Kapitel
Ein
klarer Herbstmorgen dämmerte über dem Waldlandreich der
Elben und die Luft war erfüllt von Vogelstimmen, die den Tag mit
Freude begrüßten. Das Licht der Morgendämmerung malte
helle Flecken auf den Boden des Waldes, der mit sattem Moos bedeckt
war und jeden von Legolas' Schritten dämpfte.
Immer wieder
musste er stehen bleiben und auf Gimli warten, der murrend hinter ihm
her trödelte, sich immer noch beschwerend, dass die Nachtruhe
viel zu kurz ausgefallen war und das Frühstück viel zu
spärlich!
Legolas schmunzelte, richtete sich dann aber wieder
gen Norden und setzte seinen Weg fort. Er konnte es nicht erwarten,
endlich wieder nach Hause zu kommen, denn es war lange her, dass er
mit Gimli auf Wanderschaft gegangen war und nun waren bereits zwei
Jahre vergangen, in denen er seine Familie nicht mehr gesehen
hatte.
Tief zog Legolas die frische Luft in seine Lungen und
genoss die geheimnisvolle Stimmung des Waldes, die durch die
schleierartigen Nebelschwaden noch verstärkt wurden, die sich in
der Nähe des Flusses durch das Unterholz zogen.
Nur noch
entfernt hörte er Gimli schimpfen, der vergeblich versuchte, dem
Freund zu folgen, denn bald war er aus seinem Blickfeld verschwunden,
verschluckt vom Nebel ohne auch nur die geringste Spur zu
hinterlassen!
"Dieses Spitzohr ist aber auch unmöglich!
Mich erst in diesem wahnsinnigen Tempo durch den Wald treiben und
mich dann einfach hier stehen lassen!", schimpfte er, aber dann
legte er sich einfach an den Fuß eines Baumes und rutschte hin
und her, um die gemütlichste Position zu finden.
Ganz gleich,
wohin der Elb verschwunden war, er würde wiederkommen, dessen
konnte Gimli sich gewiss sein und die Grenzen von Thranduils Reich
waren gut geschützt, sodass er ein kleines Nickerchen wagen
konnte. Schon nach wenigen Minuten drang sein Schnarchen durch das
Unterholz.
Legolas wurde immer weiter in den Wald
hineingelockt und bald wehte ihm ein schwacher Wind ums Gesicht,
während das Geräusch des Flusses ständig lauter wurde,
ein gedämpftes Sprudeln und Rauschen. Es schien verlockend zu
rufen und Legolas nahm diese Einladung nur zu gerne an, denn nach
ihrer langen Reise würde das erfrischende Bad seinen Körper
und Geist beleben. Um Gimli musste er sich nicht sorgen, der schlief
sicherlich schon längst zufrieden, ohne zu wissen, was ihm hier
entging und schon hatte Legolas seine Gewänder abgelegt und
suchte eine seichte Stelle.
Der Bach war angenehm kühl und er
tauchte unter, schwamm einige, kräftige Züge unter Wasser
und tauchte wieder auf.
Er grub seine Zehen in den sandigen Boden
und genoss es einfach nur, hier zu stehen und den Geräuschen des
Waldes zu lauschen. Er betrachtete das saftige, grüne Laub an
den Zweigen und die Blätter, die in kleinen Strudeln im Fluss
wirbelten. Immer noch zogen kleine Nebelschwaden am Ufer entlang, die
sich jedoch rasch in den Strahlen der Sonne auflösten.
Es war
schön wieder nach Hause zu kommen, in dieses von Friede und
Leben erfüllte Heim, dass ihn bereits jetzt auf seine eigene
Weise willkommen geheißen hatte. Doch nun wurde es Zeit,
endlich auch seinem Vater gegenüber zu treten, doch bei diesem
Gedanken wich der entspannte Ausdruck von seinem Gesicht und er
seufzte. Diese Begegnung hätte er nur zu gerne noch etwas heraus
gezögert, denn es würde gewiss nicht lange dauern, bis sein
Vater ihn wieder mit einem tadelnden Blick bedenken würde, wenn
sich Legolas nicht wieder gemäß seinen Vorstellungen
benahm.
Widerstrebend kletterte Legolas ans Ufer, kleidete
sich an und machte sich auf den Weg zu Gimli, der ihn sicher bereits
erwartete.
Als er ihn schließlich erreichte, machte sich
wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht breit, denn der Zwerg tat
alles andere, als auf ihn zu warten. Mit seinem Schnarchen hatte er
bestimmt schon sämtliche Elben auf sich aufmerksam gemacht und
somit ihr Kommen angekündigt! Legolas musste ihn kräftig
schütteln, bis er endlich mürrisch die Augen öffnete.
Er musterte den Elben eindringlich, registrierte seine nassen Haare,
die von Feuchtigkeit fleckige Hose und die nicht fertig geschnürte
Tunika, was ihm eine weiteres Brummen entlockte.
"Du legst es
wohl darauf an deinen Vater bereits bei deiner Ankunft zu verärgern!
Wenn er dich so sieht, dauert es gewiss nicht lange, bis ihr
aneinander geratet!"
Legolas machte eine abwehrende
Handbewegung und sah den Freund an.
"Mein Vater wird so oder
so einen Grund finden, mich zu tadeln! Da wollte ich ihm die Mühe
der Suche ersparen!", erklärte er lächelnd und Gimli
zuckte nur mit den Schultern. Legolas musste selber wissen was er
tat. Es genügte wahrscheinlich sowieso schon, dass er den Elben
begleitete, um bei Thranduil Missfallen hervor zu rufen, der es immer
noch nicht verstand, wieso sich sein Sohn mit einem Zwerg
angefreundet hatte und er ließ es auch immer deutlich spüren,
wenn sie auf ihn trafen.
Schweigsam setzten sie ihren Weg fort und
erreichten bereits eine halbe Stunde später ihr
Ziel.
Als
sie den großen Platz betraten, wurden sie von vielen wartenden
Elben jubelnd begrüßt und Legolas eilte mit großen
Schritten seinem Vater entgegen und ließ sich vor ihm auf die
Knie sinken. Er spürte den stechenden Blick in seinem Nacken
fast so deutlich, wie seine distanzierte Haltung ihm gegenüber
und als er den Blick hob, fand er nicht das kleinste Zeichen von
Freude im Gesicht seines Vaters. Legolas trat zur Seite, um Gimli
vortreten zu lassen, der Thranduil ebenfalls angemessen begrüßte,
wobei Legolas jedoch immer noch die ein oder andere verwunderte, oder
auch missbilligende, Äußerung unter den Waldelben vernahm,
die ihre Freundschaft nicht verstehen konnten.
Legolas hatte es
aufgegeben, ihnen zu erklären, das vieles, was die Elben über
die Bräuche der Zwerge behaupteten, nicht stimmte, denn gerade
die Ältesten unter ihnen, waren nicht vom Gegenteil zu
überzeugen.
Nachdem sie die Begrüßung hinter
sich gebracht hatten, folgten sie Thranduil, der sie in eine Halle
führte, deren Dach einzig aus den Ästen und Zweigen der
Bäume bestand, die sich hoch über ihren Köpfen
wölbten.
Auf seine Zeichen hin, eilten andere Elben herbei,
die große Blätter brachten, auf denen allerlei Speisen
hergerichtet waren und Karaffen mit Wein. Der König bedeutete
ihnen, sich zu setzen und Legolas kam dieser Aufforderung umgehend
nach und ließ sich einfach auf dem Boden nieder wo er gerade
stand und nickte Gimli zu, der ihm einen fragenden Blick zuwarf, es
ihm dann aber gleich tat.
Die Elben legten die Speisen vor ihnen
nieder und zogen sich dann wieder zurück, um den König mit
den Gästen alleine zu lassen.
Der Letzte war noch nicht ganz
aus ihrem Blickfeld verschwunden, als Thranduil auch schon mit
strengem Tonfall das Wort an seinen Sohn richtete.
"Du
hättest dich wenigstens angemessen kleiden und dich in der Sonne
trocknen können, bevor du hier eintriffst! Du siehst aus wie
einer der einfachen Mitglieder meines Volkes, nicht wie ein
Prinz!"
"Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich
bedeckt vom Schmutz unseres langen Weges zu dir gekommen wäre?",
entgegnete Legolas ruhig und hielt dem Blick seines Vaters
stand.
"Das fängt ja gut an!", murmelte Gimli leise
vor sich hin und er beschloss, sich in keiner Weise in dieses
Gespräch zwischen Vater und Sohn einzumischen.
Während der Zwerg sich mit den Speisen beschäftigte, musste Legolas noch weitere Bemerkungen seines Vaters in dieser Richtung über sich ergehen lassen und ihm dann alles berichten, was er auf seiner Reise über die freien Völker Mittelerdes erfahren hatte. Die ganze Zeit über blieb das Gespräch sehr sachlich, nicht von der kleinsten Gefühlsregung gezeichnet und erst als Gimli sich nach einigen Stunden reckte, um die Müdigkeit aus seinen Knochen zu vertreiben, zeigte Thranduil einen winzigen Hauch von Gnade und entließ seinen erschöpften Sohn und dessen Begleiter.
Als
sie wieder ins Freie traten, senkte sich bereits die Dämmerung
über den Wald und Gimli musterte Legolas von der Seite, verkniff
sich aber jeglichen Kommentar über diese formelle Begrüßung,
als er die Enttäuschung im Gesicht seines Freundes sah. Man
hätte meinen können, dass der König einen einfachen
Elben empfangen hatte, nicht seinen Sohn, den er fast zwei Jahre
nicht gesehen hatte!
In den folgenden Tagen veränderte sich
sein Verhalten auch nicht und er sah seinen Sohn nur, wenn sich der
Rat zusammensetzte, an dem Legolas aufgrund seiner Stellung
teilnehmen musste.
An diesem Nachmittag tagte der Rat wieder
einmal, nachdem am Morgen einige Kundschafter eingetroffen waren, die
Neuigkeiten aus den umliegenden Landen gebracht hatten.
Gimli saß
in der Nähe des Versammlungsortes und wartete, als er plötzlich
laute Stimmen vernahm und als er sich umwandte, trat Legolas aus der
Halle. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch seine Augen funkelten
erzürnt und mit ausschweifenden Schritten eilte er auf den Wald
zu, ohne den Freund zu beachten, der vergeblich versuchte, ihn
einzuholen.
Schließlich gab Gimli die Verfolgung auf und
schnaubte.
"Das konnte ja auch nicht lange gut gehen!",
brummte
er.
Legolas
befand sich in einem Zustand zwischen Zorn und Enttäuschung und
rannte blindlings durch das Unterholz. Er wollte nur so viel Abstand
wie möglich zwischen sich und seinen Vater bringen, damit er
wieder frei Atmen konnte. Die Valar alleine wussten, dass er es
ehrlich versucht hatte, sich zusammen zu nehmen, aber jetzt war
Thranduil zu weit gegangen! Er hatte ihn vor dem gesamten Rat wie
einen kleinen Jungen behandelt, der keine Ahnung hatte, wovon er
sprach, als ob er noch nie einen Kampf geführt oder eine Truppe
geleitet hätte! Was sollte er denn noch tun, damit sein Vater
ihn endlich ernst nahm? Hatte er nicht im Ringkrieg bewiesen, dass er
seiner Stellung würdig war?
Legolas versuchte sich zu
beruhigen, doch immer wieder sah er seinen Vater vor sich, der ihn
mitten im Satz unterbrochen hatte und ihn angewiesen hatte, zu
schweigen, ohne sich seinen Vorschlag überhaupt angehört zu
haben.
Sollte er doch sehen, wie er selber mit seinen Problemen zu
Recht kam!
Legolas war immer noch aufgewühlt und während
er in seinen trüben Gedanken versunken war, schlug er, ohne es
zu merken, wieder die Richtung zum Fluss ein. Erst, als er sein
Rauschen vernahm, hob er den Blick und ließ ihn über die
Ufer des Fluss gleiten.
Augenblicklich entdeckte er sie - eine
Elbin, die ausgestreckt auf dem Ast einer Bergulme saß und
anscheinend mit den Spatzen erzählte, die sich vor ihr auf den
Zweigen niedergelassen hatten. Weiße Nebelschwaden wallten den
Stamm herauf und verhüllten die Elbin immer wieder und ein teil
von ihnen, umspielten ihr wirres Haar, dass bis zu ihren Schultern
reichte und in dem unzählige Blätter und Zweige steckten.
Sie war in die bequemen Kleider seines Volkes gekleidet, eine grüne
Tunika und erdfarbene Beinlinge, ihre Stiefel dunkelgrün, doch
er war sich sicher, dass er sie hier noch nie gesehen hatte. Ihr
Gesicht war hübsch, aber auch wild und entschlossen, ihre Augen
so grün, wie der hochsommerliche Wald.
Er war von ihrer
Erscheinung völlig in den Bann gezogen worden und stand einfach
nur da, um sie zu betrachten, wie sie voller Hingabe mit den Spatzen
erzählte, die ihr mit zirpen und piepsen zu antworten schienen.
Schließlich erhob sie sich und. ihre Bewegungen waren fließend
und geschmeidig, zeigten aber auch deutlich die Kraft und
Beweglichkeit, als sie sich von dem Ast abstieß und sicher auf
dem Boden landete. Jetzt erst sah Legolas, das sie Pfeil und Bogen
trug, sowie einen langen Dolch, der sie als eine der Kriegerinnen
kennzeichnete.
Obwohl es nur zu deutlich war, dass sie zu seinem
Stamm gehörte, blieb Legolas reglos stehen und beobachtete sie
einfach, völlig gefesselt, durch ihre
Anmut.
Tanhis
ließ erneut den Blick über den Waldrand gleiten. Der
dichte Bodennebel begann sich langsam zu lichten und bald konnte sie
die Birken ausmachen, die entlang des Flussufers wuchsen und sie
richtete ihren Blick durchdringend auf die Schatten dahinter.
Sie
machte augenblicklich den Umriss des Elben aus, der sich dort im
Schatten verbarg und stieß einen gemurmelten Fluch aus,
ärgerlich darüber, dass sie entdeckt worden war. Sie strich
sich eine Strähne ihres dunklen Haares aus dem Gesicht und
versuchte, den Elben zu erkennen, gewiss einer aus Thranduils
Leibwache, doch er stand viel zu weit in der Dunkelheit, als dass sie
auch nur eine Vermutung gehabt hätte, um wen es sich
handelte.
Seit sie von ihren Eltern aus Lôrien hierher
geschickt worden war, hatte sie alle der Elben kennen gelernt, doch
so geschickt wie dieser, hatte es bis jetzt keiner vermocht, sich im
Dickicht zu verbergen. Selbst sie hatte ihn nur mit Mühe
ausmachen können und als jetzt ein Nebelschwaden kurz den Blick
auf ihn verdeckte und dann genauso schnell wieder verzog, hatte sie
blitzschnell einen Pfeil aus ihrem Köcher gezogen, spannte ihn
und schoss ihn zischend in seine Richtung.
Wenn er schon ihre Ruhe
störte, so sollte er sich wenigstens zu erkennen geben und ihr
Pfeil sollte wohl Aufforderung genug gewesen
sein!
Legolas
war unfähig auch nur einen Schritt zu tun, so verblüfft war
er von ihrer Schnelligkeit, aber auch verwundert, über ihre
Dreistigkeit, einfach auf ihn zu schießen! Der Pfeil hatte
seine Schulter gestreift und einen brennende Schramme hinterlassen,
wo er seine Tunika aufgeschlitzt hatte, bevor er in dem Baum hinter
ihm stecken geblieben war. Sie wusste wohl nicht, wen sie vor sich
hatte!
Dieser Gedanke ließ ihn noch einen Moment zögern,
denn es war durchaus verlockend, einmal ohne die aufgesetzte,
gespielte Freundlichkeit behandelt zu werden, die ihm immer alle
entgegen brachten, nur weil er Thranduils Sohn war.
Als er sich
jetzt aus dem Schatten löste, beschloss er, diese Kleinigkeit so
lange wie möglich vor ihr zu verheimlichen und ging mit festen
Schritten auf sie zu.
