Kapitel 18
Herbert versuchte mit einem Lächeln zu überspielen, dass er verletzt war. Es gelang ihm nicht besonders gut. Er ließ Alfred los, wandte sich von ihm ab und sah zum Mond hoch. In diesem Moment fühlte er sich plötzlich wieder sehr einsam und er wünschte sich er hätte nicht gefragt. Er schloss die Augen und ließ den Kopf sinken. "Doch. Es fühlt sich genauso an wie bei einer Frau. Wenn du mich lieben würdest, würdest du es einfach wissen. Also ist es wohl nicht so." Er lief ein paar Schritte im Schnee, aber dann sah er sich wieder zu Alfred um. "Komm. Lass uns trotzdem den Mondschein genießen."
Alfred lief Herbert hinterher, als er sich zu ihm umdrehte, und er
stolperte über einen Grabstein und fiel der Länge nach in
den Schnee. Schnell rappelte er sich wieder auf, klopfte sich den
Schnee von seinem schönen neuen Pelzmantel und sah dann
ängstlich zu Herbert auf.
Er konnte sehen, dass er verletzt
war, und es tat ihm so leid. Er wollte nach Herberts Arm greifen,
aber er traute sich doch nicht und steckte stattdessen die Hände
in seine warmen Taschen.
Betrübt sah er zu Boden. "Es
tut mir leid, Herbert", murmelte er. "Ich würde dich
gerne lieben. Aber vielleicht kann ich das nicht. Du hast ja gesagt,
nicht jeder kann einen Mann lieben."
Er blieb neben ihm
stehen, dann trat er einen Schritt vor, so dass er vor Herbert stand,
und sah zu ihm auf. "Aber es fühlt sich fast so an",
gestand er. "Mein Herz klopft auch so, wenn du da bist, und...
und ich mag es sehr, bei dir zu sein - nah bei dir, meine ich..."
Er errötete leicht, sah Herbert aber immer noch ins Gesicht.
"Sei nicht traurig, Herbert", sagte er. "Ich will
trotzdem immer bei dir sein."
Herbert lächelte Alfred traurig an. Es kam ihm fast vor als
würde sein Schicksal sich wiederholen. aber solange Alfred bei
ihm war würde er glücklich sein. In einem Augeblick hatte
er seine Traurigkeit abgeschüttelt und strahlte wieder seinen
gewohnten Enthusiasmus aus.
Er lief auf Alfred zu und zog ihn in
seine Arme. "Ich weiß mein Liebling. Und irgendwann wird
dein Herz verrückt nach mir sein."
Er fasste Alfred in
Tanzhaltung und tanzte ein paar Schritte mit ihm durch den Schnee.
Natürlich musste er dabei führen, aber Alfred ließ
sich gut führen und nach ein paar Schritten tanzte er sogar mit.
"Irgendwann wirst du vor Sehnsucht nach mir vergehen"
flüsterte er.
Alfred strahlte, als Herbert so mit ihm durch den Schnee tanzte, und
er musste sogar kurz lachen. In dem Moment glaubte er Herbert alles,
was er sagte. Und er wollte es auch. Es hörte sich so gut und so
schön an.
Herbert drehte ihn einmal und zog ihn dann in seine
Arme, und Alfred strahlte ihn an. Er liebte es, wie Herbert ihn
behandelte, und er war froh, dass er jetzt nicht mehr traurig war.
Er
sah auf in Herberts hellblaue Augen und dann auf den Mond, der hinter
ihm schien, und in dem Moment war er zum ersten Mal seit Jahren
richtig glücklich. Er schloss die Augen und lächelte, und
er seufzte vor Wonne. In diesem Moment hatte er nicht einmal Angst.
Herbert hielt Alfred im Schnee für einen Moment an sich
gedrückt. Er würde ihn nicht mehr gehen lassen. Nie mehr.
