3. Kapitel
Legolas
fühlte sich, als ob eine ganze Horde Orks über ihn hinweg
getrampelt wären, doch die Hitze hatte seinen Körper
verlassen und seine Erinnerungen, waren ebenfalls mit aller
Deutlichkeit zurückgekehrt.
Er befand sich immer noch in
Gefangenschaft, verwundet und alleine, getrennt von Tanhis und Gimli,
dessen Schicksal er immer noch nicht kannte und das er wohl auch
nicht so schnell erfahren würde. Die Orks, Variags und Haradrim
hatten ihn hierher geschleppt, mehr tot als lebendig, und ihn zu
ihrem Führer Rinyaviê gebracht, der durch ihn seinen Vater
erpressen wollte, um Gondors Truppen zu schwächen.
Legolas
stöhnte und dachte voll Sorge an Aragorn, der sich früher
oder später dem Feind gegenüber sehen würde, sicher
völlig unvorbereitet und mehr als alles andere stand für
ihn fest, dass er schnellstens versuchen musste, zu entkommen, um den
Freund zu warnen.
Noch eine Erinnerung kehrte dann zurück - der alte Mann, der ihn ganz offensichtlich gepflegt und vom Fieber befreit hatte! Legolas sah das Gesicht ganz klar vor sich und schließlich öffnete er die Augen und versuchte, sich aufzurichten, um den Raum nach seinem Retter abzusuchen, denn dessen war er sich sicher – ohne ihn hätte das Fieber sicherlich sein Leben gekostet.
Alcthon nahm die Bewegung hinter sich wahr und
drehte sich von seinen Töpfen und Schüsseln weg, um nach
dem Elben zu sehen, der nun seid vier Tagen tief und fest geschlafen
hatte, nachdem er die Wunde mit der Giftpflanze behandelt hatte. Er
fand ihn tatsächlich bei Bewusstsein, doch zeigten sich
deutliche Spuren der vergangenen Strapazen in dem edlen, blassen
Gesicht, dessen Augen ihn jetzt aus einer Mischung von Dankbarkeit,
Vorsicht und Interesse musterten.
Alcthon versuchte es mit einem
Lächeln und machte einen Schritt auf das Lager seines Patienten
zu.
"Endlich seid ihr wieder bei Bewusstsein, Junge! Ich
fragte mich schon, wie lange ihr noch schlafen wollt! Rinyaviê
war schon äußerst aufgebracht, dass ich immer noch keine
besseren Nachrichten für ihn hatte!"
Der Name des
Haradrim reichte aus, um Legolas zur Vorsicht zu rufen und auch
seinen Gegenüber wieder als das zu sehen, was er trotz seiner
Hilfe war! Sein Feind, der ihn sicher nur deshalb gerettet hatte, um
den Befehl seines Herrn nachzukommen und ihn dann wieder zu ihm zu
bringen, was sicherlich seine Lage noch verschlechtern würde. Er
konnte sich einfach zu gut an das erste Zusammentreffen erinnern, was
ihm nur neue Qualen eingebracht hatte und seinen Zustand noch
verschlimmert hatte, und jetzt, da es ihm besser ging, würde
Rinyaviê gewiss noch mehr Freude daran haben, ihn seine Macht
spüren zu lassen.
Deshalb beschloss Legolas, sich zurück
zu halten und erst einmal abzuwarten.
"Wie fühlt ihr
euch? Habt ihr noch Schmerzen?", forderte Alcthon zu wissen,
doch der Elb sah ihn nur unverwandt an, ohne ihm etwas zu
entgegnen.
"Ich weiß, dass ihr mich versteht, also gebt
mir eine Antwort. Ich habe es verdient, dass ihr mir etwas
Dankbarkeit entgegen bringt, immerhin habe ich fünf lange Tage
und Nächte an eurem Lager gesessen und euch gepflegt, da kann
ich eine Antwort verlangen!"
Fünf Tage, schoss es
Legolas durch den Kopf. War er schon so lange hier?
Diese
Erkenntnis veranlasste ihn dazu, sich weiter aufzurichten und
augenblicklich zog sich sein Brustkorb unter Schmerzen zusammen und
er sank zurück auf das Lager.
Er musste unbedingt einen Weg
finden, hier heraus zu kommen und zu seinen Freunden zu gelangen,
damit sie gemeinsam nach Gondor reiten konnten, um Aragorn zu warnen,
wenn es dafür nicht schon zu spät war! Fünf Tage waren
eine lange Zeit und weitere vier Tage, so schätzte Legolas,
waren durch den Marsch verstrichen, was bedeutete, dass er neun Tage
verloren hatte! Wenn Tanhis und Gimli noch lebten, dann waren sie
wahrscheinlich schon halb verrückt vor Sorge oder hatten die
Suche schon längst aufgegeben! Selbst wenn Rinyaviê sich
schon bei seinem Vater gemeldet hatte, so hatten die Beiden wohl
nichts davon erfahren!
Er dachte wieder an Tanhis und sofort
erfüllte ihn ein wärmendes Gefühl und er entschied,
dass es das Beste war, so viel wie nur möglich in Erfahrung zu
bringen und so seine Chancen zu einer Flucht zu verbessern. Also
kämpfte er sich wieder hoch und begegnete erneut dem Blick des
Mannes, der ihn immer noch abwartend ansah.
"Wer seid
ihr?", fragte Legolas statt eine Antwort zu geben.
Der Mann
lachte amüsiert auf und trat neben das Lager, um prüfend
die Verbände zu kontrollieren.
"Eigentlich seid ihr
nicht in der Position hier die Fragen zu stellen, aber ich will mal
nicht so sein! Ich heiße Alcthon – und ihr?"
"Legolas,
aus dem Waldlandreich.", presste Legolas hervor, als Alcthon
schmerzhaft die Wunde begutachtete und nicht gerade sanft den Verband
erneuerte.
"Nun, Legolas, das sieht schon sehr viel besser
aus, als noch vor wenigen Tagen! Ihr habt eine Menge Kraft in euch
und die werdet ihr auch noch brauchen! Euer Vater hat Rinyaviê
noch immer nicht seine Entscheidung mitgeteilt und er wird seinen
Zorn sicher an euch auslassen, wenn er erfährt, dass ihr wieder
bei Bewusstsein seid!"
Legolas versuchte, seine eigene
Verwunderung zu verbergen. Thranduil hatte noch nicht entschieden?
Das passte gar nicht zu seinem Vater, der sonst nur an das Wohl
seines Volkes dachte und dessen Entscheidung für Legolas sicher
gewesen war! Sollte er sich doch in seinem Vater getäuscht
haben?
Alcthon unterbrach seine Gedanken und musterte Legolas
eingehend.
Ich denke, ihr seid kräftig genug, um Rinyaviê
holen zu lassen. Ich habe meine Pflicht getan und es wird Zeit, dass
ich euch an ihn übergebe."
Er ging zu einem Regal und
zog ein Bündel heraus, dass er Legolas zu warf und ihm
bedeutete, es zu öffnen. Es enthielt eine einfache Tunika und
Beinlinge, sowie Stiefel aus weichem Leder.
"Zieht das an!",
murmelte er und verließ dann den Raum, um seinen Herrn zu
holen.
Legolas schaute eine Weile hinter Alcthon her, der
durch eine dunkle Öffnung in der Felswand verschwand, die durch
einen Vorhang aus schwerem Stoff verdeckt war. Gedankenverloren hielt
er den noch immer schmerzenden Brustkorb umschlungen, löste mit
der anderen Hand die Kordel um das Bündel und zog die
Kleidungsstücke heraus. Als er aufstand, um sich anzukleiden,
zeigten sich jedoch die Folgen der Verletzung und der Schweiß
brach ihm aus, während sich der Raum um ihn herum zu drehen
begann und er sich schwankend gegen die Felswand lehnte.
So
verharrte er einen Moment und der Schwindel verging langsam, abgelöst
durch ein leichtes Zittern, das seinen ganzen Körper erfüllte.
Er bedeckte mit der Hand die Augen, ließ sich auf den Boden
sinken und versuchte, alleine mit der Kraft seines Willens, die
Kontrolle über seinen Körper zurück zu gewinnen, was
ihm nach einer unendlich langen Zeit auch ein wenig gelang. Das
Zittern der Hände wollte nicht nachlassen, doch immerhin
schaffte er es, sich Beinlinge und Stiefel überzustreifen, doch
die Schmerzen der Stichwunde hinderten ihn daran, auch die Tunika
anzuziehen und nach einigen Versuchen gab er schließlich leise
fluchend auf.
Er hatte sich gerade geschafft, sich wieder auf
das Lager zu ziehen, als er leise Schritte auf dem Gang vernahm,
gefolgt von mehreren stampfenden Schritten, die diese begleiteten.
Legolas richtete sich so weit wie möglich auf, atmete noch
einmal tief durch und richtete seinen Blick entschlossen auf den
Vorhang, der auch im nächsten Augenblick zur Seite gezogen
wurde.
Soll er nur kommen, dachte Legolas bei sich. Von ihm würde
er nichts über Aragorns Heere oder die Verteidigungsanlagen der
Stadt erfahren, oder sonst etwas, dass Rinyaviê bei einem
Angriff nützlich sein konnte. Im Gegenteil! Er würde
versuchen, soviel nur eben möglich über Rinyaviês
Pläne heraus zu finden und dann zusehen, dass er so schnell wie
es ging hier heraus kam, damit er Aragorn warnen konnte. Die Haradrim
würden es noch bereuen, dass sie sich gegen Gondor auflehnten
und er würde sie zu gerne für jede seiner Qualen zahlen
lassen, erst recht, wenn sie Gimli oder Tanhis etwas angetan
hatten!
Rinyaviê lachte hämisch auf, als er seinen Gefangenen mit entschlossenem, standhaftem Blick auf seinem Lager vorfand, denn es wäre für ihn auch zu langweilig gewesen, wenn der Elb sich einfach gefügt hätte. So bereitete es ihm viel mehr Spaß, ihn langsam zu brechen und in die Knie zu zwingen, bis er schließlich um Gnade betteln würde!
Vor
zwei Tagen war ihre Gruppe am Dol Guldur angekommen und sie hatten
umgehend damit begonnen, die ganze Umgebung genau zu erkunden. Zuerst
hatte es so ausgesehen, als ob sie auch hier keinen Erfolg haben
würden, aber dann war es der Zufall gewesen, der ihnen geholfen
hatte.
Eine kleine Gruppe Orks hatte sich ihnen genähert und
sie hatten es im letzten Moment geschafft, sich vor dem Feind zu
verbergen und Gimli davon abzuhalten, sie gleich an Ort und Stelle
mit einem Schwung seiner Axt zu enthaupten. Versteckt in einem
Dickicht aus Dornengestrüpp hatten sie gesehen, wie sich die
Gruppe auf die Ruinen zu bewegten, in den Innenhof des ehemaligen
Turms traten und dort einen Felsbrocken mit geringer Kraftanstrengung
zur Seite rollten. Ein finsterer Gang lag dahinter und mit
Pechfackeln ausgestattet, waren die Orks darin verschwunden und
hatten den Eingang wieder verschlossen.
Jetzt folgten sie der
Gruppe durch die langen, gewunden Gänge und mehr als einmal,
wären sie beinahe weiteren Orks in die Arme gelaufen, die wache
hielten, doch Aragorn und Tanhis hatten sie jedes Mal rechtzeitig
gehört.
Außerdem mussten sie sich vor den Unebenheiten
im Boden und herausragenden Felsen in Acht nehmen und immer wieder
taten sich Löcher vor ihnen auf, deren Grund nicht zu erkennen
war. Tanhis dachte immer wieder an Legolas und was für Qualen er
auf diesem Marsch durch die Tunnel ausgestanden haben mochte,
verletzt, dem Feind hilflos ausgeliefert und eingesperrt in der
erdrückenden Enge. Ein Schauer jagte ihr über den Rücken
und sie versuchte, ihr eigenes Unbehagen zu verdrängen, indem
sie an die Wälder und Wiesen dachte, den weiten, strahlend
blauen Himmel und die Vögel, die dort ihre Kreise zogen, doch so
recht wollte auch das nicht helfen. Elben hatten eben nichts unter
der Erde verloren, sie gehörten einfach in nicht hierher!
Gimli
hingegen war ganz in seinem Element und er genoss dies auch
sichtlich, denn immer wieder blieb er stehen und begutachtete
Kristalle und Edelsteine, die in den Felswänden funkelten und
wie unzählige, kleine Sterne das Licht ihrer Fackeln
zurückwarfen. Mehr als einmal musste Aragorn ihn weiterziehen,
damit er sich von der Pracht losriss und sich dabei die Ausführungen
des Zwergen anhören, der sein Wissen über jeden Schatz der
Erde zum Besten gab, auch wenn ihm niemand richtig zuhörten.
So
hatten sie eine weite Strecke hinter sich gebracht, als ihnen die
Veränderung in der Luft zeigte, dass sie sich dem Ende des
Tunnels, dem sie gerade folgten, näherten und Aragorn hielt an
und lauschte in die Finsternis hinein.
Als er auch Minuten
später kein Geräusch vernahm, bedeutete er seinen
Begleitern, zu warten und entfernte sich, verschwand schließlich
in der Finsternis, bis Tanhis selbst den Klang seiner Schritte nicht
mehr vernehmen konnte. Es verstrich eine geraume Zeit, bis Aragorn
schließlich zurück kehrte und sein Gesicht zeigte
deutlich, dass er keine guten Nachrichten brachte.
"Ein
kleines Stück weiter öffnet sich der Gang in ein Gewölbe
und es gibt nur eine Möglichkeit, den Weg von dort aus
fortzusetzen. Wir müssen eine Schlucht herunter, deren Grund ich
nicht zu sehen vermag und ich bezweifel, dass unsere Seile lang genug
sein werden. Wir müssen entweder den Abstieg ungesichert wagen,
- oder umkehren..."
Tanhis hatte bei seinen Worten in die
Dunkelheit geblickt, doch nun wandte sie abrupt den Kopf und blickte
Aragorn verzweifelt an, der ihrem Blick ruhig begegnete und ihr dann
stumm zunickte.
"Ich verstehe!", murmelte er und
richtete sich dann an Gandalf, den er ein Stück von den Hobbits
und Gimli fort zog.
"Für die Hobbits und Gimli wird der
Abstieg ein nicht zu bewältigendes Hindernis sein, Gandalf!
Selbst für Tanhis und mich wird es gefährlich sein, aber
sie wird sich nicht davon abbringen lassen!"
"Was
schlägst du also vor?" Gandalf sah ihn abwartend an.
"Es
wird wohl das Beste sein, wenn ihr umkehrt. Einen anderen Weg zu
finden halte ich für unmöglich, denn in diesem Gewirr der
Gänge, würdet ihr euch nur verlaufen!"
Gandalf
bedachte Aragorns Vorschlag und seufzte. Er wusste jetzt schon, wie
Frodo, Sam und Gimli reagieren würden, aber er vertraute
Aragorns Urteil und keinem von ihnen war damit gedient, wenn sie
abstürzten, schon gar nicht Legolas.
"Gut! Es gibt wohl
keine andere Möglichkeit, auch wenn wir uns jetzt auf einiges
gefasst machen dürfen. Die Drei werden sicher nicht begeistert
sein, dass sie zurück bleiben müssen!"
Ihre
Befürchtungen diesbezüglich stellten sich als richtig
heraus! Gimli tobte und hätte mit seinem Geschrei sicher alle
Horden Orks auf sich gezogen, wenn Aragorn ihn nicht mit barschen
Worten zum Schweigen gebracht hätte. Selbst danach fluchte er
immer noch still vor sich hin und bedachte Aragorn und Gandalf immer
wieder mit strafenden Blicken.
Frodo und Sam waren auch nicht
angetan von der Tatsache, dass sie bei Legolas' Rettung nicht
helfen konnten, doch sie schätzten ihre Kräfte und
Fähigkeiten richtig ein und wussten, dass sie Tanhis und Aragorn
nur aufhalten würden und das würde sie vielleicht wichtige
Zeit kosten.
So dauerte es nicht lange und Tanhis und Aragorn
machten sich bereit, den Weg fortzusetzen, begleitet von den
hoffnungsvollen Blicken der Freunde und Gimlis wütendem
Blick!
Tanhis
warf vorsichtig einen Blick über ihre Schulter und versuchte, in
der Dunkelheit etwas aus zu machen, doch es stellte sich als
vergeblich heraus. Sie klammerte sich auf dem schmalen Absatz der
Felswand fest und krallte ihre Finger mit aller Kraftanstrengung an
der unebenen Oberfläche fest, sodass ihre Knöchel weiß
hervortraten.
Aragorn befand sich nur ein kurzes Stück über
ihr und er ließ sich Stück für Stück, immer nach
Halt suchend, die Wand hinunter, bis er schließlich sein Ziel
erreichte und sich neben ihr auf dem Sims gegen den Fels
presste.
Ohne ein Wort wechseln zu müssen, verstanden sie
einander und gemeinsam wagten sie schließlich, nach einer
kurzen Verschnaufpause, den weiteren Abstieg. Hin und wieder traten
sie kleinere Steine los, auf die sie vorsichtig ihre Füße
absetzten und jedes Mal fuhr ihnen dabei ein gehöriger Schreck
durch die Glieder, denn sie mussten jedes Mal ihren Schwung abfangen,
um nicht in die Tiefe zu stürzen. Einige Zeit später
vernahmen sie knurrende Stimmen von Orks, die ihnen zeigten, dass sie
bald den Grund der Schlucht erreichten und sie wechselten einen
vielsagenden Blick.
Es würde zu einem Kampf kommen, noch
bevor sie den Boden erreicht hatten, denn die Gesprächfetzen
kamen immer aus der gleichen Richtung, was auf einige Wachposten
schließen ließ.
Als die Gruppe endlich in ihr
Blickfeld kam, genügte wieder ein kurzer Augenkontakt mit
Aragorn und Tanhis konnte seine Absichten erkennen. Gleichzeitig
stießen sie sich von der Felswand ab, drehten sich noch im
Sprung und rissen ihre völlig überraschten Gegner um.
Schnell und flink hatte Tanhis ihre beiden Feinde mit gezielten
Stößen ihres Dolches getötet und auch Aragorn hatte
wenige Probleme mit seinen Angreifern. Schwer atmend, vom Abstieg und
Kampf, blieben sie einen Moment regungslos zwischen den leblosen
Körpern stehen und Aragorn ließ seinen Blick über die
Höhlenwände schweifen.