Aus der Nähe betrachtet, war sie sogar
noch schöner, als er es vermutet hatte! Ihre Augenbrauen waren
in einem Ausdruck konzentrierter Aufmerksamkeit zusammengezogen, zwei
perfekt geschwungene, hellbraune Bögen über langen, dunklen
Wimpern. Ihre Augen hatten eine Tiefe, die unergründlich
schien.
Sein Blick erfasste die vielleicht ungewöhnlichste
Sache an ihr, die er je gesehen hatte – Sommersprossen, die wie
Staubkörnchen auf ihrem Nasenrücken verstreut lagen, ein
verspieltes Geschenk der Valar! Ihr Mund eine fein geschwungene
Linie.
Legolas hatte schon viele hübsche Mädchen und
Elbinnen gesehen, doch keine hatte es vermocht, ihn so in ihren Bann
ziehen, wie ein kurzer Blick aus ihren leuchtenden Augen.
Während
er auf sie zuging und sie dabei beobachtete, spannte sie erneut ihren
Bogen und richtete mit einer hellen, klaren Stimme das Wort an
ihn.
"Halt! Bleibe stehen und sage wer du bist!"
Amüsiert
blieb Legolas stehen. Diese Begegnung stellte sich als äußerst
unterhaltsam heraus und sein Zorn auf seinen Vater war bereits völlig
verflogen, vertrieben, von diesem hübschen Geschöpf, das
nicht im mindesten ahnte, wer ihr vor die Pfeilspitze gelaufen
war!
"Wie wäre es mit einer höflichen Bitte und
einer Entschuldigung, nachdem du mich fast aufgespießt hättest!
Außerdem wäre es höflich, sich selber auch
vorzustellen!"
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich in
keiner Weise und ließ nicht darauf schließen, was sie
gerade dachte.
"Wenn ich dich hätte aufspießen
wollen, so hätte ich es getan!", entgegnete sie
selbstsicher, ließ aber den gespannten Bogen sinken und Legolas
spürte ihren prüfenden Blick, der ihn durchdringend
musterte.
"Nun, und wieso hast du es dann trotzdem getan?",
fragte er mit einem ironischen Grinsen und fasste an seine
Schulter.
Als sie seiner Hand mit dem Blick folgte, wich alle
Farbe aus ihrem Gesicht und sie ließ unachtsam Pfeil und Bogen
fallen und war mit wenigen Schritten an seiner Seite.
Sie zog
prüfend den Stoff etwas auseinander und seufzte dann
erleichtert. Verlegen begegnete sie dann seinem Blick.
"Das
wollte ich nicht! Ich war mir sicher, dass ich weit genug neben dich
gezielt habe, aber der Schatten hat wohl doch meinen Blick getrübt!",
fügte sie entschuldigend hinzu.
"Schon gut! Es ist ja
nicht ernsthaft etwas geschehen! Aber bist du so nett und verrätst
mir wenigstens, wer mich fast durchlöchert hätte?"
Legolas konnte den Spott nicht zurückhalten, was ihm einen
vorwurfsvollen Blick ihrer grünen Augen einbrachte.
"Mein
Name ist Tanhis. Ich..."
Der Ruf einer Lerche schnitt ihr
abrupt das Wort ab und sie sah in die Richtung, aus der sie ihn
vernommen hatte. Als sie sich Legolas wieder zuwandte, murmelte sie
noch eine Entschuldigung und erklärte ihm, dass ihre Truppe nach
ihr rief und ließ ihn einfach stehen, bevor er auch nur die
Möglichkeit hatte, sie daran zu hindern im Dickicht der Bäume
zu verschwinden.
Er sah ihr versonnen hinterher, spürte
noch immer ihre flüchtige Berührung an seiner Schulter und
war unfähig, sich auch nur einen Schritt zu bewegen. Sie hatte
in ihm eine Vielzahl an Gefühlen ausgelöst, die er selbst
nie für möglich gehalten hatte zu empfinden und er hatte
immer noch ihre Erscheinung vor seinem inneren Auge.
"Tanhis!",
murmelte er. "Morgentau
!"
Gimli
wartete auf Legolas und obwohl er scheinbar ruhig an einen Baum
gelehnt saß, nagte in ihm die Ungeduld und Sorge, wo sein
Freund nur so lange blieb.
Ich hätte ihm wohl doch folgen
sollen, grübelte er nach, aber sogleich schimpfte er sich einen
Narren, denn der Elb konnte schließlich Bestens auf sich selber
achten.
Dennoch kam er nicht zur Ruhe und atmete erleichtert auf,
als Legolas endlich aus dem Inneren des Waldes auf die Lichtung trat.
Sofort kam Gimli auf die Beine und mäßigte seine Schritte,
um den Elb nicht entgegen zu laufen und ihm somit zu verraten, dass
er sich doch Sorgen gemacht hatte.
Er versuchte ein unbekümmertes
Gesicht zu machen, was ihm jedoch nicht gelang, denn als er nah genug
an Legolas heran gekommen war, blieb er entsetzt stehen.
Legolas
lächelte, als er Gimli auf sich zukommen sah, doch der Zwerg
hielt mitten in seiner Bewegung inne, stieß dann einen
besorgten Laut aus und rannte dann doch auf ihn zu. Schon aus einiger
Entfernung konnte Legolas ihn fluchen und schimpfen hören, was
ihn alle Mühe kostete, nicht augenblicklich laut zu lachen.
"Wo
sind die Orks? Wie viele haben dich angegriffen und wie viele hast du
außer Gefecht gesetzt? Sind noch welche für mich übrig
geblieben?"
Gimli sah ihn fragend an, dann trat ein
verwirrter Blick in sein Gesicht, als er bemerkte, dass Legolas fast
lachte und der Zorn löste seine Verwirrung ab.
"Was ist
daran bitte schön so lustig? Bist du jetzt übergeschnappt?
Oder hat deine Wut auf Thranduil dir die Sinne vernebelt? Sag' mir
sofort, wer dich verletzt hat!"
Legolas bemerkte die ehrliche
Sorge von Gimli und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die
Schulter.
"Das war nur ein kleiner Unfall, alter Freund! Kein
Grund zur Sorge, es schleichen keine Orks hier herum, sonst hätten
die Wachposten längst Alarm geschlagen! Mir geht es gut!"
Gimli
zog immer noch misstrauisch die Augenbrauen zusammen.
"Ein
Unfall, hm? Und wie ist der geschehen, Herr Grünblatt? Bist du
in eine Pfeilspitze gerannt?", fragte er dann spöttisch,
aber seine Stimme verriet seinen Argwohn.
Doch wie sehr der Zwerg
sich auch bemühte die Wahrheit heraus zu finden, Legolas schwieg
beharrlich und schließlich gab Gimli es auf, zeigte aber
deutlich, wie sehr ihm das Schweigen des Elben
missfiel.
Nach zwei Tagen hatte Gimli den Vorfall jedoch schon wieder vergessen. Legolas und er unternahmen verschiedene Streifzüge in den umliegenden Wald und obwohl Gimli dabei oft das Gefühl hatte, als suche der Elb irgendwas, machte er sich darüber keinerlei Gedanken.
Eines Abends, sie kamen gerade von einem kleinen
Ausritt zurück, wurden sie sehr zu ihrem Erstaunen, bereits von
Thranduil erwartet, der an einem der Feuer saß, die auf der
Lichtung brannten. Die Elben saßen oft bis spät in die
Nacht an den Feuern und sangen Lieder, erzählten sich Sagen und
Geschichten oder redeten miteinander.
Thranduil erhob sich, als er
sie kommen sah, beachtete den Zwerg mit keinem Blick und richtete nur
kurz das Wort an seinen Sohn, bevor er sich wieder abwandte, um in
seine Schlafstatt zurück zu gehen.
"Ich erwarte dich
Morgen bei der Sitzung des Rates! Komme nicht zu spät!"
"Sehr
wohl, Vater!", entgegnete Legolas knapp und Gimli bemerkte, wie
förmlich die Spannungen zwischen ihnen in der Luft
hingen.
