Danke für das nette Review! Wird natürlich gleich mit einem weiteren Kapitel belohnt! Tardo
2.
Kapitel
Die
Hobbits genossen jede Minute ihrer Zeit in Gondor und oft saßen
sie mit Aragorn und Arwen lange zusammen, wobei sie auch jedes Mal
eine beträchtliche Mahlzeit verputzten und sich Geschichten
erzählten oder über alte Zeiten sprachen. Merry und Pippin
machten sich bald auf zu Faramir und Eowyn, um die beiden zu
überraschen und sie dann mit nach Minas Tirith zu bringen.
An
einem Abend, als Frodo und Sam noch nach dem Essen mit Arwen und
Aragorn beisammen saßen, wurde Aragorn von einem der Boten
aufgesucht und entschuldigte sich mit besorgter Mine, um sich in sein
Beratungszimmer zu begeben, wo er von einem Wachposten erwartet
wurde. Der Mann zeigte deutliche Spuren eines langen und schnellen
Rittes, denn er war überall mit Staub und Schmutz bedeckt, der
Schweiß stand ihm auf der Stirn und immer noch ging sein Atem
rasch, ein Zeichen dafür, dass er erst vor wenigen Minuten
eingetroffen war und seine Botschaft äußerst dringend sein
musste, wenn er sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, wenigstens
den gröbsten Schmutz zu entfernen.
Aragorn straffte
unwillkürlich die Schultern und wappnete sich gegen das, was der
Wachmann ihm nun mitteilen mochte, begrüßte ihn jedoch
freundlich und forderte ihn auf zu berichten, nachdem er hinter
seinem Tisch Platz genommen hatte.
"Herr, verzeiht die späte
Störung, aber es gibt dringende Nachricht von unserem Posten im
Süden!
Es ist bereits drei Tage her, da beobachteten wir, wie
sich eine beträchtliche Gruppe von Orks an den Grenzen von Khand
versammelten, mehr, als wir noch in dieser Gegend vermuteten. Sie
schlugen ein Lager auf und verhielten sich friedlich, deshalb haben
wir lediglich einige Späher zu ihrer Bewachung vor Ort gelassen.
Am nächsten Tag erreichte uns dann jedoch eine Botschaft aus
Ithilien, von der dortigen Truppe, dass sich einige Variags
Düsterwald genähert hätten, die von Orks begleitet
wurden. Wir sandten umgehend einige Beobachter nach Mordor und in die
Schattengebirge und mussten feststellen, dass sich dort zwei riesige
Lager gebildet haben. Anscheinend sind die Orks und Variags ein
Bündnis mit den Haradrim eingegangen!"
Aragorn
lehnte sich bei diesen Worten weiter vor und versuchte, sein
Entsetzen vor dem Mann zu verbergen. Wenn das stimmte, so sahen sie
schlimmen und unruhigen Zeiten entgegen, denn die Haradrim waren
immer schon feindlich gegenüber Gondor gestimmt gewesen und
hatten sich immer wieder dem Feind angeschlossen, der sich gegen das
Land gerichtet hatte. Die Krieger kämpften ohne Gnade und mit
noch größerer Härte als die Variags und Orks, wobei
man sich gegen Pfeil und Bogen, Speeren, Dolchen und Krummschwertern
rüsten musste, die alle erbarmungslos im Kampf eingesetzt
wurden. Doch nicht nur im offenen Krieg traf man auf den alten Feind;
die Haradrim hatten schon in den vergangenen Zeitaltern immer wieder
Raubzüge und Überfälle gegen die Küstenstädte
verübt, die zu Gondor gehörten, wobei sie selbst Frauen und
Kinder nicht verschonten.
Sie suchten sich stets einen oder
mehrere Verbündete, um ihr Heer zu vergrößern und
somit die Gewissheit zu haben, dass sie überlegen waren, so wie
sie es nun mit den Orks und den Variags getan hatten.
Aragorn kam
bei seinen Überlegungen der Verdacht, dass sie sich schon bald
in einer ausweglosen Situation befinden würden und auf seine
nächste Frage erhielt er eben diese Bestätigung.
"Wie
viele sind es und wie verhält es sich in Ithilien?"
"Dort
ist es nicht minder Besorgniserregend, Herr! Es sind auch dort große
Lager gesichtet worden. Allem in allem dürfte es eine
Streitmacht von gut und gerne sechstausend Mann sein, die uns von
beiden Seiten angreifen könnte!"
Aragorn erhob sich und
trat ans Fenster und betrachtete das vor ihm liegende Land, das sich
friedvoll vor ihm erstreckte. Doch der Schein trog, wie er mit
Bedauern nun feststellen musste und er mochte sich nicht vorstellen,
von welch kurzer Dauer diese Ruhe noch sein würde.
Er musste
schnellstens etwas gegen die heraufziehende Gefahr unternehmen und
sein Volk auf einen Angriff vorbereiten!
Er wandte sich zu dem
Mann um, der immer noch auf seinem Platz stand und gegen die
Erschöpfung ankämpfte und Aragorn entließ ihn, damit
er sich zur Ruhe begeben konnte.
"Geht und holt euch in der
Küche eine Stärkung: Ich werde euch ein Lager für die
Nacht richten lassen und morgen werdet ihr meine Anweisungen entgegen
nehmen können! Ich brauche noch Bedenkzeit!"
"Jawohl
mein Herr!"
Als sich der Bote zurückgezogen hatte,
ließ sich Aragorn schwer auf seinen Stuhl niedersinken und rieb
sich mit den Händen durch das Gesicht. Das waren schlechtere
Nachrichten, als er erwartet oder vermutet hatte!
Fest stand
jedenfalls, dass sich dieses Heer auf einen Kampf vorbereitete, sonst
hätten sie niemals eine solche Streitmacht zusammen gerufen und
sich so geschickt postiert. Auch das sie es mit der größten
Sorgfalt ausgeübt hatten, ließ nur diese Vermutung zu,
denn sie hatten sich sicher über eine lange Zeit in nur kleinen
Gruppen über die Grenzen geschlichen, ohne Verdacht zu erregen
und seinen Botschaftern war nicht das geringste aufgefallen! Selbst
er hatte sich in Sicherheit gewiegt und nur eine lächerliche
Beobachtungsmaßnahme durchgeführt, die dem Feind nicht das
Geringste anhaben konnte!
Aragorn musste nun so schnell wie
möglich handeln, denn ein Angriff konnte jederzeit stattfinden
und darauf war die Stadt nicht im Geringsten vorbereitet! Er musste
umgehend Hilfe in Edoras und Düsterwald anfordern und Faramir in
Kenntnis setzen, denn er würde sich als erster der feindlichen
Streitkraft gegenüber sehen und benötigte aus diesem Grund
unterstützende Truppen.
Rasch verfasste er die nötigen
Schriftstücke und schickte einen Diener nach Boten, die sich
noch in der Nacht auf den Weg begeben sollten, um Faramir, Êomer
und Thranduil zu benachrichtigen.
Außerdem schrieb er noch einen Brief an Gandalf, der sich in Bruchtal befand. Er teilte ihm die Beobachtungen mit und bat ihn, sich umgehend auf den Weg zu machen, um ihm bei den nächsten Entscheidungen beizustehen. An Elrond richtete er durch ihn eine weitere Bitte, sie durch weitere Krieger seines Volkes zu unterstützen, denn selbst wenn sich alle Truppen in ihrer Nähe zusammen schlossen, so würden sie dennoch in der Unterzahl sein!
Mit
Argwohn beobachteten Arwen und die Hobbits, wie der Wachmann das
Zimmer von Aragorn verließ und sich nach einiger Zeit einige
Boten dorthin begaben. Mit Schriftstücken, die das offizielle
Siegel des Königs trugen, machten sie sich bald darauf auf den
Weg zu den Ställen und unter schnellem Galopp verließen
sie dann die Stadt.
"Das bedeutet sicher nichts Gutes!
Aragorn würde zu solch später Stunde keine Boten aussenden,
wenn es nicht sehr ernst wäre. Was mag der Wachmann ihm wohl für
Nachrichten gebracht haben?"
Frodo stand am Fenster und sah
den Reitern nach, die rasch in der Dunkelheit der Nacht
verschwanden.
Arwen trat neben ihn und legte ihm die Hand auf die
Schulter, aber auch ihr standen die Sorgen deutlich im Gesicht
geschrieben.
"Wir werden es schon noch erfahren, was das
alles zu bedeuten hat! Aber ich fürchte, dass du Recht hast,
lieber Frodo! Es muss große Eile von Nöten sein, wenn
Aragorn nicht bis zum Einbruch des Tages wartet!
Aber ich bin mir
sicher, dass wir den Grund dafür auch bald erfahren
werden!"
Frodo nickte. Es würde ihnen wohl nichts
anderes übrig bleiben, als abzuwarten, aber sein Gefühl
sagte ihm schon jetzt, dass ein neues Unheil
bevorstand.
Legolas
stand noch zögernd hinter einem der Bäume und beobachtet
Tanhis, die sich angeregt mit einem Krieger ihrer Truppe unterhielt.
Eben hatte er mit Gimli gesprochen und ihm von dem Vorfall zwischen
ihm und seinem Vater erzählt.
Gimli hatte nur verächtlich
geschnaubt und die Entscheidung von Legolas als richtig erachtet,
dass es besser war, wenn sie so bald wie möglich die Kolonie
verließen. Das Legolas Tanhis bitten wollte, sie zu begleiten,
hatte den Freund nicht im mindesten überrascht und er hatte ihm
einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter gegeben und nur
gebrummt.
"Dann hat sie es also wirklich geschafft, dir den
Kopf zu verdrehen! Aber das wundert mich überhaupt nicht, denn
sie ist wahrlich eine ganz besondere Elbin!"
Legolas
wartete, bis Tanhis das Gespräch beendete und sich wieder ihrer
Ausrüstung zuwandte, um ihre Waffen zu überprüfen und
erst als er sich ganz sicher war, dass sie ungestört waren,
löste er sich aus dem Schatten der Bäume und ging zu ihr.
Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als sie schon den Kopf hob und
ihn lächelnd ansah und als er schließlich bei ihr
angelangt war, schloss sie ihn fest in die Arme.
Als sie sich aus
ihrer Umarmung lösten, trafen sich ihre Blicke und sofort nahm
Tanhis einen besorgten Gesichtsausdruck an, denn sie erkannte, dass
Legolas irgend etwas sehr beschäftigte.
"Willst du mir
nicht verraten, was dich bedrückt? Seid Tagen merke ich schon,
dass etwas nicht stimmt! Du bist oft so ungewöhnlich still und
traurig!"
Legolas löste sich aus ihrer Umarmung und
nahm ihre Hände in seine, doch ihm schienen nicht die richtigen
Worte einzufallen, die auszusagen vermochten, was er nun schon seid
einigen Tagen auf dem Herzen hatte.
Abwartend lag ihr Blick auf
ihm und schließlich seufzte Legolas und er beschloss, ihr ohne
Umschweife alles zu erzählen.
"Erinnerst du dich an den
Abend, als ich von der Versammlung mit meinem Vater und den Ältesten
wiedergekommen bin? Nun, bei dem Rat ist etwas vorgefallen und ich
habe es dir bis jetzt noch nicht erzählt, weil ich selber erst
einmal eine Entscheidung treffen musste!"
Tanhis sah ihn
aufmerksam an und er konnte nur zu genau sehen, dass sie sich während
seinen Worten bemühte, die Fassung zu behalten. Sie schien zu
ahnen, dass das erst der Anfang war.
"Tanhis, an dem Abend
habe ich mich fürchterlich mit meinem Vater gestritten und es
sieht nicht so aus, als ob sich das in nächster Zeit wieder
einrenken würde. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht
gemacht, aber es ist wohl das Beste, wenn ich Düsterwald
verlasse und..."
Tanhis hob abrupt den Kopf und in ihren
Augen machte sich der Ausdruck von Angst breit.
"...und ich
wollte dich fragen, nun ja. Tanhis - würdest du mit mir
kommen?"
Augenblicklich schossen ihr die Tränen in
die Augen und noch bevor Legolas auch nur die Anstrengung unternehmen
konnte, die Hand zu heben, um sie ihr wegzuwischen, fiel sie ihm in
die Arme.
"Oh, Legolas! Für einen Moment dachte ich
schon, du wolltest ohne mich gehen! Natürlich werde ich mit dir
kommen!"
Erleichtert atmete Legolas auf und drückte sie
fest an sich. All seine Befürchtungen, er könnte sie
deswegen wieder verlieren, weil sie noch nicht bereit war nach so
kurzer Zeit mit ihm zu gehen, lösten sich auf und glücklich
suchte er schließlich ihren Blick.
"Wie hätte ich
denn ohne dich gehen können! Aber ich hatte ebensoviel Angst,
dass du lieber hier bleiben willst!"
Anstatt einer Antwort,
stellte sie sich auf die Zehnspitzen und drückte ihm einen Kuss
auf die Lippen und als sie sich von ihm löste, funkelten ihre
Augen verschmitzt.
"Ich kann dich doch nicht ohne meinen
Schutz ziehen lassen! Du schaffst es womöglich noch und läufst
einer verrückten Elbin vor die Pfeilspitze!"
Legolas
lachte herzlich auf.
"Das ist bereits geschehen, aber ich
würde es jederzeit wieder tun!"
Gemeinsam machten
sie sich dann auf den Weg, um Gimli von der frohen Botschaft zu
erzählen und dieser freute sich nicht minder über die
Neuigkeit, dass Tanhis sich ihnen anschloss.
Sie beschlossen,
gleich am nächsten Tag aufzubrechen und verbrachten den Rest des
Tages damit, alles für ihre Reise vorzubereiten. Außerdem
musste Tanhis sich noch von dem Hauptmann ihrer Gruppe abmelden, der
sich nicht sonderlich begeistert zeigte, doch nachdem sie auch das
hinter sich gebracht hatten, zogen sich Legolas und Tanhis zurück,
um ein wenig alleine zu sein.
Gimli sah den beiden versonnen nach
und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen!
"Wer
hätte gedacht, dass dieses Spitzohr sich von einer Elbin zähmen
lässt? Dieses Grünblatt ist doch immer für eine
Überraschung gut! Sie geben aber auch ein schönes Paar
ab!"
Legolas
hatte sich gemütlich gegen einen der Bäume gelehnt und
Tanhis nutzte auf gleiche Weise seinen Brustkorb und schmiegte sich
eng an ihn. Der Wald um sie herum war in friedvolle Stille gehüllt,
nur das Zirpen der Grillen und der vereinzelte Ruf einer Eule
unterbrachen die Ruhe, die sie umgab.
Tanhis Gedanken kreisten
immer um ihren Aufbruch am nächsten Tag und ein verlockendes
Kribbeln machte sich in ihrem Inneren breit, wenn sie an diese Reise
dachte. Bisher hatte sie immer ein klares Ziel vor Augen gehabt, wenn
sie sich für eine Wanderschaft bereit gemacht hatte, doch nun
hatte sie nicht im Entferntesten eine Ahnung von dem, was vor ihr
lag, doch es spielte auch keine Rolle. Die Hauptsache bestand für
sie darin, dass Legolas bei ihr war, alles andere war ihr egal. Sie
drehte den Kopf, um ihn zärtlich zu betrachten und wieder begann
in ihrer Brust ihr Herz wie wild zu klopfen.
Er hatte den Blick
auf einen Punkt in der Finsternis gerichtet und schien mit seinen
Gedanken an einem anderen Ort zu sein, zwischen seinen Brauen, die er
konzentriert zusammenzog, hatte sich eine kleine Furche gebildet.
Seine blonden Haare fielen offen über seine Schultern und
kitzelten Tanhis an der Nasenspitze und sie schob die Strähne
zärtlich aus seinem Gesicht. Dabei streifte sie seine Wange und
Legolas fuhr erschrocken zusammen, so, als ob er völlig
vergessen hätte, dass sie hier bei ihm saß und er sich
ihrer erst durch ihre Berührung wieder erinnert hätte.
Sofort
kehrte die Sorge in ihr Bewusstsein zurück und sie legte ihm
mitfühlend die Hand an die Wange, doch das erhoffte lächeln
von ihm blieb diesmal aus und er sah sie mit einem Ausdruck an, den
sie nicht zu deuten vermochte. Langsam hob er nun seine Hand und
ergriff die ihre.
"Tanhis!", murmelte er und in
seiner Stimme schwang Traurigkeit mit. "Ich habe mich noch nie
mit einer Person so glücklich gefühlt wie mit dir! Und doch
vermag ich nicht zu sagen, das mein Herz glücklich ist. Ich
werde morgen alles verlieren, was mir einmal alles bedeutet hat."
Nur
zu gut konnte sie ihn verstehen und wenn sie nur gewusst hätte,
wie sie ihm diesen Schmerz nehmen konnte, hätte sie es nur zu
gerne getan, doch jedes Wort schien ihr dafür in keiner Weise
passend. Schließlich konnte sie jedoch nicht mehr länger
schweigen.
"Was genau ist eigentlich zwischen dir und deinem
Vater vorgefallen? Du hast bis jetzt immer nur Andeutungen
gemacht!"
Legolas rang sich ein gequältes Lächeln
ab und wich ihrem Blick aus und er wartete solange mit einer Antwort,
dass sie schon glaubte, er würde ihr nichts darauf
entgegnen.
"Es ist nicht alleine der Streit beim Rat zwischen
uns, der mich mit Kummer erfüllt! Zwischen mir und meinem Vater
gab es nie das kleinste Gefühl der Zuneigung, jedenfalls nicht
von seiner Seite, denn er war immer mehr nur mein König, anstatt
mein Vater! Egal was ich getan habe, er verlangte immer mehr von mir
und nichts konnte ich ihm recht machen. Anfangs habe ich alles
versucht, damit ich endlich seine Anerkennung erhalte, aber ich habe
bald eingesehen, dass es aussichtslos war. So bin ich schnell zu dem
Entschluss gekommen, meinen eigenen Weg zu gehen und ich habe
versucht, mich damit abzufinden. Doch egal wie oft ich mir selber
sage, dass mir das nichts ausmacht, so trifft mich sein Verhalten
doch immer wieder!"
Er umschlang sie mit seinen Armen und zog sie fest an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Tanhis hätte nur zu gerne gewusst, wie seinen
Kummer etwas hätte lindern können, doch sie vermochte nicht
die richtigen Worte zu finden und so hielt sie einfach in ihren Armen
und spendete ihm mit ihrer Anwesenheit Trost.
Sie hielten sich
noch eine Weile so umschlungen und erst, als sich schwere Wolken vor
die Sterne schoben und der Wind auffrischte, kehrten sie in das Lager
zurück, um sich schlafen zu
legen.
Frodo
hockte in einem der großen Lehnstühle dicht am wärmenden
Kaminfeuer und warf einen Seitenblick auf Sam, der neben ihm saß.
Das Gesicht des Freundes zeigte nicht die geringsten Anzeichen dafür,
was ihm bei Aragorns Bericht durch den Kopf ging, doch diese
trügerische Ruhe bestand nur in seinem Inneren, dass wusste
Frodo nur zu genau!
Aragorn verhielt sich ähnlich, doch bei
ihm sah Frodo auch die Erschöpfung, die ihm die vergangenen Tage
bereitet hatten in denen er nicht eine Nacht geschlafen hatte. Er
hatte unablässig alles getan, um die Stadt gegen einen Angriff
vorzubereiten, hatte das Heer ihre Posten aufstellen lassen, sich bis
tief in die Nacht mit den Hauptmännern der Truppen beraten und
war vor zwei Tagen selbst fort geritten, um sich ein genaues Bild der
Lage zu machen.