"Komm! Rasch, wir dürfen
keine Zeit verlieren!" Er packte Tanhis' Hand und zog sie in
die Richtung, wo er einen Durchgang ausgemacht hatte.
Frodo
warf einen verstohlenen Seitenblick auf Sam, der genauso
niedergeschlagen die Schultern hängen ließ, wie Gimli und
Gandalf, die einige Meter vor ihnen durch den Tunnel gingen.
Frodo
hatte sich zuerst den Anweisungen von Aragorn gefügt und er
hatte sich ebenso nutzlos und überflüssig gefühlt, wie
die Anderen es jetzt sicher taten, doch mit jedem Schritt, den sie
sich weiter von der Schlucht entfernten, war seine Entschlossenheit
gewachsen und hatte einen Plan in seinem Kopf wach gerufen. Er war
nicht so weit gekommen, um dann kurz vor den Ziel einfach umzukehren!
Das brachte er nicht über sich!
Verstohlen stieß er Sam
seinen Ellenbogen in die Rippen, was diesem sofort einen Protest
entlockte. Sam warf ihm einen finsteren Blick zu und rieb sich die
Seite, um den Schmerz zu vertreiben.
"Was soll das, Herr
Frodo?"
"Scht! Sei leise! Ich habe mir etwas überlegt,
aber dafür brauche ich deine Hilfe, Sam! Ich werde nicht einfach
umkehren und abwarten! Wenn ich mich richtig erinnere, so kommt bald
eine Tunnelöffnung, direkt vor einer langen Biegung. Es sollte
doch möglich sein, noch einen anderen Weg zu finden, der uns an
den Grund der Schlucht, oder sogar das Lager der Haradrim führt.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es nur diesen
einen Weg gibt! Außerdem können wir doch nicht Aragorn und
Tanhis mit einer ganzen Horde Feinde alleine lassen! Sie können
gewiss Unterstützung gebrauchen, wenn sie Legolas erst gefunden
haben und ihn hier heraus schaffen müssen! Lass uns zurück
bleiben und uns dann in den Gang schleichen. Gandalf und Gimli werden
erst etwas merken, wenn wir längst verschwunden sind!"
Sam
sah Frodo misstrauisch an. Ihm gefiel es ganz und gar nicht, sich
alleine durch die dunklen Tunnel zu schleichen, gegen Streichers
Anweisung und ohne eine Ahnung, wohin sie gelangen würden, aber
er dachte auch an die Anderen und machte sich immer noch Sorgen um
sie. Deren Chancen würden steigen, wenn sie ihnen zur
Unterstützung zur Seite eilten, denn je nach dem in welcher
Verfassung Legolas war, würde sich die Flucht und Verteidigung
als äußerst schwierig erweisen. Aber waren zwei kleine
Hobbits da die richtige Hilfe? Sicher waren sie schon oft wegen ihrer
Größe unterschätzt worden, aber gegen hochgewachsene
Haradrim zu kämpfen war im Vergleich zu Orks schon ein
gewaltiger Unterschied.
Sam sah zu Gandalf und Gimli vor sich,
stellte sich ihre Reaktion vor, wenn sie ihr verschwinden bemerkten
und dachte wieder an den dunklen Tunnel, dessen Vorstellung schon
genügte, um ihm einen Schauer über den Rücken zu
jagen.
Frodo hatte seinen Blick unverwandt auf Sams Gesicht
gerichtet und sah deutlich, wie seine Gefühle und sein Verstand
miteinander rangen, doch dann drehte er sich zu ihm und sah ihn
entschlossen an.
"In Ordnung, Herr Frodo! Ich gehe mit, sonst
würdest du es noch fertig bringen und machst dich alleine auf
die Suche! Also los!"
Frodo nickte erleichtert und fasste Sam
an der Hand. Gemeinsam blieben sie immer weiter hinter dem Zauberer
und Gimli zurück, die so in ein e Unterhaltung vertieft waren,
dass sie die Freunde gar nicht beachteten und schließlich
zeigte sich an ihrer rechten Seite die Öffnung des Tunnels und
der Gang beschrieb eine lange Linkskurve. Ohne einen Laut zu
verursachen, blieben die Hobbits stehen, beobachteten, wie die
Freunde ihren Weg fortsetzten, dann um die Kurve gingen und ihrem
Blickfeld entschwanden, bis sie nur noch ihr Stimmengemurmel
vernahmen, dass bald auch verstummte. Entschlossen zog Frodo Sam in
den Tunnel und begann zu rennen, damit sie rasch einen größeren
Abstand zu den Freunden gewannen und diese ihnen nicht so schnell
folgen konnten. Frodo hoffte, dass ihnen ihr fehlen nicht so schnell
auffallen würde und er dankte den Valar, dass Sam bei ihm war.
Gemeinsam würden sie es schaffen!
Legolas ließ Rinyaviê keinen Moment aus den Augen, der vor ihm auf und ab ging und es sichtlich genoss, dass der Elb ihm hilflos ausgeliefert war. Die Wachen hatten Legolas fest an den Armen gepackt und hielten ihn aufrecht, damit ihr Herr ihn noch besser schikanieren konnte, was er auch zur genüge tat. Dabei achtete er jedoch genauestens darauf, dass er ihn nur an den Stellen schlug, wo sich keine seiner Verletzungen befanden, denn er konnte es sich nicht leisten, noch einmal so lange zu warten, bis der Gefangene wieder ansprechbar war.
Legolas schmeckte das Blut, dass von seiner aufgesprungenen Lippe perlte und sein ganzer Körper war angespannt, um die Kraft der Schläge, so gut es eben ging, abzufangen, doch er merkte, dass er diese Kraft nicht mehr lange aufbringen konnte. Auf jede nicht beantwortete Frage, folgte ein Schlag von Rinyaviê, doch egal wie sehr dieser ihn auch quälen würde, von ihm würde er nichts über Minas Tirith und Aragorn erfahren und schließlich war Legolas sich sicher, dass Rinyaviê ihn noch brauchte. Er hatte selbst gesagt, dass er Thranduil und Aragorn mit seiner Gefangenschaft erpressen wollte und dazu brauchte er ihn lebend, also würde er früher oder später diese Folterungen beenden.
Im nächsten Moment
packte Rinyaviê ihn an den Haaren und riss seinen Kopf in den
Nacken, um Legolas in die Augen zu sehen.
"Was denkst du
Bürschchen? Hast du etwa noch Hoffnung, dass dir jemand zur
Hilfe kommt? Dein Freund Aragorn vielleicht? Ha! Der ist viel zu sehr
damit beschäftigt, seine kleinen Dörfer zu beschützen!
Für dich hat er keine Zeit! Und Thranduil wird ihm sicher schon
von deiner Gefangennahme berichtet haben! Ich hoffe, dein Vater wird
sich bald dazu herab lassen, uns seine Entscheidung zukommen zu
lassen, sonst werde ich ihm wohl den Ernst der Lage begreiflich
werden lassen und ihm ein kleines Präsent zukommen lassen! Es
wäre doch zu schade, einen solchen prachtvollen, vollkommenen
Körper verstümmeln zu müssen!"
Dabei ließ
Rinyaviê die Klinge seines Messers mit leichtem Druck den Hals
von Legolas entlang fahren, hinauf bis an sein Ohr, wo er den Druck
verstärkte und einen Schnitt auf der Wange hinterließ, aus
dem langsam das Blut herablief.
Legolas verzog keine Mine und
hielt dem Blick seines Peinigers stand, während sich ein
leichtes Lächeln auf seine Lippen legte. Rinyaviê
versteinerte als er es entdeckte und umgehend trat die Zornesröte
in sein Gesicht und er holte zu einen neuen Schlag aus, den er mit
voller Wucht auf Legolas niederfahren ließ der sich mit einem
Stöhnen zusammenkrümmte.
"Dir wird das Grinsen noch
vergehen!", zischte Rinyaviê und auf sein Zeichen hin,
ließen die Wachposten Legolas fallen und verließen hinter
ihrem Anführer den Raum. Zwei andere blieben an dem Durchlass
zurück, um so vor einem Fluchversuch abzuschrecken.
Alcthon hatte das ganze Geschehen von seinem Tisch aus verfolgt und trat jetzt neben Legolas und half ihm wortlos auf die Beine und stützte ihn, um ihn zu dem Lager zurück zu führen. Er ließ seinen Blick prüfend über die Verbände schweifen, doch Rinyaviê war vorsichtig gewesen und so blieb Alcthon weitere Arbeit erspart. Er wollte sich der Schnittwunde an der Wange widmen, doch die Hand des Elben hielt ihn mit nicht vermuteter Schnelligkeit davon ab und er sah verwundert zu ihm hoch.
"Lasst! Das
ist nicht nötig! Wenn ihr mir wirklich helfen wollt, dann helft
mir, hier heraus zu kommen, bevor Rinyaviê eure ganze Mühe
wieder zunichte macht!"
Alcthon bemerkte das leichte Zittern,
sowohl in der Hand, als auch in der Stimme des Elben und betrachtete
eingehend sein Gesicht, bevor er sich aus dem Griff befreite und ihm
einen verachtenden Blick zuwarf.
"Ihr verlangt viel von eurem
Feind, aber ich werde meinem Herrn nicht verraten. Doch ich sehe, was
euch zu so einer Bitte hinreißt! Ihr werdet schwächer,
wenn ihr noch länger unter der Erde verweilt, richtig? Es stimmt
also, dass ihr eure Lebenskraft auch aus der Natur erlangt, die
ebenso wichtig für euch ist, wie die Luft zum atmen."
Legolas
erwiederte darauf nichts, doch sein Blick reichte Alcthon als Antwort
auf seine Vermutung.
"Ruht euch aus und hofft, dass euer
Vater nicht mehr zu lange wartet!"
Er wandte sich ab und ließ
Legolas alleine in der Höhle zurück.
Legolas sank an
der Felswand entlang auf den Boden und betrachtete stumm seine Hände,
die einfach nicht aufhören wollten zu zittern und ballte sie
schließlich zur Faust. Er lehnte den Kopf in den Nacken und
schloss die Augen, was augenblicklich dazu führte, dass er
Tanhis' Gesicht sah, die ihn sanft anlächelte. Dieser Anblick
verschaffte ihm neue Hoffnung und Zuversicht und er stellte sich vor,
wie er sie wieder in den Armen hielt, alleine, auf der kleinen
Lichtung in Düsterwald.
Doch diese Illusion verblasste
zusehendst und nur zu deutlich trat das dunkle, enge Gewölbe an
seine Stelle, dass es ihm unmöglich machte, sich auch nur länger
als wenige Minuten an den Wald zu erinnern.
Ein plötzlich
unerwartetes Geräusch ließ ihn verharren und er sah zu dem
Vorhang, der beinahe jedes Geräusch verschluckte, doch nach
einer Weile vernahm er es ganz deutlich – das Klirren von
Schwertklinge auf Schwertklinge!
Rasch näherte sich der
Kampflärm, begleitet von Schritten und plötzlich stürzte
einer der Wachleute durch die Öffnung und riss den Vorhang mit
sich, was einen Blick auf den leeren Gang enthüllte. Der zweite
Wachmann lief auf etwas zu, führte einige Schläge aus und
brach schließlich zusammen.
Legolas hielt den Atem an, als
er die zierliche Gestalt erkannte und versuchte, sich wieder
aufzurichten, breitete die Arme aus, um Tanhis aufzufangen, die auf
ihn zu gelaufen kam und sich schluchzend in seine Arme warf. Legolas
fing sie auf und zog sie fest an sich, hielt sie eng umschlungen und
achtete nicht auf die Schmerzen, die ihre Umarmung in seinem
Brustkorb auslösten. Er war viel zu froh darüber, dass er
sie wieder bei sich hatte und konnte es selbst noch nicht richtig
fassen.
Es war kein sonderlich günstiger Zeitpunkt für
Tränen, doch sie kamen trotzdem, heiß und feucht, und
liefen ungehindert über ihre Wangen. Sie hatte geglaubt, sie
würde ihn nie wiedersehen und jetzt saß sie hier und hielt
ihn in ihren Armen. Die Welle der Erleichterung riss sie fast mit
sich, doch sie kämpfte entschieden dagegen an, denn es blieb
ihnen nicht die Zeit, sich länger als erforderlich aufzuhalten.
Sie rief sich ins Gedächtnis, dass sie eine Kriegerin war und
hier, um Legolas zu befreien, nicht, um hier mit ihm dem Feind in die
Hände zu fallen.
Sie beruhigte sich und löste sich aus
seiner Umarmung, blickte ihn an und wischte sich die Tränen aus
den Augen. Prüfend sah sie ihn an und berührte den Schnitt
an seiner Wange. Obwohl ihre Berührung ganz sacht war, zuckte er
zusammen, umfing ihre Hand mit seiner und lächelte sie an.
"Es
ist nicht so schlimm! Komm, wir müssen hier weg!"
Sie
nickte und erst jetzt stellte sie fest, wie blass und schwach er war.
Sie erfasste die unzähligen blauen Flecken und Prellungen und
musterte die Verbände, die seinen Brustkorb verhüllten.
Vorsichtig schob sie die Wickel beiseite und untersuchte die Wunde im
Rücken und tastete seine Rippen ab. Sanft umfasste Legolas
jedoch ihren Arm und mit einer Bedächtigkeit, die Tanhis erst
verwundert registrierte, hob er die Hand an ihre Stirn, strich mit
den Fingern langsam über ihr Gesicht, den Nasenrücken
herunter bis zur Nasenspitze, wobei er ihren Blick unverwandt fest
hielt. Schließlich strich er mit dem Daumen über ihre
zarten Lippen, dann mit den Fingerspitzen über ihre Wange und
endlich beugte er sich zu ihr herunter und drückte seinen Mund
auf ihren.
Als er sich wieder von ihr löste lag ein schwaches
Lächeln auf seinem Gesicht.
"Das war es, was mich die
ganze Zeit über am Leben gehalten hat, Tanhis! Ich wollte dich
noch einmal wiedersehen – um das zu tun!"
Erst jetzt
bemerkte sie sein Zittern und für einen kurzen Moment schwankte
er, doch Tanhis bot ihm Halt und er lehnte seinen Kopf gegen ihre
Schulter.
"Verflucht", murmelte sie, schob ihn ein Stück
von sich und half ihm, sich zu erheben und die Tunika über zu
streifen, die immer noch auf dem Lager lag.
"Wir haben keine
Zeit mehr. Komm!"
Nur zu gerne hätte sie ihm noch etwas
Ruhe gegönnt, doch es half alles nichts, sie mussten zusehen,
dass sie so schnell wie möglich aus diesem Loch hier heraus
kamen und gemeinsam begaben sie sich dann zum Ausgang, wobei Tanhis
sich bemühte, sich ihre Sorge nicht anmerken zu lassen.
Auf
dem Gang trafen sie auf Aragorn, der dort gewartet hatte, um weitere
Angreifer abwehren zu können, bis Tanhis und Legolas kamen. Als
Legolas ihn erblickte, zog er überrascht die Augenbrauen hoch,
doch Aragorn lächelte ihn nur an und sagte bestimmt:
"Keine
Zeit für Erklärungen, mellon nin! Machen wir, dass wir dich
so schnell wie nur möglich hier raus bringen!" Er musterte
Legolas nur kurz, ließ sich keinen seiner Gedanken beim Anblick
des Freundes anmerken und warf Tanhis dann einen vielsagenden Blick
zu. Damit drehte er sich um und führte sie in einen weiteren
Tunnel hinein, zielsicher den Rückweg antretend.
Frodo
folgte unbeirrt dem Verlauf des Haupttunnels, während Sam
missmutig hinter ihm her trottete und leise vor sich hin schimpfte.
Wie lange sie nun schon durch die Finsternis liefen, wusste Frodo
nicht, aber sein Gefühl sagte ihm, dass sie auf dem richtigen
Weg waren und sicher bald auf Aragorn und Tanhis treffen würden
– und vielleicht auch auf Legolas!
Es wurde merklich wärmer
und die Luft war angefüllt mit allerlei Gerüchen,
hauptsächlich dem Gestank der Orks, und Stich begann schließlich
auch schwach in seiner Hand zu leuchten, was Sam augenblicklich zum
Schweigen brachte.
Frodo fühlte die Hitze der Aufregung
seinen Körper herauf wandern und sein Herz klopfte so wild, dass
es ihm fast aus der Brust sprang. Dicht an die Felswand gedrückt,
schoben sie sich weiter, bei jedem Schritt darauf bedacht, nicht das
kleinste Geräusch zu verursachen, bis sie eine scharfe Kurve
erreichten.
Frodo lauerte vorsichtig um die Ecke und erblickte ein
kleines Gewölbe, in dem mehrere Tunnel mündeten, doch es
war in völlige Dunkelheit getaucht und leer. Nicht ein Ork oder
Haradrim war zu sehen, was ihn angesichts seines Schwertes in
Verwunderung versetzte. Er wollte sich gerade wieder Sam zuwenden,
als ihn der Klang von mehreren Schritten ans Ohr drang, der von den
Felswänden widerhallte und im nächsten Moment erfasste er
einen schwachen Lichtschein, den die Öffnung eines Ganges
erhellte.
Sam trat in dem Augenblick neben ihn, als ihre drei
Freunde in die Halle stolperten, wobei Aragorn und Tanhis immer
wieder Pfeile in die Richtung abfeuerten, aus der sie gekommen waren
und die gellenden Schreie der Getroffenen zeugten von ihren
Verfolgern.
Frodo und Sam brauchten sich nicht einmal anzusehen,
um sich abzusprechen, ohne zu zögern rannten sie mit gezogenen
Schwertern an die Seite der Freunde.
Aragorn drehte sich um,
um einen Blick auf Legolas zu werfen, der sich keuchend gegen die
Felswand gelehnt hatte und dabei fiel sein Blick auf die Hobbits wie
aus dem Nichts auftauchten und auf sie zu eilten.
"Was...!",
setzte er an, doch Frodo ließ ihn nicht zu Wort kommen, warf
sich noch im Lauf gegen ihn und rettete ihn so vor einem der
surrenden Pfeile, der ihn sonst getroffen hätte.