Sichtlich der guten Laune beraubt, setzten sie sich dann
zu den Elben ans Feuer, doch bald entschuldigte sich Legolas und
verließ die gemütliche Runde, gefolgt von Gimlis
mitfühlenden
Blicken.
Tanhis
hatte den Atem angehalten, als sie die Szene beobachtet und die
Antwort vernommen hatte und mit erschrecken erkannt, wen sie da
beinahe vor einigen Tagen um ein Haar aufgespießt hatte! Bei
dieser Erkenntnis waren ihr noch im Nachhinein die Knie weich
geworden und sie lehnte sich verwirrt gegen den Baumstamm, hinter dem
sie sich versteckte.
Die letzten Tage hatte sie damit zugebracht,
dem Elben in jeder freien Minute zu folgen, wohl darauf bedacht,
nicht selbst entdeckt zu werden, denn sie wollte eine Gelegenheit
finden, ihn alleine anzutreffen. Doch immer war der Zwerg an seiner
Seite gewesen und hatte ihr Vorhaben vereitelt, wofür sie nun
umso dankbarer war!
Vorsichtig wagte sie noch einmal einen
Blick auf ihn und schalt sich selbst eine Blinde, dass ihr die
Ähnlichkeit zwischen dem König und seinem Sohn nicht schon
vorher aufgefallen war; und doch schien er so anders.
Sie sah
gerade noch, wie er sich vom Feuer entfernte und aus dem Lichtkegel
des flackernden Feuers verschwand und sie zögerte keine Sekunde.
Es gestaltete sich jedoch als äußerst schwierig, ihm zu
folgen, denn er bewegte sich geschickt im wechselnden Spiel der
Flammen und Schatten in der Dunkelheit und seine Gestalt war oft nur
verschwommen zu erkennen. Ein– oder zweimal hatte sie ihn für
einen kurzen Moment aus den Augen verloren, denn es schien, als habe
er sich in Luft aufgelöst, doch dann hatte sie ihn wieder
entdeckt, wenn er kurz durch den Lichtschein erfasst wurde.
Tanhis
war sich nach einiger Zeit sicher, dass er zu einer kleinen,
abgelegenen Lichtung strebte und die Hoffnung keimte in ihr auf, dass
es ihr nun endlich gelingen könnte, ihn alleine anzutreffen.
Sie
beschleunigte ihren Schritt, vergewisserte sich, dass ihnen auch
niemand folgte und rannte dann rasch auf den Waldrand zu, um den Pfad
zur Lichtung zu folgen.
Legolas schritt den Waldpfad entlang,
der nur durch das Mondlicht erhellt wurde und versuchte, seinen
erneuten Ärger über seinen Vater zu verdrängen. Seine
Aufforderung war keine Bitte gewesen, sondern ein Befehl und wieder
einmal hatte er nicht im Geringsten erkennen lassen, dass er sein
Sohn war und nicht nur einer seiner Untertanen.
Unter seine Wut
mischte sich mit jedem Schritt aber auch die Enttäuschung, denn
ihm wurde wieder schmerzlich bewusst, dass sich an ihrem Verhältnis
wohl nie etwas ändern würde, denn Thranduil war schon immer
mehr sein König, denn sein Vater gewesen!
Er gelangte auf die
Lichtung, suchte sich einen Platz bei einigen Findlingen die im hohen
Gras verstreut lagen und lehnte sich dagegen, während er seinen
Blick über die Sterne gleiten ließ, die hell und klar am
Nachthimmel standen und er versuchte, seine Gedanken in eine andere
Richtung zu lenken, als ihm plötzlich die Gewissheit überkam,
dass er sich nicht alleine auf der Lichtung befand. Er spürte
ganz deutlich einen Blick auf sich ruhen und ohne es sich anmerken zu
lassen, spannte er sich an, jederzeit zur Verteidigung bereit, denn
er fragte sich, wer sich wohl in der Finsternis verbarg, ohne sich zu
erkennen zu geben.
Ein kaum wahrnehmbares Geräusch dicht
hinter ihm, ließ ihn herumfahren und er hatte seinen Gegner
gepackt und zu Boden geworfen, noch bevor dieser reagieren konnte. Er
drückte ihn, an den Handgelenken gefasst, nieder, hielt ihn mit
seinem Körper auf die Wiese gepresst. Er hörte das
überraschte aufkeuchen, spürte den hastigen Atem an seinem
Ohr und kämpfte einen Moment mit der heftigen Gegenwehr, bevor
er sich hochstemmte, um das Gesicht erkennen zu können.
Als
er Tanhis erkannte war er so verblüfft, dass sie ihn ohne Mühe
überrumpeln konnte und sie stieß ihn so rasch mit einer
Drehung ihres Körpers zur Seite, dass er es gerade noch
schaffte, den Schwung abzufangen, um nicht mit dem Kopf gegen den
Findling zu stoßen, doch stattdessen prallte er seitlich
dagegen und sein Brustkorb zog sich schmerzvoll zusammen und er
stöhnte auf.
Tanhis kam geschwind wieder auf die Füße
und funkelte ihn wütend an, während sie sich mit einer
flüchtigen Bewegung eine Haarsträhne zurück in das
Wirrwarr auf ihrem Kopf schob; ein unnutzer Versuch, denn sie fiel
sogleich wieder auf ihre Schulter zurück.
Legolas hatte die
Überraschung überwunden und blickte zu ihr hoch während
er seinen Brustkorb umfasste und ihr Anblick faszinierte ihn noch
mehr, als bei ihrer ersten Begegnung.
Dort stand sie vor ihm,
dieses bezaubernde Geschöpf, dass er nun schon die ganze Zeit
vergeblich in der Kolonie seines Vaters gesucht hatte! Ihre schlanken
Umrisse zeichneten sich deutlich im hellen Schein des Mondes ab, das
dunkle Gewirr ihrer seidig glänzenden Haare, verknotet zu
ineinander verschlungenen Strähnen und Zöpfen, ihre zart
schimmernde Haut und einem Gesicht, dass es ihm fast unmöglich
machte, seine Hand zurück zu halten, um es zu berühren.
Sie
wirkte im Mondlicht fast unwirklich, ja zauberhaft und erneut
schlugen die Gefühle über ihm zusammen, wie eine Welle und
er war unfähig, auch nur etwas zu ihr zu sagen.
Doch das
war auch gar nicht nötig, denn Tanhis löste sich aus dem
Lichtschein und hielt ihm die Hand entgegen, während sie ihn
unwirsch anfuhr.
"Selbst schuld, wenn du dich verletzt hast!
Fällst du jeden an, der zu dir kommt, um mit dir zu reden oder
nimmst du mir die Schramme noch immer übel die ich dir zugefügt
habe?"
Legolas war einen Augenblick viel zu verdutzt, um
darauf etwas zu erwidern, doch dann ärgerte er sich über
die Schuldzuweisung und er stand auf, ohne ihre helfende Hand zu
beachten.
"Meine Schuld? Du schleichst dich im Dunkeln an
mich heran und erwartest, dass ich freundlich abwarte? Du hättest
genauso gut ein Feind oder wildes Tier sein können! Du hättest
sicherlich nicht anders reagiert!"
Er konnte es einfach nicht
fassen! Sie verstand es, ihn geschickt zu reizen und ihm dabei auch
noch die Schuld zuzuweisen!
Doch dann sah er, wie sie sich kurz
die Schulter rieb, trat einen Schritt auf sie zu und fragte mit
sanfter, sorgenvoller Stimme:
"Habe ich dich verletzt? Hast
du Schmerzen?"
Er befühlte vorsichtig ihre Schulter,
konnte jedoch nichts feststellen, was seine Sorge begründet
hätte. Er drehte den Kopf und hielt inne, als er sich ihrer Nähe
nun bewusst wurde.
Er stand so nah bei ihr, dass er selbst in
der Dunkelheit ihre Sommersprossen erkennen konnte, ihr Atem streifte
warm seine Wangen, als sie zu ihm aufblickte und ihre Augen nahmen
seinen Blick gefangen. Er fühlte die weiche Strähne ihres
Haares auf seiner Hand, die immer noch auf ihrer Schulter lag und er
erfasste sie, um sie durch sein Finger gleiten zu lassen und dabei
streifte er mit den Fingerspitzen ihre Wange.