Erst vor wenigen Stunden war er zurückgekehrt
und hatte den Hobbits endlich einen ausführlichen Bericht über
die bedrohliche Lage gemacht, nachdem er sich wenigstens ein wenig
Ruhe gegönnt hatte, doch auch jetzt trug er wieder seine bequeme
Reitkleidung, ein sicheres Zeichen dafür, dass er bald wieder
aufbrechen würde.
"So wie die Dinge liegen, meine
Freunde, ist es wohl das Beste, wenn ihr umgehend zurück ins
Auenland reist! Noch sind die Grenzen frei und ich könnte einen
schnellen Aufbruch für euch vorbereiten! Faramir hat Merry und
Pippin das auch angeboten und ich erwarte seine Botschaft mit ihren
Entscheidungen."
Aragorn musterte die Hobbits eingehend und
wünschte sich, sie mochten Vernunft zeigen und sich in
Sicherheit begeben, doch mehr als einmal hatten sie sich seinen
Wünschen widersetzt.
Jetzt richtete Sam seinen Blick zu Frodo
und die beiden schienen sich stumm miteinander zu verständigen
und schließlich sah Frodo Aragorn eindringlich an.
"Merry
und Pippin werden niemals einfach ins Auenland zurückkehren,
wenn hier eine solche Gefahr für euch besteht – und wir
ebenfalls nicht! Wir können euch doch nicht einfach alleine
lassen!", ereiferte er sich. "Wir werden euch beistehen und
euch helfen, wo wir nur können!"
Frodo war bei seinen
Worten aufgestanden und hatte sich, mit den Händen in den Hüften
gestemmt, vor Aragorn zu seiner vollen Größe aufgebaut und
hielt entschlossen seinem Blick stand. Sam beeilte sich, es ihm
gleich zu tun, was Aragorn die Andeutung eines Lächelns auf das
müde Gesicht trieb.
"Genau das hatte ich befürchtet!
Aber wenn das eure Entscheidung ist, so werde ich sie respektieren!
Versprecht mir aber, dass ihr nichts ohne mein Einverständnis
unternehmen werdet, was euch in Gefahr bringen würde."
Aragorn
zog wissend die Brauen hoch, als die Hobbits viel zu schnell mit den
Köpfen nickten und seufzte. Dies verminderte seine Sorgen nicht
im geringsten, doch es blieb keine Zeit mehr, weiter mit ihnen
darüber zu reden, denn er musste sich wieder zu den Truppen
begeben, um ihre weiteren Schritte mit den Befehlshabern zu
besprechen.
Als er gegangen war, wechselten Frodo und Sam
einen vielsagenden Blick.
"Es sieht mal wieder gar nicht gut
aus, Herr Frodo!"
"Nein, Sam! Aber ich vertraue auf
Aragorn und die anderen! Sie werden es mit vereinten Kräften
schon schaffen und wir werden ebenfalls helfen wo wir nur können!
Für das Erste werden wir uns als Boten anbieten, um zwischen den
Lagern zu vermitteln, so bleiben wir auch auf dem Laufenden über
die Lage! Komm!"
Frodo wandte sich schon zum Gehen, doch Sam
hielt ihn am Arm gepackt zurück.
"Ich habe Angst, Herr
Frodo!"
Sam ließ Schultern und Arme hängen und
wirkte entsetzlich hilflos in Frodos Augen und er machte einen
Schritt auf ihn zu und schloss ihn in die Arme.
"Ich auch,
Sam! - Ich
auch!"
Seid
sie aufgebrochen waren, hatte es nicht mehr aufgehört zu regnen
und inzwischen waren sie bis auf die Haut durchnässt. Sie waren
nicht ganz zwei Tage unterwegs und das trübe Wetter hatte ihre
gute Laune um einiges herab gesenkt.
Unablässig tropfte
Tanhis das Regenwasser von der Kapuze ihres Unhangs ins Gesicht, wo
sich die Tropfen zusammenschlossen und in kleinen Rinnsalen ihren
Hals hinunter liefen. Gimlis Pony trottete mit gesengtem Haupt neben
ihrer Stute und sein Reiter murmelte unablässig einen
lästerlichen Fluch nach dem anderen, was Tanhis ein verstohlenes
Lächeln auf die Lippen zauberte.
Sie wandte den Kopf und
blickte über die Schulter zu Legolas, der sich ebenfalls die
Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, doch sie sah seine hellen
Augen in deren Schatten aufleuchten, als sich ihre Blicke trafen und
ihr Lächeln verbreiterte sich. Selbst der kalte Wind konnte die
Wärme in ihrem Inneren nicht abkühlen, die sein Anblick in
ihrem Herzen entfachte und sichtlich zu ihrer besseren Laune beitrug.
Auch die Gedanken an das erste Ziel ihrer Reise, ließ ihre
Vorfreude ansteigen, denn sie konnte es kaum erwarten, endlich
Legolas' Freunde kennen zu lernen, von denen sie bereits soviel von
ihm und Gimli erfahren hatte.
Um den Zwerg ebenfalls auf andere
Gedanken zu bringen, beugte sie sich etwas zu ihm herunter und tippte
ihm freundschaftlich auf die Schulter.
"Werter Gimli, seid
ihr euch sicher, dass sich die Hobbits noch in Minas Tirith
aufhalten? Ich bin doch schon so neugierig darauf, sie zu sehen! Sind
sie wirklich noch kleiner als ihr?"
Das genügte, um den
Zwerg umgehend von seiner schlechten Laune abzulenken, denn er begann
sofort, Tanhis alles über die Hobbits zu erzählen, wobei er
immer wieder betonte, dass die Zwerge sie mindestens um einen Kopf
überragten! Seine Aufklärung wurde von weit ausholenden
Armbewegungen noch unterstützt und mehr als einmal konnte er nur
noch mit Mühe sein Gleichgewicht halten, sonst wäre er aus
dem Sattel gerutscht und auf den morastigen Boden gefallen.
So
verging einige Zeit und endlich riss die Wolkendecke auf und der
Regenfall endete, die Sonne lenkte ihre wärmenden Strahlen auf
die kleine Gemeinschaft und vertrieb bald die Nässe und Kälte
aus ihren Kleidern. Das Licht der Sonne ließ die feuchten
Blätter der Bäume glitzern und leuchten und das Gras
verströmte einen frischen Duft.
Unter einer riesigen Eiche,
deren Äste eine schützende Laube bildeten, fanden sie einen
trocken Platz für eine ausgedehnte Rast in der Nähe eines
kleinen Bachs. Während Gimli und Tanhis damit begannen, ein
Lager herzurichten, machte Legolas sich auf, um ihre Wasserflaschen
neu zu füllen. Er kniete sich neben den friedlich dahin
plätschernden Strom und tauchte seine Hand ins Wasser, um einen
Schluck zu trinken. Sein Blick wanderte über den Waldrand auf
der anderen Seite, das dichte Unterholz und die Büsche dahinter,
und er wollte sich gerade wieder abwenden, um zurück zu seinen
Freunden zu gehen, als er zögernd inne hielt. Er schloss die
Augen und lauschte konzentriert auf die verschiedenen Geräusche,
die um ihn herum die Luft erfüllten, doch was auch immer er kurz
wahrgenommen hatte, war verschwunden.
Mit weit ausschweifenden
Schritten kehrte er zu Tanhis und Gimli zurück, die schon auf
ihn warteten. Legolas nahm das Lembas-Brot, dass Tanhis ihm reichte
und ließ sich an einen Baum gelehnt nieder, während er ein
Stück ihrer Wegzehrung abbrach und sich in den Mund schob.
Gimli
hatte immer noch nicht aufgehört, Tanhis seine Lobesgeschichten
über die Zwerge zu erzählen und Legolas hörte ihm
ebenfalls einige Zeit zu, bis er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre
Umgebung richtete.
Irgendetwas bereitete ihm Unbehagen, doch so
sehr er auch versuchte, dieses Gefühl zu deuten, so konnte er
nichts entdecken, was seine Unruhe erklärte. Er sah zu Tanhis
herüber, doch sie hatte ihre Aufmerksamkeit ganz auf Gimli
gerichtet und schien nicht im Geringsten ihre Umgebung zu
beachten.
Erneut wanderte sein Blick unruhig über die
Landschaft, um jede Einzelheit auszumachen – wieder erfolglos.
Was
sollte auch hier für eine Gefahr lauern, versuchte er sich
selbst zu beruhigen. Wir sind immer noch in Düsterwald und was
sollte hier schon geschehen?
"...nicht war, Legolas?"
Gimlis
Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er nickte zustimmend, ohne zu
wissen, was der Zwerg gerade gesagt hatte. Gimli schnaubte.
"Wenn
es dich nicht interessiert, was ich erzähle, Herr Grünblatt,
dann sag es ruhig! Ich..."
Gimli bekam keine weitere
Gelegenheit, den Satz zu beenden, denn um sie herum überschlugen
sich plötzlich die Ereignisse.
Die Pferde, die bis eben noch
friedlich gegrast hatten, scheuten und stoben auseinander, aus dem
Unterholz des Waldes brachen eine ganze Horde von bewaffnete Orks,
die ihre Schwerter kampfbereit in die Höhe hoben. Ihre
stampfenden Schritte ließen den Waldboden unter Legolas'
Füßen schwach vibrieren, eine sanfte Welle geballter Kraft
der sich nähernden Feinde. Hinter den Orks tauchten einige
dunkelhäutige Männer auf, die weite, rote Umhänge
trugen und umgehend einen Pfeilhagel auf sie abschossen.
Legolas
konnte Gimli gerade noch zu Boden werfen, bevor einer der Pfeile
genau an der Stelle einschlug, wo er zuvor noch gesessen hatte und
instinkttief ließ sich auch Tanhis fallen. Sie warteten nicht
lange ab, sondern rafften eilig ihre Bündel und brachten sich
hinter dem Stamm der Eiche in Deckung, wobei Legolas Gimli mit Gewalt
festhalten musste, um den erzürnten Zwerg davon abzuhalten,
seinen Angreifern entgegen zu stürmen.
"Lasst mich los!
Was tut ihr denn? Ich werde ihnen zeigen, was es bedeutet einen Zwerg
zum Kampf herauszufordern!" Gimlis Zorn war entfacht, aber
Legolas drückte ihn entschieden gegen den Stamm der Eiche und
ein eindringlicher Blick des Elben reichte aus, um Gimli zur Vernunft
zu bringen.
"Aber lasst noch welche für mich übrig!",
knurrte er, als Legolas und Tanhis ihre Bögen
spannten.
Blitzschnell brachten Legolas und Tanhis eine
Vielzahl der Orks zu Fall, doch an deren Stelle eilten nun die
Bogenschützen, ebenfalls mit gezogenen Waffen.
Legolas
feuerte einen Pfeil nach dem anderen ab, doch schließlich griff
seine Hand ins Leere und er warf seinen Bogen mit einem elbischen
Fluch auf die Erde. Noch während er seine Kurzschwerter mir
beiden Händen hinter seinen Schultern hervorzog, warf er Gimli
einen Blick zu, der bestätigend seine Axt empor hielt, bevor er
Tanhis ein Zeichen gab, um ihnen Rückendeckung zu geben. Tanhis
nickte und spannte erneut ihren Bogen, doch auch sie besaß
nicht mehr viele Pfeile und immer noch war die Anzahl ihrer Gegner
erschreckend hoch.
Gimli und er rannten gleichzeitig aus der
Deckung und stellten sich den ersten Angreifern entgegen, während
Tanhis mit ihren letzten Pfeilen die Nachhut ihrer Gegner unter
Beschuss nahm.
Etliche Orks wurden von Gimlis kreisender Axt
getötet und Legolas schaffte es, weiteren Gegnern die Kehle
durchzuschneiden.
Legolas sah sich suchend nach Tanhis um, die
sich in der Zwischenzeit aus ihrer Deckung gelöst hatte und mit
ihrem Schwert an Gimlis Seite geeilt war. Sie bewegte sich schnell
und geschickt, wich immer wieder den Schlägen ihrer Feinde aus
und traf ihrerseits stets ihr Ziel.
Mit Entsetzen stellte er
jedoch fest, dass die Angreifer es geschickt verstanden, jeden von
ihnen so abzudrängen, dass sie sich immer weiter voneinander
entfernten. Bald würden sie so weit auseinander gezogen sein,
dass sie problemlos eingekreist werden konnten und immer noch sahen
sie sich einer großen Überzahl gegenüber und es wäre
dann nur eine Frage der Zeit, wann sie überwältigt
wären.
"Tanhis! Gimli! Zurück zu den Bäumen!",
schrie er über den Kampflärm hinweg, während er
ununterbrochen den kraftvollen Schlägen Gegenwehr leistete.
Im
Wald konnten die Orks sie nicht so offen bedrängen und
vielleicht konnten sie dann ihrerseits die Gruppe auseinander ziehen
und zerstreuen, um einen besseren Fluchtversuch wagen zu können,
denn ein Sieg war ausgeschlossen. Die Überzahl war einfach zu
groß.
Sie hatten schon fast den Schutz der Bäume
erreicht, als Legolas aus den Augenwinkeln sah, wie sich drei Orks
auf Gimli stürzten, der überrascht durch diesen
unerwarteten Angriff, zu Boden fiel, wobei seine Axt aus seiner Hand
gerissen wurde. Einer der Orks holte zum entscheidenden Schlag aus
und Legolas stürzte blindlings auf das Getümmel zu, holte
im Lauf aus und schaffte es noch, den Ork mit einem gewaltigen Hieb
niederzustrecken.
Tanhis war ebenfalls zu Gimli geeilt und mit
ihrer Hilfe überwältigten sie die anderen Beiden und zogen
Gimli auf die Füße.
"Rasch, lauft in den Wald! Ich
werde sie ablenken um euch Zeit zu verschaffen!"
Legolas
schubste Tanhis auf die Bäume zu, die zögerte und ihn
entsetze ansah.
"Aber es sind zu viele! Das schaffst du
niemals! Sie..."
"Nun lauf! Ich komme euch nach, sobald
ihr Schutz gefunden habt!"
Daraufhin ließ er die
Freunde zurück, noch bevor sie ihn aufhalten konnten und warf
sich den übrigen Feinden entgegen.
Gimli löste sich
als erster aus seiner Starre, packte Tanhis' Hand und zog sie mit
sich in das Unterholz.
"Aber was tust du denn, Gimli! Wir
müssen ihm helfen!" Tanhis stemmte sich mit aller Gewalt
gegen den Waldboden, doch der Zwerg hatte eine unerwartete Kraft und
ihre Bemühungen waren sinnlos.
"Er weiß was er
tut! Und jetzt ist es sowieso zu spät!", schnaubte
Gimli.
Er rannte ein ganzes Stück in den Wald hinein und
blieb erst stehen, als sie sich von einer Gruppe dicht stehender
Bäume geschützt fanden und sie lauschten auf ihre
Verfolger, doch es war außergewöhnlich ruhig. Zu
ruhig!
Tanhis sah sich nach Verfolgern um, doch es schien ihnen
nicht einer der Feinde nachgelaufen zu sein. Während sich ihr
Atem nur langsam wieder auf ein normales Maß senkte,
überschlugen sich ihre Gedanken, bis sie schließlich
entsetzt aufschrie, was Gimli regelrecht herumfahren ließ, die
Axt zur Abwehr erhoben, weil er einen der Gegner erwartet hatte.
"Was
ist? Wo ist er?", doch Tanhis sah ihn nur wie versteinert
an.
"Gimli! Begreifst du denn nicht! Es ist uns keiner
gefolgt, weil sie nicht an uns interessiert sind. Sie wollen
Legolas!", stieß sie mühsam hervor. "Wir müssen
zurück und ihm helfen, schnell!"
Mit diesen Worten
packte sie den Zwerg und bahnte sich einen Weg zurück durch das
Dickicht.
Legolas bewegte sich schnell über die Lichtung,
immer im Zickzack zwischen den angreifenden Horden hindurch und
streckte dabei links und rechts einen Grossteil der Angreifer nieder.
Doch auch er büßte einige kleinere Schnittwunden ein, denn
immer wieder wurde er von beiden Seiten gleichzeitig angegriffen.
Plötzlich bekam er einen gewaltigen Schlag in die Seite, der ihn
so unerwartet traf, dass er strauchelte und schon warf sich einer der
Orks auf ihn, noch bevor er seinen Dolch zur Verteidigung heben
konnte. Die Wucht des Aufpralls nahm ihm den Atem und seine Ohren
dröhnten und er schüttelte benommen den Kopf. Der Ork hielt
ihn mit unglaublich festem Griff umschlungen und drückte immer
fester zu, was ihm den Brustkorb schmerzhaft zuschnürte, bis er
ein unnatürliches knacken vernahm, seine Rippen nachgaben und
ein neuerlicher Schmerz durch seine Seite fuhr. Er versuchte sich aus
der Umklammerung zu winden, doch die klauenartigen Hände drohten
ihn zu zerquetschen und bohrten sich fest in seine Muskeln.
Legolas
sah nur eine einzige Chance, und indem er gegen jeden Instinkt
ankämpfte, zwang er sich dazu, seinen Körper zu entspannen
und unter dem Griff erschlaffen zu lassen.
Augenblicklich lockerte
sich der Griff um ihn und er sah seine Gelegenheit gekommen. Legolas
bäumte sich ruckartig auf und schaffte es, den Ork von sich zu
stoßen und tötete ihn mit einem Hieb seines Dolches, den
er noch immer in der Hand hielt. Er kämpfte sich auf die Beine,
umschlang seine Mitte, die sich bei jedem Atemzug qualvoll
zusammenzog und wirbelte herum, um sich seinem nächsten Gegner
zu stellen.
Noch während er diesen abwehrte, machte ihn
ein warnendes Kribbeln in seinem Nacken auf die Bedrohung in seinem
Rücken aufmerksam, doch er schaffte es nicht rechtzeitig, sich
umzudrehen. Ein stechender Schmerz schoss zwischen seine
Schulterblätter und er keuchte entsetzt auf. Gleichzeitig traf
ihn der Schwerthieb seines Gegenübers am Arm und hinterließ
einen tiefen Schnitt und Legolas fühlte das warme Blut, das ihm
daran herunter lief. Ein weiterer Schlag traf ihn und riss ihn von
den Beinen, doch ihm fehlte die Kraft, um sich gegen den weiteren
Angriff zu verteidigen.
Drei Orks stürzten sich auf ihn,
zerrten seine Arme auf den Rücken, wobei er unter Schmerz
stöhnte, als ihm die Bestien dabei die Schulter verrenkten und
pochend den Schmerz der Stichwunde in seinem Rücken wieder mit
doppelter Kraft entfachte.
Er dachte an Gimli und Tanhis und
hoffte, dass sie es geschafft hatten, sich in Sicherheit zu bringen,
wurde dann an den Armen in die Höhe gezogen und gleich wieder
mit aller Gewalt zu Boden geworfen. Er schlug hart auf und die
Schmerzen raubten ihm die Sinne, doch erbarmungslos trafen ihn
mehrere Fußtritte, bis ihn endlich ein Schleier aus Dunkelheit
umwob und er nichts mehr um sich herum wahrnahm.
Tanhis und
Gimli sahen gerade noch, wie Legolas zu Boden ging und sein Anblick
zerriss Tanhis fast das Herz. Sie sah das Blut, dass seine Tunika und
Beinlinge an vielen Stellen rot gefärbt hatten und erkannte
selbst aus dieser Entfernung, dass sein Atem in flachen, schwachen
Stößen ging. Es scharten sich mindestens dreißig
Orks und Männer um ihn und versperrten ihr eine freie Sicht auf
ihn.