Gleichzeitig
kamen sie wieder auf die Beine, ergriffen ihre Schwerter, die ihnen
beim Sturz aus der Hand gefallen waren und streckten die ersten Orks
nieder, die das Ende des Tunnels erreicht hatten. Zu Fünft
versuchten sie die Verfolger zurückzudrängen, was ihnen
Aufgrund der Enge des Tunnels auch Anfangs gelang, doch bald drängten
sich immer mehr Orks und auch Haradrim gegen sie und es war schnell
klar, dass sie nicht mehr lange stand halten konnten.
Ein rascher
Blick auf Legolas machte Aragorn deutlich, dass den Elb zusehendst
die Kräfte schwanden und er wusste, was zu tun war.
"Tanhis!
Bring ihn hier raus! Die Hobbits und ich werden den Ansturm noch eine
Weile abhalten können!", schrie er ihr zu und ihr nicken
zeigte ihm, dass sie verstanden hatte.
Sie ergriff umgehend die
Hand von Legolas und zog ihn mit sich. Aus den Augenwinkeln sah sie,
wie auch aus den anderen Tunneln einige Variags und Orks stürmten
und sich die Freunde mutig in deren Weg stellten, um ihnen die Flucht
zu ermöglichen und endlich verschluckte sie der niedrige
Durchgang und sie waren vorerst in Sicherheit.
Völlig
außer Atem nach ihrem langen Lauf, hielten Tanhis und Legolas
am Ende des Tunnels an, der sich in zwei Richtungen gabelte. Während
ihrer Flucht, hatten sie einige Orks abwehren müssen, die
vereinzelt durch den Tunnel gestreunt waren, doch nun war alles in
Stille getaucht und nichts deutete auf Verfolger hin.
"Und
nun?", wollte Legolas wissen und ließ sich mit einem
schmerzerfüllten Aufkeuchen gegen die Tunnelwand sinken, wobei
er seine Mitte umschlang. Schweiß perlte an seinen Schläfen
entlang und Tanhis sah die Erschöpfung in seinem Gesicht und
beschloss, ihm einen Augenblick Zeit zu gönnen, um zu
verweilen.
Sie ging vor ihm in die Hocke und legte ihm zärtlich
ihre Handfläche an die Wange, während sie ihm tief in die
Augen sah, von unendlicher Erleichterung durchflutet, dass er wieder
bei ihr war.
Legolas fühlte sich am Rande seiner Kräfte,
doch ihm war auch bewusst, dass er durchhalten musste, um endlich
wieder einen Ausweg aus diesem Labyrinth von Gängen und Tunneln
zu finden. Trotz seiner Schwäche erfüllte ihn auch ein
zuversichtliches Gefühl, dass ihn überkommen hatte, als er
Tanhis endlich wieder in den Armen gehalten hatte. Sie zu fühlen
hatte mehr als alles andere bewirkt, dass er sich schon viel besser
fühlte, als es jedes Heilkraut vermocht hätte und doch
brauchte er diese kurze Pause, um wieder seinen Atem auf ein
erträgliches Maß zu senken, damit ihn das Luftholen nicht
mehr so schmerzte.
Tanhis hob den Kopf und blickte ihn an und ihre
Augen leuchteten jetzt in einem dunklen Grün, als er bemerkte,
dass sie auf die Stelle in seinem Gesicht starrte, wo ihn Rinyaviês
Klinge verletzt hatte.
Immer noch lief ein wenig Blut seine Wange
herunter und er machte Anstalten, es mit dem Ärmel seiner Tunika
wegzuwischen, doch sie hielt ihn hastig zurück.
"Warte!
Ich habe Athelas-Salbe dabei!" Sie griff in die Tasche ihres
Bündels, das sie auf dem Rücken trug und zog ein gefaltetes
Blatt heraus, das die heilende Salbe enthielt.
"Komm, das
wird helfen!" Tanhis ließ sich vor ihm im Schneidersitz
nieder, beugte sich zu ihm vor, als sie den Saum ihrer Tunika mit
Wasser aus ihrer Flasche befeuchtet hatte, und begann, die Wunde
vorsichtig zu säubern. Dabei rutschte eine lange Strähne
ihres Haares aus dem Gewirr auf ihrem Kopf, doch sie richtete ihre
ganze Aufmerksamkeit auf das Versorgen des Schnitts, dass es ihr gar
nicht in den Sinn kam, diese wieder an ihren Platz zu schieben. Die
Fingerspitzen auf Legolas' Wunde, wo sie inzwischen die Salbe
verrieb, hielt Tanhis plötzlich mitten in der Bewegung inne,
doch es war Legolas, der blitzschnell reagierte.
So schnell es
die Schmerzen zuließen, hatte Legolas den Bogen aus dem Köcher
von Tanhis' Rücken gezogen und den ersten Pfeil abgeschossen,
der den herannahenden Ork mit einem kreischenden Schrei regelrecht an
der Felswand festnagelte. Er stöhnte im Todeskampf, bis
schließlich auch die letzten Zuckungen verebbten und er schlaff
zusammensank.
Tanhis hatte sich mit klopfendem Herzen
zusammengekauert, um Legolas eine bessere Sicht zu geben, als er
jetzt auch zwei weitere Orks zu Fall brachte.
Hastig zog er sie
dann in die Höhe, durchwühlte ihr Bündel und zog einen
Gegenstand heraus, den sie im fahlen Licht als ein Säckchen mit
Heilkräutern ausmachte.
"Durch den rechten Tunnel!",
wies er sie an, spießte den Beutel mit dem Pfeil auf und
spannte den Bogen. Als er ihn in den anderen Tunnel abschoss,
rieselten die Blüten und Blätter aus den Riss auf den Boden
und hinterließen eine falsche Spur für die schnell näher
kommenden Verfolger.
Legolas ergriff Tanhis' Hand, fuhr herum
und zog sie mit sich, in der Hoffnung, die Orks mochten auf diesen
Trick hereinfallen, um ihnen einen Vorsprung zu lassen.
Es wird immer schlimmer, dachte Tanhis verzweifelt und lief weiter den engen Pfad entlang hinter Legolas her, der sich sichtlich dazu zwang, nicht langsamer zu werden. Noch hörten sie nur ihren eigenen, schnellen Atem und ihre Schritte auf dem sandigen Boden, was bedeutete, dass die Feinde auf Legolas' Trick herein gefallen waren, doch sie durften dennoch nicht anhalten. Zu groß war die Gefahr, dass sie ihnen doch noch folgen konnten und dann war es besser, soviel Abstand wie nur möglich zwischen sie gebracht zu haben.
Sie liefen weiter durch das Gewirr von Gängen und
wichen schließlich vom Hauptweg ab, in einen kleineren Tunnel,
um einer Horde Variags zu entgehen, die sich ihnen in den Weg stellen
wollten, doch Tanhis war glücklicherweise noch rechtzeitig auf
sie aufmerksam geworden. Dieser Pfad erwies sich jedoch schnell als
recht mühselig, denn immer wieder hatten sich Felsbrocken aus
den Wänden gelöst und behinderten sie im Weiterkommen, doch
der Weg führte auch bergan, was Tanhis als gutes Zeichen sah,
denn sie war zuversichtlich, dass sie bald einen Ausgang erreichen
würden.
Nach einer geraumen Zeit öffneten sich unzählige
Spalten und Risse an den Seiten des Tunnels und aus einigen blies
kalt ein frischer Wind und trug auch hin und wieder den schwachen
Duft von feuchter Erde mit sich, der Tanhis' Zuversicht noch mehr
steigerte. Sie wurde schließlich immer schneller, ihre Schritte
immer ausschweifender, bis sie Legolas überholte und die Führung
übernahm, von einer neuen Sicherheit erfasst, die sie in eine
ganz bestimmte Richtung zog. Sie spürte regelrecht, dass es
nicht mehr weit war, bis sie das Tageslicht wieder sehen würden,
die Bäume und Wälder, die sie auch nach diesen kurzen Tagen
unter der Erde schon schmerzlich vermisste. Wie mochte es Legolas
dann ergehen, der bereits so lange auf diese Kraft verzichten
musste!
Ihre Gedanken fanden im nächsten Augenblick eine
Bestätigung, als sie Legolas Hand auf ihrem Arm fühlte und
als sie sich zu ihm umwandte konnte sie sofort sehen, was ihn dazu
bewogen hatte, anzuhalten.
Er war am Ende seiner Kräfte,
unfähig auch nur einen Schritt weiter zu gehen und sein Atem
ging in kurzen, heftigen Stößen. Als ob sein Zustand
alleine nicht schon genug Anlass zur Sorge war, vernahm sie plötzlich
den stampfenden Schritt neuer Verfolger und von Panik erfüllt
suchte sie ihre Umgebung nach einem Versteck ab, machte einen breiten
Riss in der Felswand aus und zog Legolas entschlossen mit
sich.
Unterdrückt fluchend kroch sie in den Spalt, zwängte
sich so tief herein, wie es eben ging und Legolas folgte ihr gerade
noch rechtzeitig. Genau in dem Moment als er sich hinter ihr durch
die Ritze quetschte, kam eine ganze Horde Variags an der Öffnung
vorbei. Mit klopfenden Herzen und angehaltenem Atem saßen sie
ganz still da.
Tanhis schaute zu Legolas. Er beobachtete noch immer angespannt den Tunnel, seine Züge in konzentrierter Aufmerksamkeit gezeichnet, während das flackernde Licht der vorbeidrängenden Fackeln abwechselnd sein Gesicht in Licht und Schatten tauchten. Als die letzte Fackel draußen vor dem Spalt vorbei tanzte, ließ Legolas von der Beobachtung der Feinde ab und wandte sich zu Tanhis um. Im nächsten Moment verstarben auch die letzten Schritte ihrer Gegner und alle Anspannung wich aus seinem Gesicht und er sank in sich zusammen, mit einem völlig erschöpften Gesichtsausdruck, der Tanhis wieder seinen Zustand ins Gedächtnis rief.
Sie mussten eine Rast einlegen,
sonst würde Legolas nicht in der Lage sein, dieses Tempo weiter
durchzustehen und so nutzte sie die Gelegenheit und mühte sich
ab, ein kleines Feuer zu entfachen.
Ihr Versteck hatte sich,
obwohl es von Außen nicht den Anschein erweckte, als durchaus
geräumig erwiesen und schließlich war es ihr auch
gelungen, die kleinen Zweige zu entzünden. Bald hielt sie einen
Becher mit dampfendem Tee vor Legolas', der ihn dankbar entgegen
nahm. Sie achtete darauf, dass er das Meiste davon trank, reichte ihm
auch noch ein Stück Lembas, das er jedoch nach wenigen Bissen zu
ihr zurück reichte.
Legolas lehnte sich für einen
kurzen Augenblick mit geschlossenen Augen gegen die Felswand und
fühlte, wie der Tee seine Wirkung entfaltete und ihn
vorübergehend mit Wärme durchflutete. Er hielt seinen Arm
gegen seine Rippen gepresst und in seinem Kopf überschlugen sich
die Gedanken, doch langsam fühlte er sich wieder dazu imstande,
ihre Lage zu überdenken.
Wie viele Orks konnten sie in einem
offenen Kampf überwältigen, wenn keine Haradrim oder
Variags bei ihnen waren? Nicht genug, lautete die ernüchternde
Antwort. Selbst wenn sie mit Pfeil und Bogen einen Großteil
unschädlich machen konnten, blieben noch genug übrig, die
sie mit ihren Schwertern angreifen würden. Und was war mit der
nächsten Horde? Oder der übernächsten? Sie konnten
sich nicht den ganzen Weg freikämpfen, dazu waren sie bei weitem
nicht in der Lage, selbst dann nicht, wenn es ihm besser gegangen
wäre! Wenn es noch einmal zu einem Kampf kam, dann wäre es
ein Kampf auf Leben und Tod; und komme was wolle, er würde nicht
zulassen, dass Tanhis gefangen genommen wurde oder gar verletzt oder
getötet.
"Legolas?", fragte Tanhis besorgt und
riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich zu ihr um und ihre Hand
legte sich zärtlich auf seine Wange. "Du frierst ja!"
Es
stimmte. Sein ganzer Körper zitterte wieder und Tanhis rutschte
zu ihm heran und zog ihn an sich, um ihn zu wärmen.
"Wir
können nicht länger hier bleiben.", sagte er nach
einer Weile und löste sich aus ihrer Umarmung. Sie wusste, das
er recht hatte, doch als sie jetzt in seine Augen sah, fand sie einen
beängstigenden Ausdruck darin und seine nächsten Worte
waren ein Beweis dafür.
"Ich werde bis zum letzten
Atemzug kämpfen, um dich zu beschützen! Versprich mir, dass
du, sollte es dazu kommen, fliehen wirst und dich in Sicherheit
bringst!"
Seine Hand umschloss die ihre um seinen Worten mehr
Nachdruck zu verleihen. "Du bist viel zu schnell, um von ihnen
gefangen genommen zu werden!"
"Ich werde dich nicht
verlassen! Und keiner von uns wird sterben! Wir werden schon bald den
Ausgang erreicht haben und dann werden wir in Sicherheit
sein!"
"Tanhis! Tu es, weil du mir so viel bedeutest!
Ich könnte es nicht ertragen, wenn..."
"Genau aus
diesem Grund werde ich es NICHT tun!", erklärte sie
entschieden und schlang ihre Hand um seinen Nacken und zog ihn zu
sich, um ihn einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Zu müde
für einen weiteren Protest, ließ er sich von ihr in die
Felsmulde drücken und sie kuschelte sich an ihn.
Legolas
erwachte, geweckt durch ihre Stimme, die von unzähligen kleinen
Küssen auf sein Gesicht begleitet wurden. Er fühlte sich,
als hätte er tagelang geschlafen, einen langen, traumlosen
Schlaf, der ihm Kopfschmerzen verursacht hatte.
"Es wird
Zeit, dass wir weiter gehen!", flüsterte sie.
Legolas
richtete sich auf und hielt seine pochende Schläfen, doch er
sah, dass Tanhis bereits alles gepackt hatte und abmarschbereit war,
sodass er sich fragte, ob sie überhaupt auch nur eine Minute
geschlafen hatte. Wenn nicht, so merkte man es ihr in keiner Weise
an, im Gegenteil, sie schlug sogar ein noch schnelleres Marschtempo
an, als vorher.
Aragorn und die Hobbits hatten ihre
ganze Kraft aufbringen müssen, um die unzähligen Orks,
Haradrim und Variags zu schlagen, doch nach einigen kleineren
Verletzungen und enormen Zeitaufwand, hatten sie auch den letzten
Feind niedergestreckt und konnten den Rückzug antreten. Als sie
nach Stunden, und unzähligen, engen Tunneln später, wieder
auf den Hauptweg gelangt waren, waren sie zu ihrer Verwunderung
wieder auf Gimli und Gandalf getroffen, die den beiden Hobbits einen
erzürnten Blick zuwarfen.
Doch schnell war ihr Ärger
verflogen, als sie sich im Laufen berichten ließen, was
geschehen war und sie wandten sich ihrem nächsten Ziel zu. Sie
mussten Legolas und Tanhis finden, die sicher auf der Suche nach
einem Ausgang waren. Alle hofften, dass sie dabei nicht von den
Feinden entdeckt wurden, denn zu Zweit konnten sie einem großen
Angriff sicher nicht abwehren und so eilten sie los, um die Freunde
zu finden. Aragorn führte sie und bald fand er eine Spur, die er
eindeutig den beiden Elben zuordnen konnte und von neuer Zuversicht
erfüllt, setzten sie ihren Weg fort.
Frodo blieb immer dicht hinter Aragorn, immer von der Hoffnung erfüllt, Legolas und Tanhis hinter der nächsten Biegung zu erblicken, doch es verstrich wieder eine unendlich lange Zeit, in der sie ihnen nicht begegneten. Glücklicherweise deutete jedoch auch alles darauf hin, dass sich ab einem gewissen Abschnitt, auch keine Feinde mehr in diesem Tunnel befanden und Frodo konnte sein Glück gar nicht fassen, als er plötzlich den schwachen Sonnenschein vor sich entdeckte, der ihn nach dem langen Aufenthalt unter der Erde blendete.
Aragorn atmete ebenfalls erleichtert aus und zwängte
sich als erster durch die Öffnung um ins Freie zu gelangen. Er
hatte sich noch nicht ganz hindurch gezogen, als er plötzlich
mit Wucht herumgerissen wurde, als eine Person sich gegen ihn warf
und in exakt dem Moment, als er das Aufblitzen einer Klinge im Licht
der Sonne erfasste, spürte er auch schon den brennenden Schmerz,
der ihn beim Abwehren des Stoßes durch das Handgelenk fuhr. Es
war reiner Instinkt, der ihn in die Lage versetzte, den nächsten
Schlag abzufangen und die Dolchhand zu umfangen, den Schwung des
Gegners zu nutzen und ihn über die Schulter zu werfen, um sich
dann auf ihn zu rollen, wobei er ihn fest auf den Boden drückte.
Als
er jedoch sah, wer ihn angegriffen hatte und unter ihm lag, lockerte
sich sein Griff umgehend und er gab Legolas frei, den dieser Angriff
sichtlich mehr Anstrengung gekostet hatte, als er im Stande war,
aufzubringen. Aragorn sah auch die Verzweiflung und Hilflosigkeit,
die den Freund zu diesem Angriff getrieben hatte, sodass er nicht
einmal in der Lage gewesen war, Freund von Feind zu unterscheiden. Er
sah auch die grenzenlose Erschöpfung und sofort beeilte sich
Aragorn, ihm beim Aufstehen zu helfen und sah ihn besorgt an, während
endlich auch die Anderen durch die Öffnung traten und ebenso
Tanhis an ihre Seite eilte, die Legolas sofort umfing um ihn zu
stützen.
"Aragorn!", stieß Legolas
hervor. "Verzeih, aber ich habe gedacht, dass ihr eine Horde
Orks seid, die uns verfolgen!"
Aragorn versuchte ein
aufmunterndes Lächeln, doch seine Äußerung zeigte ihm
auch, dass Legolas durch die lange Gefangennahme einige seiner
elbischen Fähigkeiten eingebüßt hatte, sonst hätte
er den Unterschied wohl schon von weitem Gehört. Der Freund
musste dringend zur Ruhe kommen um sich zu erholen und nach Lôrien
gebracht werden!