Sie verlagerte vor
Unbehagen ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und schob
dann entschieden seine Hand beiseite und räusperte sich.
"Es
geht mir gut!", murmelte sie und hoffte, dass er ihre
Unsicherheit nicht aus ihrer Stimme heraus hören konnte!
Aus
so unmittelbarer Nähe war sie sich seiner Anziehungskraft, die
er auf sie ausübte, noch deutlicher bewusst! Seine Augen
funkelten von einem klaren, hellen Blau unter dichten, langen Wimpern
und sein Haar umrahmte fließend sein Gesicht und glänzte
Golden.
Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, als
ihr wieder einfiel, wen sie da vor sich hatte und sie wollte schon
ehrfürchtig ihren Kopf senken, als er ihr Kinn mit der Hand
umfing und sie davon abhielt.
"Tu das nicht! Ich lege keinen
Wert auf diese albernen Höflichkeitsfloskeln, bis jetzt sind wir
doch ohne sie ganz gut zu Recht gekommen, oder?"
Legolas
könnte sich bei diesen Worten ein lächeln nicht verkneifen.
"Nenn mich einfach Legolas, so wie meine Freunde es tun!"
Sie
hörte seine ehrliche Bitte in dieser Äußerung und
erwiderte dann sein Lächeln. Trotzdem überlegte sie noch
eine Weile, was sie ihm darauf erwidern sollte, denn immerhin hatte
sie hier Thranduils Erben vor sich, aber Legolas unterbrach ihre
Überlegungen.
"Gefällt dir der Name nicht? Oder
warum sagst du gar nichts mehr? Habe ich dir etwa die Sprache
verschlagen?"
"Nein!", gab sie schroff
zurück.
"Nein, du magst meinen Namen nicht, oder Nein,
ich sage nichts mehr?", neckte er sie. Es machte ihm immer mehr
Spaß, sich mit ihr zu unterhalten und er fühlte sich in
ihrer Nähe endlich wieder seltsam frei, wie er es nicht mehr
empfunden hatte, seid er mit Gimli Düsterwald erreicht hatte. Er
konnte einfach nur er selbst sein, ohne sich überlegen zu
müssen, was sein Handeln für Folgen haben mochte.
Und
dann war da auch immer noch diese Anziehung, die sie auf ihn ausübte
und er machte wieder einen Schritt auf sie zu.
"Warum bist du
mir eigentlich hier?"
Tanhis wich instinktiv einen
Schritt zurück, was nicht unbedingt zu ihrem Vorteil war, denn
sie spürte einen der Findlinge in ihrem Rücken und
erkannte, dass er sie geschickt in eine Falle gelotst hatte, denn nun
konnte sie nicht weiter vor ihm weichen. Sie wagte es abermals, in
seine Augen zu sehen und wünschte sofort, sie hätte es
nicht getan, denn sie musste sich bei seinem Anblick eingestehen,
dass sie ihm nur aus einem einzigen Grund gefolgt war. Sie hatte ihn
wieder sehen wollen, denn seitdem sie ihn das erste Mal am Fluss
getroffen hatte, war er ihr nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Aber
jetzt hatte sich einiges verändert! Er war der Sohn des Königs
und das alleine reichte schon aus, um ihr zu sagen, dass es unmöglich
war, sich auch nur mehr zu erhoffen! Sie war nur eine einfache Elbe,
eine Kriegerin noch dazu, deren Aufgabe eigentlich darin bestand, ihn
in Gefahren zu beschützen. Und was hatte sie getan? Ihn schon
das zweite Mal durch ihre Dummheit verletzt!
Immer noch sah
Legolas sie, auf eine Antwort wartend, an, doch sie brachte keinen
klaren Gedanken zustanden, der ihr geholfen hätte, sie aus
dieser Situation zu befreien.
Legolas wartete geduldig auf
eine Antwort und hielt seinen Blick unverwandt auf sie gerichtet, was
sie nur noch nervöser machte und schließlich machte er mit
einem einzigen Schritt ihre ganzen Bemühungen zunichte und
schloss wieder nah zu ihr auf.
"Weißt du eigentlich,
dass du wunderschön bist?", fragte er sie plötzlich
unvermittelt und lehnte sich mit einer Hand an den Stein, was ihr nun
endgültig den Fluchtweg versperrte. Mit der anderen umfasste er
abermals ihr Kinn, zog es ein wenig in die Höhe und noch bevor
sie reagieren konnte, presste er seine Lippen auf ihre und sie wurde
von einer Vielzahl an Gefühlen übermannt, die sie beinahe
taumeln ließ.
Als er sich endlich von ihr löste,
blickte er sie einen Moment mit einen Ausdruck des Erstaunens an,
senkte dann wieder die Wimpern und küsste sie ein weiteres
Mal.
Tanhis vermochte nicht anders zu reagieren, als seinen Kuss
zu erwidern und bedauerte es fast, als er sich von ihr
zurückzog.
"Das habe ich schon die ganze Zeit über
tun wollen.", flüsterte er und trat dann beinahe verlegen
einen Schritt nach hinten, als ob ihm gerade erst bewusst geworden
war, was er da gerade getan hatte.
Legolas' fuhr sich
unsicher mit der Hand durch die Haare und sah verwirrt dieses
bezauberte Wesen an, dessen Anwesenheit schon ausreichte, um ihn dazu
zu bringen, sich selbst nicht mehr wieder zu erkennen! Was war nur in
ihn gefahren, dass er sie einfach geküsst hatte?
Immer noch
fühlte er ihre weichen Lippen auf seinen und es kam ihm der
Gedanke, sie in seine Arme zu ziehen, um sich erneut der Versuchung
hinzugeben, sich einen weiteren Kuss von ihr zu holen, aber er
versuchte, diese Idee entschieden zu verdrängen und ihre
Reaktion abzuwarten. Schließlich hatte er sie einfach
überrumpelt und er wusste nicht, wie sie darauf reagieren würde.
Er sah sie eindringlich an, um auf alles vorbereitet zu sein, denn
auch wenn er sie erst das zweite Mal getroffen hatte, so wusste er
sehr wohl, dass er sich bei ihrem Wesen auf alles gefasst machen
musste!
Zu seiner großen Überraschung, handelte sie
aber jetzt völlig unerwartet, als sie langsam auf ihn zu kam,
dicht vor ihm stehen blieb und ihn eingehend musterte, bevor sie ihn
anlächelte.
Tanhis verdrängte entschieden die
warnenden Stimmen in ihrem Kopf, die ihr nur zu deutlich machten, auf
was sie sich da einlassen würde, aber ihre Gefühle
ergriffen ebenso entschieden die Überhand. Sie trat einen
Schritt näher, sodass seine Arme sich mühelos um ihre
Schultern schließen konnten und sie bot ihm ganz offensichtlich
ihre Lippen zu einem weiteren Kuss an, als sie ihren Kopf in den
Nacken legte und vertrauensvoll die Augen schloss.
Nur zu gerne
kam er ihrer stummen Aufforderung nach und genoss es einfach sie zu
spüren, jede Winzigkeit in sich aufzunehmen, die sie
ausmachte.
Wie war es nur möglich, dass er sie bereits nach
so kurzer Zeit so sehr in sein Herz geschlossen hatte? Bereits bei
ihrer ersten Begegnung hatte er sich bald die Frage gestellt, wie es
wohl wäre, wenn er sie küsste und jetzt stand er hier und
hielt sie in seinen Armen!
Als sie sich endlich voneinander
lösten, lag ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen und
sie wich seinem Blick nicht mehr befangen aus, sondern konnte ihn gar
nicht mehr von ihm abwenden.
"Was ist nur in uns gefahren?",
fragte sie flüsternd. "Es ist so falsch, aber doch empfinde
ich es als absolut richtig hier bei dir zu sein! Ich wünschte,
dass dieser Augenblick nie vergehen würde!"
Sie seufzte
und schmiegte sich enger an ihn und er bot ihr bereitwillig den
sicheren, geborgenen Platz in seinen Armen.