Ein kurzer Blick auf Gimli reichte aus und sie erkannte, dass
er das gleiche dachte wie sie. Zusammen stürmten sie aus der
Deckung, wobei Gimli einen fürchterlichen Kampfruf
ausstieß.
Einige Männer der Gruppe kamen ihnen entgegen
gerannt, ihre Waffen gezogen und erneut brach ein heftiger Kampf
aus.
Fast
stündlich erreichten aus allen Richtungen des Landes die Boten
Minas Tirith und brachten Nachricht von den Beobachtungsposten, die
den Feind nicht aus den Augen ließen.
Frodo und Sam hatten
alle Hände voll zu tun und liefen immer wieder zwischen den
Ställen, wo sie die Nachrichten von den Überbringern
entgegennahmen, zum Beratungszimmer der Feste, oft von dort aus in
die Küche, um Stärkung und Proviant für die müden
Reiter zu holen und in die Herberge, wo sie eine Unterkunft richten
ließen. In der Herberge herrschte ein ständiges kommen und
gehen, aber auch in den Strassen der Stadt waren viele Menschen
unterwegs, die allerlei Vorbereitungen trafen, überall saßen
Männer auf den Bänken vor den Häusern und schärften
ihre Schwerter oder putzten ihre Rüstungen, Frauen nähten
Umhänge und Hemden, die Kinder lieferten sich kleine Kämpfe
mit ihren Holzschwertern und die Alten saßen am Brunnen auf dem
Marktplatz und berichteten über längst vergangene
Kriege.
Vor der Stadt war ein nicht minder reges Treiben zu
beobachten, denn die Truppen aus Edoras waren bereits zu ihrer
Unterstützung auf dem Vormarsch und es wurde ein riesiges Lager
errichtet, dessen Zelte schon einen beträchtlichen Teil der
Felder einnahmen.
Wann immer sich ihnen die Zeit blieb, suchten
sich Frodo und Sam einen ruhigen Platz auf der Stadtmauer und
schauten gen Norden, in der Hoffnung, endlich ihren Freund Gandalf zu
erblicken, der auf Schattenfell mit guten Nachrichten aus Bruchtal
kam, doch bis jetzt war weder er, noch ein Bote aus Düsterwald
eingetroffen, dabei brauchten sie jede Unterstützung, denn ein
großer Angriff war jeden Tag zu erwarten. Bis jetzt hatten die
feindlichen Truppen immer nur in kleinen Truppen einige abgelegene
Dörfer überfallen und geplündert, doch dabei waren
auch einige der Bauern getötet worden, die versucht hatten, ihr
Hab und Gut zu verteidigen und so war Aragorn gezwungen gewesen,
seine eigenen Truppen auseinander zu ziehen und an mehren Stellungen
zu postieren. Er vermutete zwar, dass genau das der beabsichtigte
Sinn des Feindes gewesen war, doch ihm blieb keine andere Wahl und
die Verstärkung wurde immer dringender benötigt.
An
diesem Abend, die Sonne senkte sich gerade über die Felder, die
sich um Gondor erstreckten, saßen die Hobbits wieder auf ihrem
Platz an der Mauer und zogen dabei genüsslich an ihren Pfeifen.
Sie genossen die letzten wärmenden Strahlen, aber auch den
schwachen Wind, der ihre erhitzten Gesichter ein wenig kühlte
und sie ließen entspannt die Beine über der Mauer
baumeln.
"Was Merry und Pippin wohl gerade tun! Ich hoffe, es
geht ihnen gut!"
Frodo warf Sam einen Seitenblick zu und
kramte dann in seiner Westentasche, um neues Pfeifenkraut
herauszuholen und in den Kopf seiner Pfeife zu stopfen.
"Bestimmt
hatten sie einen genauso anstrengenden Tag wie wir, aber ich bin
sicher, dass sie gerade jetzt vor einem reich gedeckten Tisch sitzen
und nicht einen Gedanken an uns verschwenden! Mich interessiert viel
mehr, warum wir noch immer nichts von Gandalf und den Elben gehört
haben. Die Nachrichten müssten ihn und Legolas doch längst
erreicht haben!"
Sein Blick suchte abermals den Horizont nach
der Silhouette eines Reiters ab, doch auch diesmal blieben seine
Bemühungen erfolglos.
"Sie werden schon kommen, Herr
Frodo! Gewiss versammeln sie erst einmal alle Krieger und kommen dann
gemeinsam mit ihnen nach Minas Tirith um Streicher zu helfen!"
Frodo sah wieder zu Sam und lächelte ihn an, doch auch die beruhigenden Worte von ihm vermochten seinen Trübsinn nicht vertreiben und Frodo konnte nicht umhin, sich Sorgen über das Ausbleiben der Freunde zu machen. Er kannte Gandalf nun schon so lange und war sich sicher, dass er sich umgehend auf den Weg gemacht hätte, wenn ihn nicht eine dringendere Angelegenheit davon abhielt und die konnte sich Frodo im Augenblick nicht vorstellen. Schlimmer als die drohende Gefahr hier, konnte es ja wohl nichts geben!
Sie
waren verschwunden! Tanhis konnte es immer noch nicht fassen und
suchte abermals die Lichtung und die angrenzenden Baumreihen nach
einem Anzeichen ihres Verbleibs ab.
Während Gimli und sie
sich einen heftigen Kampf mit einigen der Gegner geliefert hatten,
bei denen sie etlichen den Tod gebracht hatten, waren die übrigen
Truppen schnellstens die Flucht angetreten und hatten Legolas
mitgenommen. Dabei hatten sie sich geschickt in mehrere kleine
Gruppen aufgeteilt, um eine Vielzahl an Spuren zu hinterlassen, die
alle in die verschiedensten Richtungen führten und es unmöglich
machten, den richtigen Weg auszumachen.
Tanhis sank auf die Knie,
die nicht länger fähig waren, ihr Gewicht noch einen Moment
zu tragen und sie vermochte nichts anderes zu fühlen, als die
Leere in ihrem Inneren. Auf der Wiese lagen die Leichen ihrer
unzähligen Feinde und sie starrte sie regungslos an, bis sie
plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter fühlte und unter
viel Kraftanstrengung den Kopf zu Gimli wandte.
"Komm,
Tanhis. Wir müssen weiter, hier können wir nichts mehr
erreichen. Wenn wir Legolas helfen wollen, dann müssen wir auf
schnellstem Wege nach Lôrien und von dort aus nach Bruchtal.
Dort ist Gandalf im Augenblick, er wird wissen, was zu tun ist!"
Sie
zeigte nicht die geringste Regung, nicht die kleinste Andeutung, ob
sie ihn verstanden hatte und Gimli konnte sich nur zu gut vorstellen,
welche Sorgen sie sich um Legolas machte. Ihm ging es keinesfalls
besser, doch er hatte immer noch Hoffnung, dass die Orks Legolas am
Leben gelassen hatten, denn sonst hätten sie sich wohl kaum
solche Mühe gegeben, ihre Spuren zu verwischen, damit sie ihnen
nicht folgen konnten.
Aus irgendeinem Grund brauchten sie den
Elben, Gimli war nur noch nicht klar warum und gedankenverloren
strich er sich immer wieder über seinen zerzausten Bart, um ihn
zu glätten, doch ihm fiel nichts ein.
Tanhis'
flüsternde Stimme unterbrach ihn in seinen Überlegungen und
er blickte in ihren grünen Augen, die in ihm sofort eine Welle
aus Mitgefühl auslösten, als er den Schmerz darin sah.
"Er
ist verwundet, Gimli! Ich habe es gesehen und es stand nicht gut um
ihn!"
Gimli zog die Brauen zusammen, denn er wusste, dass sie
Recht hatte. Ihre Elbenaugen vermochten selbst auf die große
Entfernung, die zwischen ihnen gelegen hatte, jede Kleinigkeit zu
erkennen und diese Aussage verstärkte in ihm nur das Verlangen,
endlich etwas zu tun und sich in Bewegung zu setzen.
"Dann
komm! Lass uns keine weitere Zeit mehr mit herumsitzen verschwenden
und endlich aufbrechen. Ähh..., könntest du vielleicht die
Güte haben und die Pferde herrufen? Ich nehme an, dass du das
wie die übrigen Elben zu tun vermagst!"
Er zog sie
sanft hoch, als sie bestätigend nickte und es entlockte ihr ein
mattes Lächeln, als er ihr verlegen ein zerknittertes Tuch
reichte, damit sie sich die Tränen und den Schmutz vom Gesicht
wischen konnte.
"Da! Du willst dem Herrn Elrond und Gandalf
doch nicht so unter die Augen treten!", brummte
er.
Legolas
nahm die Geschehnisse um sich herum nur in Bruchstücken war,
denn immer wieder verlor er das Bewusstsein und wenn er zu sich kam,
bereiteten ihm die Wunden solche Schmerzen, dass er nicht einmal die
Kraft fand, den Kopf zu heben, um seine Umgebung zu erkennen.
Grob
hatte ihn einer der kräftigen Männer geschultert und bei
jedem seiner Laufschritte wurde Legolas durchgeschüttelt und
immer wieder stieß die Schulter seines Trägers gegen seine
gebrochenen Rippen. Schmutz spritzte ihm ins Gesicht und der
Geschmack seines Blutes verursachte ihm Übelkeit und zeigte ihm
deutlich, dass die Verletzungen, die er im Kampf erlitten hatte,
schwer waren.
Nach einer Zeitspanne, die er in keiner Weise
einschätzen konnte, verlangsamte der Mann das Tempo und Legolas
merkte, dass sich seine Umgebung merklich veränderte. Die
Geräusche des Waldes verstummten und die Schritte der Männer
knirschten unter sandigem Boden und hallten in einem steinernen
Gewölbe wider, doch Legolas fand in seiner Erinnerung keinen
Ort, der ihm verraten hätte, wo sie sich gerade befanden. Es
wurde merklich kühler und das Licht nahm immer weiter ab, bis
Legolas nur noch das flackernde Feuer von Fackeln wahrnahm und ihm
zeigte, dass sie sich wohl in einer Höhle oder einem Tunnel
befinden mussten.
Er unternahm eine verzweifelte Anstrengung, sein
Gewicht etwas zu verlagern, um den unerträglichen Druck auf
seinen Brustkorb zu vermindern, doch als der Mann merkte, dass sich
Legolas regte, verpasste er ihm einen Faustschlag gegen die Rippen,
der Legolas die Luft raubte und die Bewusstlosigkeit erlöste ihn
von den unsagbar starken Schmerzen.
Als er wieder zu sich kam,
roch er eine zunehmend frische Brise in der Luft, die den Gestank der
Truppe von Orks überwog, und ihm sagte, dass der enge Tunnel
bald in eine größeren Raum oder eine Höhle mündete,
doch da er noch immer mit dem Kopf nach unten über der Schulter
des Mannes hing, konnte er nichts anderes sehen, als dessen schweren
Stiefel. Überall um ihn herum waren Orks, die sich gegenseitig
schubsten und drängelten und dabei oftmals gegen ihn stießen
und ihn mit ihren stinkenden, schmutzigen Pranken den ein oder
anderen Schlag verpassten, wann immer sich ihnen die Gelegenheit dazu
bot.
Ein gedämpftes Stöhnen entfuhr ihm und er schloss
die Augen, um sich Tanhis Bild vor Augen zu rufen und sich somit von
seinen Schmerzen abzulenken, doch es verursachte ihm nur eine schier
übermächtige Furcht, dass sie vielleicht verletzt worden
sein könnte. Er hatte verschwommen gesehen, wie sie und Gimli
auf die Lichtung zurückgekehrt waren, bevor er für kurze
Zeit das Bewusstsein verloren hatte, und dann gedämpft den
Kampflärm vernommen, der ihm gezeigt hatte, dass die Freunde
versucht hatten, ihm zu Hilfe zu eilen.
Angst stieg in Legolas
auf, eisig und schnell, und verdrängte jeden einzelnen Gedanken,
außer den einen – hatten die Beiden den Kampf gegen diese
Übermacht überlebt?
Ihm wurde regelrecht eng ums Herz
bei diesen Gedanken und seine Kehle zog sich so fest zu, dass er kaum
noch atmen konnte.
Plötzlich kam die Gruppe zum Stehen
und Legolas wurde unsanft auf den Boden geworfen und er landete dicht
an der Felswand. Immer noch waren seine Arme auf dem Rücken
gefesselt und er rollte sich ein Stück auf die Seite, um seine
Umgebung besser sehen zu können. Die Höhle war ziemlich
klein und öffnete sich in der Mitte des Bodens zu einer
tückischen, steilen Schlucht die senkrecht in eine unendliche
Tiefe abfiel und erneut spürte Legolas die kühle Brise, die
von ihrem Grund aufstieg und sich einen Weg durch den ekelerregenden
Gestank der Orks und Männer bahnte. Er versuchte die frische
Luft tief in seine Lungen zu ziehen, doch es schien ihm unmöglich,
dies ohne Schmerzen zu tun, was ihn zu der Vermutung führte,
dass durch die Stichwunde oder eine seiner gebrochenen Rippen seine
Lunge verletzt worden war.
Er rollte sich noch ein Stück
weiter herum und ließ seinen Blick über die dicht
gedrängte Menge seiner Gegner schweifen und endlich kam ihm die
Erkenntnis, wer die Männer in der Truppe waren. Variags und
Haradrim! Schlagartig tauchten ihm die Bilder einiger Schlachten aus
dem Ringkrieg auf, in denen er gegen sie gekämpft hatte und er
dachte an die grausame Härte und ihre Listigkeit, mit denen sie
gekämpft hatten. Sie bedeuteten eine ganz andere Sorge als diese
einfältigen Orks und es musste weit mehr hinter ihrem Angriff
stecken, als Legolas bis jetzt vermutet hatte. Irgend etwas hatten
sie vor, wozu sie ihn benötigten, denn sonst hätten sie
wohl kaum sein Leben verschont und ihn durch den halben Wald
geschleppt, doch welche Pläne mochten das sein?
Legolas
wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als ein breitschultriger
Haradrim auf ihn zu kam, seinen Oberkörper in die Höhe zog
und ihm ein Seil viel zu feste um den Brustkorb schlang. Das Legolas
dabei ein gequältes aufstöhnen nicht unterdrücken
konnte, ließ ihn nur belustigt auflachen und der Elb begegnete
seinem hämischen Blick und funkelte ihn schwach aber zornig an,
wobei er einen elbischen Fluch murmelte, was ihm umgehend einen
kräftigen Schlag ins Gesicht einbrachte.
"Halts Maul !
Sonst vergesse ich meine Anweisungen und lasse dich in den Abgrund
stürzen!", zischte der Krieger ihm zu und zog Legolas auf
die Füße und stieß ihn in Richtung der Schlucht.
Nun
hing sein Leben nur noch an dem dünnen Seil, dass der Mann in
den Händen
hielt.
Gandalf und Elrond hatten die
Nachricht von Aragorn mit Entsetzen und Bestürzung entgegen
genommen und sich umgehend auf ihre nächsten Schritte geeinigt.
Während Elrond seine Krieger für einen Aufbruch rüstete
und versammelte, hatte sich Gandalf auf Schattenfell nach Lôrien
begeben, um dort weitere Elbenkrieger zu versammeln. Schattenfell
hatte ein weiteres Mal bewiesen, zu welcher Geschwindigkeit er fähig
war und hatte ihn in weniger als zwei Tagen sicher nach Lôrien
getragen und nun saß Gandalf ungeduldig auf einer Bank unter
einem der großen Mallornbäume und zog an seiner Pfeife,
wobei seine Gedanken immer wieder um die Frage kreisten, wie sie
einem Angriff am Besten begegnen sollten.
Ein sanfter Wind brachte
die Äste und Blätter zum Rauschen und umspielte die Rinde
des Baumes, wirbelte kleinere Blätter und Zweige zu den Füßen
des Zauberers hoch und brachte eine angenehme Frische mit sich. Doch
er nahm nichts um sich herum wirklich wahr, selbst, dass die Pfeife
nicht einmal mehr schwach glimmte und schon längst erloschen
war.
Haradrim, fluchte er unterdrückt. Dies waren
wahrlich schlechte Nachrichten und dass sie sich mit den Orks und
Variags verbündet hatten, zeugte von noch größeren
katastrophalen Ausmaßen! Zusammen stellten sie eine gefährliche
Bedrohung dar, die zu allem imstande war und nichts schien Gandalf
tun zu können, was Aragorn und Gondor vor einem Krieg gegen
diese wilden Horden bewahren konnte, der gewiss eine Vielzahl an
Leben fordern würde.
Diese Erkenntnis entlockte ihm einen
Seufzer und sein Blick schweifte über die ihn umgebenden Wälder,
die von einem trügerischen Frieden zeugten. Die dicken Stämme
schlossen sich schützend um dieses Reich und das Rauschen der
Bäume klang wie eine schöne Melodie, die hier und da durch
den Gesang eines Elben untermalt wurde. Der Schein der Sonne brach
sich in den Zweigen und schickte ihre Strahlen durch sie hindurch und
erweckte noch mehr den Eindruck einer fantastischen, unwirklichen
Welt, die in diesem Glanz funkelte und glänzte.
Die
eifrigen Elben, die sich jedoch auf der Lichtung auf einen Aufbruch
vorbereiteten, zerstörten die Illusion von Frieden und überall
blinkte das Metall der Schwerter und Rüstungen in der
Sonne.
Eine kleine Gruppe Elben, die durch das Unterholz auf die
Lichtung zustrebten, fesselte Gandalfs Aufmerksamkeit plötzlich
und er kniff die Augen zusammen, um gegen das Licht der Sonne besser
sehen zu können und im nächsten Moment erkannte er die
kleine Gestalt, die sich der Gruppe angeschlossen hatte –
Gimli!
Die Augen des Zauberers suchten Legolas unter den Elben,
doch er konnte ihn nicht unter ihnen ausmachen und sofort stand er
auf und eilte dem Zwerg entgegen.
Schon von weitem konnte er die
Kampfspuren an ihm entdecken, Schmutz- und Blutspritzer bedeckten
seine Kleidung und unzählige Schrammen zeigten sich in seinem
Gesicht und Haare und Bart standen struppig und wirr von seinem Kopf
ab.
Eine zierliche Elbin blieb dicht an seiner Seite und sie wies
die gleichen Spuren wie Gimli auf, nur standen auch deutlich Sorge
und Verzweiflung in ihrem hübschen Gesicht. Als sie Gandalf
erblickte, sah sie fragend zu Gimli, der bestätigend nickte und
ihre Augen leuchteten voller Hoffnung auf.
Gandalf
beschleunigte seinen Schritt und eilte ihnen, von einem unguten
Gefühl erfasst, schnellstens entgegen.
"Gimli! Was ist
geschehen und wo ist Legolas?", fragte er und fiel vor dem
Freund auf die Knie, um ihm in die Augen sehen zu können, die
ihm umgehend zeigten, dass etwas Furchtbares geschehen war!
"Auf
dem Weg nach Minas Tirith wurden wir von einer riesigen Truppe Orks
und Männern angegriffen, die Legolas gefangen genommen haben.
Wir haben alles versucht, um ihn zu befreien, doch gegen eine solche
Überzahl konnten selbst wir nichts ausrichten.", er wies
mit einer Kopfbewegung auf Tanhis und Gandalf zog überrascht die
Augenbrauen hoch.
Gimli berichtete ihm ausführlich von dem
Geschehen auf der Lichtung, dem Kampf und dem Zustand von Legolas,
als sie ihn das letzte Mal gesehen hatten.