Alfred würde es lernen ihn zu lieben. Vielleicht tat er es
bereits und bemerkte es nur nicht. Er schien sich wohl zu fühlen
in Herberts Gegenwart und er mochte es, wenn er von ihm berührt
wurde. Eines Nachts würde er ganz und gar ihm gehören. Und
vielleicht war es gar nicht mehr so lange hin...
"Lass uns
reingehen" sagte er. "Du kannst dich am Kamin wärmen
und ich kann nachsehen welches Zimmer Vincent sich ausgesucht hat.
Ich hoffe es ist nicht zu nahe bei unserer Gruft, sonst könnte
mein Vater ärgerlich werden. Ich bin mir nicht sicher wie er es
findet, dass mittlerweile immer mehr Vampire sein Schloss bevölkern.
aber mir gefällt es. Es war viel zu einsam in den dunklen
Hallen..."
Da konnte Alfred eigentlich nur zustimmen. Es war wirklich einsam und
unheimlich im Schloss, aber wenn Gesellschaft bedeutete, dass
ausgerechnet Sarah und dieser Vincent mit ihnen dort wohnten, wäre
er lieber mit Herbert allein geblieben.
Er wurde wieder etwas
verhaltener, als er an Vincent dachte, und mit konzentriert nach
unten gerichtetem Blick lief er neben Herbert her auf das Schloss zu.
Drinnen führte er ihn zum Kaminzimmer, in dem es schön warm
war. Alfred legte seinen Pelzmantel auf einen Stuhl nahe dem Feuer,
damit er trocknen konnte, und setzte sich dann auf das Sofa.
"Ich...
ich warte hier auf dich, ja?", sagte er unnötigerweise und
sah zu Herbert auf, während er seine Hände ans Feuer hielt.
"Gut" sagte Herbert und streichelte Alfred über die
Locken. "Ich werde ganz sicher nicht lange brauchen. Das
verspreche ich dir." Ein wenig nachdenklich ging er durch die
Gänge auf der Suche nach dem Zimmer, das Vincent sich ausgesucht
hatte. Er konnte sich schon denken welches es war. Es gab einen Raum
den Vincent immer sehr gern gehabt hatte... er war sich nicht mehr
ganz so sicher, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, als
er Vincent hierher eingeladen hatte. Alfred schien sich jetzt nicht
mehr besonders wohl zu fühlen Aber er fühlte, dass er
Vincent das schuldete. Er würde auf jeden Fall noch einmal mit
Vincent über Alfred reden.
Vincent hatte sich die
Zimmerfolge ausgesucht, die er am liebsten mochte. Es waren drei
Zimmer: Wohnzimmer, Schlaf- und Badezimmer, und das Wohnzimmer
beherbergte ein großes Sofa, auf dem er und Herbert sich
unzählige Male geliebt hatten. Es stand dem riesigen Fenster
zugewandt, während noch eine kleinere Couch vor dem prasselnden
Kamin stand. Koukol hatte ihn für ihn entflammt.
Jetzt saß
Vincent auf dem großen Sofa, sah nach draußen und
überlegte, wie er es am besten anstellen könnte, dass
Herbert diesen Wicht wieder sausen ließ. Er glaubte sowieso,
dass Alfred für Herbert nur ein niedliches Haustier war. Ganz
sicher hatte er ihn noch nicht im Bett gehabt. Das konnte er sich bei
diesem Wurm einfach nicht vorstellen.
Herbert würde die Lust
an ihm verlieren, wenn Alfreds naive Art ihren Reiz verloren hatte,
aber unterdessen musste Vincent ihm immer vor Augen halten, was er
derweilen verpasste. Er durfte nicht untätig herumsitzen und
warten, er musste auch etwas tun. Und das würde er. Stück
für Stück würde er Herbert zurückgewinnen.
Herbert betrat Vincents Zimmer ohne anzuklopfen. Schließlich
hatten sie sich hier schon unzählige Male getroffen. Er hatte
recht gehabt mit den Zimmern, die Vincent gewählt hatte.
"Du
hast eine gute Wahl getroffen" sagte er, in der Mitte des
Zimmers stehen bleibend. "Glaubst du, du wirst dich hier wohl
fühlen?"