"Es ist nicht
falsch, Tanhis!"
"Aber was wird dein Vater denn sagen?
Ihm wird das alles bestimmt nicht gefallen!"
Legolas verzog
das Gesicht, als er wieder an seinen Vater erinnert wurde und schob
sie ein Stückchen von sich, um ihr wieder ins Gesicht sehen zu
können.
"Es ist mir egal, was er davon hält!
Wichtig ist mir einzig und allein, was du dabei denkst und fühlst!
Ich möchte überhaupt alles von dir erfahren! Leistest du
mir noch etwas Gesellschaft? Ich möchte noch nicht wieder an die
Feuer zurück, ich möchte einfach nur mit dir alleine
sein!"
Nur zu gerne nahm sie seine Einladung an und als
sie sich dicht nebeneinander auf den Boden setzten, hielt Legolas sie
fest an sich gedrückt, während sie sich schweigsam die
Sterne ansahen. Eine ganze Weile saßen sie einfach nur da, bis
Tanhis anfing, Legolas alle möglichen Fragen zu stellen. Was
damals im Ringkrieg geschehen war, wie es zu der Freundschaft
zwischen ihm und dem Zwerg gekommen war und wie die anderen Gefährten
waren. Legolas erteilte bereitwillig Auskunft und erzählte ihr
ausführlich über alle Einzelheiten.
Die Nacht war
bereits sehr weit fortgeschritten, als sie sich endlich auf den Weg
machten, um in ihre Lager zurück zu kehren und erst, als Legolas
Tanhis zu ihrer Schlafstatt begleitet hatte, machte er sich selbst
auf den Weg in seine Unterkunft. Dort fand er Gimli bereits
schnarchend in seinem Bett, doch er selbst war noch viel zu
aufgewühlt um Schlaf zu finden. Also legte er sich, mit im
Nacken verschränkten Armen, auf seine Liege und betrachtete
gedankenverloren das Blätterdach über ihm und dachte an
das, was an diesem Abend geschehen
war.
Etwa zur selben Zeit saß Aragorn immer noch in seinem Beratungszimmer und versuchte seine Gedanken zu ordnen. In den vergangenen Wochen waren seine Kundschafter des Öfteren mit der Nachricht in Minas Tirith eingetroffen, dass sie Orks und Variags gesichtet hatten, die in kleinen Gruppen zwischen Khand, Umbar und dem Schattengebirge umher gezogen waren. Die Orks bereiteten ihm nicht sonderlich viel Sorge, denn immer wieder wurden einige in Mordor und Umgebung beobachtet, ein schwindend kleine Menge, übergeblieben nach der entscheidenden Niederlage der letzten großen Schlacht im Ringkrieg. Von ihnen ging keine sonderliche Gefahr aus, aber das die Variags sich in dieser Gegend aufhielten, gab ihm zu denken. Alleine das sie die Grenzen ihres Landes überschritten, war ein klarer Verstoß gegen seine Gesetze, die er ihnen auferlegt hatte und konnte bereits hart von ihm bestraft werden. Es war rein sein Gewissen gewesen, das ihn damals davon abgehalten hatte, dieses Volk bis zur Vernichtung zu verfolgen, nachdem sie sich auf Saurons Seite gestellt hatten und selbst dann noch gekämpft hatten, als ihr Führer besiegt worden war. Dabei waren sie mit einer grausamen Härte vorgegangen und es hatte viele Leben gekostet, sie dennoch zurückzudrängen und schließlich den Erfolg zu erlangen. Doch es hatte genug Kriege und Tote gegeben!
Aragorn
seufzte und las ein weiteres Mal die letzte Botschaft, die er durch
einen Boten am Morgen erhalten hatte, obwohl er sie bereits auswendig
kannte. Schließlich ließ er das Schriftstück sinken
und rieb sich die müden Augen, die im flackernden Kerzenlicht
langsam zu schmerzen begannen und er sah zum Fenster. In der Ferne
konnte er bereits den hellen Streifen der Morgendämmerung
ausmachen.
Ein Knarren der Bodendielen vor der Türe lenkte
seine Aufmerksamkeit schließlich von seinen trüben
Gedanken ab und er sah, wie die Klinke der Türe langsam
heruntergedrückt wurde und im nächsten Moment erschien
Arwens Gestalt im Türrahmen.
"Arbeitest du immer noch?
Es ist doch bereits so spät und morgen ist auch noch ein Tag!
Komm!"
Als sie jedoch seinen sorgenvollen Blick sah, trat sie
doch ins Zimmer, nahm gegenüber von ihm in einem Sessel platz
und zog die Beine an, um sich in ihren Mantel zu hüllen, bevor
sie ihm einen ernsten Blick zuwarf.
"Erzähl! Was
beschäftigt dich so sehr, dass du keine Ruhe findest?"
Aragorn
lächelte. Das war eines der Dinge, die er an ihr so liebte! Er
konnte ihr nichts vormachen und er wusste nur zu genau, dass sie
ohnehin keine Ruhe geben würde, bis er ihr alles erzählt
hatte. Danach würde sie wie immer seine Vermutungen bedenken und
sich selber ihre Meinung bilden, bevor sie ihm zustimmen, oder einen
anderen Vorschlag vorbringen würde.
Mehr als einmal hatte er
den Valar schon gedankt, dass er mit ihr gesegnet war, denn sie war
äußerst klug und weise und stand ihm jederzeit zur Seite
und war nicht mit einigen der Frauen zu vergleichen, die lediglich
als Zierde neben ihren Männern standen.
So gab er ihr
bereitwillig Auskunft und ließ nicht die geringste Kleinigkeit
in seinem Bericht aus, um ihr einen umfassenden Eindruck der
Situation zu verschaffen und auch als er geendet hatte, schwieg sie
noch eine Weile.
"Das sind wahrlich keine guten
Neuigkeiten!", bemerkte sie schließlich. "Die Orks
haben sich immer schon im Schattengebirge versteckt, aber das die
Variags ihre Grenzen überschreiten, kommt schon fast eine
Kampfaufforderung gleich. Als wollten sie uns provozieren, oder
sehen, wie weit sie gehen können, bis wir einschreiten! Was
gedenkst du zu unternehmen?"
"Ich habe mit dem Gedanken
gespielt, einen Wachposten in der Nähe der Grenzen zu postieren,
etwa hundert Mann stark, um sie abzuschrecken! Erst wenn sie danach
immer noch gegen das ihnen auferlegte Gesetz verstoßen, werde
ich härte Maßnahmen einleiten."
Sie nickte
bedächtig und hielt seinen Blick gefangen, bis sie ihm dann
zustimmte.
"Ja, ich denke, das wäre eine gute Lösung.
So zeigst du ihnen, dass du ihren Verstoß bemerkt hast, aber
gibst ihnen noch die Gelegenheit, sich ohne einen Vorfall wieder
zurück zu ziehen. Wollen wir hoffen, dass sie vernünftig
genug sind und diese Warnung verstehen!"
Sie erhob sich und
ging um den Tisch herum, beugte sich zu ihm herunter und lächelte
ihn auffordernd an.
"Jetzt komm! Für heute hast du genug
für dein Volk getan! Es wird Zeit, dass du an dich denkst!
Außerdem willst du doch nicht die Ankunft unserer Freunde
morgen verschlafen, oder?"
Die Hobbits! Natürlich!
Fast hätte er völlig vergessen, dass sie bereits am
nächsten Tag in Minas Tirith eintreffen würden!
Arwen
bemerkte seinen überraschten Gesichtsausdruck und sah ihn
tadelnd an.
"Du hattest es doch nicht etwa vergessen? Also
wirklich mein Lieber! Du arbeitest entschieden zu viel, wenn du
darüber sogar unsere Freunde vergisst!"
"Du hast
wie immer Recht! Ich werde versuchen mich zu bessern und damit du
siehst, dass ich es ernst meine, fange ich gleich damit an und komme
mit dir!"
Er stand auf und löschte die Kerze, dann
gingen sie Arm in Arm in ihr Gemach und legten sich schlafen.