"Wenn das so ist, dann hättest du mich
töten sollen, - aber ich bin froh, dass dir das missglückt
ist!", entgegnete Aragorn, wischte sich das Blut vom Handgelenk
und ein kurzer Blick zeigte ihm, dass er lediglich eine leichte
Schnittwunde davon getragen hatte. Wieder musterte er Legolas und
fand die Bestätigung für den schlechten Zustand des Elben,
der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
"Kommt, wir
sollten aufbrechen! Von hier aus bis nach Lôrien ist es zwar
nicht so weit, doch ich will nicht wissen, wie schnell sich unsere
Feinde an eine Verfolgung machen werden. Es wird ihnen nicht
gefallen, dass wir entkommen sind und wir müssen den Wald
erreichen, bevor sie uns einholen!"
Aragorn ging zu
Gandalf und wechselte rasch einige Worte mit ihm, darauf bedacht, das
niemand etwas davon mitbekam, dann wechselte er einen fragenden Blick
mit Legolas, der nur bestätigend nickte und schließlich
brachen sie auf.
Aragorn führte die Gruppe, gefolgt von
Tanhis, Legolas und Gimli, der ununterbrochen seine Freude über
das Wiedersehen seines Freundes kund tat, dann gliederten sich die
Hobbits in die Kette ein und Gandalf bildete das Ende. Sie kamen
Anfangs recht beschwerlich voran, doch bald gelangten sie auf einen
ausgetretenen Pfad der stetig bergab führte und von den
umliegenden Felsen geschützt wurde. Sie folgten ihm bis zu einer
Weggabelung, hielten sich nach Süden und einige Stunden später
erstreckten sich vor ihnen die Schwertel Felder am Fuße des
Schattengebirges und in weiter Ferne erhoben sich die ersten Bäume
von Lôrien.
Aragorn nahm sich nicht die Zeit, die
Schönheit des Landes im Glanz der Nachmittagssonne zu bewundern,
sondern schritt unbeirrt auf seinem Weg fort, entlang des Gebirges.
Er wollte unter allen Umständen vor Einbruch der Nacht im Reich
der Elben angelangt sein und wenn sie dieses Tempo beibehielten,
konnten sie es durchaus schaffen. Prüfend warf er immer wieder
einen Blick über seine Schulter auf Legolas, der sich jedoch
verbissen vorwärts kämpfte und sich dabei auf Tanhis
stützte.
Aragorn durchflutete beim Anblick des Freundes immer
wieder eine Welle der Erleichterung und er dankte im Stillen den
Valar, dass sie ihn rechtzeitig gefunden hatten. All seine
Befürchtungen, die ihn immer wieder eingeholt hatten, waren
nicht bestätigt worden und er war zuversichtlich, dass der Elb
sich schnell wieder erholen würde, wenn sie erst die Wälder
Lóriens erreicht hatten. Tanhis würde ihm außerdem
den nötigen Beistand und die Pflege geben.
Ein Lächeln
stahl sich auf Aragorns Gesicht, als er an die Elbin dachte. Schon
bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte er gespürt, was in dieser
zierlichen Person steckte und in den Höhlen hatte sie seine
Einschätzung auch bestätigt. Sie war flink und schnell,
begriff sehr rasch und hatte sich ihm genau angepasst, sodass sie
nicht einmal Worte bedurft hatten, um sich abzusprechen. Nur so war
es ihnen möglich gewesen, Legolas zu finden und unzählige
Feinde mühelos zu überwältigen.
Sie und Legolas
gaben ein hübsches Paar ab und von ganzem Herzen hoffte Aragorn,
dass der Elb mit ihr sein eigenes Glück gefunden hatte und sie
nach dieser Sache endlich die Ruhe finden würden, die sie sich
verdient hatten.
Bei
Einbruch der Dämmerung hatten sie endlich die Grenzen nach
Lôrien überschritten und wurden von einer Gruppe Waldelben
empfangen, die schon nach ihnen Ausschau gehalten hatten. Sie führten
Pferde für sie mit sich, die sie das letzte Stück ihres
Weges trugen und so den erschöpften Gefährten etwas
Erholung boten. Vor allem Legolas nahm diese Geste der Unterstützung
dankend entgegen und war sichtlich erleichtert, dass er keinen
Schritt mehr hinter sich bringen musste.
Tanhis bestand darauf,
hinter ihm zu sitzen und schmiegte sich an ihn, während sie ihn
mit ihrem Mantel einhüllte um ihm noch etwas ihrer Wärme
abzugeben, denn ihr war nicht entgangen, dass er immer noch am ganzen
Leib zitterte und sie hoffte, ihm so endlich Linderung zu
verschaffen. Sie schob ihre Hände vor seine Brust und er
umfasste ihre Finger und drückte einen flüchtigen Kuss
darauf. Nach einer Weile überkam Tanhis die Müdigkeit und
eng an Legolas geschmiegt, durch das leichte Schwanken des Pferdes,
sank sie schließlich in einen leichten Schlaf.
Legolas
fühlte, wie Tanhis hinter ihm langsam entspannte und als ihre
Hände in seinen Schoß sanken, wusste er, dass sie endlich
eingeschlafen war. Ihr Kopf lehnte gegen seine Schulter und er wagte
sich nicht zu bewegen, aus Angst, die kleinste Regung könnte sie
wieder wecken, auch wenn es ihn einige Anstrengung kostete, sich
aufrecht im Sattel zu halten. Viel zu langsam wollte die Erschöpfung
aus ihm weichen, er war einfach zu lange unter der Erde gewesen und
selbst die Kraft, die hier in Lôrien herrschte, vermochte
nicht, ihm Linderung zu verschaffen. Doch er versuchte sein
Möglichstes, um dagegen anzukämpfen, denn er musste
unbedingt noch mit Aragorn reden und ihm alles über Rinyaviê
erzählen und was dieser von seinem Vater gefordert hatte. Bis
jetzt hatten sie noch keine Gelegenheit dazu gehabt, doch noch mehr
Zeit durfte er nicht mehr verstreichen lassen, denn sonst konnte es
zu spät sein.
Erleichtert sah Legolas hinter den Bäumen
nun die ersten Lichter aufleuchten, die von der Kolonie stammten und
er trieb sein Pferd noch etwas an.
Auf der Lichtung wurden sie
schon erwartet und als die Tiere anhielten, erwachte Tanhis aus ihrem
Schlummer ließ sich herab gleiten, rieb sich den Schlaf aus den
Augen und ergriff Legolas Hand. Gemeinsam mit den Anderen machten sie
sich auf den Weg zu der großen Halle, um sich ein Lager für
die Nacht zuweisen zu lassen, doch als sie die Treppe erreichten
hielt sie eine wohlbekannte Stimme zurück.
"Legolas! Du
wirst bereits erwartet, damit du uns Bericht über unseren Feind
geben kannst! Herr Aragorn. Gandalf. Ihr werdet auch anwesend sein
müssen!"
Legolas war beim Klang der Stimme seines Vaters
leicht zusammen gezuckt und drehte sich langsam zu ihm herum. Er war
nicht im geringste darauf vorbereitet gewesen, ihn hier anzutreffen
und er konnte seinen Blick nicht von Thranduil lösen. Er suchte
nach einem kleinen Hinweis im Gesicht seines Vaters, ob dieser auch
nur eine Spur der Freude über seine Rettung empfand, doch es war
lediglich gezeichnet, von der königlichen Würde, die es
immer schon erfüllt hatte.
Die Enttäuschung raubte ihm
fast seine letzte Kraft und er sah seinen Vater nur stumm an,
unfähig, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu
rühren.
"Legolas! Hast du mich nicht verstanden? Man
erwartet dich! Ausruhen kannst du später, es wird Zeit!"
Aragorn
war der erste, der seine Stimme wieder fand und er trat einen Schritt
auf Thranduil zu.
"Herr! Euer Sohn hat einiges durchgemacht.
Gönnt ihm den Rest der Nacht, um wieder etwas zu Kräften zu
kommen. Er wurde verletzt und der Rückweg war lang!"
Thranduil
begegnete Aragorns Blick mit erstaunlicher Ruhe, doch seine nächsten
Worte zeigten deutlich, dass er sich nicht erweichen ließ.
"Wir
wissen, was er durchgemacht hat, Herr Aragorn! Doch es ist seine
Pflicht, an das Wohl seines Volkes zu denken und es über sein
eigenes Wohlergehen zu stellen! Und nun folgt mir!"
Langsam
löste Legolas sich von Tanhis' Hand und versuchte, die Fassung
zu waren und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn das
Verhalten seines Vaters traf, der sich jetzt von ihnen abwandte und
sich auf den Weg zum Rat machte.
Aragorn seufzte neben ihm und
legte dann eine Hand auf seine Schulter.
"Es scheint, als
würden wir dem nicht entgehen können! Komm, lass es uns
hinter uns bringen!"
Gandalf, Aragorn und Legolas ließen
den Rest der Gruppe zurück, die immer noch wie versteinert auf
den Stufen standen und ihren Freunden hinterher blickten. Als sie
hinter den Bäumen verschwanden, begann Gimli, seinem Ärger
Luft zu machen.
"Das darf doch nicht wahr sein! Dieser
Thranduil ist doch ungeheuerlich! Sieht er denn nicht, wie es Legolas
geht? Er hat das kalte Herz eines Haradrim, jawohl!"
Frodo
stimmte Gimli mit einem Nicken zu, doch auch er war zu erschöpft,
um noch irgendetwas darauf zu erwidern, ebenso wie Sam. Sie waren
einfach zu müde, auch wenn sie ebenso dachten wie Gimli.
Tanhis
nahm das alles um sich herum nur gering wahr. Sie starrte noch immer
hinter der kleinen Gruppe her, selbst, als sie schon nicht mehr zu
sehen waren. Dieser Thranduil war doch einfach nicht zu durchschauen!
Fast hatte sie geglaubt, dass ihm Legolas doch etwas bedeutete, dass
er sich nicht minder um ihn sorgte, wie sie, Gimli oder einer der
übrigen Freunde, doch eben hatte er all ihre Einschätzungen
widerlegt! War er denn so blind, dass er nicht sah, wie schlecht es
Legolas immer noch ging? Was war aus seinen Vorsätzen geworden,
die er ihr im Wald noch anvertraut hatte? Hatte er sie so schnell
wieder vergessen?
Oder wollte er sich vor den anderen nicht die
Blöße geben, sich wie ein Vater zu verhalten? Bedeutete
ihm seine Königswürde wirklich mehr, als die Gefühle
seines Sohnes?
Tanhis hatte deutlich die Enttäuschung an
Legolas bemerkt, als sein Vater ihn in keiner Weise mit einer anderen
Aufmerksamkeit bedacht hatte, als den eines Kundschafters, der
Informationen über ihren Gegner herausgefunden hatte!
Ihre
Wut gegen Thranduil bahnte sich ihren Weg zurück in ihr Inneres,
wo sie diese nach ihrem Gespräch verbannt hatte und sie schwor
sich, dem König der Waldelben nicht mehr so leicht zu glauben!
Und sie würde ihm bei der passenden Gelegenheit auch noch
gründlich die Meinung sagen – darauf konnte sich Thranduil
schon jetzt gefasst machen!
Im Verhandlungsraum
hatten sich alle hoch angesehenen Elben versammelt, fast alle
Vertreter ihrer Stämme, darunter auch Elrond aus Bruchtal, dem
die Freude über ihre Wiederkehr im Gesicht geschrieben stand,
was Legolas jedoch einen neuen Stich versetzte. Selbst Elrond war in
der Lage, seinen Gefühlen und der Erleichterung Ausdruck zu
verleihen! Man sah sogar die Sorge, die ihn bei Legolas' Anblick
erfasste und er wies einige bereitstehende Wachen dazu an, Stühle
und Wasser für die drei Freunde bringen zu lassen.
Alle
Anwesenden saßen um die Tafel eines runden Tisches, in die
weiten, fließenden Gewänder ihres Volkes gekleidet und
betrachteten die Gefährten mit großem Interesse.
Nachdem
sie mit allem versorgt waren, erhob sich Celeborn, Herr von Lôrien,
aus seinem Stuhl und begrüßte alle freundlich, bevor er
Legolas dazu aufforderte, seinen Bericht zu beginnen.
Legolas
erzählte über alles, an das er sich noch erinnern konnte,
denn vieles hatte er nur bei schwachem Bewusstsein erfasst, doch er
bemühte sich, alle Fragen der Ratsmitglieder zu beantworten.
Bald steigerten sich jedoch wieder seine Kopfschmerzen und er konnte
einigen Worten nur mit Mühe folgen, was ihm immer wieder den
tadelnden Blick seines Vaters einbrachte.
Aragorn griff immer
öfter in die Gespräche ein, denn er merkte nur zu genau,
dass der Elb diese Art von Verhör nicht mehr lange durchstehen
würde und schilderte ausführlich die Geschehnisse ihrer
Flucht, um damit auf die Strapazen ihrer Heimreise aufmerksam zu
machen. Nach etwa zwei Stunden erhob er sich schließlich und
blickte entschlossen in die Runde, bis er Thranduil fest in die Augen
sah.
"Ihr hört, dass wir viele Gefahren und
Anstrengungen hinter uns haben! Deshalb bitte ich den Rat um
Entschuldigung, dass wir uns nun verabschieden werden. Wir benötigen
mehr als alles andere nun unsere Ruhe! Morgen werden wir gerne wieder
für ihre Fragen zur Verfügung stehen. Mit eurer Erlaubnis,
Herr Celeborn..."
Aragorn verneigte sich voll Ehrfurcht vor
dem Elben, der ihm mit einer Handbewegung die Erlaubnis erteilte,
dass sie sich entfernen durften.
Aragorn warf Thranduil noch einen
stummen Blick zu, bevor er sich Gandalf zuwandte und sie Legolas aus
der Halle begleiteten.
Thranduil folgte ihnen mit seinen
Blicken und seufzte. Legolas hatte nicht im mindesten ihre Fragen
zufrieden stellend beantworten können und so wussten sie immer
noch nicht, auf was genau sich das Volk der Elben gefasst machen
musste. Nicht einmal über die Größe des Heers hatte
er genaue Angaben machen können.
Natürlich hatte er
gesehen, dass sein Sohn recht mitgenommen aussah, doch er musste
lernen, an seine Pflichten zu denken; er war immerhin ein Prinz und
würde irgendwann vielleicht an seiner Stelle über
Düsterwald herrschen! Schwäche war etwas, dass sich kein
König leisten durfte, dass hatte er ihm schon so oft versucht
verständlich zu machen.
Wieder seufzte er. Wusste der Junge
denn nicht, dass er es nur gut mit ihm meinte? Nein, lautete die
sichere Antwort. Er hatte es in Legolas' Augen gesehen, als er ihn
dazu aufgefordert hatte, sich zum Rat zu begeben. Sicher wollte
Legolas lieber bei seinen Freunden bleiben, doch die Zeit drängte.
Sie mussten vorbereitet sein, wenn der Feind sich zu einem raschen
Angriff entschloss.
Und doch verspürte Thranduil auch etwas
Sorge in seinem Herzen, als er sich Legolas' Anblick wieder vor
Augen rief.
Erst als sie den Raum verlassen hatten, fand
Legolas nicht mehr die Kraft, sich auch nur noch eine Minute auf den
Beinen zu halten. Er schwankte, sank auf die Knie und Aragorn konnte
ihn gerade noch packen, bevor er bewusstlos zu Boden sank. Ohne große
Mühe hob er den Elb auf die Arme und trug ihn in das ihnen
zugewiesene Lager, wo Gimli, Frodo und Sam schliefen und von Tanhis
erwartet wurden.
Als sie Legolas erblickte, eilte sie Aragorn mit
Entsetzen entgegen, doch Gandalf bedeutete ihr, dass er bei Aragorn
in den besten Händen war, der ihn auch schon sacht auf eines der
Lager bettete und ihn mit geübten Griffen untersuchte. Nach
einer Weile richtete er sich erleichtert auf.
"Es geht ihm
soweit gut. Er ist nur völlig entkräftet und braucht Ruhe
und Schlaf. Morgen wird es ihm gewiss besser gehen!", dabei sah
er Tanhis aufmunternd an. "Vielleicht sollten wir Gimli besser
heraustragen! Sein Schnarchen ist jetzt das Einzige, was Legolas noch
stören könnte!"
Ein schwaches Lächeln stahl
sich bei dieser Bemerkung über ihr Gesicht und sie sah zu Gimli
und den Hobbits herüber, die schon eingeschlafen waren, als ihre
Köpfe noch nicht einmal die Kissen berührt hatten.
"Wir
sollten jetzt auch zur Ruhe gehen.", äußerte Gandalf.
"Dies ist vielleicht die letzte Nacht, in der wir uns noch nicht
im offenen Krieg befinden! Wir alle werden unsere Kräfte noch
brauchen, denn dieser Rinyaviê wird furchtbar wütend sein,
da bin ich mir sicher!"
Aragorn nickte, doch Tanhis sah
wieder zu Legolas herüber, der blass, aber ruhig auf seinem
Lager ruhte. Sie würde keinen Schlaf finden, da war sie sich
sicher und sie fluchte über Thranduils Verhalten, der Legolas
nicht sofort die dringend erforderliche Ruhe gegönnt
hatte.
Aragorn schien ihre Gedanken zu erraten und ergriff das
Wort.
"Verurteile Thranduil nicht zu sehr! Die Zeit drängt
und es gilt ein ganzes Volk zu schützen. Gandalf hat recht mit
seiner Annahme, denn schon bald wird Rinyaviê für einen
Angriff bereit sein und wir müssen es ebenfalls sein, wenn wir
eine Chance haben wollen, einen Sieg davon zu tragen. Selbst wenn
Thranduil gewollt hätte, er hätte es Legolas nicht ersparen
können, dem Rat gegenüber zu treten."
"Aber er
hätte sich wenigstens nach seinem Befinden erkundigen können!
Er besitzt nicht im mindesten Feingefühl, sonst hätte er
gemerkt, wie viel es Legolas bedeutet hätte!"
Aragorn
nickte, doch es stand nun einmal nicht in ihrer Macht, etwas an dem
Verhältnis von Vater und Sohn zu ändern. Er legte Tanhis
als Zeichen seines Verständnisses über ihre Wut die Hand
auf die Schulter und ließ sie an Legolas' Seite zurück,
gefolgt von Gandalf.