Vincent erhob sich und deutete eine kleine Verbeugung an, wobei ein
leicht ironisches Lächeln seine Mundwinkel hob.
"Welch
Glanz in meinen Räumen", sagte er und grinste.
"Selbstverständlich werde ich mich hier mehr als wohl
fühlen. Obwohl natürlich noch etwas fehlt, um es perfekt zu
machen..." Er ging auf Herbert zu und beugte sich vor, als wolle
er ihn küssen. Aber stattdessen ging er dicht an ihm vorbei und
umrundete ihn einmal langsam. "Aber natürlich will ich dir
und deinem kleinen Lustknaben nicht im Weg stehen." Er lächelte
und zeigte seine spitzen Zähne. Mit einem Finger fuhr er sich
fast nachdenklich über die Lippen. Herbert sollte seine Lippen
ansehen. Er sollte sich erinnern, wie sie sich auf seiner Haut
angefühlt hatten, und wo er sie schon überall gespürt
hatte.
Dann straffte er seine Haltung und nahm die Hände auf
den Rücken. Das Lächeln verließ seine Miene jedoch
nicht. "Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mir ab und zu -
Besuch einlade, oder?", fragte er.
Herbert war einen Moment
lang gefangen von Vincent. Doch dann riss er sich los. Er ließ
sich auf der Lehne des Sofas nieder und sah zur Seite. "Natürlich
kannst du Besuch einladen" sagte er abwesend. Dann sah er auf
und blickte Vincent fast bittend an. "Du weißt, dass es
mir ernst ist mit Alfred nicht wahr? So ernst wie schon sehr lange
nichts mehr. Ich glaube..." er sah wieder zu Boden. "Ich
hoffe, dass er mich vielleicht wirklich lieben kann."
Vincent lachte laut auf. Seine Augen blitzten triumphierend. Herbert
war in verletzlicher Stimmung, und wenn das so war, war er meist sehr
leicht zu packen. Zumindest war das bisher so gewesen.
"Du
verrennst dich da in etwas, Herbert", sagte er, trat von hinten
an ihn heran und legte ihm die Hände auf die Schultern, wo er
ihn sanft massierte. "Du weißt doch, dass Alfred Gefühle
für Sarah hat. Du hast gesehen, wie er sie angesehen hat. Er
liebt Frauen, Herbert. Vielleicht ist er naiv, aber nicht dumm. Er
genießt seine Vorteile, wenn er mit dir zusammen ist. Er ist
gerne dein Schoßhündchen, und das Spiel wird er so lange
weitertreiben bis er sich seiner Privilegien sicher sein kann.
Vielleicht wird er sogar mit dir schlafen. Aber das hat er noch
nicht, nicht wahr?"
Er hatte sich vorgebeugt, so dass seine
Lippen ganz nahe an Herberts Ohr waren und er es mit seinem warmen
Atem streifte, wenn er redete. Seine Finger massierten immer noch
sanft Herberts Schultern, und er schloss kurz die Augen und sog
Herberts Duft ein, bevor er von ihm abließ und sich wieder
aufrichtete.
"Aber hab deinen Spaß mit ihm, Herbert."
Er ging ein paar Schritte, so dass er vor Herbert stand, und legte
ihm einen Finger ans Kinn. "Du weißt, ich bin immer für
dich da, mein Liebster."
Herbert sah zu Vincent auf. Früher wäre er nur zu gerne auf
dieses Spiel eingegangen und auch heute musste er zugeben, dass ein
Teil von ihm das wollte. Aber der größere teil wollte
zurück zu Alfred...
Er stand auf und fuhr mit einem Finger
Vincents Brust hinab, während er ihm fest in die Augen sah. "Ja,
ich weiß, dass du da bist und auf mich wartest. Meine
Leidenschaft hat dir doch immer gut gefallen und dich angesteckt
nicht wahr? Weil du wusstest, dass ich dich liebe habe ich dir noch
viel süßer geschmeckt. Spielerisch drückte er
Vincents Kopf etwas zur Seite, so dass dessen nackter Hals sich ihm
bot. Er biss jedoch nicht zu, sondern küsste ihn nur einmal
sanft.
