dich umbringen?"

Alfred schüttelte heftig den Kopf. Seine Zähne schlugen aufeinander und er klammerte sich an Herbert fest.
"S-s-sarah wollte, d-dass ich ihr ein n-neues Kleid b-b-bestelle", brachte er hervor und war dankbar, als Herbert ihm den warmen Pelzmantel um die Schulter legte. Er zog ihn fest um sich, und bibbernd vor Kälte drängte er sich an Herbert.
"Ich k-kann da doch nnnicht n-nein sagen", stammelte er. "Aber ich hätte es wohl b-besser wwwissen m-müssen. I-i-ich finde ja nnnoch nicht mal den Weg z-zurück in mein Zimmer, wwwie soll ich da ins D-Dorf finden?"
Er sah kläglich drein; seine Lippen waren blau gefroren. Er war so froh, dass Herbert ihn gefunden hatte, und zwar nicht nur, weil er sonst gestorben wäre. Er hatte so viele Gedanken, die heraus mussten. Sofort. Und sie Herbert zu erzählen war besser, als mit dem Baum zu reden.
"S-Sarah war gar nicht nett zu mir", beschwerte er sich kläglich und lief unsicher neben Herbert her, der einen Arm um ihm gelegt hatte und drängte sich dicht an ihn. "M-mir kommt es vor, als wwwäre sie's gar nicht. W-weißt du, Herbert..." Er sah traurig und zitternd zu Boden und stolperte prompt über eine Wurzel. "Ich g-glaube Sarah liebt mich g-gar nicht... Sie wollte sicher nur deinen V-Vater, wie du es g-gesagt hast..." Das zu sagen tat jetzt nicht mehr so weh wie früher. Eigentlich tat es überhaupt nicht mehr weh. Alfred war zwar nicht der Schlauste und nicht der Schnellste, aber selbst er merkte den Unterschied zwischen Sarah früher und Sarah jetzt. Sie hatte ihm noch kein einziges liebes Wort gesagt, sondern ihn nur herumkommandiert, und selbst der Professor war freundlicher zu ihm gewesen. Es fühlte sich nicht so an, als würde Sarah seine Liebe erwidern.

Herbert zog Alfred noch fester an sich, als dieser schon wieder stolperte. Er fühlte sich so viel besser, jetzt da er wieder neben Alfred war. Schon dadurch wurde ihm viel leichter ums Herz und seine Traurigkeit verschwand. Fast jedenfalls. "Sie hat sich wahrscheinlich dadurch verändert, dass sie zum Vampir geworden ist." erklärte er vorsichtig. Er sah Alfred prüfend an. Worauf wollte der damit hinaus, dass er ihm das erzählte? Wollte er ihm etwa sagen, dass er Sarah vielleicht nicht mehr liebte? Dass er zu ihm zurück wollte? Sein Herz schlug schneller, aber er erlaubte sich nicht zuviel zu erwarten. "Es ist sonderbar, dass du dich so wenig verändert hast Alfred. Aber Sarah war ihr Leben lang eingesperrt, da ist es nur normal, dass sie jetzt tut was sie will..."
Dann blieb er plötzlich stehen, drehte sich zu Alfred um und küsste ihn auf die Lippen. "Ich hab dich so vermisst, Cherie" flüsterte er. "Die zwei Nächte kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Wenn du willst dann ..." er brach ab. Er durfte Alfred nicht dazu bringen wieder zu ihm zu kommen. Wenn dann musste es freiwillig geschehen.
Er wandte sich wieder dem Schloss zu und zog Alfred mit sich.

Wenn du willst, dann... 'Dann was?', fragte sich Alfred, der für den Moment einen heißen Blitz der Hoffnung in sich gefühlt hatte. Hatte Herbert ihm eben anbieten wollen, dass er wieder zu ihm in den Sarg kommen durfte...?
Aber er hatte den Satz ja noch nicht einmal zu Ende gesprochen. Er konnte alles Mögliche gemeint haben. "D-danke für den Pelzmantel", sagte er etwas betreten und bemühte sich, mit Herbert Schritt zu halten. Seine Glieder waren völlig kalt, und seine Finger waren steif gefroren. Er wünschte sich nichts sehnlicher als ein heißes Bad.
Aber sein Herz sank, als er daran dachte, zu Sarah zurückzugehen. Sie würde nur wütend werden, weil er wieder nicht ins Dorf gekommen war. Und er wollte auch überhaupt nicht ins Dorf gehen! Es war ihr doch gleichgültig, ob er wiederkam oder nicht. Sie hatte nur ihr Kleid im Sinn, und das Kleid war natürlich nicht für ihn, sondern für den Grafen...
Heiße Tränen schossen ihm in die Augen, als er das dachte, und er schluchzte leise auf.
"Herbert, ich will gar nicht zurück zu Sarah", sagte er. "Sie behandelt mich schlecht. Sie will mich gar nicht, ich bin ihr egal. Ich... ich gehe lieber in ihr Grab auf dem Friedhof, und sie behält die Zimmer." Er wischte sich über die Augen. Natürlich wollte er nicht auf den Friedhof, aber auch er hatte ein wenig Stolz, und er wollte nicht Sarahs Laufbursche sein, wenn ihr gar nichts an ihm lag. Ihm graute vor einem einsamen Grab in der Kälte, aber zu Herbert durfte er sicher auch nicht zurück. Er war verwirrt, denn offenbar mochte Herbert ihn tatsächlich noch. Sonst hätte er nicht nach ihm gesucht. Trotzdem war da etwas anders, und Alfred ängstigte sich davor. Hatte er etwa mit Herbert dasselbe gemacht wie Sarah mit ihm?
"Herbert, du magst mich doch noch, oder?", fragte er ängstlich und klammerte sich an seinen Arm. "Ich mag dich, sehr sogar, und ich wollte nicht gemein zu dir sein! Wenn ich dir irgend etwas getan habe, dann sag es mir, ja?" Er sah flehend zu ihm auf.