Das helle Licht des
Tagesanbruchs fiel weich und wohltuend auf Legolas Gesicht und
vertrieb die dunklen Erinnerungen an die qualvollen Tage unter der
Erde mit Leichtigkeit. Er rollte sich mit noch geschlossenen Augen
herum und spürte zu seiner Erleichterung, dass Tanhis an seiner
Seite lag und er legte den Arm um sie und zog sie ein Stück
näher an sich heran, um sein Gesicht in ihrem Haar zu vergraben,
dass herrlich nach Blüten und Honig duftete und ihm ihre
Anwesenheit schon beim Erwachen verraten hatte.
Bei dieser
Erkenntnis verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln, denn das
bedeutete, dass seine Sinne langsam wieder mit all ihrer Schärfe
zurückkehrten, auch wenn er immer noch fühlte, dass er noch
nicht wieder seine volle Kraft erlangt hatte.
Tanhis räkelte
sich verschlafen in seinen Armen, wandte ihm dann ihr Gesicht zu und
er spürte ihren prüfenden Blick auf sich ruhen, bevor sie
ihm sanft einen Kuss auf die Stirn drückte.
"Van
mathach?" (Wie geht es dir?), fragte ihn dann ihre zärtliche
Stimme und er öffnete blinzelnd die Augen.
"Sagen wir,
ich habe mich schon besser gefühlt! Die Wunden schmerzen noch
etwas und ich spüre jeden Muskel in mir, aber es ist erträglich.
Ich spüre wie die Kraft langsam wiederkommt!"
"Und
die wirst du auch schneller wieder brauchen, als dir lieb sein
wird!", ertönte plötzlich Gimlis Stimme, der sich
ihrem Lager näherte. "Eben sind Späher wiedergekehrt,
die berichten, dass sich Rinyaviês Truppen auf den Weg nach
Minas Tirith gemacht haben. Wir machen gerade alles für einen
schnellen Aufbruch fertig."
Schlagartig war Legolas wieder
hellwach und auf den Beinen, was Tanhis zu einem kritischen Blick
veranlasste, doch sie wusste, dass Legolas nichts davon abhalten
würde, seinem Freund beizustehen und so schwieg sie. Rasch
kleideten sie sich an und folgten Gimli, der auf sie vor ihrem Lager
wartete und machten sich auf den Weg zu den Anderen, die schon eifrig
damit beschäftigt waren, ihre Tiere zu beladen.
Frodo
erblickte sie als Erster und stieß Sam an, der sich an den
Satteltaschen des Ponys zu schaffen machte und nichts um sich herum
mit seiner Aufmerksamkeit bedachte. Auch nach Frodos Versuch, zeigte
er nicht die kleinsten Anstalten, seine Tätigkeit zu
unterbrechen und so zuckte Frodo nur mit den Schultern, und eilte an
Aragorn Seite, der Legolas mit einem Lächeln entgegen
blickte.
"Legolas! Welch Freude, dich wieder auf den Beinen
zu sehen! Ich hoffe, es geht dir besser!"
"Maê,
mellon nin! Hennaid evyr!" (Ja, mein Freund! Vielen Dank!) ,
entgegnete Legolas und Aragorn wusste, dass er damit auch für
seine Rettung dankte und nickte ihm zu.
Er musterte den Freund
eingehen und sah noch immer die Folgen der langen Gefangenschaft in
seinem Gesicht, doch er wirkte bei weitem nicht mehr so schwach und
zerschunden, wie noch am Vortag. Die Ruhe hatte ihm sichtliche
Linderung gebracht, ebenso wie die Kräfte der Bäume von
Lôrien.
"Das sind gute Neuigkeiten, aber ich möchte
dir sagen, dass ich es verstehen kann, wenn du dennoch nicht mit uns
nach Minas Tirith kommst! Sicher würde dir ein Aufenthalt hier
noch gut tun."
"Nein, Aragorn! Mein Platz ist an der
Seite meiner Freunde. Gebt mir und Tanhis nur noch die Zeit, unsere
Sachen zu packen und die Tiere zu holen, dann können wir
aufbrechen!"
Gimli lachte bei diesen Worten schallend
los.
"Das brauchst du nicht! Ich habe schon alles für
eure Begleitung richten lassen! Ich wusste doch, dass du nicht hier
bleiben würdest!"
So kam es, dass sich die
Gemeinschaft schon eine Stunde später zur Abreise bereit war und
nachdem sie sich von Celeborn verabschiedet hatten, machten sie sich
auf den Weg.
Legolas warf noch einen letzten Blick auf das Lager
seines Volkes, wo sich auch schon alles für einen Aufbruch nach
Gondor vorbereitete. Er hatte es bewusst vermieden, seinem Vater noch
einmal gegenüber zu treten, denn er wollte sich erst über
einige Dinge
klar werden, bevor es zu einem Gespräch zwischen ihnen kommen würde. Entschlossen wandte er sich ab und trieb sein Pferd neben Tanhis' Stute, die sich schon der kleinen Gruppe angeschlossen hatte.
Tanhis
überkam wieder die Vorfreude, wenn sie an die Weiße Stadt
dachte, die sie schon immer einmal hatte sehen wollen, aber auch auf
die Herrin Arwen war sie sehr gespannt. Sie hatte schon viele
Erzählungen über die hübsche und weise Elbin gehört,
die Aragorn als Gemahlin zur Seite stand und sie freute sich, sie
endlich kennen zu lernen.
Aber das größte Glück
war es, Legolas wieder sicher an ihrer Seite zu haben, ihn jederzeit
berühren zu können und seiner Nähe bewusst zu sein,
die sie mit Wärme füllte. Sie konnte fast nicht den Blick
von ihm wenden, als fürchtete sie, dass sie jeden Augenblick aus
einem Traum erwachen könnte und er nicht mehr neben ihr war.
Sie
versuchte, sich jeden seiner Züge genau einzuprägen und
ließ ihren Blick immer wieder über sein Gesicht wandern,
bis er schließlich an der Schnittwunde an der Wange hängen
blieb und ihr die Qualen und Folterungen, die er durch die Haradrim
erlitten hatte, wieder ins Gedächtnis rief. Die Wunde hatte sich
erstaunlich schnell geschlossen und war nicht mehr, als ein geröteter
Strich, der zwischen Wange und Ohr verlief, doch er jagte ihr einen
Schauer über den Rücken, zeigte er doch zu deutlich, welche
Absicht hinter dieser Tätigkeit gelegen hatte. Sie musterte
Legolas nun mit anderen Augen und fand noch immer eine Spur der
Erschöpfung in seinen Augen, als er sich unerwartet zu ihr
wandte und ihre Blicke sich trafen. Falls er jedoch den Grund für
ihre genaue Betrachtung vermutete, so ließ er es sich nicht
anmerken, sondern ergriff nur mit einem leichten Lächeln ihre
Hand und ritt weiter stumm neben ihr her.
Am Mittag des zweiten Tages ihrer Reise gelangten sie an den Rand des Fangorn, der sich zu ihrer Rechten erstreckte, dicht und undurchdringlich. Sein Anblick reichte aus, um Gimli sofort dazu zu bewegen, Tanhis alles über ihre Erlebnisse während ihrer Suche nach Merry und Pippin zu erzählen und Tanhis lauschte mit großem Interesse. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatte der Zwerg ihr bis ins Kleinste alles geschildert und nur das Richten des Lagers unterbrach ihn endlich in seinen Ausführungen. Bald saßen sie alle um das knisternde Feuer herum, während der Wind leise in den Bäumen rauschte, und verspeisten ihre Mahlzeit, während sie lachten und scherzten, doch bald legte sich die Müdigkeit über alle und sie legten sich schlafen, während Aragorn die erste Wache übernahm.
Legolas lag neben Tanhis, die schon
bald in seinen Armen eingeschlafen war, doch er selbst konnte keine
Ruhe finden. Schon am Morgen hatte sich ein warnendes Prickeln in
seinem Rücken breit gemacht und er hatte sich immer wieder
umgesehen und nach Verfolgern Ausschau gehalten, doch er hatte nichts
entdecken können, so sehr er sich auch angestrengt hatte.
Trotzdem lauschte er jetzt auf jedes der Geräusche um ihn herum
und bei jedem Knacken und Ächzen der Bäume horchte er
gespannt auf. Schließlich hielt er es nicht mehr länger
aus und bettete Tanhis behutsam auf seinen Umhang und gesellte sich
zu Aragorn, der etwas abseits des Lagers saß und sein Schwert
schärfte. Als er Legolas kommen hörte, blickte er kurz auf,
fuhr dann aber mit seiner Arbeit fort und wartete, bis sich der Elb
neben ihn gesetzt hatte.
"Du hast es auch bemerkt, oder?",
fragte er schließlich unvermittelt. "Ich habe gesehen,
dass du dich ständig umgesehen hast. Konntest du etwas
ausmachen?"
"Nein, aber ich bin mir fast sicher, dass da
draußen irgend etwas ist. Ich kann es fühlen!"
Aragorn
lächelte und er nickte wissend.
"Das ist ein gutes
Zeichen! Du fühlst dich besser, nicht?"
"Ja, aber
ich halte es nicht für ein gutes Zeichen, dass ich etwas fühle.
Der Feind verfolgt uns und wir müssen auf alles vorbereitet
sein! Rinyaviê ist listig! Er hat es schon einmal geschafft,
seine Männer viel zu nah an uns heran zu bringen und es ist das
gleiche Gefühl, dass ich damals empfunden habe, als sie Gimli,
Tanhis und mich auf der Lichtung angriffen, was mich jetzt erfüllt.
Sie sind näher, als wir vermuten, dessen bin ich mir
sicher!"
"Ich hatte auch so eine Ahnung, aber hinter uns
erstreckt sich die weite Ebene! Wo sollten sie sich da vor deinen
Augen verbergen? Und ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie
den Weg in den Fangorn wagen! Sie kennen die Legenden um die Ents,
die seid ihrer Hilfe im Ringkrieg noch mehr Kraft erlangt haben! Das
würde Rinyaviê nicht wagen!"
"Vermutlich hast
du recht! Meine Sinne sind vielleicht doch noch nicht ganz genesen,
aber wir sollten dennoch vorsichtig sein!"
"Das werden
wir! Morgen überqueren wir den Fluss Entwasser, dann sind wir in
Rohan. Eomer hat seine Grenzen gut geschützt und wir können
unbehelligt den Rest des Weges hinter uns bringen!"
Legolas
nickte, doch er schwor sich, trotz allem, die Nacht über kein
Auge zu schließen. Er wurde einfach das Gefühl nicht los,
dass sie beobachtet wurden.
Die ganze Nacht über blieb
alles um sie herum ruhig und sie setzten unbehelligt am Morgen ihren
Weg fort, begleitet von den wärmenden Strahlen der Sonne, die
sich am Horizont erhob. Keine Wolke zeigte sich am Himmel und die
Sicht war gut, sie konnten weit in das Land blicken, das sich vor
ihnen ausbreitete.
Sie passierten gegen Mittag den Fluss, folgten
seinem Lauf und genossen das friedliche Plätschern und Rauschen.
Sein Strom glitzerte im Licht der Sonne und an den Ufern wuchsen
üppiges Gras und Blumen, deren Blüten eine Vielzahl von
Farben hatten. Die Landschaft zeigte ihre ganze Vielfalt, die ihren
ganz eigenen Reiz hatte und nichts mit den Wäldern der
Elbenreiche gemein hatten, doch sie faszinierte besonders Tanhis, die
diesen Teil Mittelerdes noch nie gesehen hatte.
Legolas
beantwortete geduldig jeder ihrer Fragen und auch Sam tat mit
geschwellter Brust seine Kenntnisse über die Pflanzen kund und
freute sich jedes Mal, wenn er Tanhis mit einer passenden Geschichte
erheitern konnte. So verging auch dieser Tag ohne Ereignisse und sie
lagerten am Abend in der Nähe des Flussbett, hinter einem großen
Felsen, der den rauen Wind abhielt und noch die Wärme der Sonne
abstrahlte, die den Stein den Tag über erhitzt hatte.
Mitten
in der Nacht schreckte Legolas hoch, umgehend seine Hand um den
Dolchgriff geschlossen, der neben ihm lag und er lauschte angestrengt
über das Rauschen des Flusses hinweg. Da! Wieder das Geräusch
von klirrendem Pferdegeschirr und leisen Stimmen, die schwach von der
anderen Flussseite zu ihm herüber drangen.
Legolas ließ
den Blick über ihr Lager schweifen und fand Sam, der mit der
Nachtwache betraut worden war, friedlich schlafend gegen den Felsen
gelehnt, ebenso, wie auch die übrigen Freunde auf ihren Lagern
ruhten.
Wieder erklangen die Stimmen aus der Dunkelheit und
Legolas schlich lautlos um den Felsen herum und hielt sich eng an
dessen rauer Oberfläche gepresst, um sich im Schatten verborgen
zu halten. Als das gegenüberliegende Ufer in sein Blickfeld
trat, wurden all seine Befürchtungen bestätigt, denn in
einiger Entfernung schlugen gerade die Haradrim, begleitet von
Variags und Orks, ihr Lager auf. Fackeln erhellten den Platz, auf dem
bereits einige, kleine Zelte errichtet waren, dicht gedrängt
saßen die Feinde in Gruppen zusammen, andere versorgten die
Pferde und etwas abseits erkannte Legolas mit Schrecken, die
kräftigen, groben Umrisse von Wargen, etwa fünfzehn der
Bestien, die von ihren Reitern bewacht wurden.
Legolas stieß
einen Fluch aus und wollte sich gerade abwenden, um seine Freunde zu
wecken, als sein Blick an dem großen, breitschultrigen Mann
hängen blieb, der eben aus einem der Zelte getreten war.
Rinyaviê!
Schlagartig begann der Schnitt auf seiner Wange zu
prickeln und die Erinnerung der verursachten Qualen, die der Führer
der Feinde ihm bereitet hatte, kehrte klar und deutlich zurück.
Legolas widerstand dem Drang, ihm noch an Ort und Stelle einen Pfeil
zwischen die Augen zu jagen, denn das Wichtigste war es jetzt,
ungesehen zu entkommen, bevor einer ihrer Gegner auf sie aufmerksam
wurden. Sie mussten umgehend aufbrechen und im Schutz der Nacht ihren
Weg fortsetzen und ohne weitere Rast versuchen, die Truppen so weit
es ging, hinter sich zu lassen. In der Ebene würden sie keinen
Schutz finden und wenn es zu einem offenen Kampf kam, währen sie
klar unterlegen. Auch wenn es ganz Legolas' eigentlichem Drang
widersprach, so mussten sie fliehen und sich in Sicherheit
bringen!
Rasch zog er sich zurück und dankte den Valar,
dass sie den Platz hinter dem Felsen für ihr Lager gewählt
hatten, denn sonst währen sie sicher entdeckt worden und er
kehrte zu den Freunden zurück, die immer noch nichts von der
Bedrohung gemerkt hatten. Legolas weckte als Erste Tanhis, die sich
verschlafen die Augen rieb und ihn dann besorgt ansah.
"Was
ist, Legolas? Hast du wieder Schmerzen? Geht es dir nicht gut?"
"Law!
(Nein!) Aber wir müssen die Anderen wecken und schleunigst von
hier verschwinden! Rinyaviê und seine Truppen lagern auf der
anderen Seite des Flusses – und sie haben Warg-Reiter bei sich!
Komm!"
Tanhis war sofort hellwach und gemeinsam weckten sie
die Freunde, schilderten ihnen die Situation und begannen
geräuschlos, ihre Sachen einzusammeln. Sam war dabei deutlich
sein schlechtes Gewissen anzusehen, dass er trotz seiner Wache
eingeschlafen war, doch niemand machte ihm einen Vorwurf und es
gelang ihnen schließlich, mit Hilfe beruhigender, elbischer
Worte, die Pferde anzulocken. Sie beluden sie mit ihren Bündeln,
verzichteten aber darauf, zu reiten, sondern führten die Tiere
eine ganze Weile nach Westen, bis sie sich sicher waren, dass kein
Geräusch sie verraten würde, dann saßen sie auf und
schlugen die Richtung nach Minas Tirith ein.
Legolas und
Tanhis ritten am Ende der Gruppe und erleichtert stellten sie beim
Anbruch des Tages fest, dass keine Verfolger hinter ihnen waren; sie
hatten es geschafft, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, die Flucht zu
ergreifen. Noch immer mochten sich die Freunde nicht vorstellen, was
geschehen wäre, wenn der Feind sie entdeckt hätte und so
verdrängten sie diesen Gedanken auch entschieden, doch sie
legten nur noch wenig Rast ein und trieben ihre Pferde zur Eile an.
Sie mussten die weiße Stadt so schnell wie möglich
erreichen und sie gegen den Angriff rüsten, der sicher mit
Rinyaviês Eintreffen beginnen würde.
Wenn er nicht
schon längst begonnen hatte, schoss es Aragorn durch den Kopf
und er dachte voll Sorge an Arwen und die Freunde, die in der Stadt
zurück geblieben waren. Eomer hatte ihn sicher würdig
vertreten und auch Faramir hatte bestimmt alles getan, um die
Angriffe in den Dörfern niederzuwerfen, aber die Möglichkeit
bestand, dass dabei auch die eigenen Truppen herbe Verluste erlitten
hatten. Die feindliche Armee war groß und sie konnten von
beiden Seiten das Land und die Stadt angreifen, was ihre eigenen
Heere noch zusätzlich auseinander reißen würde. Sie
konnten nur hoffen, dass sie noch rechtzeitig genug kamen, um sich
vorzubereiten und die Freunde zu unterstützen.
Wenn es ihnen
dann noch gelang, so lange stand zu halten, bis die Elben mit ihren
Heeren eintrafen, dann standen ihre Chancen nicht schlecht, doch noch
einen Sieg davon zu tragen.
Zwei Tage waren nach
ihrer Flucht vom Fluss vergangen, als sie an die engste Stelle
zwischen dem Weißen Gebirge und der Entwasser gelangten und
dort eine kurze Rast einlegten. Nicht weit von ihnen, teilte sich die
Strömung in zwei Abzweigungen, die sich weiter unten wieder
gabelten und in kleinen Bächen schließlich ihren Weg in
den Anduin fanden. Schon seit Stunden klagten die Hobbits und Gimli
über ihren schrecklichen Hunger und das laute Knurren ihrer
Mägen bekräftigten ihren Protest, bis Aragorn schließlich
lachend nachgegeben hatte. Während sich alle über die
Verpflegung her machten, oder das, was noch davon übrig war,
stand Legolas etwas abseits der Gemeinschaft und ließ seinen
Blick mit konzentrierter Aufmerksamkeit über das Land schweifen.