Dann drehte er sich um und ging.
Vincent legte sich eine Hand auf den Hals und schmunzelte, als
Herbert ging. Oh ja, Herberts Liebe hatte ihm geschmeckt, und er
würde sie wieder bekommen. Er liebte es, herausgefordert zu
werden, und wenn Herbert hard to get spielen würde, dann würde
er mitspielen. Und gewinnen.
Bald würde er hier wieder in
seinen Armen liegen und ihn brauchen wie eh und je. Und wenn Alfred
sich nicht von selbst ausstechen würde, dann würde er das
tun.
Der Graf betrat das Kaminzimmer und hielt inne, als er Alfred im
Sessel am Kamin bemerkte. Der Junge hatte ihn noch nicht bemerkt,
sondern sah auf seine Hände, die er an das Feuer hielt. Nun, er
musste ihm zu Gute halten, dass er zu Herbert zurückgekehrt war,
obwohl sie ihm sogar ein Zimmer mit Sarah gegeben hatten. Trotzdem
hatte er nicht vergessen, wie er ihn damals mit Sarah gesehen
hatte...
"Wie ich sehe lebst du dich hier sehr gut ein."
sagte er und schritt zum Kaminfeuer hinüber.
Alfred zuckte heftig zusammen, sprang auf und wirbelte herum. Sein
ganzer Körper fühlte sich stocksteif an, als er den Grafen
da stehen sah. Herbert hatte ihm zwar gesagt, dass er nicht solche
Angst haben sollte vor seinem Vater, aber de hatte er natürlich
immer noch.
"J-ja", stotterte er. "Es gefällt
mir hier wirklich sehr gut!" Das sagte er eher, um den Grafen
milde zu stimmen, denn natürlich fürchtete er sich immer
noch in diesem Schloss. Er hatte auch nicht vergessen, wie der Graf
ihn das letzte Mal immer noch aus dem Schloss hatte haben wollen, und
wie er ihn eigentlich nur wegen Herbert in Ruhe gelassen hatte. Jetzt
war kein Herbert weit und breit, und Alfred hatte große Angst
davor, fortgeschickt zu werden.
"Bitte schicken Sie mich
nicht weg", sagte er beinahe flehend. "Ich komme ohne
Herbert doch gar nicht zurecht. Und ich mag ihn wirklich sehr!
Ehrlich!"
Von Krolock ging einmal um Alfreds Sessel herum, während dieser
ihm mit den Augen folgte. Er krümmte sich vor ihm zusammen, als
hätte er noch immer Angst vor ihm. Was er wahrscheinlich auch
hatte...
Der Graf blieb vor ihm stehen, die Fingerspitzen
zusammengelegt und sah auf Alfred hinab. "Ich rate dir
jedenfalls dich dieses Mal endgültig zu entscheiden. Du hast
meinem Sohn seinen hübschen Kopf verdreht und ich dulde nicht,
dass du das ausnutzt, verstanden? Das nächste Mal werde ich
nicht Gnade vor Recht ergehen lassen..."
Alfred starrte zum
Grafen hoch, und in dem Moment kam ihm eine für sein naives
Gemüt ziemlich verruchte Idee. Sollte er einfach sagen, dass er
Herbert liebte? Damit würde er sich sicher viel ersparen, und
vielleicht würde der Graf ihn dann nicht mehr so misstrauisch
behandeln.
Aber zwei Dinge machten ihm einen Strich durch die
Rechnung, und zwar die Tatsache, dass er ein sehr schlechter Lügner
war, und dann noch das starke Gefühl, dass es absolut falsch
war, so etwas zu tun. Der Graf würde es wohl Herbert sagen, und
der würde entweder widersprechen oder es glauben, und letzteres
war noch schlimmer als das erstere. Das fühlte er. Da ließ
er sich lieber aus dem Schloss werfen als so etwas zu machen.