Die
Stimmung in ihrer Gruppe war ausgelassen und heiter, denn während
ihrer ganzen Reise hatten sie das beste Wetter gehabt und waren gut
vorangekommen. Jetzt konnten sie bereits den weißen Turm in der
Mittagssonne strahlen sehen und sie trieben ihre Ponys noch einmal
an, denn sie konnten es kaum erwarten, die Freunde endlich wieder zu
sehen!
Merry und Pippin stellten gerade laut die Überlegung
an, was sie wohl für Leckereien erwarten würden und Sam
verdrehte gespielt die Augen in Frodos Richtung, der sich darauf nur
mit Mühe das Lachen verkneifen konnte.
Sam drehte sich im
Sattel herum und blickte die Freunde tadelnd an.
"Könnt
ihr denn an nichts anderes denken? Ich für meinen Teil bin viel
mehr darauf gespannt, was es Neues zu berichten gibt, denn immerhin
haben wir Streicher und Arwen jetzt schon eine Ewigkeit nicht mehr
gesehen! Ich fand es sehr nett, dass sie uns einfach so nach Gondor
eingeladen haben! Vergesst bloß nicht, euch dafür zu
bedanken!"
Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich
wieder Frodo zu.
"Jemand sollte sie einmal im guten Benehmen
unterrichten! Manchmal könnte ihnen ein wenig Anstand nicht
schaden. Kein Wunder das jeder in Mittelerde denkt, wir Hobbits
hätten nichts anderes als Essen im Sinn!"
"Ach Sam!
Aragorn kennt uns doch schon lange und gut genug, dass er weiß,
wie Merry und Pippin sind! Er hat sich außerdem schon längst
ein eigenes Urteil über uns gebildet und weiß, dass wir
auch noch andere Qualitäten haben! Das haben wir doch schon oft
genug bewiesen!"
Damit gab Sam sich dann zufrieden und sie
ritten das letzte Stück friedlich nebeneinander her.
Natürlich wartete ein angemessenes Mittagessen auf sie und sie verbrachten den Rest des Tages damit, ihr Wiedersehen gebührend zu feiern und sich alle Neuigkeiten zu erzählen. Merry wollte alles über Eowyn und Faramir erfahren und beschloss, ihnen gleich in den nächsten Tagen einen Besuch abzustatten, wenn er sich von der Reise bis nach Minas Tirith ein wenig erholt hatte. Pippin wollte ihn natürlich begleiten, denn er nutzte gerne jede Gelegenheit, mit Faramir über seinen Vater zu sprechen und viel über ihn zu erfahren.
Frodo saß mit Aragorn zusammen und zogen
genüsslich an ihren Pfeifen.
"Hast du auch etwas von
Legolas und Gimli gehört? Wo stecken die beiden denn im
Moment?", fragte Frodo schließlich neugierig. Er hatte
eigentlich fest damit gerechnet, dass sie auch in Minas Tirith sein
würden.
"Legolas und Gimli sind noch vor einigen Wochen
hier gewesen und waren auf dem Weg nach Düsterwald. Legolas
hatte seine Familie schon lange nicht mehr gesehen und ich denke, er
wird noch dort sein! Aber vielleicht überraschen sie uns ja noch
mit ihrem Besuch! Sie waren sehr enttäuscht, dass nicht hier
bleiben konnten, bis ihr da seid, aber sie mussten weiter!"
Frodo
nickte wissend, denn er wusste, wie sehr Legolas an den Wäldern
hing. Was den Zwerg anging, so konnte er sich immer noch nur wundern,
was er aufgrund der Freundschaft zu dem Elben alles über sich
ergehen ließ, denn Thranduil zeigte nur zu deutlich seine
Abneigung über die Freundschaft seines Sohnes zu
ihm.
"Zuzutrauen wäre ihnen ein Überraschungsbesuch!
Vor allem Gimli wäre sicher froh über eine Abreise, wenn
Thranduil sich ihm gegenüber wieder so abweisend
verhält!"
Aragorn dachte bei diesen Worten aber auch an
Legolas, denn er hatte noch deutlich das letzte Zusammentreffen von
Vater und Sohn vor Augen, das nicht sehr herzlich verlaufen war. Er
wünschte Legolas sehr, dass sich diesmal die Lage anders
verhielt, denn er hatte nur zu deutlich gespürt, wie viel
Legolas daran gelegen war, doch das lag nicht in ihrem Ermessen.
Einzig Thranduil und Legolas waren dazu in der Lage, etwas daran zu
verändern.
Legolas saß noch immer in dem großen Versammlungsraum mit dem Rat zusammen und hatte sein möglichstes getan, um einen neuen Streit mit seinem Vater zu vermeiden. Er hatte sich immer nur dann zu Wort gemeldet, wenn er es für angemessen hielt oder einen Einwand nicht mehr hatte länger zurückhalten können. Angesichts der späten Stunde, wanderten seine Gedanken aber immer öfter zu Tanhis, denn es waren so viele verschiedene Dinge besprochen worden, die eigentlich nicht der Zusammenkunft des Rates bedurft hatten, dass Legolas sich nicht mehr darauf konzentrieren konnte, was die Ältesten besprachen.
Er wurde jedoch jäh aus seinen Gedanken
gerissen, als Thranduil ihn wütend anfuhr.
"Anstatt hier
zu schlafen, solltest du lieber mehr Interesse an den Belangen deines
Volkes zeigen! Als der Sohn des Königs hast du einige
Entscheidungen mit zu treffen und du solltest den Ältesten mehr
Respekt entgegenbringen!"
Legolas konnte nur mit Mühe
seinen aufkeimenden Zorn zurück halten, doch er zwang sich,
seinem Vater mit aller Ruhe zu antworten.
"Bei all meinem
Respekt, Vater! Es ist schon erstaunlich, wie du die Dinge immer zu
deinem Vorteil wenden kannst. Noch vor einer Woche hast du mir vor
den Augen aller hier gesagt, dass ich meine Meinung für mich
behalten soll! Und nun wirfst du mir eben dieses vor! Was verlangst
du denn nun von mir?"
Thranduil funkelte seinen Sohn
aufgebracht an, denn er konnte es nicht fassen, dass er ihm offen
widersprach. Seine nächsten Worte sprach er mit absoluter Härte,
die ihre Wirkung nicht verfehlten.
"Du bist es nicht würdig,
der Sohn eines Königs zu sein! Du verhältst dich eher wie
einer dieser plumpen Zwerge, die nicht die leiseste Ahnung von
Anstand besitzen. Aber an ihnen ist dir ohnehin mehr gelegen, als an
deinem Volk! Es ist wohl besser, wenn du dich ihnen anschließt,
anstatt unsere wertvolle Zeit zu verschwenden! Und jetzt verlasse den
Rat und komme mir vorerst nicht wieder unter die Augen."
In
der Halle war absolute Ruhe eingekehrt und keiner wagte auch nur zu
atmen. Fassungslos richteten die Ältesten die Blicke immer
wieder auf Thranduil und dessen Sohn, aber niemand ergriff das Wort,
um dem König zu widersprechen.
Legolas kämpfte gegen den
Schmerz, den die Worte seines Vaters in seinem Herzen verursacht
hatten und er war unfähig, auch nur ein Wort an ihn zu richten.
Die Blicke seines Vaters durchbohrten ihn mit eisiger Kälte und
schließlich verließ Legolas wie betäubt die
Versammlung, ohne sich auch nur noch ein einziges Mal umzudrehen.
Er
lenkte seine Schritte fast von selber wieder zu der kleinen Lichtung
und suchte den Platz auf, an dem er noch am Abend zuvor so glücklich
mit Tanhis zusammen gesessen hatte. Es schien bereits länger her
zu sein, als lediglich diesen einen Tag, denn seine Gefühle
waren jetzt völlig anders.
Immer noch hallten Thranduils
Worte in seinem Kopf wider und eine Weile konnte Legolas keinen
anderen Gedanken fassen.
Die Worte seines Vaters waren
unmissverständlich gewesen und da sie in der Gegenwart des Rates
gesprochen worden waren, zeugte dies auch von ihrer Ernsthaftigkeit!
Thranduil hatte ihn mehr oder weniger als Sohn aberkannt und wollte
ihn in keinerlei Weise mehr in die Entscheidungen des Rates mit
einbeziehen.