Seine Ausführungen
machten deutlich, welchen Platz Tanhis an ihrer Seite eingenommen
hatte und Gandalf musterte sie daraufhin mit neuem Interesse und
nickte wissend, während Gimli weiter fort fuhr, von dem Streit
zwischen Legolas und seinem Vater zu berichten, ihrem Aufbruch und
dem Ziel ihrer Reise. Schnell stellte sich heraus, dass sie nichts
von der drohenden Gefahr gewusst hatten, die sich gegen Gondor
richtete, als sie aufbrachen; sie hatten den Boten aus Minas Tirith
sicher verpasst, doch diese Nachrichten, die Gandalf ihnen nun
mitteilte, riefen nur noch größere Sorgen in ihnen
hervor.
Nachdem sie die nötigsten Dinge berichtet hatten,
trat betretenes Schweigen ein, dass Gandalf schließlich mit
sorgenvoller Stimme brach.
"Wir müssen Aragorn davon in
Kenntnis setzen und Thranduil ebenfalls. Egal was zwischen ihm und
Legolas vorgefallen ist, so ist es immer noch sein Sohn, der sich in
der Gewalt des Feindes befindet."
Gimli schnaubte verächtlich
und warf Tanhis einen vielsagenden Blick zu und als er sich wieder an
Gandalf wandte, funkelten seine Augen wuterfüllt.
"Es
hat bis jetzt nicht interessiert, wie es Legolas geht, warum sollte
er jetzt damit anfangen? Er weiß doch noch nicht einmal, was er
da für einen wundervollen Sohn hat! Ich hätte nicht übel
Lust, ihm den Kopf auf den Schultern zurecht zu setzen!"
Gandalf
versuchte ein Lächeln und legte Gimli die Hand auf die
Schulter.
"Zügle deinen Zorn, werter Gimli! Spare dir
den lieber für den Feind auf. Und nun lasst uns gemeinsam
überlegen, was zu tun ist."
Tanhis vermochte den
Überlegungen der Freunde nicht zuzuhören, denn ihre
Gedanken kreisten unaufhörlich um Legolas und der Schmerz in
ihrem Inneren drohte sie zu zerreißen, denn immer wenn sein
Bild vor ihrem geistigen Auge erschien, wurden diese noch stärker
und unerträglich und sie kämpfte gegen die aufsteigende
Panik an.
Mehr als alles andere wünschte sie sich, bei ihm zu
sein, ihn in ihren Armen zu halten und seinen Herzschlag zu fühlen,
während sie sich an ihn schmiegte, doch sie hatte ihn verloren
und war nicht in der Lage gewesen, ihn wieder zu finden.
Immer
wieder sah sie seinen leblosen Körper vor sich, die unzähligen,
kleineren Verletzungen, aber auch das viele Blut, dass den Rücken
seiner Tunika rot getränkt hatte und den fast nicht zu
erkennenden, flachen Atem, der seinen Brustkorb nur schwach hob und
senkte.
Mit ihrer ganzen Hoffnung klammerte sie sich an Gimlis
Aussage, dass die Orks ihn sicher am Leben ließen, um ihn zu
ihren Zwecken verwenden, doch sie quälte die Vorstellung, dass
er jetzt wehrlos und verletzt in den Händen dieser
erbarmungslosen Krieger war, die ihn sicher nicht schonen würden.
Sie mussten ihn so schnell wie nur möglich finden und befreien,
dass alleine war seine einzige
Chance.
Thranduil
überflog nun schon zum wiederholten Mal die unleserlichen Zeilen
auf dem schmutzigen Schriftstück, so als wollte er nicht wahr
haben, was dort geschrieben stand und seine Hand ballte sich
schließlich zusammen und zerdrückte knisternd das Papier.
Mit einer herrischen Handbewegung wies er den Elben an, der ihm das
Schriftstück überbracht hatte, sich zu entfernen und er
unterdrückte die aufsteigende Wut, die erneut in seinem Inneren
aufkeimte.
Diese Wut wurde von vielerlei Nachrichten und
Geschehnissen hervorgerufen und wuchs ins schier unermessliche an,
denn all diese Gründe für die Ereignisse in den letzten
Tagen und Wochen machte er an einer Person fest. Legolas!
Seid
er in die Kolonie zurückgekommen war, hatte sich das Schicksal
seines Volkes zum Schlechten gewendet und sein Sohn hatte zudem alles
daran gesetzt, sich ihm zu widersetzen, was seine Autorität
selbst vor dem Rat gefährdet hatte.
Nachdem er ihn dann in
seine Grenzen verwiesen hatte, fand er rasch einen neuen Weg, um
Schande über sich und seinen Vater zu bringen, indem Legolas
sich nicht nur mit diesem ungehobeltem Zwerg herumtrieb, sondern sich
auch noch mit diesem einfachen Elbenmädchen eingelassen hatte.
Dies bedeutete eine ganz eindeutige Herausforderung an ihn, seinen
Vater, denn Legolas wusste nur zu gut, was für Pläne er
noch mit ihm hatte! Als ob das dann noch nicht genug Schande gewesen
war, hatte er sich ohne ein Wort mit ihr und seinem Freund einfach
vor vier Tagen davon gemacht, ohne um Erlaubnis zu bitten
Am
Nachmittag des gleichen Tages war die Nachricht aus Gondor
eingetroffen, dass sich feindliche Heere auf einen Angriff
vorbereiteten und ihre Unterstützung dringend erforderlich war -
und nun dies. Der Feind hatte Legolas in seine Gewalt gebracht und
verlangte die Verweigerung der Unterstützung und Unterwerfung
seines Volks im Gegenzug zu seinem Leben.
Gewiss hatte diese Elbin
die Sinne seines Sohnes derart vernebelt, dass er die drohende Gefahr
nicht einmal wahrgenommen hatte und blindlings in diese Falle
gelaufen war.
Der Junge zog das Unheil aber auch regelrecht
magisch an! Seid er damals im Ringkrieg den Träger der Bürde
begleitet hatte, war er immer wieder in ausweglose, gefährliche
Situationen geraten, die ihn mehr als einmal das Leben hätten
kosten können! Das war auch das, was Thranduil jetzt am meisten
fürchtete, auch wenn er es niemals zugegeben hätte, aber
trotz aller Differenzen, so liebte er seinen Sohn doch sehr!
Wenn
er sich nur nicht immer und zu jeder Gelegenheit gegen ihn aufgelehnt
hätte! Legolas fügte sich nicht gerne und hatte schon immer
seinen eigenen Kopf besessen, was man an der Tatsache sah, dass er
sich selbst gegen ein jahrtausend Jahre altes Zerwürfnis
zwischen Elben und Zwergen stellte und diese Freundschaft mit Gimli
führte, die schon fast brüderlich war! Die Beiden waren ein
stilles Bündnis miteinander eingegangen, dass selbst der Rat
nicht verstand!
Nun musste Thranduil den Rat erneut zusammen
rufen, um die neuen Umstände in dieser ganzen Sache zu
berücksichtigen, doch es stand wohl außer Frage, wie die
Entscheidung ausfallen würde. Es galt schließlich einen
bevorstehenden Krieg zu gewinnen, der über das Schicksal vieler
Leben entscheiden würde – was bedeutete dies im Vergleich zu
einem einzelnen?
Thranduil verdrängte die Sorgen und straffte
bewusst die Schultern, um wenigstens äußerlich wieder die
Stellung und Erscheinung des Königs einzunehmen, auch wenn sein
Herz im Augenblick mehr dem eines Vaters
glich.
Unerträglich
zog sich das Seil immer strammer um Legolas' Brustkorb und versagte
ihm nun gänzlich, auch nur das nötigste an Sauerstoff in
seine Lungen zu ziehen, und da er außerdem seine Hände
nicht benutzen konnte, konnte er den Schwung des hin und her
schwingenden Seiles nicht abfangen und prallte immer wieder gegen die
kantigen Felsen und Vorsprünge. Der Grund der Schlucht lag noch
immer in völliger Dunkelheit, ein Zeichen dafür, dass er
diese Qualen noch länger ertragen musste, wenn er nicht wieder
das Bewusstsein verlieren würde.
Stück für Stück
gab das Seil mit einem heftigen Ruck nach und brachte ihn dem Ziel um
einige Meter näher und endlich sah er verschwommen leuchtende
Punkte, flackernde Fackeln in den Händen der Orks und Männer,
die bereits abgestiegen waren.
Nur ein kurzes Stück über
dem erlösenden Boden, gab das Seil jedoch plötzlich nach
und Legolas stürzte gut drei Meter in die Tiefe, schlug mit
einem dumpfen Knall auf den felsigen Grund und die Welle des Schmerz
riss ihn mit sich in die erlösende Dunkelheit.
Aus weiter
Ferne drangen Stimmen und Gelächter an sein Ohr und während
er langsam aus der Besinnungslosigkeit erwachte, kehrten die
Schmerzen in jeden Teil seines Körpers zurück. In hastigen,
kurzen Stößen ging sein rasselnder Atem und vor seinen
Augen tanzten Lichtblitze, die in ihm Übelkeit auslösten
und er hob langsam die schweren Lider, um einen Punkt zu finden, auf
den er seine Aufmerksamkeit richten konnte.
Es erwies sich als
unmöglichen Versuch, die Augen länger als wenige Sekunden
geöffnet zu halten, sein Kopf dröhnte und hämmerte und
seine trockene Kehle brannte. Plötzlich wurde er in die Höhe
gezerrt und ein Schmerzschrei entfuhr ihm, worauf sich der Griff um
seinen Arm wieder lockerte und Legolas' zurück auf die Erde
sank.
"Er lebt noch! Dein Glück! Warum hast du ihn auch
nicht halten können? Rinyaviê hätte uns gleich selber
die Kehle aufgeschlitzt, wenn der Elb das nicht überlebt hätte,
du Dummkopf!", knurrte eine dunkle, rauchige Stimme. "Holt
etwas Wasser und flößt es ihm ein und dann machen wir uns
auf den Weg. Ich will ihn abgeliefert haben und außer
Reichweite sein, bevor er sein Leben aushaucht."
Kurze Zeit später fühlte Legolas ein raues Gefäß, dass ihm an die Lippen gehalten wurde und schmeckte das kühle Wasser in seinem Mund, dass auch an den Seiten seines Gesichts entlang lief und er hatte Mühe, sich nicht zu verschlucken. Danach vernahm er sich entfernende Schritte und er verlor, von Kälte geschüttelt, wieder das Bewusstsein.
Frodo
und Sam hatten sich zum Schutz vor der Mittagshitze in die Obstgärten
der Feste zurückgezogen, um dort im Schatten der Bäume ihre
Mahlzeit zu sich zu nehmen.
Vor ihnen erstreckten sich lange
Reihen mit Apfelbäumen, die jetzt in voller Blüte standen
und das summen und schwirren unzähliger Bienen und Hummeln
kreiste über ihren Köpfen, während sie genüsslich
das noch warme Brot kauten, dass sie sich aus der Küche geholt
hatten. Der Duft alleine hatte genügt, um ihnen das Wasser im
Mund zusammen laufen zu lassen und nun stillten sie das deutliche
Knurren ihrer Mägen und genossen den Frieden, den sie in dieser
Zufluchtsstätte empfanden. Sam lehnte gegen den Baumstamm, den
Kopf auf seinen Arm gestützt und blickte zu Frodo auf, der sich
die Mühe gemacht hatte, auf einen der starken Äste zu
klettern. Dort saß er nun, umgeben von unzähligen Blättern
und weißen Blüten, fühlte den sachten Wind, der die
Zweige sanft hin und her wiegte und schaute immer wieder
hoffnungsvoll nach Norden und hatte fast alles um sich herum
vergessen.
"Siehst du etwas, Herr Frodo?",
erkundigte sich Sam. "Ich versteh das nicht! Legolas oder
Gandalf müssten doch längst hier sein! Es passt gar nicht
zu ihnen, dass sie sich nicht einmal melden!"
Frodo sah zu
Sam herunter und nickte zustimmend. Ihm bereitete das Ausbleiben der
Freunde schon seid mehreren Tagen ein flaues Gefühl im Bauch und
immer wieder ertappte er sich dabei, wie er gedankenverloren aus dem
Fenster starrte.
"Irgendeine Erklärung wird es dafür
schon geben, Sam! Und bis wir das erfahren, müssen wir uns eben
in Geduld üben.", er seufzte sorgenvoll und kletterte dann
zu Sam herunter und setzte sich neben ihn.
Sie stellten
gemeinsam die verschiedensten Überlegungen an, die das
Ausbleiben der Freunde jedoch nicht zu erklären vermochten, als
plötzlich der schrille Schrei eines Falken die Luft zerriss und
die beiden erschrocken hochfuhren. Das Tier kreiste in beträchtlicher
Höhe über der weißen Stadt und war gegen das Licht
der prallen Sonne nur schwer auszumachen, sodass Frodo und Sam sich
schützend die Hände über die Augen hielten, um
überhaupt etwas sehen zu können. Wieder erklang der
fordernde Ruf des Raubvogel, bevor er die weit gespannten Flügel
anlegte und sich aus der Höhe herabfallen ließ, geradewegs
auf den Obstgarten nieder. Im letzten Moment öffnete er die
Schwingen wieder und landete sacht in der Nähe der Hobbits auf
einem ausladenden Ast, wobei er auffordernd krächzte und mit den
Flügeln schlug.
Frodo wechselte einen verwunderten Blick mit
Sam, zuckte die Schultern und trat dann vorsichtig auf das schöne
Tier zu, dass sie nicht aus den Augen zu lassen schien. Als Frodo bei
dem Falken angekommen war, murmelte er beruhigende Worte und strich
ihm langsam über das seidig glänzende Gefieder und wie
selbstverständlich ließ der Adler es zu.
Sam
beobachtete alles recht misstrauisch aus einiger Entfernung, doch als
er merkte, dass das Tier sich nicht plötzlich auf den Freund
stürzte, kam er zögerlich näher.
Frodo war völlig
hingerissen von dem schönen Vogel und musterte ihn eingehend,
betrachtete fasziniert die Färbung der Federn und die klugen,
scharfen Augen, den gebogenen Schnabel und den fächerförmigen
Schwanz. Als er die scharfen Krallen erfasste, wurde seine
Aufmerksamkeit sofort auf eine kleine, glänzende Kapsel gezogen,
die an dem Bein des Falken befestigt war und mit flinken Händen
löste er sie.
Augenblicklich wurde er von Aufregung
ergriffen, als er das Symbol von Lôrien darauf erblickte und er
rief Sam näher zu sich.
"Sam! Das ist eine Nachricht aus
Lôrien! Schnell, wir müssen sie zu Aragorn bringen!"
Noch
bevor Sam reagieren konnte, war Frodo auch schon los gelaufen.
Frodo
konnte nur mit Mühe seine Aufregung und Neugier im Zaum halten.
Endlich gab es Nachricht von ihren Freunden und das ungewisse Warten
hatte ein Ende. Doch was erwarteten sie für Neuigkeiten? Waren
die Elben schon zu ihrer Unterstützung unterwegs? Brachten sie
auch Krieger aus Düsterwald mit sich, oder gar Gandalf, Legolas
und Gimli?
Eilig hastete Frodo weiter, ohne den Seitenstichen
Beachtung zu schenken, die der ungewohnte schnelle Lauf so kurz nach
der Mahlzeit hervorrief und nahm an der Treppe immer zwei Stufen auf
einmal.
Hinter ihm hörte er Sam schnaufen, doch er nahm sich
nicht die Zeit, sich nach dem Freund umzudrehen oder gar auf ihn zu
warten, sondern strebte weiter, um so schnell wie nur möglich
endlich das Beratungszimmer von Aragorn zu erreichen. Er rannte den
Gang entlang und stieß fast einen Bediensteten um, der ein
Tablett mit allerlei Dingen trug und nur mit Mühe verhindern
konnte, dass sie scheppernd zu Boden fielen.
Sam murmelte dem
verdutzt guckenden Mann im vorbeilaufen eine Entschuldigung zu und
versuchte mit Frodo schritt zu halten, der nun ohne anzuklopfen die
Türe zu Aragorns Zimmer aufriss.
Mit wild klopfendem Herzen
blieb Frodo stehen, mühsam nach Atem ringend und er wischte sich
mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Aragorn
hatte überrascht den Kopf gehoben und das Gespräch mit
einem seiner Heermeister unterbrochen und zog verwundert die Brauen
hoch, als er Frodo und Sam erblickte, die schnaubend, zu keinem Wort
fähig, im Türrahmen standen.
"Was ist denn in euch
gefahren? Ihr seht aus, als habe euch einer der Ringgeister
verfolgt!" und ein Lächeln flog über seine ernste
Mine.
"Das... nicht! Aber, wir haben... Nachrichten... aus
Lôrien!", stieß Frodo immer noch nach Luft ringend
hervor und sofort wandelte sich Aragorns amüsierter Blick in
Interesse.
Frodo reichte ihm die Kapsel und rasch erbrach Aragorn
das Siegel und zog ein zusammengerolltes Schriftstück aus deren
Inneren, las hastig die Zeilen und hielt dann regungslos inne.
Frodo
versuchte im Gesicht des Freundes einen Anhaltspunkt auf den Inhalt
der Nachricht zu finden, doch Aragorn zeigte nicht die kleinste
Regung, bis Sam es nicht mehr aushalten konnte.
"Was ist?
Wann kommt ihre Unterstützung, Streicher?", verlangte er zu
erfahren.
"Die Armee hat sich gestern auf den Weg gemacht und
dürfte in spätestens vier Tagen hier eintreffen.",
entgegnete Aragorn mit tonloser Stimme und richtete dann seinen Blick
auf die beiden Hobbits, die ihn nicht aus den Augen ließen.
"Die
Nachricht ist von Gandalf, doch sie enthält nicht nur gute
Neuigkeiten..."
Aragorn zögerte. Wie sollte er Frodo und
Sam nur sagen, dass Legolas von den Haradrim gefangen genommen worden
war und zudem auch noch verletzt war? Er war selber bis ins Tiefste
bestürzt über diese Nachricht und konnte es nicht
glauben.
Ein eisiger Schauer überlief ihn bei der
Vorstellung, wie viele der Feinde von Nöten gewesen waren, um
den flinken, kampferfahrenen Elben zu überwältigen und dass
sie dabei mit Sicherheit nicht gerade sanft mit ihm umgegangen waren.
Wie schlimm sie Legolas dabei zugerichtet hatten, wollte er sich gar
nicht erst vorstellen, oder wie sie ihn trotz der Verwundungen
behandeln würden. Elben verfügten zwar über die
Fähigkeit, sich rasch von Verletzungen zu erholen, aber dazu
benötigten sie auch Ruhe und etwas Zeit, zwei Dinge, die Legolas
wohl kaum von den Haradrim erwarten konnte. Aragorn hatte zu viele
Erfahrungen mit diesem Volk gemacht, die ihm keinerlei Hoffnung auf
Rücksicht oder Gnade ließen.
Am Meisten schockierte
ihn jedoch Gandalfs Nachricht, wie Thranduil auf die Botschaft und
Forderungen von Legolas' Gefangenschaft reagiert hatte. Er setzte
ganz klar das Leben seines Sohnes aufs Spiel und rüstete sich
gegen den Feind, ohne dabei auch nur den Versuch zu unternehmen, ihm
zu Hilfe zu kommen!
Was war nur zwischen ihm und Legolas
vorgefallen, dass ihm ein solcher Schritt erst gar nicht in den Sinn
kam?
Gandalf und Gimli konnten es ebenfalls nicht fassen und
teilten Aragorn mit, dass sie sich zusammen mit einer Elbin auf die
Suche nach Anhaltspunkten machen wollten, die ihnen einen Hinweis
darauf geben könnten, was mit Legolas geschehen war!