"Ich...
ich mag Ihren Sohn wirklich sehr", sagte er etwas betreten.
"Aber es fühlt sich nicht so an wie bei Sarah, wissen Sie?
Aber ich möchte trotzdem bei Herbert bleiben!", beeilte er
sich zu sagen. "Weil ich ihn mag! Wahrscheinlich nütze ich
Herbert aus, aber ich will ihm nichts Böses! Er will doch
selbst, dass ich bei ihm bin..."
Von Krolock war überrascht über Alfreds Ehrlichkeit. Die
Wahrheit zu sagen, selbst wenn es nicht zum eigenen Vorteil war, war
durchaus nicht üblich unter Vampiren. Er nahm Alfreds Kinn in
seine Hand und drehte das Gesicht des Jungen so dass dieser ihn
ansehen musste. Albert sah ihn an wie ein Kaninchen eine
Schlange.
"Du liebst ihn also nicht?" fragte er streng.
Dann ließ er Alfred los und wandte ihm den Rücken zu.
"Bleib bei ihm, wenn er es wünscht. Aber du weißt,
dass die Leidenschaft das einzige ist, das uns Lebensmut gibt? Die
Gier nach Liebe lässt uns die Ewigkeit überstehen. Und wie
lange wirst du so leben können ohne euch beide unglücklich
zu machen?"
"Ich... ich weiß nicht", sagte Alfred kleinlaut. Er
wollte Herbert doch ganz sicher nicht unglücklich machen. Aber
er konnte sich ja auch nicht mit Gewalt dazu zu bringen, ihn zu
lieben.
"Wie er... wie er mich geküsst hat... das war
schon toll", murmelte er und pulte dabei in einem Knopfloch
seiner Jacke herum. "Aber ich weiß einfach nicht... Ich
würde ihn ja gern lieben. Aber ich kann mich nicht dazu
bringen!"
Von Krolock sah Alfred nachdenklich an. Der Junge verstand
offensichtlich nicht was er ihm sagen wollte, aber wie sollte er
auch. Er war erst so kurz ein Vampir, dass er unmöglich die
drückende Last der Ewigkeit auf seinen Schultern fühlen
konnte. Und er hatte auch noch keine Sehnsucht kennen gelernt. Keine
wirkliche Sehnsucht. Herbert zuliebe musste er nachsichtig mit ihm
sein.
"Wo ist mein Sohn gerade?" fragte er deshalb das
Thema wechselnd.
Alfred war froh, mal etwas sagen zu können,
das er wusste. "Er sieht nach Vincent", sagte er. "Er
hat ihn ins Schloss geholt, obwohl er nicht wusste ob... Ihnen das
recht ist", beendete er den Satz sehr leise. Jetzt hatte er
Herbert wohl verpetzt, aber der hätte es seinem Vater ja ohnehin
gesagt.
"Was sagst du?" von Krolock drehte sich abrupt zu Alfred
um, so dass sein Umhang hinter ihm herwehte. "Vincent ist hier
im Schloss?" Er funkelte Alfred böse an. "Du bist hier
im Schloss, Sarah, Vincent ... was kommt als nächstes? Will
Herbert jetzt alle seine Spielzeuge hier anschleppen?"
"Vater,
dafür kann Alfred doch nichts" sagte Herbert, der in diesem
Moment das Zimmer betreten hatte. Er trat schnell zu Alfred und legte
ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
"Und was hast du
dir dabei gedacht?" fuhr der Graf seinen Sohn an. "Du
weißt, dass ich andere Vampire außer dir nicht auf Dauer
in meiner Nähe ertrage. Ich sage ja nichts dagegen dass du einen
Gefährten bei dir hast, aber musst du jetzt mein ganzes Schloss
mit diesen Blutsaugern bevölkern?"
"Ich fand es
schon lange zu einsam hier. Außerdem hast du doch auch öfter
Gäste..."
"Aber immer nur für ein paar Tage
vor dem Ball." Der Graf sah seinen Sohn aufgebracht an- „Hast du
sie wenigstens im anderen Teil des Schlossen einquartiert?"