Seine grünen Wiesen erstreckten sich wie unregelmäßige
Wellen vor ihm, die von felsigen Abschnitten unterbrochen wurden und
es noch unebener erscheinen ließen. Legolas hatte während
ihres ganzen Ritts das bedrückende Gefühl der Gefahr nicht
los werden können, was es ihm unmöglich machte, auch nur
etwas zur Ruhe zu kommen und er suchte immer wieder einen Hinweis,
für die Ursache seiner Vermutung.
Und noch etwas beschäftigte
ihn ununterbrochen. Erst hatte er es sich nicht eingestehen wollen,
doch noch immer lastete das Verhalten seines Vaters auf seinen
Schultern und er spürte noch deutlich seinen tadelnden Blick auf
sich gerichtet, den er ihm beim Rat zugeworfen hatte. Früher
oder später würde er ihm nicht mehr aus dem Weg gehen
können und ein Gespräch war unausweichlich, das war Legolas
inzwischen klar geworden.
Schließlich wandte er sich
seufzend von seiner Beobachtung ab und versuchte sich zu ermahnen,
nicht in allem ein nahendes Unheil zu sehen. Bald waren sie in Minas
Tirith und dort würde sie noch genügend Arbeit erwarten,
also war es wohl das Beste, sich ebenfalls noch etwas Ruhe und eine
kleine Stärkung zu gönnen. Er setzte sich zwischen Tanhis
und Frodo, der ihm auch gleich eine Schale mit Obst und Lembas
reichte.
"Iß endlich, Legolas! Auch wenn du meinst, es
würde niemandem von uns auffallen, so habe ich dennoch bemerkt,
dass du kaum etwas zu dir nimmst und schlafen tust du auch nicht!
Irgendetwas beschäftigt dich doch!"
Legolas bedachte
Frodo mit einem vielsagenden Blick, der den Hobbit auch gleich
verstummen ließ, denn er zeigte deutlich, dass der Elb nicht
darüber reden wollte und damit musste sich Frodo zufrieden
geben.
Schweigend saßen sie nun zusammen und , jeder in
seine eigenen Gedanken vertieft, als Legolas plötzlich abrupt
den Kopf hob, seine Schale fallen ließ und aufsprang, durch ein
leichtes Beben aufgeschreckt, dass er plötzlich gespürt
hatte. Er richtete den Blick wieder gen Norden und im nächsten
Augenblick wirbelte er wieder zu den Freunden herum, die ihn
verwundert anstarrten.
"Zu den Waffen! Rinyaviê hat die
Warg-Reiter ausgeschickt – sie werden in wenigen Minuten hier
sein!", rief er und packte auch schon seinen
Bogen
Augenblicklich war es mit der Ruhe vorbei und alle
griffen ihre Waffen. Tanhis und Aragorn eilten neben Legolas, der
schon einen Pfeil gespannt hatte und in der Ferne abwartend sein Ziel
anvisierte, sein Körper ebenso angespannt wie die Sehne seines
Bogens. Tanhis tat es ihm gleich und auch Aragorn war ein guter
Schütze und suchte sich einen etwas erhöhten Platz, um die
Feinde besser ausmachen zu können.
Gandalf und die Hobbits
hatten ihre Schwerter gezogen, während Gimli seine Axt in den
Händen hielt und sich immer wieder reckte, in der Hoffnung, bald
den ersten der Gegner zu sehen.
"Wo bleiben die denn? Hier
wartet ein Zwerg, der es kaum erwarten kann, dass seine Axt endlich
wieder mit Blut in Berührung kommt!"
Im nächsten
Moment kam der erste Warg den Hügel herab, nachdem er aus dem
Schutz des Tales gelangte und Legolas schoss den ersten Pfeil ab, der
die Bestie zu Fall brachte und seinen Reiter unter sich begrub, als
er den Abhang herunter rollte. Es folgte nun eine große Gruppe,
die ungeachtet der Schützen auf sie zustürmten, die nach
und nach einige der Angreifer trafen und es schafften, ihre Zahl zu
verringern, doch es blieben immer noch acht der riesigen Tiere übrig,
die erbarmungslos angriffen. Wieder und wieder erklang das
furchterregende Geheul der Bestien, während sie sich auf die
Gefährten stürzten und Tanhis erbleichte bei dem Klang, der
sich markerschütternd durch ihren Körper bahnte.
Die
ersten der riesigen Wölfe, die sich auf sie stürzten,
wurden von Legolas und Aragorn mit einigen Hieben getötet, nur,
um sich dann ihren Reitern gegenüber zu sehen, die sich mit
wilden Schreien auf sie stürzten, doch gegen die Schnelligkeit
der Beiden hatten sie nicht die geringste Chance. Tanhis' größte
Stärke, war ebenfalls ihre Schnelligkeit, aber ein Wolf sprang
blitzschnell auf sie zu, um sie in den Knöchel zu beißen,
und Tanhis versetzte ihm einen Hieb mit der Breitseite ihrer Klinge.
Jaulend wich das Tier wieder zurück, doch es fand den Tod durch
Gimlis Axt, der gemeinsam mit Gandalf, Frodo und Sam den Hügel
heraufgeeilt war, um den Freunden Beistand zu leisten.
Die Befehle der Orks hetzten weitere Warge auf die Gruppe und in Bruchteilen von Sekunden hatte sich ein zähnefletschendes, knurrendes Rudel um sie in einem Kreis versammelt, den sie langsam immer enger schlossen. Die Warge waren kampflustige, hungrige Bestien, die bedrohlich näher rückten und in gefährlicher Ruhe auf ihre Chance witterten. Abwartend wanden sie sich hin und her, nur auf die Gelegenheit wartend, sich im Sprung auf sie zu stürzen. Ein besonders großer, schwarzer Warg sprang schließlich als erster auf die Gruppe zu und Tanhis stieß einen verzweifelten Schrei aus, als sich das Tier auf Aragorn stürzte, der es noch in der Luft mit seinem Schwert durchbohrte und sich mit Schwung zur Seite warf, um nicht unter ihm begraben zu werden.
Als ob der Leitwolf den Befehl mit seinem Angriff
erteilt hatte, lösten sich nun auch die anderen Wölfe aus
ihrer abwartenden Haltung und eröffneten den Kampf und
versuchten, ihre Klauen tief in das Fleisch ihrer Opfer zu graben.
Verzweifelt versuchten die Freunde die Hobbits abzuschirmen, die
wegen ihrer Größe eine zu leichte Beute waren, doch schon
bald hatten sie alle Mühe, sich selbst gegen die scharfen
Krallen und die Klingen der Orks zu schützen. Aragorn traf ein
Hieb an der Brust, der seine Tunika aufriss und rot färbte, doch
er kämpfte verbissen weiter, trieb das Tier schließlich
zurück und versetzte ihm einen tödlichen Stoß. Er
sah, wie Legolas angesprungen und zu Boden gerissen wurde, stürmte
nach vorn und warf sich gegen den Warg, der von seinem Opfer
abgelenkt wurde und sich nun Aragorn zuwandte, doch Legolas nutzte
diese Ablenkung und trieb sein Krummschwert mit aller Kraft in die
Brust der Bestie.
Tanhis zog ihr Schwert aus dem Körper ihres
Gegners und wirbelte zu den Hobbits herum, die gemeinsam gegen die
zwei Orks kämpften, die ihre Tiere verloren hatten, doch sie
waren geschickt im Umgang mit dem Schwert und streckten ihre Gegner
bald nieder, nur, um dann Gandalf zu Hilfe zu eilen, der sich gegen
einen der Warge heftig zur Wehr setzte.
Gimli ließ mit aller
Kraft seine Axt kreisen und enthauptete einen Ork und gleich darauf
schlug er die Klinge in den Hals eines Warg, der zuckend
zusammenbrach.
Tanhis schlug erneut auf einen der Wölfe ein,
der sich auf sie stürzen wollte und stellte sich dann seinem
Ork, der sie im nächsten Augenblick seine Klinge spüren
ließ. Der Schmerz fuhr durch ihren Arm, doch sie wehrte den
nächsten Schlag ab, drehte sich um sich selbst und nutzte den
Schwung und führte einen Hieb in den Rücken ihres
Angreifers, der mit einem letzten Stöhnen in sich
zusammensank.
Schwer atmend standen schließlich alle
zwischen den leblosen Körpern der Feinde und ließen
kraftlos ihre Schwerter sinken. Aragorn warf Legolas einen
anerkennenden Blick zu, denn ohne ihn hätten sie diesen Ansturm
sicherlich erst zu spät gesichtet und wären so vom Feind
überrascht worden. Legolas erwiderte seine Anerkennung mit einem
leichten Nicken und eilte zu Tanhis. Ihr Haar war noch zerzauster als
gewöhnlich; zahlreiche Zöpfe hatten sich gelöst und
wallten bis auf ihre Schultern hinab und umrahmten das
schmutzverschmierte Gesicht. Legolas hob die Hand, um ihr eine
Strähne aus dem Gesicht zu streichen, als er das Blut an ihrem
Ärmel erfasste. Sie war verletzt worden! Er zog besorgt den
Stoff ihrer Tunika zur Seite, was sie leicht zurückweichen ließ,
doch sie lächelte ihn erschöpft an und schloss ihn
erleichtert in die Arme.
Sie hatten alle einige Kratzer und
Schrammen davon getragen und Gimli rann das Blut den Schenkel
entlang, wo sich scharfe Zähne in sein Fleisch gegraben hatten,
doch er lächelte breit und prahlte damit, wie viele der Bestien
er getötet hatte, während er humpelnd neben den Anderen an
die Lagerstelle zurückkehrte.
Legolas versorgte als
erstes Tanhis' Wunde, reinigte sie gründlich und verrieb
Athelas-Salbe darauf, bevor er sie notdürftig verband. Tanhis
ließ alles tapfer über sich ergehen, doch ihr Arm
schmerzte so schrecklich, das sie sich fragte, ob die Klinge
vielleicht vergiftet gewesen war, doch wahrscheinlich war es nur der
Schmutz an der Schwertscheide, der die Wunde so unerträglich
brennen ließ.
Nachdem Legolas sie versorgt hatte, wandte er
sich Aragorn zu, der eben mit der Versorgung von Gimli endete, der
sichtlich stolz die Brust schwellte und die Verletzung lediglich als
lästiges Übel betrachtete. Aragorn rann noch immer das
eigene Blut aus den Rissen, die der Warg mit seiner Pranke
hinterlassen hatte und Legolas drückte den Freund entschieden
auf einen Stein, um sich nun ihm anzunehmen und sorgfältig
führte er jeden seiner Handgriffe durch. Schließlich war
er fertig und richtete sich zufrieden auf.
"Das dürfte
reichen, mellon nin. Aber ich fürchte, dass du es noch eine
Weile dauern wird, bis die Risse verheilt sind!"
Aragorn
klopfte Legolas dankend auf die Schulter, kam wieder auf die Beine
und musterte die Freunde, die alle erschöpft zu ihm
aufsahen.
Doch Zeit zum Ausruhen konnte er ihnen nicht lassen,
denn er ahnten, dass die übrige Truppen sicher nicht so weit
entfernt sein würden und hastig wurden auf seine Anweisung alle
Sachen eingesammelt, dann schwangen sie sich auf ihre Tiere und
ließen das Schlachtfeld hinter sich.
Rinyaviê
kochte vor Wut, als er sich von dem Anblick der dahingemetzelten
Warge und Orks abwandte, die um ihn herum auf dem Hügel lagen.
Sein Hauptmann wartete in einiger Entfernung auf ihn, sich
wohlweislich zurück haltend, um nicht das Opfer seines Zornes zu
werden, was Rinyaviê verächtlich schnauben ließ.
Elende Angsthasen! Wie sollte er mit solchen Männern in der Lage
sein, auch nur die erste Verteidigungsanlage der weißen Stadt
zu überwinden? Selbst die Warg-Reiter waren nicht mit dieser
kleinen Gruppe hier fertig geworden, dabei waren drei unter ihnen
gewesen, die nicht größer wie Kinder waren und ein alter
Mann!
Wieder schnaubte Rinyaviê und ließ noch einmal
den Blick über die leblosen Körper seiner Gefolgsleute
wandern und er stellte sich vor, wie die kleine Gruppe sich tapfer
gegen diesen Ansturm verteidigt hatte. Dabei trat das Bild des Elben
wieder deutlich vor sein inneres Auge und er stellte sich ihn im
Kampf vor, wie er blitzschnell seinen Bogen spannte, seine Gegner mit
seiner Schnelligkeit verwirrte und todbringende Hiebe austeilte, nur
um sich sofort dem nächsten Mann zu stellen!
"Verflucht
soll er sein!", murmelte Rinyaviê und zerbrach den
Elbenpfeil, den er einem der Warge aus dem Körper gerissen
hatte. Er wusste, wem er das hier zu verdanken hatte und dieser Elb
würde noch zu spüren bekommen, was ihm dafür
zustand!
"Auf die Pferde!", brüllte er. "Sie
sind noch nicht weit!"
Hastig wurde seinem Befehl folge
geleistet und der Tross setzte sich wieder in
Bewegung.
Endlich
tauchte der hohe Turm Ecthelion vor ihnen auf, der hell im Licht der
untergehenden Sonne erstrahlte und ihre Herzen wieder mit Zuversicht
füllte, denn die Stadt lag friedlich und ruhig am Ende der
Bergkette. Wie von selbst beschleunigten die Pferde ihren Schritt, so
als ob sie von der Aussicht auf einen warmen, trockenen Stall und
einem vollen Hafertrog angelockt würden und ihre Reiter hielten
sie nicht zurück. Sie waren ebenso froh darüber, bald die
sichere Feste zu erreichen und sich vor ein knisterndes Feuer zu
setzen, eine warme Mahlzeit im Bauch und einem Glas Wein in der Hand
und die Schrecken der vergangenen Tage zu vergessen. Wenigstens so
lange, bis es sich nicht mehr vermeiden ließ, sich der neuen
Bedrohung zu widmen, die mit Rinyaviês Eintreffen vor ihnen
lag, doch daran wollte selbst Aragorn im Moment nicht denken. Er
wusste, dass ihn sicher nicht nur gute Nachrichten erwarten würden
und er sicher kaum die ersehnte Ruhe finden würde, auch wenn
seine Wunde schmerzlich danach verlangte, doch das würde wie
immer warten müssen.
Als sie sich der Stadt nun näherten,
erhob sich vor ihnen ein riesiges Lager, unzählige Zelte waren
auf den Feldern aufgeschlagen und überall wehten die Banner der
Besitzer im lauen Wind, der von Fluss heraufwirbelte. Die Luft war
erfüllt von Stimmengewirr, klirren der Waffen und vom Lärm
der spielenden Kinder, die zwischen den Zelten herumliefen. Einige
hielten verwundert inne, als sie die kleine Gruppe näher kommen
sahen, doch dann erkannten sie die Reiter, und schon bald hallten die
Jubelrufe bis zur Stadt, dass der König mit seinen Freunden
wieder Heim kehrte.
Sie passierten das Tor des letzten der
sieben Ringe und ritten auf dem Hof der Feste ein, wo sie freudig und
erleichtert von Arwen und ihren Freunden begrüßt wurden.
Selbst Faramir und Eowyn, sowie Merry und Pippin waren da, was vor
allem Frodo und Sam erfreute, die sich oft gefragt hatten, wie es den
beiden wohl erging. Arwen eilte die Stufen herunter, als sie die
zerrissene, blutverschmierte Tunika von Aragorn erblickte, der sich
mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Sattel schwang, doch es gelang
ihm, sie mit einem Lächeln und einigen Worten zu
beruhigen.
Nachdem sie endlich davon überzeugt war, dass es
Aragorn gut ging, wandte sie sich Legolas zu und musterte ihn
prüfend, doch dann schloss sie ihn erleichtert in die Arme.
"Wir
haben uns solche Sorgen um dich gemacht! Und wie ich sehe, waren sie
wohl auch nicht ganz unbegründet – du siehst immer noch
furchtbar mitgenommen aus! Wie fühlst du dich?"
"Es
geht mir wieder gut. Sorge dich nicht länger – das hat jetzt
ohnehin eine Andere übernommen.", fügte er mit einem
Lachen hinzu.
Arwen wurde bei seinen Worten auf Tanhis aufmerksam,
die sich die ganze Zeit über etwas abseits hinter den Pferden
gehalten hatte und mit einem Lächeln die Wiedersehensfreude
beobachtet hatte. Legolas sah sich ebenfalls nach ihr um und zog sie
neben sich, um sie den Freunden vorzustellen. Merry und Pippin
starrten sie ebenso fasziniert an, wie Frodo und Sam es getan hatten,
als sie die Elbin das erste Mal getroffen hatten und Faramir und
Eomer waren nicht minder beeindruckt, was Faramir einen gespielt
erzürnten Blick von Eowyn einbrachte, die Tanhis jedoch
freundlich anlächelte.
"Maê govannen, Tanhis! Seid
willkommen in Minas Tirith, auch wenn euer Erscheinen in nicht
friedlichen Zeiten ist, so freue ich mich, euch kennen zu
lernen!"
Tanhis verbeugte sich leicht vor Arwen, die diesen
Gruß erwiderte, dann aber schnell ihre königliche Würde
ablegte und Legolas einen vielsagenden Blick zuwarf, während sie
Tanhis freundschaftlich unterhakte und mit sich zog.
"Ihr
wollt sicher endlich aus dieser dreckigen Kleidung heraus, bevor wir
uns bei einer kleinen Stärkung zusammensetzen, nicht? Kommt, ich
begleite euch und zeige euch alles!"
Schon waren die beiden
mit Eowyn durch den Torbogen verschwunden und überließen
den Männern sich selbst, die ihre Tiere den Stallburchen
anvertrauten und sich dann ebenfalls zurückzogen, um sich zu
erfrischen.
Kurze Zeit später versammelten sich alle in
der großen Halle, wo sie das ersehnte Feuer und ein reichlich
gedeckter Tisch erwartete, der die Hobbits förmlich dazu einlud,
sich umgehend über die Leckereien her zu machen, doch Aragorn
hielt sie mit einem tadelnden Blick zurück und bedeutete ihnen,
auf die Frauen zu warten, die noch nicht bei ihnen waren.
Als sie
schließlich die Halle betraten, hielt Legolas mitten in seiner
Bewegung inne und starrte Tanhis unverwandt an, die scherzend und
lachend zwischen Arwen und Eowyn die Halle betrat.