"Was
ist, Aragorn? Was schreiben die Elben denn? Nun rede schon!",
unterbrach Frodo seine Gedanken.
Mit einem Kopfnicken wies Aragorn
dem Heermeister an, den Raum zu verlassen, was dieser auch umgehend
tat und Nachdem sich die Türe geschlossen hatte, ließ
Aragorn sich in seinen Lehnstuhl zurücksinken und rieb sich über
die Augen um sich zu sammeln. Als er die Hand wieder sinken ließ,
begegnete er den Sorgenvollen Blicken der beiden Hobbits, die immer
noch rote Gesichter von ihrem anstrengendem Lauf hatten, und bemühte
sich, die richtigen Worte zu finden.
"Es gibt wahrlich keine
guten Neuigkeiten aus Lôrien und Düsterwald, meine
Freunde! Nach meiner Nachricht hat sich Gandalf nach Lôrien
aufgemacht, um dort weitere Unterstützung anzufordern, während
sich Elronds Truppen Marschbereit machen und aus Düsterwald
kommt ebenfalls die Zusage der Unterstützung!"
"Aber
das sind doch gute Nachrichten, Streicher! Warum sprichst du von
schlechten, wenn wir doch endlich die Hilfe bekommen, die wir
brauchen!"
Aragorn seufzte.
"Lass mich ausreden, Sam.
Das war noch nicht alles! Gandalf traf in Lôrien auf Gimli und
musste leider erfahren, dass die Haradrim, zusammen mit einigen Orks,
ihm, einer Elbin und Legolas aufgelauert haben. Die Elbin und Gimli
konnten fliehen, aber...,", er machte eine Pause."...Legolas
haben sie überwältigt, als er ihnen Zeit verschaffen
wollte."
Frodo und Sam wechselten einen zutiefst
bestürzten Blick und beinahe fürchteten sie sich davor, was
Aragorn ihnen noch zu sagen hatte. In seiner Stimme hatte so ein
Unterton mitgeschwungen, der in Frodo Unbehagen hervorrief und er
suchte Halt an der Stuhllehne von Aragorn.
"Wurde er...
verletzt?", fragte Sam mit zitternder Stimme.
"Ja, Sam.
Und nach allem, was ich diesem Brief hier entnehme, sehr schwer. Die
Haradrim sind wohl nicht sehr leicht mit ihm fertig geworden und
haben ihn übel zugerichtet, bevor sie ihn dann mitgenommen
haben."
"Sie haben ihn gefangen genommen?", stieß
Frodo entsetzt aus, und er glaubte, der Raum um ihn würde sich
beginnen zu drehen.
"Ja, aber das ist immer noch nicht alles!
Der Feind wollte Legolas als Druckmittel dafür einsetzen, dass
Thranduil seine Hilfe verweigert und sich unterwirft, aber er hat
abgelehnt..."
Die letzten Worte schwebten noch eine Zeit
lang im Raum, bevor den Hobbits ihre Tragweite bewusst wurde, doch
als sie es verstanden, zeigte sich deutlich ihr Entsetzen und die
Sorge auf ihren Gesichtern. Sam reagierte als erster.
"Aber
das kann er doch nicht tun! Dann werden sie Legolas nicht am Leben
lassen! Was tut Thranduil denn da – Legolas ist doch sein
Sohn!"
Aragorn erhob sich und stellte sich neben Frodo, der
bleich und niedergeschlagen im Zimmer stand und legte ihm die Hand
auf die Schulter.
"Thranduil tut nur das, was er für
sein Volk als das Beste erachtet. Es würden viele Elben getötet
werden, trotz diesem Angebot der Haradrim und am Ende hätten sie
nicht einmal ihre Freiheit."
Frodos Stimme war nicht mehr als
ein Flüstern und es schien ihn große Mühe zu kosten,
überhaupt einen Ton heraus zu bringen.
"Du wirst das
doch nicht zulassen, oder? Wir werden doch etwas unternehmen, nicht
war?"
Völlig
erschöpft und mutlos ließ Tanhis sich auf einen der
kleinen Steine in der Nähe ihres Lagers nieder und vergrub ihr
Gesicht in den Händen, damit niemand die Tränen sehen
konnte, die sie mit aller Gewalt zurück zu drängen
versuchte. Sie hatte bei ihrem Aufbruch so gehofft, eine Spur zu
finden, die ihnen Aufschluss geben würde, wohin ihre Feinde
Legolas gebracht hatten, doch es waren bereits drei Tage vergangen
gewesen, bevor sie überhaupt etwas unternommen hatten und nun
neigte sich der vierte Tag seinem Ende entgegen – ohne
Erfolg.
Anfangs hatte sie es als Erlösung empfunden, endlich
nicht mehr zur Untätigkeit verbannt zu sein, doch nachdem sie
bis jetzt noch nichts gefunden hatten, machte sich wieder das Gefühl
der Leere in ihrem Inneren breit.
Eisig prasselte der Regen
auf sie herab, doch selbst das vermochte sie nicht zu fühlen und
schon nach kurzer Zeit war sie völlig durchnässt, ihre
Haare hingen tropfend auf ihre Schultern und einige Strähnen
klebten an ihrem Gesicht, dunkle Flecken hatte sich feucht auf ihrer
Kleidung gebildet und sie zitterte vor Kälte.
Erst dir sanfte
Stimme von Gandalf riss sie aus ihrer Benommenheit und sie blickte
auf, in das gütige Gesicht des Zauberers, der sich zu ihr
herunter beugte und ihr wortlos einen Mantel um die Schultern
legte.
"Gib die Hoffnung nicht auf, Tanhis. Wir werden ihn
finden, oder glaubst du etwa, der Zwerg würde vorher Ruhe
geben?"
Ein sanftes Lächeln breitete sich über das
Gesicht von Gandalf, doch Tanhis wusste nur zu gut, wie schlecht die
Aussichten waren, vor allem, seitdem sie die Nachricht von Thranduil
erhalten hatten, dass er sich gegen die Forderungen des Feindes
gestellt hatte.
Tanhis konnte es immer noch nicht fassen, dass der
König das Leben seines Sohnes so bereitwillig opferte, ohne auch
nur den Versuch zu unternehmen, zu verhandeln oder ihn zu finden.
Ihre Wut, die in ihrem Inneren aufkeimte, verdrängte bei diesen
Gedanken augenblicklich die Leere, doch die Angst blieb und krallte
sich mit festem Griff um ihr Herz, sodass es bei jedem Schlag
schmerzte. Nie hatte sie es für möglich gehalten, dass sie
in so kurzer Zeit jemandem soviel Liebe entgegen bringen könnte,
wie sie es bei Legolas tat, doch das bedeutete nun auch die
schlimmste Qual für sie und sie würde einfach alles tun, um
wenigstens bei ihm zu sein!
Gandalf zog sie bestimmt in die
Höhe und führte sie zu ihrem Lager, das geschützt an
einer Felswand aufgeschlagen war, deren Vorsprung sie wie ein Dach
vor dem Regen schützte und den Wind abhielt. Gimli hatte ein
wärmendes Feuer entfacht und darüber Wasser erhitzt, um
einen Tee zu kochen, der auch die Kälte aus ihren Knochen
vertreiben würde. Als er Tanhis einen Becher davon reichte, sah
sie auch in seinem Gesicht die großen Sorgen um den Freund und
sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie es in dem Zwerg
aussah.
Trotz der anfänglichen Differenzen zwischen ihnen,
hatten Legolas und er sich auf ihrem langen Weg nach Mordor
angefreundet, was gerade zwischen Elben und Zwergen eine undenkbare
Sache gewesen war, aber nun verband sie eine so feste Freundschaft,
dass alle Gegensätze nicht mehr existierten. Sie würden
füreinander ihr Leben geben, ohne auch nur einen Augenblick zu
zögern!
Als ob Gimli ihre Gedanken erraten hätte,
nahm er mitfühlend ihre Hand in seine und sah sie ernst
an.
"Dieses Spitzohr ist zäher als du denkst! Er wird es
schon schaffen und wenn wir erst einmal wissen wo er steckt, werde
ich nicht eher aufgeben, bis wir ihn befreit haben – oder ich vom
Feind erschlagen werde! Aber vorher werden diese meine Axt zu spüren
bekommen und sie werden am eigenen Leib erfahren, was es heißt,
den Zorn eines Zwergs auf sich zu ziehen!"
Tanhis lächelte
schwach und drückte dankbar seine Hand, dann nahm sie einen
kräftigen Schluck des heißen Getränks und fühlte,
wie sich die Wärme langsam in ihrem Körper ausbreitete,
unterstützt durch das knisternde Feuer.
Zusammen saßen die drei Wanderer noch beisammen und bereiteten eine kleine Mahlzeit zu, doch keiner hatte eigentlich richtig Appetit und so blieb noch eine beträchtliche Menge übrig, die sie als Proviant in ihren Bündeln verstauten. Sie berieten noch ihre nächsten Schritte für den nächsten Tag, bevor sie sich zu ihren Schlafplätzen begaben, doch Tanhis fand lange keine Ruhe. Immer wieder tauchte Legolas' Bild hinter ihren geschlossenen Lidern auf und die Angst um sein Leben lastete schwer auf ihr. Das Herumwälzen und mürrische Brummen zeigte ihr, dass es Gimli nicht viel besser erging, doch irgendwann legte sich Stille über das kleine Lager und auch Tanhis glitt in einen unruhigen Schlaf.
Langsam
kam Legolas wieder zu sich, begleitet, von stärker werdenden
Schmerzen die fast seinen ganzen Körper erfüllten und ein
gedämpftes Stöhnen entfuhr ihm. Er ließ die Augen
geschlossen und nahm trotzdem das Treiben um sich herum wahr, das die
Haradrim, Variags und Orks verursachten.
Geräusche von
stampfenden Schritten, Stimmen, Gelächter, klapperndem Geschirr,
klirrenden Schwertern und prasselndem Feuer drangen an sein Ohr und
bestätigten seine Vermutung, dass die Truppe rastete. Ein
ekelerregender Gestank von verkohltem Fleisch lag in der Luft,
begleitet von den Gerüchen der Männer und Orks und Legolas
kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an.
Er lag etwas Abseits auf dem harten, felsigem Steinboden und wurde von Kälte geschüttelt, seine Glieder waren fast taub von den viel zu strammen Fesseln die erbarmungslos seine Arme auf den Rücken gezerrt hielten und ihm das Atmen noch zusätzlich erschwerten. Doch er fühlte sich trotz allem schon etwas besser, was ihn vermuten ließ, dass er eine ganze Weile bewusstlos gewesen war und die Gruppe schon länger rastete, denn die Ruhe hatte seinem Körper Zeit verschafft, sich ein wenig zu erholen. Er wagte es, einen Blick auf das Lager zu werfen, verhielt sich aber ganz ruhig, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und versuchte, sich ein genaues Bild der Lage zu machen.
Sie befanden sich in
einer weitläufigen, gewölbten Höhle, die mindestens
fünfzig Männern und Orks den nötigen Platz bot und von
der zwei Tunnel in entgegengesetzter Richtung abführten. Es gab
also nur diese beiden Möglichkeiten, den Weg fortzusetzen,
zurück oder vorwärts, und Legolas mochte sich nicht
vorstellen, was ihn am Ende erwarten würde. Die Truppe schien
ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, indem er eine wichtige Rolle
spielen musste, denn sonst wäre er sicherlich nicht mehr am
Leben und sie hätten ihn im Kampf nicht verschont.
Etliche
Krieger der Gruppe hatten bereits ihre Mahlzeit beendet und waren
bereits wieder dabei, das Lager zu räumen und einen baldigen
Aufbruch vorbereiteten, denn sie wiesen die anderen zur Eile an,
damit sie weiter marschieren konnten. Das bedeutete auch, dass
Legolas sich von den Folgen des Kampfes nicht mehr lange erholen
konnte.
Als ihm der Kampf wieder in den Sinn kam, erwachte auch
die Sorge um Tanhis und Gimli in seinem Herzen und er sah sie wieder
mit gezogenen Waffen auf die Lichtung laufen, bevor sie aus seinem
Blickfeld verschwunden waren. Hoffentlich ist ihnen nichts zugestoßen
und sie konnten erneut flüchten, flehte er im Stillen und er
wünschte sich nichts mehr, als die Beiden in Sicherheit zu
wissen.
Tanhis! Allein der Gedanke an sie reichte aus, damit er
sich schon wohler fühlte und er versuchte, sich jede Einzelheit
ihrer Erscheinung ins Gedächtnis zu rufen, um sich von den
Schmerzen abzulenken und neue Kraft und Zuversicht zu gewinnen. Für
sie alleine musste er durchhalten, denn er konnte sich lebhaft
vorstellen, was sie sich seinetwegen für Sorgen machen würde,
so wie er sich um sie sorgte.
Schritte lenkten Legolas'
Aufmerksamkeit wieder auf das Lager und er sah, wie sich ihm der
breitschultrige Haradrim wieder näherte, der ihn an dem Seil
herunter gelassen hatte. Ein hämisches Grinsen lag auf dessen
Gesicht, was Legolas zeigte, dass ihn erneute Qualen erwarten würden
und augenblicklich wurde das auch bestätigt.
"Genug
ausgeruht, Elb! Es wird Zeit, dass du zu Rinyaviê kommst und
versuche keine Tricks! Du hast ja gemerkt, was alleine dein Fluch für
Folgen hatte!"
Mit einem Tritt verdeutlichte er seine Worte
und lachte amüsiert auf, als Legolas sich zusammenkrümmte
und nach Luft rang. Schonungslos zog er ihn dann an den Armen nach
oben, schubste und stieß ihn vorwärts, einer Gruppe Orks
hinterher, die bereits in dem schmalen Tunnel verschwunden
waren.
Legolas konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen
halten, aber der Haradrim trieb ihn unerbittlich vor sich her und gab
ein beträchtliches Tempo vor und immer wieder strauchelte
Legolas. Sein Atem ging stoßweise und hastig und immer wieder
verschwamm die Umgebung vor seinen Augen und es kostete ihn alle
Mühe, nicht wieder das Bewusstsein zu verlieren. Bald fühlte
er wieder das Blut seinen Rücken herunter rinnen, denn der Mann
drückte ihn immer wieder seinen Schwertknauf gegen die Wunde, um
ihn vor sich her zu treiben und daran zu hindern, stehen zu
bleiben.
Der Tunnel führte nun stetig Bergan und verlangte
von Legolas zusätzliche Kraft durchzuhalten, aber bald bedeutete
jeder Schritt eine enorm große Anstrengung und er schleppte
sich nur noch langsam vorwärts. Blutverschmiert klebte die
Tunika an seinem Rücken, das Luftholen schmerzte und Schwindel
erfasste ihn, bis schließlich seine Kräfte versagten und
seine Beine nachgaben. Das Letzte, was Legolas wahrnahm, war das
Gesicht von Tanhis, das ihn mit angsterfüllten Augen ansah und
er zweifelte das erste Mal daran, dass er sie jemals wieder sehen
würde, bevor ihn die Dunkelheit
umfing.
Aragorn
lehnte sich erschöpft und niedergeschlagen gegen den Rahmen des
Fensters und schaute in den Hof herunter wo einige Stallburschen
dabei waren, die Pferde für den Aufbruch einer kleinen Gruppe
Krieger vorzubereiten, die ein kleines abgelegenes Dorf gegen einen
Angriff des Feindes unterstützen sollte. Der Stallmeister
erteilte den Jungen strenge Befehle, doch sein Blick verriet, dass
ihm seine Arbeit, die Burschen auszubilden und ihnen sein Wissen zu
vermitteln, viel Freude bereitete. Pflichtbewusst führten die
heranwachsenden Männer seine Anweisungen aus und auch ihnen war
anzusehen, dass ihnen die Arbeit Spaß bereitete und sie willig
waren zu lernen.
Aragorn nahm das alles nur schwach zur Kenntnis,
denn seine Augen waren auf ein nicht zu findendes Ziel gerichtet und
er war tief in Gedanken versunken, in einen Kampf mit sich selber,
hin und her gerissen zwischen seinen Pflichten als König und der
Freundschaft zu Legolas. Die Sorge um den Freund machte jeden anderen
Gedanken unmöglich, wuchs von Stunde zu Stunde weiter an, in der
er nichts unternehmen konnte. Diese Untätigkeit, zu der er
verdammt war, quälte ihn und er verfluchte die Tatsache, dass es
ihm nicht möglich war, sich einfach auf Brego zu schwingen und
dem Elb zu Hilfe zu eilen.
Er wandte den Blick zum Himmel und
suchte ihn nach dem Falken ab, der als Bote zwischen ihm und Gandalf
diente, damit der Zauberer und Gimli ihm sofort Bescheid geben
konnten, wenn sich etwas Neues ergeben hatte, doch er fand das Tier
nicht.
Wo mochten sich die beiden Freunde jetzt befinden,
sicherlich von nicht weniger Sorge erfüllt, wie er selbst! Doch
sie waren dabei, etwas zu tun, während er dazu verdammt war,
hier festzusitzen und seinen Truppen Anweisungen zu erteilen, wie sie
gegen die unzähligen Angriffe der verbündeten Feinde
angehen sollten.
Aragorn fluchte lästerlich und schlug wütend
mit der flachen Hand gegen den Fensterrahmen, was ihm jedoch keine
Linderung oder Erlösung einbrachte. Eine ruhige Stimme hinter
ihm, ließ ihn plötzlich erschrocken zusammenzucken und er
fuhr sich mit den Händen durch das Haar und drehte sich langsam
zu Arwen um.
"Ich wollte dich nicht erschrecken, Aragorn!
Aber es wird Zeit, dass du eine Entscheidung triffst – Legolas'
Leben hängt davon ab!"
"Das ist mir durchaus
bewusst!", fuhr er sie barsch an. "Meinst du denn, ich
würde nicht alles tun, um ihm zu helfen? Am liebsten würde
ich mich selbst sofort aufmachen und ihn suchen!"
Arwen
trat neben ihn und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die
Schulter.
"Ich weiß doch, dass du dir Sorgen machst.
Aber die Zeit läuft uns nun einmal davon und Frodo und Sam
werden schon ganz ungeduldig. Sie können nicht länger
warten, Aragorn."
"Was schlägst du vor?",
fragte er schon sehr viel milder.
Arwen lächelte leicht und
zog ihren Mann in die Arme.
"Übertrage die
vorübergehende Entscheidungsgewalt an Êomer! Er wird dich
würdig vertreten, bis du Legolas gefunden hast. Ich bin mir
sicher, dass die Hobbits nicht zögern werden und dich begleiten
werden. Der Stallmeister könnte noch bis zum Nachmittag die
Pferde und Ponys für euch bereit haben!"
Zärtlich
legte Aragorn seine Hand auf ihre Wange und sie schmiegte sich eng
daran und blickte ihm tief in die Augen.
"Das liebe ich so an
dir! Du hast ihm doch sicherlich schon längst die Anweisung
erteilt, die Tiere zu satteln, oder?"
Ihr Lächeln wurde
breiter und sie senkte schuldbewusst die Lider, doch er umfing ihr
Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen.
"Geh und sag den
Hobbits Bescheid! Wenn Thranduil schon nicht bereit ist Legolas zu
helfen, so muss eben ich alles daran setzen, um ihm zu
helfen!"
Arwen drückte ihm einen Kuss auf die Lippen
bevor sie sich aus seiner Umarmung löste und zur Türe ging,
doch sie hielt noch einmal inne und drehte sich zu Aragorn um.
"Ich
wusste, du würdest ihn nicht aufgeben! Finde ihn und bringe ihn
sicher zu uns zurück!"