Legolas wurde erst jetzt richtig bewusst, was das
für ihn bedeutete, denn nachdem er vor Jahren bereits seine
Mutter verloren hatte, hatte sich nun sein Vater von ihm abgewandt
und ihm blieb nicht einmal mehr das Gefühl, zu einer Familie
dazu zu gehören!
Warum hatte er nicht einfach seinen Mund
gehalten und den erneuten Tadel stumm über sich ergehen lassen?
Es hätte eine viel größere Stärke bewiesen, als
sich offen mit seinem Vater anzulegen und diese Auseinandersetzung
wäre ihnen beiden erspart geblieben! Doch wahrscheinlich hatte
es sich so oder so nicht mehr lange vermeiden lassen, denn spätestens
wenn Thranduil von Tanhis erfahren würde, wären sie
aneinander geraten, denn sein Vater hatte eine ganz genaue
Vorstellung von der Elbin, die Legolas einmal heiraten sollte und
Tanhis würde sicher überhaupt nicht in dieses Bild
passen.
Tanhis! Bei dem Gedanken an sie machte sich ein warmes Gefühl in seinem Inneren breit und vertrieb die düsteren Gedanken und Sorgen aus seinem Herzen, doch wie sollte er ihr verständlich machen, dass er vielleicht schon sehr bald die Kolonie wieder verlassen würde, denn diese Entscheidung ließ sich sicher nicht mehr lange herausschieben. Bald würden alle von dem Zwischenfall bei der Versammlung erfahren und es war offensichtlich, dass hier nicht genug Raum bestand, der es ermöglichte, seinem Vater immer aus dem Weg zu gehen!
Legolas versuchte noch einige Zeit eine Lösung für dieses Problem zu finden, denn er wollte noch nicht so schnell wieder aufbrechen, nicht jetzt, da er Tanhis gerade erst kennen gelernt hatte! Er wollte noch mehr Zeit mit ihr verbringen und diese auch genießen und wer wusste denn schon, ob sie nicht ebenso viel für ihn empfand wie er für sie! Vielleicht würde sie ja auch eines Tages mit ihm gehen, aber das konnte er jetzt noch nicht von ihr verlangen!
Er beschloss, den Vorfall erst einmal für sich
zu behalten und seinem Vater aus dem Weg zu gehen. So würde er
mehr Zeit haben, mit ihr und Gimli einige Ausflüge und
Erkundigungen einzuholen und seinem Vater nicht ständig zu
begegnen. Vielleicht war Zeit auch genau das, was er nun am Meisten
benötigte, denn so konnte er in Ruhe über alles nachdenken
und musste keine übereilte Entscheidung treffen, die er bald
bereuen würde.
Zufrieden mit dieser Erkenntnis machte er sich
dann zurück auf den Weg zu Tanhis und Gimli.
Die Beiden
saßen gemütlich zusammen und Gimli war dabei, ihr
Geschichten von den Zwergen zu erzählten. Tanhis lachte immer
wieder herzhaft auf, denn der Zwerg verstand es, seine Geschichten
großartig auszuschmücken und allmählich verstand
Tanhis, warum Legolas ihn so sehr mochte und Gimli erging es bei
Tanhis ebenso.
Bereits am Morgen hatte er sie mit dem Zwerg
bekannt gemacht und Gimli hatte nur verschmitzt gelächelt, als
er die beiden zusammen gesehen hatte. Es war nicht zu übersehen,
was zwischen ihnen für eine Bindung bestand, denn sie nahmen ihn
gar nicht richtig wahr, auch, als er sich lautstark bemerkbar gemacht
hatte.
Erst als Legolas sich dann zum Rat begeben hatte, hatte
Gimli die Gelegenheit bekommen, Tanhis besser kennen zu lernen und er
hatte schnell begriffen, warum der Elb von ihr so angetan war.
Die
Elbin war einfach erfrischend anders, als all die Elben, die er bis
jetzt kennen gelernt hatte. Sie war offen und aufgeschlossen und
konnte gar nicht genug bekommen, von den Erzählungen über
sein Volk. Er erkannte aber, dass es sich um ein ehrliches Interesse
handelte und nicht nur aus Höflichkeit geschah.
Gimli
beendete gerade seinen Bericht über die großzügige
Gastfreundschaft der Zwerge, als Legolas das Lager betrat.
Gimli
brach mitten im Satz ab, als er ihn erblickte und Tanhis drehte sich
um, um die Ursache für das Verhalten des Zwergs zu finden und
forderte ihn erfreut auf, ihnen Gesellschaft zu leisten.
Sie saßen
noch einige Zeit zusammen und Gimli und Tanhis lachten und scherzten
vergnügt miteinander, was auch Legolas hin und wieder ein
Lächeln entlockte. Er freute sich sehr darüber, dass sich
die beiden so gut verstanden und es zeigte ihm auch deutlich, das
Tanhis sich nicht von den Vorurteilen der Elben über die Zwerge
beeinflussen ließ und sich selber ein Bild von ihnen
machte!
Schließlich entschuldigte Gimli sich gähnend,
zwinkerte Legolas im hinausgehen vielsagend zu und machte sich auf in
sein Lager. Der Zwerg war gerade aus ihrer Hörweite
verschwunden, als Tanhis sich an Legolas wandte.
"Was ist los
mit dir, Legolas? Du warst die ganze Zeit über so still und in
dich gekehrt! Bereitet dir irgendetwas Sorgen?"
Legolas
lächelte und zog sie fest in seine Arme.
"Es ist nichts
weiter! Es hat mir nur sehr viel Freude bereitet zu sehen, wie gut
ihr euch versteht! Das bedeutet mir sehr viel, weißt du!
Außerdem war der Tag sehr lang und anstrengend und in der
letzten Nacht bin ich dank dir ja auch erst sehr spät ins Bett
gekommen!", neckte er sie, was ihm augenblicklich einen
freundschaftlichen Schlag in die geprellten Rippen einbrachte und er
zog geräuschvoll die Luft ein.
"Oh, das hatte ich ja
schon völlig vergessen! Es tut mir leid, Legolas! Das wollte ich
nicht!"
Besorgt zog sie seine Tunika beiseite und brachte
einen riesigen blauen Fleck zum Vorschein, der umgehend ihre
Schuldgefühle erwachen ließ.
"Tut es sehr weh?",
fragte sie zerknirscht.
"Nur wenn ich lache!", versuchte
er sie mit einem Scherz zu beruhigen, doch ihr Blick zeigte ihm, dass
er damit nicht sonderlich viel Erfolg hatte.
"Mach dir keine
Gedanken, das ist nichts im Vergleich zu anderen Verletzungen, die
ich mir bereits zugezogen habe!"
Nachdem Legolas auch ihre
letzten Zweifel beiseite geräumt hatte, blieben sie noch einige
Zeit zusammen sitzen und genossen es einfach, dass sie zusammen
waren, bis Legolas Gimli schließlich ins Lager folgte.
In
den folgenden Tagen verbrachten sie viel Zeit miteinander und
unternahmen einige Ausflüge. Gimli und Tanhis verstanden sich
von Tag zu Tag besser und oft saßen die drei noch bis spät
in die Nacht zusammen und erzählten miteinander, wobei Tanhis
alles über die gemeinsamen Wanderungen der Freunde erfahren
wollte.
Gimli richtete es aber oft so ein, dass er sich häufig
früher von ihnen verabschiedete, damit Legolas und Tanhis Zeit
für sich hatten und diese nutzen sie auch immer, um auf die
kleine Lichtung zu gehen, wo sie ungestört waren.
So
verstrichen einige Wochen und bald viel Gimli auf, dass der Elb an
keiner der Versammlungen des Rates mehr Teil nahm oder seinen Vater
aufsuchte. Außerdem war der Freund oft sehr still, mehr als
gewöhnlich, und hing seinen Gedanken nach. Selbst in der Nacht
hatte Gimli bereits schon des Öfteren bemerkt, dass Legolas noch
lange wach lag, doch Gimli war geduldig und wusste, das er noch früh
genug die Gründe dafür erfahren würde.