Ihr Haar war
ordentlich gekämmt und auf ihrem Kopf festgesteckt, doch
einzelne Strähnen fielen leuchtend in ihren Nacken und an den
Seiten ihres Gesichtes entlang, weich und geschmeidig. Ihre Wangen
waren leicht gerötet und ihre grünen Augen leuchteten noch
intensiver als sonst, denn die Tunika, die sie über den
silbergrauen Beinlingen trug, war von einem schillernden Grün
und umspielte ihren Körper seidig, was diese Wirkung noch
unterstützte und sie trug bequeme Stiefel aus weichem Wildleder.
All ihre Bewegungen waren geschmeidig und harmonisch, als sie jetzt
auf ihn zu kam und sich mit einem verschmitzten Lächeln neben
ihn setzte, ihm das Glas mit Wein aus der Hand nahm und sich leicht
zu ihm beugte.
"Du kannst wieder Luft holen!", flüsterte
sie ihm ins Ohr und unterdrückte das Lachen, als er sie erst
verwirrt ansah und dann versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen,
doch sie ergriff glücklich seine Hand und drückte sie
zärtlich. Sie ahnte, was er bei ihrem Anblick empfand, denn ihr
erging es jedes Mal ebenso, wenn sie ihn ansah und sie genoss es, ihn
bei sich zu haben.
Nach dem ausgedehnten Festessen dauerte es
nicht lange und Pippin forderte einen ausführlichen Bericht über
die Erlebnisse, die den Freunden widerfahren waren, doch Aragorn
vertröstete den Hobbit auf einen späteren Zeitpunkt. Er
wollte zuerst erfahren, was in seiner Abwesenheit geschehen war und
in wie weit der entstandenen Schaden war, den Rinyaviês Armeen
verursacht hatten. Wie zu erwarten gewesen war, hatten sie weiterhin
die umliegenden Dörfer überfallen und geplündert und
Faramir hatte zur Sicherheit der Bauern, die übrigen Höfe
räumen lassen und sie nach Minas Tirith geleitet, wo sie in
Notunterkünften oder bei Verwandten Unterschlupf gefunden
hatten.
"Die Lage spitzt sich allmählich zu, Aragorn.
Unsere Späher haben berichtet, dass sich die Truppen zum
Aufbruch bereit machen. Sie formieren sich, um geschlossen gegen
Minas Tirith zu schreiten und es geht das Gerücht um, das sich
ihr Führer auf dem Weg hierher befindet!"
Êomer
nickte bestätigend, als Faramir seine Vermutung geäußert
hatte und Legolas konnte nicht länger schweigen.
"Es ist
leider kein Gerücht, Freunde. Rinyaviê heißt ihr
Anführer und er befindet sich höchstens einen Tagesmarsch
hinter uns. Er war es, der Gimli, Tanhis und mich angegriffen hat und
mich in Gefangenschaft hielt. Er will die Herrschaft über Gondor
und er wird nicht eher ruhen, bis er sie hat – oder seinen letzten
Atemzug getan hat. Er schreckt vor nichts zurück und geht selber
mit der größten Härte vor, um sein Ziel zu erreichen.
Wir müssen auf alles gefasst sein!"
"Die Lage ist
wirklich bedrohlich!", stimmte Aragorn zu. "Die Feinde
werden uns sicher von allen Seiten aus angreifen und uns einkreisen,
was dazu führen wird, dass wir unsere eigenen Truppen
auseinander ziehen müssen. Die Kämpfe werden schrecklich
werden – und die Verluste schmerzlich groß sein."
Eomer
und Faramir berichteten den Freunden dann ausführlich, über
den momentanen Stand der Verteidigungsmaßnahmen und es stand
außer Frage, dass noch viel Arbeit auf sie wartete, als sie
ihren Bericht endeten. So wurde eine Landkarte hervorgeholt und
beraten, wo die Stadt noch zusätzlich gesichert werden musste
und sich die Bogenschützen und Schwertkämpfer am Besten
postierten. Ihre ganze Hoffnung setzte Aragorn auch auf die
Unterstützung der Elben, die sich schon auf dem Weg nach Gondor
befanden, doch sie wussten nicht, wann genau sie aufgebrochen
waren.
"Wer wird denn alles kommen?", fragte Pippin,
der seine Neugier nicht länger verbergen konnte.
"Als
wir in Lôrien aufbrachen, machten sich die dortigen Truppen
bereit. Ebenso war Elrond mit einer großen Gruppe Krieger
anwesend und Thranduil aus Düsterwald, ebenfalls mit mindestens
fünfhundert Kämpfern."
Bei den letzten Worten von
Aragorn spürte Tanhis, wie sich Legolas augenblicklich anspannte
und sie ergriff unter dem Tisch seine Hand und wollte ihm so etwas
Trost spenden, doch zu ihrer Überraschung, zog er sich vor ihrer
Berührung zurück und wich ihrem fragenden Blick aus. Allen
Anderen blieb seine Reaktion verborgen, denn sie waren viel zu sehr
damit beschäftigt, sich mit dem Schmieden ihrer Abwehrmaßnahmen
zu beschäftigen, doch Tanhis ging sein Verhalten nicht mehr aus
dem Kopf und sie versank tief in ihren eigenen Gedanken.
Den
Hobbits wurde es bald langweilig und sie zogen sich in ihr
zugewiesenes Zimmer zurück, dass Merry und Pippin schon seid
zwei Tagen bewohnten und die Zeit genutzt hatten, um sich heimliche
Vorräte anzulegen, sodass sie es sich nun mit einer kleinen
Zwischenmahlzeit auf einem Haufen Kissen bequem machen konnten.
"Nun
erzählt aber endlich, wie es euch bei der Suche nach Legolas
ergangen ist! Wir waren die ganze Zeit verrückt vor Sorge, als
uns der Bote die Nachricht brachte, dass Legolas in der Gewalt der
Feinde sei und ihr euch auf den Weg gemacht habt, um ihn zu
befreien!", brachte Pippin unter schmatzen hervor.
Frodo und
Sam begannen, ausführlich über die Suche und die
beschwerliche Wanderschaft unter der Erde zu erzählen, die sie
alle sehr mitgenommen hatte und wie sie schließlich mit Gandalf
und Gimli umkehren mussten, weil sie die Steilwand nicht passieren
konnten. Ihre heimliche Flucht vor Gandalf und Gimli stieß bei
Merry und Pippin auf besonderen Zuspruch und sie klopften den
Freunden anerkennend auf die Schulter, denn schließlich waren
die Hobbits genau im richtigen Moment zu den Freunden gestoßen
und hatten ihnen mit ihrer Hilfe die nötige Unterstützung
geboten.
"Ich sag's ja immer wieder!", äußerte
Merry grinsend. "Wir Hobbits sind nicht zu unterschätzen!
Gerade wenn man am wenigstens mit uns rechnet, tauchen wir auf und
laufen zur Höchstform auf!"
Alle lachten, doch bald kam
das Gespräch dann auf Legolas zu sprechen, was besonders Frodo
einen seltsamen Kloß im Magen verursachte.
"Er sah
schlimm aus! Ich habe zwar schon einmal davon gehört, dass die
Elben nicht lange unter der Erde verweilen können, aber das es
ihn so schwächen würde, hätte ich nie für möglich
gehalten. Die Verwundungen sind außerdem nicht so schnell
verheilt wie sonst und stellt euch vor, er war nicht einmal mehr in
der Lage, uns vom Feind zu unterscheiden! Er hat Aragorn sogar
angegriffen! Nur gut dass ihm die Kraft gefehlt hat, ihn ernsthaft zu
verletzen."
Sam schüttelte immer noch ganz ungläubig
den Kopf.
"Ja, es war wirklich schlimm, Sam. Ich dachte, dass
er den Weg nach Lôrien nicht hinter sich bringen würde!
Und dann auch noch Thranduil, der ihm nicht eine Minute Ruhe gegönnt
hat! Verstehe einen diesen Elben! Da wird sein Sohn gefangen
genommen, verwundet und gefoltert, gerade noch rechtzeitig gerettet
und kehrt am Ende seiner Kräfte nach Lôrien zurück
und was tut er? Ihn freudig umarmen? Ihn sofort verpflegen lassen
oder sich erkundigen, wie es ihm geht? Nein! Er schleift ihn vor den
Rat und löchert ihn mit Fragen! Er ist danach sogar
zusammengebrochen, so entkräftet war er!"
Frodo spürte,
wie ihm alleine bei der Erinnerung die Wut erfasste, doch hinter ihm
erklang plötzlich eine freundliche Stimme.
"Beruhige
dich Frodo!", brummte Gandalf. "Es ist ja noch mal gut
gegangen und was Thranduil betrifft, so ist es nicht unsere Aufgabe,
ein Urteil zu fällen. Er hatte sicher seine Gründe, warum
er so gehandelt hat!"
Frodo ließ sich jedoch nicht von
Gandalfs Worten beirren.
"Aber er ist doch sein Vater! Und
ich habe Legolas' Gesicht gesehen, als er nicht ein Wort der
Zuneigung vernahm. Er leidet – auch jetzt noch!"
Es war
mucksmäuschenstill im Zimmer, als Gandalf Frodo jetzt ansah und
dann laut seinen Atem entweichen ließ.
"Urteile nicht
zu schnell, lieber Frodo! Ich selbst war schon einmal in einer
ähnlichen Lage und weiß, wie schwer einem eine solche
Entscheidung fallen kann! Es war zwar nicht ein Sohn, den die Orks
von Sauron damals angeblich in ihrer Gewalt hatten, aber ein Hobbit,
der mir ebensoviel bedeutet hat – und es immer noch tut! Es gab
auch für Thranduil nur zwei Möglichkeiten: ein Leben, oder
das vieler Elben und Menschen. Wie würdest du in einer solchen
Situation entscheiden?"
Frodo senkte betreten sein Haupt und
schwieg, unfähig, darauf etwas zu erwidern.
"Siehst du!
Es gibt immer zwei Seiten, die betrachtet werden sollten. Aber sei
dir gewiss, dass ich mir Thranduil zur rechten Zeit noch vorknöpfen
werde."
Die Hobbits grinsten, als sie das hörten, denn
sie selbst hatten sich schon so manches von Gandalf sagen lassen
müssen und wussten, dass der Zauberer seine Meinung dabei nicht
zurückhielt.
"So, und jetzt legt euch schlafen. Morgen
wartet noch viel Arbeit auf uns."
Sie krochen unter ihre
Decken, doch Gandalf hatte die Türe noch nicht ganz hinter sich
geschlossen, als Pippin sich noch einmal an Frodo und Sam
wandte.
"Ich will aber doch noch wissen, wie Legolas Tanhis
kennen gelernt hat! Das kann nicht bis Morgen warten!"
Sam
gähnte. "Frag Gimli. Der war ja dabei! Ich weiß nur,
dass sie auf Legolas geschossen hat."
"Sie hat was?",
fragte Pippin ungläubig, doch Sam war bereits eingeschlafen und
so legte er sich verärgert in die Kissen.
"Na, dass
werde ich noch herausfinden!", brummte er, bevor er sich die
Decke über den Kopf zog.
Alles schlief, als sich
Legolas auf den Weg zu der warmen Quelle machte, die außerhalb
der Stadt auf einer kleinen Lichtung des Waldes befand. Er und
Aragorn waren schon öfter gemeinsam dorthin gewandert, doch in
dieser Nacht wollte Legolas alleine sein, um in Ruhe nachdenken zu
können.
Er hatte im Burghof der Feste gewartet, bis er sicher
war, dass auch der letzte der Freunde schlief. Aragorn hatte überall
Kundschafter und Wachen postiert und Legolas bewegte sich
unwillkürlich vorsichtiger, um sie nicht aufzuschrecken, denn
das Letzte, was Legolas wollte, dass jemand auf ihn aufmerksam wurde
und Alarm schlug, dann würde er nämlich nie die Quelle
erreichen.
Er gelangte nach einem raschen Marsch durch viele
kleine Gassen und einige geheime Gänge aus der Stadt, tauchte in
den Schatten der Bäume und fand selbst in dieser Finsternis
sicher den Weg zu der Quelle, die leise sprudelte und einen kleinen
See speiste, der sich an einer Seite an eine kleine, steile Felswand
schmiegte. Von zwei Seiten wurde das Gewässer vom Wald
eingegrenzt und in der Mitte des Wassers befand sich eine kleine
Insel, die durch einen umgestürzten Baumstamm mit dem Ufer
verbunden war. Diese Insel war Legolas' Ziel, denn sie bot
ausreichend Schutz, um sich vor ungesehenen Beobachtern zu verbergen
und er würde in Ruhe nachdenken können. Erst wollte er
jedoch die Gelegenheit nutzen, um ein Bad zu nehmen. Die Quelle hatte
nämlich einen tiefen Ursprung, der das Wasser angenehm wärmte.
Legolas trat aus dem Schutz der Bäume und ließ seinen
Blick über den See gleiten, auf dem milchige Nebelschwaden
zogen, ausgehend, von der sprudelnden Quelle. Es war also genug
heißes Wasser für ein Bad vorhanden!
Als er gerade
den umgestürzten Baum überquert hatte und das sandige Ufer
der Insel erreichte, vernahm er hinter sich aus dem Wald das laute
knacken eines zerbrechenden Zweigs. Blitzschnell kauerte er sich
nieder, all seine Sinne hellwach und spähte über den im
Mondlicht glitzernden See hinweg in die Wälder. Als sich jedoch
auch nach endlosen Minuten nichts mehr regte, wandte Legolas sich ab
und entkleidete sich und ließ sich in das Wasser gleiten.
Sofort spürte er die lindernde Wirkung der Wärme, die den
Schmerz zwischen seinen Schultern auf ein erträgliches Maß
senkte, der sich hartnäckig immer wieder bei jeder seiner
Bewegungen bemerkbar machte. Mit einem leise gemurmelten Fluch
tauchte er noch tiefer in das Wasser hinein. Eigentlich musste die
Wunde längst verheilt sein, doch irgendetwas verhinderte es,
dass sie sich endgültig schloss und immer wieder spürte er,
wie kleine Rinnsale von Blut seinen Rücken herunter liefen. Ihn
beschlich die Vermutung, dass irgendein Gift in die Wunde gelangt war
und die Heilung deshalb so lange dauerte. Die Quelle hatte schon oft
ihre heilende Wirkung bewiesen und Legolas hoffte, dass sie nun auch
ihm helfen würde.
Er stieß sich kräftig vom Ufer
ab und schwamm einige Züge von der Insel weg, um einen noch
wärmeren Punkt nahe der Quelle zu erreichen.
Tanhis
beobachtete ihn von einem tief hängenden Zweig aus, hinter dem
sie sich versteckte. Sie war ihm heimlich gefolgt, von einer Vielzahl
von Gefühlen getrieben. Sie machte sich schreckliche Sorgen um
ihn und seine Zurückweisung hatte ihr nur bestätigt, dass
sie auch allen Grund dazu hatte.
Als sie jetzt den See erblickte,
fühlte sie, dass der Ort von einer ganz eigenen Magie
durchdrungen wurde und ihr Gespür täuschte sie nicht, als
sie auf die sprudelnde Quelle aufmerksam wurde, die einen leichten
Salzgeruch verströmte - es war ein Platz der Heilung.
Sie
wagte sich noch einen Schritt vor, um einen Blick auf Legolas zu
erhaschen, der mit gleichmäßigen Zügen auf die Quelle
zu schwamm und scheinbar nichts um sich herum wahrnahm.
Dieser
Gedanke gefiel Tanhis ganz und gar nicht. Rinyaviês Männer
konnten ganz in der Nähe sein und wenn sie Legolas angriffen,
hatte er nicht einmal eine Waffe um sich zu verteidigen, denn sie lag
schimmernd bei seinen Sachen auf der Insel. Außerdem gab es
noch genügend andere Gefahren zu befürchten und Legolas war
im Wasser, völlig schutzlos, nur zu verwundbar! Er sollte doch
eigentlich wissen, dass sein Alleingang viel zu gefährlich
war!
Unschlüssig blieb sie stehen und überlegte, was sie
nun tun sollte. Legolas würde sicher nicht erfreut darüber
sein, dass sie ihm heimlich gefolgt war, doch sie hatte es zu seinem
eigenen Besten getan.
Schließlich trat sie aus dem
Dickicht und ging festen Schrittes auf den Baum zu, überquerte
die natürliche Brücke und wanderte am Ufer auf und ab und
wartete auf eine Chance, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei
stieß sie plötzlich gegen etwas Weiches und entdeckte
seinen Haufen Kleider, die er unordentlich neben einem kleinen Kreis
aus Steinen, einem Feuerring, zurückgelassen hatte.
Sie ließ
sich bequem auf den weichen Sand nieder, kreuzte die Beine und
stützte ihr Kinn in die Hände, während sie das Wasser
nach Legolas absuchte. Ein leises Platschen zeigte ihr seinen
Aufenthaltsort und sie ließ sich beruhigt auf die Ellenbogen
sinken und wartete darauf, dass er sein Bad beendete. Es dauerte auch
nicht lange, da näherte er sich dem Ufer, mit wenigen, kräftigen
Zügen, blieb jedoch in einer Entfernung und lächelte sie
an. Er schien nicht im Mindesten überrascht, sie hier
anzutreffen.
"Bleibst du noch eine Weile?", fragte er
und legte den Kopf schief, als er auf ihre Antwort wartete.
"Ein
Weilchen", erwiderte sie erleichtert darüber, dass er ihr
es nicht übel zu nehmen schien, dass sie ihm gefolgt war. Er
nickte ihr kurz zu und stieß sich wieder vom Ufer ab, um noch
etwas zu schwimmen.
Tanhis wusste nicht, wie sie sich die Zeit
vertreiben sollte und so begann sie schließlich, Äste und
Zweige zusammen zu suchen, um ein kleines Feuer zu entzünden.
Als die Flammen schließlich auf den Zweigen tanzten und
knisterten, nutzte sie Legolas' Unhang als Kissen und betrachtete
die Sterne, die in Unmengen den klaren Himmel bedeckten und
tausendfach funkelten.
Der Wind frischte auf, als Tanhis aus
ihrem tiefen Schlummer erwachte, sich schlaftrunken aufsetzte und
feststellen musste, dass Legolas ihr gegenüber am Feuer saß
und den Kopf zu ihr wandte, als sie sich rührte.