"Vater
ich verspreche dir, dass du sie kaum bemerken wirst."
"Oh
Herr Graf. Was für eine schöne Überraschung"
sagte Sarah die in diesem Moment ins Zimmer gestürmt war.
Alfreds Kopf kam gar nicht zur Ruhe, als er versuchte, in alle
Richtungen auf einmal zu blicken. Zuerst zum Grafen, der sehr böse
war, dann zu Herbert der hereinkam, und dann zu Sarah, die auch noch
hereinplatzte. Sein Herz machte einen kleinen Satz, als er Sarah sah,
und er wollte sie automatisch anlächeln. Aber dann fiel ihm
wieder ein, dass ja jetzt alles ganz anders war...
Er wollte etwas
sagen, aber er wusste nicht, was, also machte er den Mund auf,
klappte ihn wieder zu und drängte sich etwas dichter an
Herbert.
Sarah warf einen kurzen Blick auf Alfred, der natürlich
die Hand dieses schwulen Vampirs auf der Schulter hatte und sich
irgendwie widernatürlich nah an ihn drängte. Sie konnte gar
nicht verstehen, wie der Graf bei seinem eigenen Sohn so etwas dulden
konnte.
Aber das sollte jetzt nicht ihre Sorge sein. Sie warf
Alfred lediglich noch einen bösen Blick zu, weil sie jetzt in
Lumpen vor dem Graf auftreten musste statt in einem neuen Kleid, aber
dann lächelte sie den Grafen zuckersüß an. Er sah ja
wieder einmal so gut aus heute Abend. Aber auch einsam. Warum
verschmähte er nur ihre Gesellschaft, wo sie ihm doch soviel zu
bieten hatte?
Von Krolock warf seinem Sohn einen sehr vorwurfsvollen Blick zu. Dann
verließ er wortlos den Raum, wobei er dicht an Sarah
vorbeiging, sie aber nicht einmal mit einem Blick würdigte.
Sie
sah ihm überrascht und verletzt nach, als er mit wehendem Umhang
aus der Tür stürmte. Dann drehte sie sich wieder zu Herbert
und Alfred.
"Sarah! Wer hat dir erlaubt aus deinem Zimmer zu
kommen?" fragte Herbert wütend. "Du bist hier nur
geduldet und nicht erwünscht. Merk dir das. Und lauf meinem
Vater vor dem Ball lieber nicht noch einmal über den Weg."
Er machte eine Handbewegung, dass er das Zimmer verlassen sollte,
aber Sarah achtete nicht darauf. Sie sah Alfred scharf an. "Schön,
dass du endlich deine perfekte Rolle als Schoßhündchen
gefunden hast." sagte sie ironisch. "Und interessant, wie
schnell sich deine Gefühle für mich geändert haben.
Oder ist es für dich einfach bequemer nicht mehr dazu zu
stehen?" Sie warf ihren Kopf herum und verließ das Zimmer,
die Tür hinter sich zuschlagend. Herbert würde es bereuen,
dass er sie so behandelte. Oh ja...
Alfred wollte etwas zu Sarah sagen, aber wieder einmal fand er keine
Worte. "Sarah!", rief er, die Hand ausgestreckt, aber da
knallte sie schon mit der Tür, und Alfred ließ die Hand
wieder sinken.
Er sah zu Boden. Langsam wusste er wirklich
überhaupt nicht mehr, was er tun sollte. Was er auch tat, es war
falsch, und er konnte nicht einmal Herbert wirklich glücklich
machen, obwohl dieser noch am zufriedensten mit ihm zu sein
schien.
Er trat von ihm weg und stellte sich ans Fenster, wo er
betrübt hinaussah, eine Hand an die Scheibe gelegt. Er wusste
einfach nicht mehr ein noch aus. Sarah zu lieben war falsch. Sarah
nicht zu lieben war falsch. Herbert zu lieben war falsch. Herbert
nicht zu lieben war falsch. Was blieb ihm denn überhaupt noch?