Aragorn nickte stumm und er
flehte zu den Valar, dass sie Legolas noch rechtzeitig finden und
befreien
konnten.
Sie hatten nicht einmal das
kleinste Geräusch der großen Gruppe von Elbenkriegern
vernommen, bis sie plötzlich vor ihnen gestanden hatten! Trotz
ihren vielen Waffen und Schilden hatte sie nicht den kleinsten Laut
verursacht, eine Fähigkeit, die einzig und alleine den Elben
zuteil war. Gandalf, Gimli und Tanhis ließen ihren Blick über
die unzähligen Reihen schweifen, die sich auf dem Weg nach Minas
Tirith befanden, um von dort aus die Truppen des Königs zu
unterstützen.
Bei diesem Gedanken zog sich unwillkürlich
Tanhis' Kehle wieder enger zusammen, denn es bedeutete praktisch
Legolas' Todesurteil, wenn der Feind diese Armee in den Süden
marschieren sah! Wie konnte Thranduil nur so eine Entscheidung
treffen? War ihm Legolas denn so egal, dass er ihn einfach so
opferte?
Gimli schienen die gleichen Gedanken durch den Kopf zu
gehen, denn er blickte sehr mürrisch drein und man konnte die
unbändige Wut in seinen Augen blitzen sehen.
Gandalf trat
hinter sie und legte den Beiden seine Hände auf die Schultern,
um ihnen zu bedeuten, die Ruhe zu bewaren, dann trat er vor und
richtete sein Wort an den Hauptmann der Gruppe, der mit einer
Handbewegung das Heer zum Anhalten gebracht hatte. Gandalf wollte
gerade nach den Anweisungen fragen, die sie von Thranduil erhalten
hatten, als sich die Gruppe in der Mitte teilte und den Blick auf
einen Elben frei gab, dessen Erscheinung alleine schon zeigte, das er
zu Recht die Königswürde besaß.
Er trug zwar ein
äußerst schlichtes Gewand, doch seine Statur, Haltung und
Ausstrahlung reichten völlig aus, um seinen Stand zu
verdeutlichen. Seine Ähnlichkeit mit Legolas schmerzte Tanhis
regelrecht und sie senkte ergriffen das Haupt, weil sie den Anblick
nicht länger ertragen konnte.
Gimli wäre ohne zu
zögern mit gezogener Waffe auf den Elben losgegangen, aber
Gandalf gelang es gerade noch, ihn an seinem Arm gepackt zurück
zu halten.
"Was tust du da, Gandalf? Lass mich los! Ich werde
jetzt mal ein ernstes Wörtchen mit diesem herzlosen Kerl reden,
der es nicht verdient hat, sich einen Vater zu nennen!"
Thranduil
trat unbeeindruckt von diesem Ausbruch näher auf die Freunde zu
und nickte Gandalf zur Begrüßung kurz zu, bevor er seinen
Blick auf Tanhis richtete, die immer noch hinter Gandalf stand. Sie
konnte den bohrenden Blick des Königs förmlich auf sich
fühlen, wie er sie bis in ihr Innerstes musterte, fast jeden
Winkel ihrer Seele erforschte, sodass es ihr regelrecht Schmerzen
bereitete und sie schwankte. Als er endlich von ihr abließ,
hatte er all ihre Stärken, Schwächen, Gefühle und
Geheimnisse von ihr erfasst und sie empfand es als eine Schändung
an ihrer Seele, die ohne ihr Einverständnis durchgeführt
worden war.
Wut und Zorn keimte in ihr auf und verdrängte
schließlich jeden Respekt Thranduil gegenüber und es war
ihr egal, was er von ihr denken mochte. Sie trat von neuer Kraft
erfüllt auf ihn zu, hielt seinem herablassenden Blick stand und
funkelte ihn wütend an. Thranduil lachte amüsiert auf.
"Ihr
seid wahrlich genau so, wie ich es erwartet hatte! Hätte ich das
vorher gewusst, hätte ich mir weniger Sorgen darum gemacht, dass
mein Sohn es mit euch ernst meinen könnte. Er wird schnell genug
selber merken, dass ihr nicht seinem Stand entsprecht und bald die
Lust an euch verlieren! Er hat sich sowieso nur auf euch eingelassen,
um mich erneut zu erzürnen, doch das hat ihn wieder nur in
Schwierigkeiten gebracht! Ich hoffe, er begreift nun was sein Handeln
für Folgen haben kann und bekommt noch die Gelegenheit, daraus
zu lernen!"
Tanhis konnte nicht glauben, was sie da eben
gehört hatte. Thranduil kannte seinen Sohn wirklich kein
bisschen und wenn ihnen nicht bald das Schicksal zu Hilfe kam, würde
er wohl auch nie die Gelegenheit dazu bekommen, ihn kennen zu lernen!
Aber dieser Umstand schien ihn nicht im Mindesten zu interessieren!
Ihre Gefühle wallten in ihr auf und verursachten ein
regelrechtes Chaos in ihr und mehr aus ihrem Herzen heraus, als aus
ihrem Verstand, handelte sie blitzschnell. Sie packte Thranduil am
Arm, der sich schon von ihr abwenden wollte und umgehend spannten die
Krieger hinter ihr, als Reaktion auf ihr unerlaubtes Handeln, ihre
Bögen, die zweifellos auf sie gerichtet wurden. Tanhis ließ
den König nicht aus den Augen, jeder Muskel in ihrem Inneren war
bis auf das äußerste gespannt und sie wusste, dass
Thranduil tatsächlich Legolas' Leben opfern würde, als
sein Volk und Düsterwald aufzugeben.
"Was seid ihr nur
für ein König, wenn für euch nicht jedes Leben zählt?
Ihr seid die Liebe nicht wert, die Legolas euch entgegenbringt und
ihr merkt nicht einmal, wie viel er für euch empfindet! Er
versucht ständig, euren Ansprüchen gerecht zu werden, aber
ihr gebt euch selbst damit nicht zufrieden. Aber ihr müsst euch
in Zukunft keine Gedanken mehr darum machen, dass er euch Schande
bereitet! Wenn die Valar uns gnädig sind, werden wir ihn
befreien und wenn es mein eigenes Leben fordern sollte, denn er ist
es wert, dass man für ihn kämpft und er würde das
gleiche für mich tun! Aber das ist etwas, was ihr nie verstehen
werdet, denn ihr habt nie diese Liebe erfahren, die er bereit ist zu
geben!"
Thranduil hielt ihren Blick fest, völlig
sorglos und unbekümmert der Tatsache gegenüber, dass das
Leben seines Sohnes in Gefahr war und was Tanhis ihm gesagt hatte.
Seine Augen waren noch kälter, als der tiefste Winter und
bestätigten Tanhis die Gefühlskälte, die in ihm
herrschte.
"Du bist schwach, und voller Furcht!", stieß
er hervor und schüttelte Tanhis Hand ab, die ihn noch immer
gepackt hielt.
"Diese Furcht und Schwäche verleiht aber
auch Mut und Kraft, die stärker ist, als alles was ihr jemals
kennen lernen werdet! Ihr habt schon verloren, das Wertvollste, was
es zu verlieren gibt!"
Sie wandte sich ab und ließ den
König einfach stehen und sie konnte den Blick nicht sehen, den
er ihr hinterher warf. Er war gefüllt mit Erstaunen, Interesse
und Bewunderung für diese Elbin, deren Wesen er eindeutig
unterschätzt hatte, aber auch mit Trauer über die
Erkenntnis, dass sie wahrscheinlich mit allem was sie gesagt hatte,
Recht behalten
würde.
Die Gruppe der Feinde erreichte am Ende des fünften Tages nach dem Überfall endlich ihr Ziel, eine versteckte Höhle inmitten des Nebel-Gebirges, zu dem sie über einen unterirdischen, verborgenen Gang vom Dol Guldur aus gelangt waren. Es erfüllte sie mit Schadenfreude, dass sie es geschafft hatten, den Elbenprinz vor der Nase seiner Freunde in ihre Gewalt gebracht zu haben und sich immer noch in dem Gebiet der Elben aufhielten, ohne das diese eine Ahnung davon hatten, dass sie ihm so nah waren! Rinyaviê, ihr Anführer würde sich freuen, dass sie seine Befehle so erfolgreich durchgeführt hatten und ihnen gewiss eine besondere Belohnung zuteil werden lassen!
Legolas hatte den Rest des
Marsch nicht wirklich wahr genommen, denn die Verletzungen hatten ihm
jede Kraft geraubt, verstärkt, durch die weiteren Qualen, die
ihm die Männer und Orks während der ganzen Zeit bereitet
hatten und ihm keine Gelegenheit gelassen hatten, sich auch nur ein
wenig zu erholen. Zusätzlich machte ihm der lange Aufenthalt
unter der Erde zu schaffen, der gegen jede seiner natürlichen
Bedürfnisse sprach. Er brauchte das Gefühl der Weite um
sich herum, den Sonnenschein, die Bäume und die frische Luft.
Hier fühlte er zusehendst, wie seine Lebenskräfte schwanden
und die Wände schienen immer näher zu rücken, bis sie
ihn letztendlich zerquetschen würden.
Die Luft war stickig
und von den verschiedensten Gerüchen erfüllt, die ihm
zusätzlich noch das Atmen erschwerten und ihm immer wieder das
Bewusstsein raubten. Er gab die Hoffnung schon beinahe auf, Tanhis
jemals wieder zu sehen, oder gar einen seiner Freunde - sie würden
zu spät kommen, wenn sie ihn überhaupt jemals finden
würden.
Nachdem er durch die Anstrengungen des Aufstiegs
gestürzt war, hatte ihn wieder einer der Haradrim geschultert,
damit sie besser vorankamen, was seinen Zustand jedoch nicht gerade
gebessert hatte. Jetzt deutete aber alles darauf hin, dass die
Strapazen der Wanderung ein Ende hatten, denn die Gruppe löste
sich in dem riesigen Gewölbe auf, bis nur noch der Führer
der Gruppe den Haradrim begleitete, der ihn trug.
Legolas überkam
das ungutes Gefühl, dass ihn auch hier nichts Besseres erwarten
würde, er vielleicht aber endlich erfahren würde, warum man
ihn überhaupt gefangen genommen hatte und ob Tanhis und Gimli
noch am Leben waren. Wenigstens diese Ungewissheit mochte er
verlieren, bevor er sich seinem Schicksal fügen würde, denn
der Gedanke an die Beiden machte ihn beinahe wahnsinnig. Ihn quälte
die Vorstellung, dass sie wegen ihm verwundet oder gar getötet
worden waren, als sie versucht hatten, ihm zu
helfen.
Rinyaviê
beobachtete mit Genugtuung, wie sich sein Hauptmann und einer aus
seiner Truppe, einen Weg durch das Lager bahnten und dabei den
scheinbar bewusstlosen Elben trugen, der regungslos über die
Schulter des Kriegers hing.
Selbst von Weitem konnte er sehen,
dass die Truppe nicht gerade zimperlich mit ihm umgegangen war, denn
seine Kleidung wies überall Blutspuren auf und für einen
Augenblick bereute er es, dass er nur gesagt hatte, er sollte noch
leben wenn er das Lager erreichte und nicht auch, dass sie ihm dabei
kein Haar krümmen durften! Dieser Gedanke kam eindeutig zu spät
und er bezweifelte auch ernsthaft, dass es seinen Männern dann
gelungen wäre, ihn in ihre Gewalt zu bringen, geschweige denn,
ihn hierher zu schaffen. So konnte er nur hoffen, dass das Spitzohr
noch einige Zeit durchhielt, bis sie ihn nicht mehr für ihre
Zwecke benötigten, denn ein toter Elbenprinz nutzte ihnen nicht
das Geringste!
Diese Hoffnung wandelte sich nun in regelrechte
Sorge, als die Männer vor ihn traten und den Gefangenen einfach
zu Boden fallen ließen, ohne das sich die kleinste Andeutung
von Leben in ihm regte. Er fiel auf den Rücken und so konnte
Rinyaviê sein Gesicht sehen, was ihn erneut fluchen ließ,
denn selbst für einen Elben war er erschreckend blass und seine
Gesichtszüge stachen scharf hervor. Kratzer und Schrammen
zeichneten ihn überall und nur schwach ging sein flacher
Atem.
Zorn und Wut über die Unfähigkeit seiner Männer
wallte in ihm auf, der ihn dazu veranlasste, sich von seinem Lager zu
erheben und sich zu seiner vollen Größe aufzurichten. Er
überragte den Hauptmann um fast einen ganzen Kopf und sein Haar
fiel ihm in weichen, braunen Strähnen auf die breiten Schultern,
die von seinem roten Umhang bedeckt waren. Sein Anblick reichte aus,
um die beiden Männer einen Schritt zurück weichen zu lassen
und der finstere Blick aus den dunklen, herrischen Augen veranlasste
sie zu einem weiteren. Rinyaviê beugte sich zu dem Elben
herunter, der langsam wieder zu sich kam und kaum merklich die Lider
hob und einen vergeblichen Versuch unternahm, sich auf die Seite zu
rollen, da die momentane Lage ihm offensichtlich Schmerzen
bereitete.
Barsch erteilte Rinyaviê die Anweisung, die
Fesseln zu lösen, was sein Hauptmann umgehend tat und sich
wieder zurückzog, um seinem Herrn Platz zu machen, damit er die
Verletzungen begutachten konnte, die ihr Gefangener davongetragen
hatte. Bei jeder seiner Berührungen erklang ein gedämpftes
Stöhnen und der Elb wand sich gequält hin und her, um
seinem Griff zu entgehen. Rinyaviê zerriss grob die ohnehin
kaputte Tunika, entblößte einen zerschundenen Leib, dessen
Seite unnatürlich gefärbt und verrenkt aussah und von
gebrochenen Rippen zeugte, die ihm offensichtlich das Luftholen
erschwerten. Die Wunde am Rücken glühte rot und heiß
von einer beginnenden Entzündung, doch der Rest der Verletzungen
hatte sich bereits geschlossen. Dennoch war der Zustand des Elben
alles andere als beruhigend und es benötigte schon eine gehörige
Portion Glück und Pflege, um ihn soweit wieder herzustellen,
dass er vorerst am Leben blieb.
Rinyaviê widerstand dem
Drang, die beiden Männer seine Schwertklinge spüren zu
lassen, um sie dafür zahlen zu lassen, dass sie ihm eine fast
tote Geisel gebracht hatten und sich dabei noch so verhielten, als ob
sie die beste Arbeit geleistet hätten. Doch er konnte auf keinen
der Männer verzichten, denn jeder Krieger weniger bedeutete ein
herber Verlust, der über Sieg oder Niederlage entscheiden
konnte. Trotzdem musste er seinem Ärger Luft machen und so
schrie er seinen ganzen Zorn heraus, sodass im gesamten Lager
augenblicklich Ruhe einkehrte.
"Das darf doch nicht euer
Ernst sein, ihr einfältigen Narren! Ihr habt ihn ja fast
umgebracht! Der Elbenkönig wird wohl kaum unsere Forderungen
erfüllen und sich gegen einen Kampf entscheiden, wenn er einen
toten Sohn zu Gesicht bekommt! Seht ihn euch an! Jetzt können
wir unsere Zeit auch noch damit verschwenden, ihn wieder so gut es
geht zusammen zu flicken! Geht und kommt mir für heute nicht
mehr unter die Augen! Schickt nach dem Heiler, damit er versuchen
kann zu retten, was noch zu retten ist!"
Legolas vernahm
diese Äußerungen wie durch einen dichten Nebel hindurch ,
aber sie zeigten ihm nur zu deutlich die Hoffnungslosigkeit seiner
Lage auf, er fühlte selbst, dass es nicht gut um ihn stand.
Feurig breitete sich der Schmerz in seinem Rücken aus, ein
Zeichen der fortschreitenden Entzündung der Stichverletzung,
seine gebrochenen Rippen machten es ihm unmöglich, eine
schmerzfreie Bewegung zu tun, was auch das Luftholen zu einer Qual
machte. Er hatte eine Menge Blut verloren und seine Arme verließ
nur langsam das taube Gefühl. Sein Leben lag nun in den Händen
seines Vaters, der sicher nichts unternehmen würde, was die
Sicherheit und Freiheit seines Volks gefährdete! Vor allem
nicht, nachdem der letzte Streit zwischen ihnen stattgefunden hatte
und er ohne ein Wort mit Gimli und Tanhis sein Reich verlassen hatte!
Sicher hatte er bereits von seiner Bindung zu Tanhis erfahren, die
ihn sicherlich ebenfalls nicht sehr erfreut hatte.
Seine einzige
Hoffnung bestand noch darin, dass Gimli und Tanhis eine Flucht
gelungen war und sie es bis nach Minas Tirith geschafft hatten.
Aragorn würde bestimmt etwas unternehmen, wenn er von seiner
Gefangennahme erfuhr, doch selbst dann war es fraglich, ob er noch
rechtzeitig eintreffen würde. Außerdem würde er sich
einer beträchtlichen Menge an Kriegern gegenüber sehen,
gegen die er ohnehin nichts ausrichten konnte.
Legolas öffnete
die Augen und brauchte einen Augenblick, bis er klar das Gesicht des
Mannes erkennen konnte, dass sich über ihn beugte und er
versuchte, seinen Gegenüber einzuschätzen, der sicher über
sein weiteres Schicksal entscheiden würde.
Er musste älter
als Aragorn sein, denn um seine Augen zeigten sich schon tiefe Falten
und einzelne Strähnen seines Haares waren von Grau durchzogen,
doch er strahlte Macht und Härte aus, was Legolas' Zuversicht
nicht gerade steigerte. Dieser Mann schien ganz genau zu wissen, was
er wollte und er würde sicher alles daran setzen, seine Ziele zu
erreichen, nur war Legolas immer noch nicht klar, welche Rolle sein
Vater dabei spielen sollte und welche Forderungen Thranduil gestellt
bekommen hatte.
Rinyaviê musterte Legolas eingehend und
zog überrascht die Augenbrauen hoch, als dieser nun die Lider
hob und zu ihm aufsah.
"Na, das Bürschchen ist wohl
zäher als ich dachte!", stieß er hämisch hervor
und richtete sich dann direkt an Legolas.
"Dein Vater wird
doch sicher seinen Sohn wohlbehalten wiederhaben wollen, oder? Also
rate ich dir, dass du keine Dummheiten machst!"
Trotz der
Schmerzen verzog Legolas seine Lippen zu einem schwachen
Lächeln.
"Ihr macht euch falsche Hoffnungen..., wenn
ihr glaubt, mein Vater würde wegen mir... sein Volk verraten.
Ihr hättet... einen besseren Weg wählen sollen! - Ich werde
euch nicht von großem Nutzen sein."
Rinyaviê
packte Legolas an den Schultern und zog ihn abrupt in die Höhe,
um ihn wütend anzufunkeln und Legolas entfuhr ein Schmerzschrei.
Das er dem Elb weitere Schmerzen bereitete, schien Rinyaviê
nicht zu interessieren und er schüttelte ihn wütend.
"Netter
Versuch, Kleiner, aber darauf werde ich nicht hereinfallen. Thranduil
hat die Wahl! Entweder er richtet sich gegen König Elessar, oder
er wird dich nicht mehr lebend wieder sehen!"
Aragorn -
schoss es Legolas durch den Kopf. Sein Freund befand sich in Gefahr
und er war nicht dazu in der Lage, ihn zu warnen, oder ihm
beizustehen! Was hatte Rinyaviê vor?
Noch bevor Legolas eine
Vermutungen anstellen konnte, sprach der Haradrim weiter und der
Klang seiner Stimme, zeigte, dass wahrlich ein großer Grund zur
Sorge bestand, denn sie war erfüllt von Hass, Neid und
Brutalität.
"Ihr Elben habt lange genug die Gunst des
Königs von Gondor genossen! Es wird Zeit, dass wir uns holen,
was uns zusteht! Zu lange haben wir in den kargen Landen leben
müssen, während euer Volk und der König in Überfluss
und Reichtum gelebt haben! Seid euch gewiss, dass wir nicht eher
aufgeben werden, bis wir über Gondor und die Reiche der Elben
herrschen werden und ihr seid der Schlüssel, der uns diese Türe
öffnen wird! Auch wenn es nicht so aussieht, so ist es egal, wie
sich euer Vater entscheidet, denn ihr bedeutet die Schwäche von
ihm und König Elessar! Selbst wenn Thranduil sich gegen euer
Leben entscheiden wird, so wird der König wohl kaum einen seiner
Freunde aufgeben! Ich habe gesehen, wie sich euer Bund im Ringkrieg
geschlossen hat und auch danach hat eure Freundschaft alle Gefahren
überdauert. Also versucht nicht, euch als nutzlos darzustellen!
Durch euch haben wir die Macht, Thranduil UND König Elessar in
die Knie zu zwingen!"
Rinyaviê hatte sich so in
Rage geredet, dass er alle Vorsicht vergaß und Legolas nun
selber schikanierte, ohne auf die Verletzungen Rücksicht zu
nehmen. Der Hass drang aus jeder seiner Poren und in seinen Augen
stand ein irrer Blick, während er Legolas immer heftiger
schüttelte und ihn schließlich unbeherrscht gegen die
Felswand stieß.
Hart prallte Legolas auf, die Schmerzen
schossen wie ein Blitz durch seinen Körper und noch bevor er zu
Boden sackte, schwanden ihm die Sinne und er wurde von Dunkelheit
umfangen.
Rinyaviê blieb schwer atmend stehen und
starrte auf den leblosen Körper, der vor seinen Füßen
lag. Schweiß rann an seinen Schläfen entlang, seine Haare
standen wirr vom Kopf und seine Hände krampften sich zu Klauen
zusammen. Die Blicke aller Krieger in der weitläufigen Höhle
waren auf ihn gerichtet und erst nach einigen Minuten wurde er sich
ihrer wieder bewusst und schrie sie herrisch an.
"Was glotzt
ihr denn so? Macht euch an die Arbeit und seht zu, dass der Heiler
hier endlich auftaucht! Sonst wird er seine Künste bald an sich
selber ausprobieren können!"
Eilige Schritte erklangen
aus einem Ende des Gewölbes und ein schmaler, in braune Leinen
gekleideter Mann hastete in gebückter Haltung auf Rinyaviê
zu und warf ihm einen ängstlichen Blick zu, bevor er sich neben
den Elben kniete und leise Worte murmelte, aus denen man nur hin und
wieder ein "..sieht nicht gut aus...", oder "...sehr
schlecht..." vernahm. Dann winkte er zwei Männer zu sich
heran, die er anwies, den Elben in seine abgelegenen Höhlen zu
tragen, um ihn dort verpflegen zu können und als sie seinen
Befehl durchführten, blieb an der Stelle, wo Legolas gelegen
hatte, ein feuchter, dunkler Fleck
zurück.
Aragorn ritt schweigsam hinter
den Ponys her, die Frodo und Sam auf ihren Rücken trugen,
während seine Gedanken pausenlos um Legolas kreisten und die
Sorgen ihn regelrecht quälten. Die Zeit war eindeutig nicht auf
ihrer Seite und wenn es stimmte, was die Elbin Gandalf berichtet
hatte, so waren die Verletzungen, die Legolas erlitten hatte, nicht
gerade harmlos gewesen. Wenn es sich anders verhalten hätte,
wäre es der Horde Orks und Haradrim wohl auch nicht gelungen,
den Elben zu überwältigen und in Gefangenschaft zu nehmen,
denn Legolas konnte es getrost mit einer beachtlichen Menge Gegner
aufnehmen, dass hatte er oft genug bewiesen. Ihn bei einer Schlacht
an seiner Seite zu haben, bedeutete ein hohes Maß an Sicherheit
und er zählte soviel wie zehn der erfahrensten Krieger
zusammen.
Doch auch als Freund nahm er eine der wichtigsten Stelle
in Aragorns Leben ein, denn sie hegten ein fast brüderliches
Verhältnis und hätten ohne zu zögern ihr Leben
füreinander gelassen. Es würde ein beträchtlicher
Verlust für ihn bedeuten, den niemand zu ersetzen
vermochte.
Diesen trüben Gedanken versuchte Aragorn
jedoch entschieden zu verdrängen und zwang sich, etwas anderes
in den Sinn zu bekommen, dass weitaus erfreulicher zu sein
schien.
Aragorn waren die Andeutungen, bezüglich der Elbin,
die Gandalf gemacht hatte, nicht entgangen und ein schwaches Lächeln
breitete sich auf seinen Lippen aus. Die Vorstellung, dass Legolas
endlich jemanden gefunden hatte, der ihm den Kopf verdreht hatte,
ließ keinen anderen Schluss zu, als das es sich um eine ganz
außergewöhnliche Person handeln musste, denn so leicht war
Legolas nicht zu beeindrucken. Sie schien auch einen mächtigen
Eindruck auf Gandalf gemacht zu haben, denn der Zauberer erwähnte
sie immer wieder in seinen Nachrichten und verließ sich auf ihr
Urteil und ihre Fähigkeiten. Von Gimli ganz zu schweigen! Diese
Tanhis war es anscheinend gelungen, den Zwerg ebenfalls enorm zu
beeindrucken und das in noch kürzerer Zeit, als Legolas es
damals vermocht hatte!
Frodo warf einen Blick über seine
Schulter, als er Aragorn kurz auflachen hörte und musterte ihn
verwundert. Was, bitte schön, gab es im Moment denn zu lachen?
Sie waren nun schon vier Tage unterwegs und hatten sich nur die
nötigste Rast gegönnt, ihre Vorräte gingen zur Neige,
bis Lôrien brauchten sie noch mindestens einen Tag und ständig
erreichten sie unveränderte Nachrichten von Gandalf. Sie hatten
immer noch keinen Hinweis darauf gefunden, wohin Legolas verschleppt
worden war, Thranduil weigerte sich strikt, auch nur zum Schein auf
die Forderungen einzugehen und die Haradrim hatten sich nicht mehr
gemeldet. So konnten sie nur hoffen, dass Legolas überhaupt noch
am Leben war und es ihnen gelingen würde, ihm zu helfen.
Frodo
warf einen fragenden Blick auf Sam, der ihn nicht minder verwundert
ansah und dann mit den Schultern zuckte. Frodo konnte es nicht
glauben, dass Aragorn in dieser Situation etwas erheiternd fand und
fuhr ihn ungläubig an.
"Was gibt es denn so lustiges,
Aragorn? Hast du vergessen, weshalb wir unterwegs sind? Das ist wohl
kaum der richtige Moment um sich zu amüsieren!"
Aragorns
Lachen verstummte und er sah Frodo beschwichtigend an.
"Verzeih,
wenn ich den Eindruck erweckt habe, dass mich Legolas' Schicksal
nicht berührt, aber ich musste eben daran denken, wie er und
Gimli sich kennen gelernt haben und wie sie sich ständig mit
Sticheleien bekriegt haben. - Das scheint schon eine Ewigkeit her zu
sein!", fügte er wieder betrübt hinzu.
Frodo bekam
ein schlechtes Gewissen, dass er auch nur einen Augenblick geglaubt
hatte, Aragorn würde nicht an Legolas denken.
"Schon
gut, ich bin wohl nur gereizt, weil ich mir auch den Kopf darüber
zerbreche, wie es ihm wohl geht..."
"Da!", schrie
Sam plötzlich aufgeregt und wies auf die Öffnung zwischen
den Felsen, die sich nun vor ihnen zeigte. Im Licht der
Nachmittagssonne erhoben sich hinter der grünen Ebene die Bäume
von Lôrien majestätisch in den Himmel, von einer inneren
Kraft erfüllt und in leuchtendes Strahlen getaucht. Dieser
Anblick ließ sie stehen bleiben und die Freunde betrachteten
die Schönheit der Wälder, die sie auf ihre ganz eigene Art
erfüllte.
Nach einigen schweigenden Minuten lenkte
Aragorn sein Pferd an den Hobbits vorbei und warf einen letzten Blick
in die Ebene herunter.
"Kommt, meine Freunde. Es wird Zeit,
dass wir erfahren, was Gandalf in der Zwischenzeit erreicht hat.
Vielleicht gibt es ja doch schon erfreulichere Nachrichten!"
Frodo
und Sam rissen sich von dem Anblick des Waldes los und folgten
Aragorn, doch Frodo konnte nicht sagen, ob er froh war, endlich ans
Ziel zu gelangen. Was würden sie für Neuigkeiten
erwarten?
Tanhis
hatte die letzten Tage damit zugebracht, sich von ihren Sorgen und
Ängsten abzulenken, indem sie die Suchtrupps begleitet hatte,
zusammen mit Gimli und Gandalf Überlegungen angestellt hatte und
überall da geholfen hatte, wo es eben nötig war. Zudem
hatte sie alles daran gesetzt, Thranduil aus dem Weg zu gehen, der
sich ihnen mit seiner Truppe angeschlossen hatte und sich nun
ebenfalls in Lôrien aufhielt.
Alleine sein Name reichte aus,
um den Zorn und die Verzweiflung in ihrem Herzen wieder hervor zu
rufen und sie wusste, dass sie sich kein weiteres Mal unter Kontrolle
haben würde, wenn sie auf den König treffen würde. So
war sie stets darauf bedacht, zu wissen, wo sich Thranduil gerade
aufhielt.
Doch egal was sie auch anstellte, immer wieder holte sie
der Schmerz des Verlustes ein und sie fühlte sich, als habe man
ihr das Herz aus der Brust gerissen. Ständig quälte sie die
Frage, wie es Legolas wohl gehen mochte und ob er überhaupt noch
am Leben war und Nachts schreckte sie aus furchtbaren Träumen
hoch, in denen sie ihre schlimmsten Ängste bestätigt
fand.
Wie vermochte es Thranduil nur, so eiskalt gegenüber
der Tatsache zu sein, dass sich sein Sohn in den Händen des
Feindes befand, verwundet und ohne jeden Beistand! Das es ihn in
keiner Weise berührte, hatte er nur zu deutlich bei ihrem
Zusammentreffen bewiesen und immer noch rann Tanhis ein Schauer über
den Rücken, wenn sie an den eisigen Blick des Königs
dachte, mit dem er sie gemustert hatte.
Um ungestört zu
sein, machte Tanhis sich an diesem Nachmittag auf, in die Nähe
einer kleinen Quelle, die abgelegen des Lagers lag. Den ganzen Tag
hatten sie, Gimli und Gandalf damit zugebracht, die Posten
aufzusuchen, deren Späher ausgesandt worden waren, um nach
Hinweisen und Spuren zu suchen, die in irgend einer Weise einen
Schluss zuließen, wohin man Legolas gebracht hatte. Doch wieder
waren ihre Bemühungen erfolglos gewesen.
Es schien fast so,
als habe der Erdboden sich aufgetan und die Feinde, samt ihres
Gefangenen, verschluckt! Wie war es sonst möglich, dass eine
solch große Gruppe, ohne Spuren zu hinterlassen, sich durch das
Gebiet der Elben bewegen konnte, ohne gesehen zu werden?
So viele
Fragen, auf die sie keine Antwort fand schwirrten in ihrem Kopf, dass
sie ihrer Umgebung nicht wirklich Beachtung schenkte und nichts von
der Schönheit des Waldes aufnahm. Sie setzte wie von selbst,
einen Fuß vor den anderen und war mit ihren Gedanken bei
Legolas, sodass sie fast gegen Thranduil gestoßen wäre,
der sich ihr plötzlich in den Weg stellte.
Erschrocken
zuckte sie zusammen und starrte ihn im ersten Moment nur verwundert
an, doch dann übermannte sie auch gleich wieder die Wut und sie
warf ihm einen verachtenden Blick zu.
"Lasst mich vorbei!
Zwischen uns ist wohl alles gesagt, was von Bedeutung wäre!",
sagte sie mit fester Stimme und wollte an dem König vorbei, der
sie jedoch am Arm zurückhielt und ihren Blick suchte.
"Ich
bin gekommen, um einiges richtig zu stellen, also seid so gut und
schenkt mir einen Augenblick Gehör, bevor ihr euch ein Urteil
über mich bildet! Unser erstes Zusammentreffen ist nicht so
glücklich verlaufen und ihr könntet einen falschen Eindruck
von mir gewonnen haben!"
Tanhis lachte gereizt auf und
funkelte Legolas' Vater herausfordernd an.
"Ich wüsste
nicht, was ich falsch verstanden haben könnte! Euer Standpunkt
war klar und deutlich! Ihr macht euch nicht das geringste aus eurem
Sohn, oder sorgt euch um sein Wohlergehen! Ihr kennt ihn nicht einmal
richtig und macht euch auch nicht die Mühe, ihn kennen zu
lernen! Was bitte schön, gibt es da noch zu klären?"
Tanhis befreite mit einem Ruck ihren Arm aus dem Griff des Elben und
wollte sich schon abwenden, doch Thranduil hielt sie mit seiner
nächsten Äußerung zurück.
"Er ist mein
Sohn und ich mache mir mehr aus ihm, als ihr denkt! Ich sorge mich
ebenso sehr um sein Wohl, wie ihr!"
Tanhis wirbelte
herum.
"Ach ja? Dann habt ihr aber eine eigenwillige Art,
dass zu zeigen!"
"Was soll ich denn eurer Meinung Nacht
tun?" Thranduil kam wieder einen Schritt auf sie zu. "Nicht
ich alleine habe zu entscheiden! Der Rat trägt ebensoviel dazu
bei und ich durfte mein Volk nicht vergessen! Mein persönliches
Interesse musste ich zurückstellen und an die vielen Leben
denken, genau, wie an die Freiheit, die alle Elben verloren hätten,
wenn ich mich anders entschieden hätte. Ich hatte die
Entscheidung zu treffen, ob ein Leben mehr zählt, als das eines
ganzen Volkes und vielleicht auch das der Menschen aus Gondor!"
"Aber
warum habt ihr denn erst gar nicht versucht, zu verhandeln oder einen
Suchtrupp losgeschickt? Wenn euch wirklich soviel an Legolas liegt,
dann hättet ihr doch irgendetwas tun müssen! Ihr habt ihn
doch längst aufgegeben, lange bevor er aus Düsterwald
aufgebrochen ist! Habt ihr euch jemals die Mühe gemacht, ihm
zuzuhören und ihn zu verstehen?"
"Nein.",
antwortete Thranduil knapp und Tanhis konnte plötzlich das tiefe
Bedauern in seiner Stimme hören, dass sie augenblicklich
aufhorchen ließ.
"Aber ich wünschte, ich würde
noch einmal die Gelegenheit dazu bekommen! Auch wenn ihr mir nicht
glaubt, so weiß ich, dass ich einen wundervollen Sohn habe und
ich sehe auch, dass ich viele Fehler gemacht habe! Euch zu schnell zu
verurteilen, ist einer, den ich noch offen zugeben kann. Ich verstehe
immer mehr, warum sich mein Sohn für euch entschieden hat! Ich
habe euch in den letzten Tagen beobachtet und erkannt, dass niemand
würdiger ist, an seiner Seite zu sein, als ihr!"
Thranduil
schwieg eine Weile und Tanhis war unfähig, auch nur einen Ton
heraus zu bringen, so überrascht war sie von dem, was er eben
gesagt hatte. Dennoch war sie immer noch misstrauisch und sah ihn
argwöhnisch an. Als er wieder zu sprechen begann, lag wieder die
königliche Würde in seiner Stimme und er straffte die
Schultern, die er bis eben noch müde und kraftlos hängen
gelassen hatte.
"Ich werde meine Truppen noch eine Weile hier
in Lôrien halten, doch wenn Gondor angegriffen wird, werde ich
nicht länger zögern, zu Hilfe zu eilen. Lasst uns hoffen,
dass ihr ihn bis dahin gefunden habt und befreien konntet. – Mehr
kann ich nicht für ihn tun!"
Tanhis sah dem König nach, der sich mit raschen Schritten zurück zum Lager begab und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie war völlig verwirrt und wusste nicht, wie sie mit der plötzlichen Offenbarung von Thranduils Gefühlen umgehen sollte, denn es hatte ehrliche Sorge und Bedauern in seinem Gesicht gestanden und auch sein Eingeständnis ihr gegenüber war aufrichtig gewesen, dessen war sie sich sicher. Die Gedanken in ihrem Kopf kreisten und erst nach einiger Zeit erfasste sie die Bedeutung der letzten Worte, die Thranduil gesagt hatte. Er hatte ihnen einen Aufschub verschafft, der vielleicht das Leben von Legolas retten konnte!
Das Erste was Legolas wahrnahm,
waren die verschiedensten Gerüche, die in der feuchten Luft
schwebten. Kamille, Minze, Lavendel, Fenchel, aber auch der Duft von
Feuer und Qualm lagen in dem stickigen, kleinen Gewölbe und
erdrückten Legolas fast. Es war wie eine tonnenschwere Last, die
auf seinem Brustkorb ruhte und es kostete ihn eine enorme
Kraftanstrengung, auch nur die geringste Menge an Sauerstoff in seine
Lungen zu ziehen. Schweiß rann ihm an den Schläfen entlang
und er fühlte die Hitze im Raum, die selbst seinen Körper
erfüllte, glühend und brennend.
Er öffnete mühsam
die Augen und brauchte einige Zeit, bis er schemenhaft seine Umgebung
erfasste, eine Feuerstelle an der Seite des Gewölbes, über
der ein eiserner Kessel hing, Tische und Regale, die mit allerlei
Töpfen und Tiegeln voll gestopft waren, einen Haufen mit Fellen
und Decken und eine Schlafstatt, die sich am anderen Ende des Raumes
befand. Von der Decke hingen Bündel aus getrockneten Kräutern,
die Ursache für den intensiven Geruch, der Legolas in die Nase
stieg.
Legolas wollte sich auf den Rücken rollen, um auch
seine übrige Umgebung zu erkunden, doch umgehend hielt ihn der
stechende Schmerz zurück, der heiß zwischen seinen
Schultern hervorgerufen wurde.
Plötzlich fühlte er
ein feuchtes, kühles Tuch, dass ihm an die Stirn gedrückt
wurde und er sank zurück, schloss die müden Lider und
versuchte, seine Kräfte neu zu sammeln. Erneut zwang er sich,
die Augen zu öffnen und wandte den Kopf. Neben seinem Lager saß
ein unscheinbarer, alter Mann, dessen Gesicht von unzähligen
Falten bedeckt war, die von seinem hohen Alter zeugten, seine Züge
waren weich und freundlich und er lächelte Legolas an, während
er das Tuch beiseite legte und seine Hand in den Nacken des Elben
legte, um ihm zu helfen, sich ein Stück aufzurichten. Vorsichtig
führte der Mann einen Becher an Legolas' Lippen und flößte
ihm eine Flüssigkeit ein, deren Geschmack nicht zu deuten war,
dann ließ er ihn wieder zurück in die Kissen sinken und
beugte sich über ihn.
Mit geübten Händen löste
er den Verband und betrachtete die tiefe Wunde, deren Entzündung
deutlich sichtbar war und murmelte besorgte Worte, bevor er sich an
Legolas wandte.
"Es ist lange her, dass ich einen Elben
zu Gesicht bekommen habe, Junge! Aber selten habe ich einen gesehen,
der bei solchen Wunden länger als drei Tage überlebt hätte.
Ihr seid stark und kämpft, dass ist ein gutes Zeichen..."
Als
er den Rand der Verletzung berührte, zuckte Legolas zusammen,
stöhnte auf und versuchte, sich der Berührung zu entziehen
und der Mann klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und bedeutete
ihm, ruhig liegen zu bleiben.
"Schon gut, Junge! Ich wollte
nur sehen, ob die Kräuter schon wirken. Bin schon
fertig!"
Legolas spürte, wie er den Verband wieder
befestigte und entspannte sich, als der Mann fertig war. Er versuchte
sich auf dessen Stimme zu konzentrieren, um nicht wieder in Schlaf zu
sinken, auch wenn er zu erschöpft war, um seine Augen noch
geöffnet zu halten.
Wer war nur dieser Mann? Und wo befand er
sich überhaupt? Das Letzte, woran er sich erinnerte, war der
Aufbruch aus Düsterwald, den er zusammen mit Tanhis und Gimli
angetreten hatte, danach war alles nur noch Lückenhaft in seiner
Erinnerung, einzelne Bilder, die nur für den Bruchteil einer
Sekunde erschienen und wieder verblassten, während er
verzweifelt versuchte, sie wieder zusammen zu fügen, doch es
wollte ihm einfach nicht gelingen und er gab auf.
Langsam ließ
der brennende Schmerz in seinem Rücken nach, aber die Hitze
bahnte sich noch immer ihren Weg durch seine Adern und verbrannte ihn
von Innen heraus, was ihm nicht weniger Qualen bereitete. Wieder
fühlte er ein kühlendes Tuch auf seiner Stirn und verspürte
eine leichte Linderung, aber schon nach kurzer Zeit stellte sich
dieser Versuch, das Fieber zu senken, als vergeblich heraus. Immer
höher stieg das Fieber und schließlich loderte es so heiß
in ihm, dass es seine Sinne verwirrte und er keinen klaren Gedanken
mehr fassen konnte. Die Erinnerungen der verschiedensten Ereignisse
erfüllten ihn und bald drehten sie sich im Kreis und wechselten
sich mit enormer Geschwindigkeit vor seinem inneren Auge ab, dass sie
miteinander verschwammen und ihn mit sich rissen.
Alcthon nahm mit Besorgnis die Veränderung an dem Elb wahr, der eben noch einen schwachen, aber klaren Eindruck erweckt hatte, jetzt schüttelten ihn jedoch Fieberkrämpfe und er gab wirres Zeug von sich, mal in Elbisch, mal in der gemeinsamen Sprache. Unruhig wand er sich in der Qual der Hitze hin und her und atmete immer unregelmäßiger und flacher und Alcthon überkam die Befürchtung, dass seine bisherigen Bemühungen vergeblich gewesen waren, er musste doch zu stärkeren Mitteln greifen, die er jedoch äußerst ungern anwandte. Doch wenn er den Elb nicht noch in dieser Nacht verlieren wollte, so musste er bald eine Entscheidung treffen.
Wieder ließ er für lange
Minuten seinen Blick auf dem Gesicht des Verwundeten ruhen und konnte
es immer noch nicht glauben, dass es sich um einen Elben handelte,
doch alleine seine spitz zulaufenden Ohren waren Beweis genug für
diese Tatsache!
Er hatte schon viel über dieses Volk gehört,
ihre Reinheit und Schönheit, ihre Kampfkunst, aber vor allem,
über die intensive Bindung zu der Natur, aus der sie ihre ganze
Kraft zu ziehen schienen. Schon immer hatte er sich nichts sehnlicher
gewünscht, als wieder einmal auf einen Elben zu treffen und mehr
über dieses Volk zu erfahren, natürlich am meisten über
deren Heilkünste.
Gerade jetzt wären sie von großem
Nutzen, doch so war er auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen,
die er sich im Laufe der Jahre angeeignet hatte. Doch es bestand ein
gehöriger Unterschied darin, ob er einen einfachen Krieger der
Haradrim von einer Grippe befreien, oder kleineren Verletzungen
versorgen musste, oder einen Waldelben, der solch schwere
Verletzungen und hohes Fieber hatte und zudem auch noch die Geisel
seines Herrn war! Rinyaviê würde ihn umgehend selber ins
Jenseits befördern, wenn es ihm nicht gelang, dass Fieber zu
senken und die Entzündung zu stoppen.
Das Letzte, was
Alcthon noch versuchen konnte, war es, den Saft einer Giftpflanze
anzuwenden, die sicherlich im Kampf gegen die Entzündung die
Oberhand gewinnen würde, nur konnten auch nicht vorhersehbare
Komplikationen auftreten, die er sich lieber nicht ausmalen wollte.
Doch was blieben ihm sonst noch für andere
Möglichkeiten?
Schwerfällig erhob er sich von seinem
Platz neben dem Elben und schlurfte zu einem der Regale, wo er
zielsicher einen verstaubten Tiegel griff und den Staub von dem
versiegelten Deckel blies, der ihm umgehend in der Nase kitzelte, bis
er das Niesen nicht mehr unterdrücken konnte.
Geschickt
machte er sich dann an die Arbeit und holte mehrere Schüsseln,
kochendes Wasser und Tücher, entkorkte den Tiegel und ließ
die zähe Flüssigkeit in das Wasser laufen und rührte
so lange, bis sie sich völlig aufgelöst hatte. Ein
beißender Gestank stieg aus der Schüssel auf und Alcthon
tauchte die Tücher in den dampfenden Sud, ließ sie sich
damit voll saugen und kehrte zu dem Lager zurück, auf dem sich
der Elb befand.
Während der ganzen Zeit hatte er ihn
nicht aus den Augen gelassen und erkannt, dass er sich mit seiner
Arbeit beeilen musste, wenn er ihm noch helfen wollte und dieser
Umstand verdrängte jetzt auch die letzten Zweifel an der
Richtigkeit seines Vorhabens.
Rasch löste er die Verbände
wieder, entblößte die Wunde und zog eines der Tücher
aus der Schüssel. Noch einen kurzen Moment hielt er zögernd
inne, doch dann machten die Zweifel der Entschlossenheit platz und er
presste den durchtränkten Stoff gegen die Wunde.
Augenblicklich
bäumte sich der Elb unter Qualen auf, stöhnte und sein
gesamter Körper spannte sich an, verharrte so einen ewig langen
Moment, bevor er unter Alcthons Händen erschlaffte und
regungslos auf die Bahre zurücksank. Alcthon hielt den Atem an
und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Brustkorb des Elben
und mit einem befreienden Seufzer entwich ihm die Luft, als er eine
schwache, aber regelmäßige Bewegung erkannte, in der
dieser sich hob und senkte.
Er erneuerte das Tuch auf der Wunde, schlang die Enden des Verbandes wieder darum und verknotete sie, dann schlug er eine Decke darüber und nahm wieder an der Seite des Lagers platz. Nun konnte er nur noch abwarten.
Als Tanhis wieder in das Lager zurückkehrte, senkte sich bereits die Dämmerung über die Hügel und Wälder und tauchte die Umgebung in warme, gedämpfte Farben. Lange hatte sie an der kleinen Quelle gesessen, dessen plätschernder, sprudelnder Klang sie immer wieder an die erste Begegnung mit Legolas erinnert hatte, als sie am Fluss einen Pfeil auf ihn geschossen hatte. Doch das Gespräch mit Thranduil hatte immer wieder diese Erinnerung verdrängt, wofür sie in gewissem Maße dankbar war, und sie hatte versucht, den König und seinen plötzlichen Anflug von Gefühlen zu verstehen. Sie wurde jedoch einfach nicht schlau aus ihm! Wie war es möglich gewesen, dass er seine Meinung über sie so schnell geändert hatte? Er hatte ihr zwar gesagt, dass er sie beobachtet hatte, doch sie hatte davon nicht das Geringste gemerkt. Im Gegenteil, sie selbst hatte doch alles daran gesetzt, im nicht zu begegnen!
Doch auch diese Überlegungen wurden zur Nebensache, wenn sie daran dachte, dass Thranduil ihnen etwas Zeit verschafft hatte und sie schickte eine Bitte an die Valar, dass diese Zeit ausreichen mochte, um Legolas zu finden! Immer deutlicher spürte sie, dass Eile geboten war und ihre Gefühle hatten sie diesbezüglich noch nie im Stich gelassen und so hatte sie dann auch schnellstens den Rückweg ins Lager angetreten, um Gimli und Gandalf von Thranduils Einlenken zu berichten.
Tanhis trat aus dem Schatten der Bäume und
erblickte Gimli sofort, der vor einer kleinen Gruppe Männer
stand und mit wild gestikulierenden Armen und donnernder Stimme von
der Schlacht im Wald berichtete und unwillkürlich musste sie
lächeln. Der Zwerg hatte einfach ein Talent zur Übertreibung
und so konnte sie bis hier her vernehmen, dass sich die Zahl ihrer
Gegner, mindestens verdoppelt hatte.
Interessiert näherte sie
sich der Gruppe und stellte dabei überrascht fest, dass sie ihr
erster Eindruck getäuscht hatte und es sich nicht ausschließlich
um Männer handelte, die Gimlis Bericht lauschten, oder
doch?
Zwei zumindest, wiesen eine geringere Größe auf,
doch um Zwerge handelte es sich eindeutig nicht. Ihre Gesichter waren
ohne jeden Bartwuchs, ihre Züge freundlich und mild, mit
strahlenden Augen, ihre Ohren schauten unter lockigem Haar hervor,
das ihnen wirr vom Kopf stand. Erst als die Füße der
Fremden in ihr Blickfeld traten, überkam sie die Erkenntnis,
dass es sich um Hobbits aus dem Auenland handeln musste, von denen
Gimli und Legolas schon so viel erzählt hatten!
Sie
beschleunigte ihren Schritt und als sie die kleine Gesellschaft fast
erreicht hatte, erhob sich ein großer, stattlicher Mann in der
Runde, dessen schlanke Gestalt in einen Elbenmantel gehüllt war,
jedoch deutlich von einer enormen Würde erfüllt war. Sein
braunes Haar glänzte im Schein des kleinen Feuers und er sah ihr
erwartungsvoll entgegen.
Tanhis erkannte sofort, um wen es sich
handelte und eine leichte Unsicherheit überkam sie, denn sie
wusste nicht so recht, wie sie dem König von Gondor gegenüber
treten sollte. Legolas hatte ihr zwar schon so viel von ihm erzählt,
dass sie glaubte, ihn auch schon einschätzen zu können und
doch war es etwas völlig anderes, ihm nun gegenüber zu
stehen.
Aragorn erhob sich, als er die Elbin erfasste, die
sich auf ihre Gruppe zu bewegte, mit den geschmeidigen Bewegungen
einer Katze, die nicht das geringste Geräusch verursachten. Ihr
Anblick reichte aus, um ihm zu sagen, dass es sich bei ihr um Tanhis
handelte und als sie nun in den Lichtkegel des Feuers trat, wusste er
sofort, was Legolas dazu veranlasst hatte, ihr zu erliegen. Sie hob
sich in ihrer Erscheinung völlig von den übrigen Elben ab
und verströmte eine fesselnde Ausstrahlung, die selbst ihn
erfasste und er musste lächeln. Tanhis besaß wahrlich eine
Art, die Legolas ansprach! Sie strahlte eine Wildheit aus, die gut zu
dem ruhigen, ausgeglichenen Wesen von seinem Freund passte und so
schienen sie sich zu ergänzen. Sie war eine Kriegerin, so wie
er, und ihre Unvollkommenheit, zu der ihr wirres Haar mit den
unzähligen Blättern, aber vor allem ihre Sommersprossen
zählten, hatte durchaus etwas reizvolles an sich. Ihre Augen
leuchteten und zeigten Reife und Wissen, aber auch Herzlichkeit und
Milde. Die jedoch nicht von dem wilden Funkeln darin abzulenken
vermochten.
Ein Seitenblick auf die Hobbits, die mit offenen
Mündern auf Tanhis starrten, zeigten Aragorn, dass auch sie von
ihrer Wirkung ergriffen waren, und sein Lächeln wurde noch
breiter.
Tanhis blieb dicht vor ihm stehen, zeigte mit einem
Elbengruß ihren Respekt und sah dann auch die Hobbits
freundlich an, doch es blieb ihnen allen nicht verborgen, dass ihr
Blick von großer Sorge und Kummer erfüllt war.
Aragorn
nickte ihr zu und sah ihr unverwandt in die grünen Augen.
"Es
freut mich sehr euch endlich kennen zu lernen! Gandalf hat bereits in
seinen Briefen viel von euch berichtet und auch die Hobbits konnten
es kaum erwarten, euch endlich zu treffen!" Er deutete auf Frodo
und Sam.
"Das sind Frodo Beutlin und Samweis Gamdschie aus
dem Auenland, gute Freunde von Legolas. Sie haben mich begleitet,
weil sie sich ebenso um sein Wohlergehen sorgen, wie ich und wir
hoffen, dass wir ihm helfen können. Gibt es denn immer noch
nichts Neues?"
Tanhis letzte Unsicherheit war bei Aragorns
Worten verflogen und neue Hoffnung keimte in ihr auf. Sie fühlte,
dass Aragorn ehrlich ihre Sorge teilte und war sich sicher, dass er
so schnell nicht aufgeben würde und ihr helfen würde,
Legolas zu finden.
"Ich bin froh, dass ihr gekommen seid und
freue mich, euch alle endlich kennen zu lernen, auch wenn die
Umstände nicht gerade erfreulich sind! Es tut gut zu wissen,
dass Legolas so gute Freunde hat, die ihn nicht im Stich
lassen."
Gemeinsam setzten sie sich wieder um das Feuer
und Tanhis berichtete auch noch mal von der Schlacht auf der
Lichtung, ließ dabei nicht das geringste aus, erteilte dann
Auskunft über die bisherigen Versuche, etwas über den
Aufenthaltsort von Legolas zu erfahren und zum Schluss über das
Gespräch mit Thranduil, was auch Gimli und Gandalf neu
war.
Gimli schnaubte verächtlich.
"Da zeigt unser
erhabener König ja plötzlich doch eine leichte Regung von
Zuneigung - oder es ist einfach sein schlechtes Gewissen was sich
regt!"
Gandalf lächelte verstohlen und räusperte
sich dann.
"Es verschafft uns wenigstens mehr Zeit! Aragorn,
wie ist die Lage in Gondor? Wie lange wird es wohl noch dauern, bis
der große Angriff statt finden wird?"
"Schwer zu
sagen! Sie greifen immer wieder die kleinen, abgelegenen Dörfer
an, um unsere Truppen auseinander zu ziehen und uns zu schwächen.
Bis jetzt gibt es aber noch keine direkten Forderungen oder ein
Ultimatum. Ich vermute, sie warten noch auf Anweisungen von ihrem
Führer und der scheint noch nicht in Mordor eingetroffen zu
sein, sonst hätte er gewiss schon etwas von sich hören
lassen!"
Gandalf überlegte eine Weile und zog dabei an
seiner Pfeife, was kleine, weiße Ringel durch die Luft schweben
ließ.
"Es besteht jedenfalls die Hoffnung, dass sie
nicht sobald angreifen werden. Bis dahin müsste es doch möglich
sein, ihr Versteck zu finden! Tanhis, wo genau seid ihr angegriffen
worden?", verlangte Aragorn dann zu wissen.
Tanhis beschrieb
genau die kleine Lichtung und Aragorn zog eine Landkarte aus seiner
Tasche und gemeinsam versuchten sie, die genaue Lage zu bestimmen.
Bald hatten sie den Punkt auch ausgemacht und Aragorn betrachtete
eingehend die nähere Umgebung und ließ sich noch einmal
schildern, in welche Richtungen der Feind verschwunden war, um das
Gebiet noch weiter einzugrenzen.
Frodo und Sam lauschten gespannt
und aufmerksam, doch egal welche Überlegungen Tanhis und Aragorn
auch anstellten, sie fanden keine Möglichkeit, wo sich eine
solch große Gruppe versteckt halten konnte.
Frodo wurde
ungeduldig und konnte schließlich nicht länger an sich
halten.
"Aber sie können doch nicht einfach vom Erdboden
verschluckt worden sein! Irgendwo müssen sie doch sein!"
Aragorn
sah ihn mitfühlend an, denn er wusste, dass Frodo sich wirklich
sehr große Sorgen um Legolas machte und er konnte seinen
Ausbruch nur zu gut verstehen. Er wollte gerade etwas darauf
erwidern, als ihm ein Gedanke kam und er seinen Blick wieder auf die
Karte warf, von einer plötzlichen Vermutung erfasst.
"Das
ist gar nicht so dumm, Frodo! Vielleicht sind sie ja wirklich vom
Erdboden verschwunden...! Weil sie nämlich durch einen Tunnel
geflohen sind. Seht! Hier, ganz in der Nähe des Überfalls,
sind die Ruinen von Dol Guldur! Es gehen immer noch Gerüchte um,
dass sich die geheimen Verliese noch in tadellosem Zustand befinden
und es auch noch unterirdische Gänge gibt, die sich weit in das
umliegende Land erstrecken! Das wäre eine Möglichkeit!"
Tanhis
Augen weiteten sich und sie hätte sich selbst gerne eine
Ohrfeige gegeben, weil sie nicht schon früher auf diese Idee
gekommen war! So war wertvolle Zeit verstrichen, die ihnen jetzt
vielleicht fehlte!
Gandalf richtete sein Interesse jetzt auch
eingehend auf die Karte und brummte zustimmend, bevor er sich dann an
Frodo wandte.
"Da hast du wohl wieder den richtigen Riecher
bewiesen, Frodo! Ich sag's ja, so ein Hobbit ist nicht zu
unterschätzen!"
Frodo rutschte verlegen über das
Lob auf seinem Platz hin und her, vor allem, als er Tanhis'
dankbaren Blick aus ihren grünen Augen auffing. Er konnte
förmlich sehen, wie sehr sie Legolas liebte und was es ihr
bedeutete, nun endlich einen Anhaltspunkt zu haben, von wo aus sie
ihre Suche fortsetzen konnten. Sie nickte Frodo zu und er konnte
spüren, wie dir Röte seinen Hals heraufkroch, bis in seine
Wangen, was Tanhis ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberte.
"Was
für ein seltenes Geschenk!", brummte Gimli freundlich und
beugte sich zu Tanhis herüber. "Es wurde auch mal wieder
Zeit, dass du dieses Lächeln wieder sehen lässt!"
Gandalf
zog bei Gimlis Worten die Augenbrauen hoch und entgegnete
überrascht.
"Na, ebenso selten wie dieses Lächeln,
ist es wohl, solche Worte aus deinem Munde zu vernehmen, Herr
Zwerg!"
jetzt konnte sich die gesamte Gruppe ein Lachen nicht
verkneifen und Gimli wurde ebenso rot, wie zuvor Frodo.
Von
neuem Tatendrang erfasst und auch etwas erleichtert, begannen die
Freunde, sich ihre nächsten Schritte zu überlegen und nach
vielen Vorschlägen, und einigen Mahlzeiten der Hobbits, später,
wurde beschlossen, dass sich alle gemeinsam gleich bei Morgengrauen
aufmachen und nach Dol Guldur gehen würden. Dort wollten sie
dann entscheiden, was weiter zu tun war und die Ruine erkunden, die
vielleicht sogar einen Hinweis darauf geben würde, wohin die
Haradrim Legolas verschleppt hatten.
Nach diesem Entschluss
suchten alle ihr Lager auf, um sich schlafen zu legen, denn der
nächste Tag würde anstrengend werden.