Ich bin
wirklich eine gute Beschützerin, schalt sie sich selber. Erst
verursache ich einen Heidenlärm, während ich ihm folge und
jetzt schlafe ich seelenruhig ein, wenn er schutzlos durch den See
schwimmt und bekomme noch nicht einmal mit, dass er herumläuft,
sich ankleidet und sich zu mir setzt!
"Ich wollte dich nicht
wecken!", sagte er nun zärtlich und strich ihr über
die Wange.
Sie glaubte, einen neckenden Unterton in seiner Stimme
heraus zu hören; und tatsächlich waren seine Mundwinkel zu
einem Grinsen verzogen. Zu ihrem eigenen Ärger spürte sie,
wie ihr die Röte in die Wangen stieg.
"Du hättest
nicht alleine hier her gehen sollen! Der Wald ist voller Gefahren in
diesen Zeiten!", versuchte sie ihn abzulenken, doch sein Grinsen
wurde noch breiter.
"Du hast Recht. Nicht jeder zerbricht die
Zweige des Waldes, um auf sich aufmerksam zu machen. Wirst du etwa
schon alt und ungeschickt?"
"Alt und ungeschickt? So ein
Unsinn!" Sie versuchte die Verlegenheit zu überspielen,
indem sie damit begann, ihre Zöpfe, die sich beim Schlaf gelöst
hatten, wieder in ihre wirre Mähne zurück zu
schieben.
"Dann warst du es also tatsächlich, die ich
hinter mir durch den Wald trampeln und poltern gehört
habe!"
"Ich bin mein ganzes Leben noch nicht getrampelt,
Herr Grünblatt!"
"Natürlich!"
Sein
Grinsen wurde wieder breiter, bis er laut lachte. Es war ein tiefes,
melodisches Lachen und es rieselte wie eine Wohltat durch sie
hindurch und machte sie darauf aufmerksam, dass Legolas schon lange
nicht mehr so befreit gelacht hatte.
"Das Bad scheint dir
gut getan zu haben – in vielerlei Hinsicht!", begann sie
vorsichtig.
Umgehend wurde sein Gesicht ernst und er sah sie an,
als habe sie einen sehr wunden Punkt in seinem Innersten getroffen
und sie beschloss, ihn nicht auf seinen Vater anzusprechen.
"Schmerzt
dich die Wunde am Rücken noch sehr?", fragte sie
stattdessen.
Sein Blick wandelte sich in Verwunderung und er
wollte schon etwas Abwehrendes erwidern, als sie ihn noch im Luft
holen unterbrach.
"Ich bin nicht nur NICHT alt und
ungeschickt, sondern auch keinesfalls blind, Legolas! Ich habe
gesehen, dass du oft vom Schmerz zusammenzuckst - und das Blut
hinterlässt Flecken auf deiner Tunika! Also versuche erst gar
nicht, es abzustreiten!"
Legolas schloss den Mund und begann,
sich nach Worten suchend, den Nacken zu reiben. Schließlich
zuckte er resigniert die Schultern.
"Es hat wohl keinen
Zweck, es noch abzustreiten, aber es ist nicht so schlimm..."
"Davon
werde ich mich selber überzeugen! Lass mich sehen!"
Sie
stand auf und zog seine noch geöffnete Tunika herunter,
entblößte seinen Rücken und zog geräuschvoll die
Luft ein, als sie die Wunde erblickte. An einigen Stellen überzog
eine dünne Kruste den Schnitt, doch der Rest glänzte
feucht, die Ränder und das umliegende Fleisch waren gerötet.
Unter ihrem sanften Druck zuckte er zusammen und sofort perlten
kleine Blutstropfen aus der Verletzung.
"Idiot!",
schimpfte sie sogleich drauf los, ging zu ihrem Bündel, wobei
sie ihm einen tadelnden Blick zuwarf und kehrte mit einem kleinen
Tiegel wieder hinter seinen Rücken zurück.
"Das ist
eine Salbe, die nicht nur Athelas enthält, sondern noch eine
Pflanze, die den Schmerz etwas betäuben wird. Das wird
hoffentlich helfen, dass sich die Wunde endlich schließt."
Sie verrieb die Salbe sorgfältig, doch plötzlich hielt sie
mitten in der Bewegung inne.
"Ich verstehe nicht, warum sich
die Wunde nicht schon längst geschlossen hat!", murmelte
sie gedankenverloren, doch dann schüttelte sie den Kopf und fuhr
in ihrer Tätigkeit fort.
Legolas ließ ihre
Behandlung ohne murren über sich ergehen, obwohl die Salbe in
der Wunde brannte, doch bald stellte sich eine kühlende Wirkung
ein, die den Schmerz linderte.
"Sicher liegt es an dem Kampf
mit den Wargen, dass der Schnitt sich geöffnet hat.",
entgegnete er auf ihre Äußerung. "Ich bin genau auf
den Rücken gefallen, als sich die Bestie auf mich gestürzt
hat."
Tanhis kehrte auf ihren alten Platz zurück und
fing seinen Blick auf, während er sich wieder anzog, dann
schüttelte sie entschieden den Kopf.
"Nein, die Wunde
sieht noch genauso schlimm aus, wie damals in der Höhle, als ich
den Verband zur Seite gezogen habe. Irgendetwas stimmt da
nicht!"
"Und wie geht es deinem Schwertarm?",
versuchte Legolas sie abzulenken, was ihm auch gelang, denn sie rieb
sich sogleich den Arm und sah ihn dann lächelnd an.
"Halb
so wild! Der Schnitt war nicht tief und du hast ihn gut
versorgt!"
Legolas nutzte die Ablenkung und begab sich an
ihre Seite, zog sie an sich heran und holte sich endlich den Kuss,
nach dem er sich schon die ganze Zeit über gesehnt hatte. Sie
erwiderte ihn bereitwillig und kuschelte sich dann zufrieden an ihn.
All ihre Sorgen gerieten in Vergessenheit und sie saßen eine
Zeit lang einfach nur da und betrachteten die Sterne, bis sich
Legolas schließlich erhob.
"Komm, wir sollten
zurückgehen. Es ist spät und wir sollten dem Feind nicht
doch noch die Gelegenheit bieten, uns hier zu überrumpeln."
Arm
in Arm kehrten sie in die Feste zurück, ohne auch nur die
geringste Aufmerksamkeit einer der Wachen auf sich zu ziehen und
legten sich sogleich zur Ruhe. Bald fühlte Tanhis den
regelmäßigen Atem von Legolas in ihrem Nacken, ein Zeichen
dafür, dass er nach langer Zeit endlich wieder in Ruhe
schlief.
Rinyaviê
ging unruhig in seinem Zelt auf und ab und versuchte, den Plan in
seinem Kopf zu ordnen, der ihm in der Nacht gekommen war. Früh
am Morgen waren sie ausgeritten und hatten aus der Entfernung die
Stadt in Augenschein genommen, in der es zu ging, wie in einem
Ameisenhaufen. Überall wurden Barrieren errichtet und das Heer
aufgeteilt und in Gruppen postiert. Auf den Wällen standen
unzählige Bogenschützen und berittene Späher
durchquerten das umliegende Land, um beim kleinsten Anzeichen des
Feindes, Alarm schlagen zu können.
Rinyaviê hatte jede
Einzelheit dieser Maßnahmen erfasst, doch in der Nacht war ihm
der rettende Einfall gekommen, wie es ihnen gelingen würde,
ihren Angriff noch erfolgreicher durchzuführen.
Jetzt hielt
er mitten in der Bewegung inne, drehte sich mit einem hämischen
Lächeln zu seinen Hauptmännern herum und beugte sich über
den Tisch zu ihnen herunter.
"Ich habe einen Plan, Männer,
der es uns ermöglichen wird, König Elessar eine böse
Überraschung zu bereiten! Damit wird er sicher nicht rechnen!
Und jetzt hört mir gefälligst gut zu! Ich habe keine Lust,
das Ganze noch einmal zu erklären!"
Aragorn stand
auf der Festungsmauer und blickte auf das rege Treiben in den
Strassen nieder, tief in Gedanken versunken und von großer
Sorge erfüllt. Sicher war Rinyaviê inzwischen bei seinen
Truppen eingetroffen und es würde nicht mehr lange dauern, bis
sie einen Angriff auf die Stadt unternahmen und versuchen würden,
sie einzunehmen. Wann würde Rinyaviê angreifen? Wie lange
würden sie einem solchen Ansturm standhalten können?
Er
rieb sich nachdenklich über die Stirn und richtete seinen Blick
auf die Berge des Schattengebirges, die Unheil verkündend und
erschreckend nah vor ihm lagen. Er seufzte und dachte an die
Gefahren, die vor ihnen lagen und unweigerlich tauchten auch die
Bilder der vergangenen Tage wieder vor ihm auf, was ein verdrängtes
Gefühl wieder zu neuem Leben erweckte. Umgehend suchte er den
Kampfplatz in einiger Entfernung mit seinen scharfen Augen ab und
fand den Elben, mitten in einem Übungskampf mit Merry und Pippin
vertieft. Er musterte jede von Legolas' Bewegung und fand die
Bestätigung für sein ungutes Gefühl.
Den Hobbits
gelang es erstaunlich leicht, Legolas immer weiter zurück zu
drängen und dieser hatte deutlich Probleme, die schnellen
Schläge rechtzeitig abzuwehren, die Beide, vom Ehrgeiz gepackt,
mit unvermuteter Härte führten.
Aragorn richtete sich,
von neuer Sorge gepackt, weiter auf und ging die Festungsmauer
entlang, die ihn näher an den Platz heranführte, um noch
besser sehen zu können. Irgendetwas stimmte nicht!
Legolas
konzentrierte sich völlig darauf, den Hieben seiner Freunde
Gegenwehr zu leisten, während Gimli ihnen, der neben Tanhis auf
einem Stein im Schatten eines Baumes saß, Anweisungen zurief,
wie sie sich noch gezielter gegen einen Feind zur Wehr setzen
konnten. Die Hobbits nahmen jeden Hinweis dankend an und setzten sie
erstaunlich schnell um, was dazu führte, dass sie Legolas von
Minute zu Minute mehr bedrängten.
Legolas hatte sich am
Morgen erfrischt und ausgeruht gefühlt, denn er hatte
ungewöhnlich fest geschlafen, doch nun hatte er das Gefühl,
dass es ihm immer schwerer viel, seine Arme mit den Schwertern zu
heben und die Schmerzen in seinem Rücken steigerten sich
unaufhörlich, doch er versuchte verbissen, sich nichts anmerken
zu lassen und wehrte einen neuen Schlag von Pippin ab, der ihn von
der Seite aus angriff. Im gleichen Moment versuchte Merry es mit
einer neuen Taktik und warf sich Legolas gezielt entgegen, wobei er
mit seiner freien Hand den Arm des Elben umfing, um ihn nach unten zu
drücken und ihm das Schwert zu entreißen. Mit seiner
ganzen Kraft warf er sich auf den Arm und Pippin, der seinen Freund
heran laufen gesehen hatte, nutzte die Ablenkung und stieß
Legolas in die Seite, damit er ins wanken geriet. Schon oft hatten
sie so miteinander gekämpft und immer war es ihnen misslungen,
den schnellen, kampferprobten Elben zu überrumpeln, doch diesmal
besaß Legolas nicht die Kraft, auf den Angriff zu
reagieren.
Ein stechender Schmerz fuhr, von der Stichwunde
zwischen seinen Schultern aus, durch seinen Arm, als Merry sich
darauf warf und das Schwert glitt ihm aus der Hand; er wurde von
Pippin umgerissen und prallte hart auf den Rücken, was ihm ein
gequältes Aufstöhnen entlockte, dass in den Jubelschreien
der Hobbits unterging.
"Ha! Wir haben es geschafft!",
freute sich Merry und Pippin klopfte seinem Freund anerkennend auf
die Schulter.
"Das war eine gute Idee von dir Merry! Diesmal
war ich schnell genug, um deine Ablenkung zu nutzen!" Er
strahlte über das ganze Gesicht. "Was Legolas, damit hast
du nicht gerechnet."
Merry und Pippin, die beide immer noch
halb auf Legolas lagen, grinsten den Elben verschmitz an, doch
augenblicklich weiteten sich ihre Augen, als sie Legolas'
schmerzverzerrtes Gesicht sahen.
"Was ist denn, Legolas?",
fragte Merry besorgt, stand auf und beeilte sich, auch Pippin auf die
Beine zu ziehen.
"Es ist nichts.", presste der Elb
hervor, doch sein Gesicht strafte ihn lügen. "Ihr habt mich
einfach überrumpelt, gleich können wir
weitermachen."
Tanhis und Gimli eilten über die Wiese,
als sie sahen, wie Legolas sich schwerfällig erhob und die
Hobbits ihn helfend stützten und Tanhis erfasste schon von
weitem den kleinen Fleck, der sich auf dem Rücken seiner Tunika
ausbreitete. Sofort wurde sie von neuen Sorgen gepackt, die sie
jedoch vor den Freunden zu verbergen versuchte, als sie jetzt bei den
dreien ankamen. Legolas versuchte es mit einem Lächeln, doch es
missglückte ihm auffällig und selbst Gimli zog misstrauisch
die Augenbrauen hoch.
"Macht nicht solche Gesichter,
Freunde.", versuchte Legolas abzulenken und kämpfte sich in
eine aufrechte Position. "Es ist nichts - ich war nur
überrascht. Das hätte ich euch gar nicht zugetraut!"
Er
zerzauste den Hobbits freundschaftlich ihre Lockenköpfe, die ihn
immer noch besorgt ansahen und hob sein Schwert auf, das im Gras lag.
Gimli ließ ihn dabei nicht aus den Augen, wandte sich dann aber
doch brummend ab und legte Merry und Pippin die Arme um die
Schultern.
"Kommt Freunde. Nach so einem Sieg habt ihr euch
eine Stärkung verdient!" Er warf Tanhis noch einen Blick zu
und zog die Hobbits dann in Richtung Feste, die auf diese Ablenkung
hereinfielen und ihm, ohne einen Verdacht zu schöpfen,
folgten.
Legolas ließ sich wieder ins Gras sinken, als
die Hobbits und Gimli durch das Tor verschwunden waren und gab seine
mühsam bewahrte Haltung auf. Tanhis kniete sich neben ihn und
sah ihn eindringlich an.
"Du musst die Wunde von Aragorn und
Gandalf versorgen lassen. Das geht nicht mit rechten Dingen zu,
Legolas. Ich mache mir Sorgen!"
Legolas lächelte matt.
"Das musst du nicht! Sie wird sich schon von alleine schließen!
Die Zeit wird auch die Heilung bringen."
"Aber genau das
ist der springende Punkt, Legolas. Es ist schon soviel Zeit vergangen
und es ist immer noch keine Besserung eingetreten! Außerdem
wird hier sicher bald eine Schlacht ausbrechen, in der du in deinem
Zustand wohl kaum eine Chance haben wirst, auch nur einen Ork
abzuwehren. Wenn du nicht zu deinen Freunden gehst, dann tue ich
es!"
Entschieden erhob sie sich und wollte schon aufgebracht
in Richtung Feste davon stürmen, als sie seine warme Hand auf
ihrem Arm fühlte. Wütend wirbelte sie zu ihm herum, doch
sein Blick besänftigte sie augenblicklich, als sie den Schmerz
darin sah, doch es lag auch Entschlossenheit darin.
"Warte
bitte! Ich kann mir jetzt nicht die kleinste Schwäche leisten,
gerade jetzt, wo mein Vater jederzeit hier eintreffen kann. Er soll
keinen weiteren Anlass dazu bekommen, mich vor meinen Freunden bloß
zu stellen."
Tanhis hörte die Bitterkeit in seinen
Worten und starrte ihn an, während sie versuchte, sein Verhalten
zu verstehen.
"Du brauchst hier niemandem etwas zu beweisen,
Legolas! Was dein Vater denkt, sollte dir egal sein und deine Freunde
werden nicht schlecht von dir denken, nur weil du sie nicht im Kampf
unterstützt. Sie lieben dich und werden es nicht wollen, dass du
dein Leben wegen verletzter Eitelkeit riskierst!"
Bei ihren
Worten verengten sich Legolas' Augen zu Schlitzen und er funkelte
sie wütend an.
"Gerade von dir hätte ich mehr
Verständnis erwartet! Weißt du eigentlich wie das ist,
wenn man immer das Gefühl vermittelt bekommt, nichts richtig zu
machen und seinen Vater nur zu enttäuschen? Diesmal werde ich
ihm keinen Anlass zum Tadeln bieten! Ich werde ihm zeigen, dass mehr
in mir steckt, als er glaubt!"
Schwankend kam er auf die
Beine und sah sie noch einmal verletzt an, bevor er sich umwandte und
sie auf der Wiese zurück ließ, ohne sich noch einmal
umzudrehen.
Aragorn war, nachdem er gesehen hatte,
dass der Elb nach dem Angriff der Hobbits liegen geblieben war,
sofort los gelaufen, um zu sehen, was geschehen war. Als er jetzt auf
dem Platz eintraf, kam ihm der Freund mit einem nicht zu deutendem
Gesichtsausdruck entgegen und schob sich nur stumm an ihm vorbei,
ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Aragorn sah ihm
verwundert nach und strebte dann auf Tanhis zu, die sich bückte
und eines von Legolas' Schwertern aufhob, dass er scheinbar im
Kampf verloren hatte.
"Was ist denn in ihn gefahren?",
fragte er sie schon von weitem und er konnte deutlich sehen, dass sie
bei seinen Worten erschrocken zusammenfuhr.
"Aragorn! Wo
kommst du denn so plötzlich her?", versuchte sie eine
Ablenkung.
"Ich habe euch gesehen, als ich auf der
Festungsmauer einen Kontrollgang gemacht habe. Ist etwas nicht in
Ordnung?"
Tanhis überkam bei seiner Frage ein
innerer Kampf. Sollte sie Aragorn alles erzählen und so gegen
Legolas' Wunsch handeln? Er musste doch verstehen, dass sie sich
große Sorgen machte und es besser war, wenn Aragorn und auch
Gandalf von seinen Schmerzen wussten! Sie würden ihn sicher
davon überzeugen können, dass es unmöglich war, in
seiner Verfassung einen Kampf zu riskieren und konnten ihm vielleicht
sogar helfen! Selbst gegen Merry und Pippin hatte er sich nicht zur
Wehr setzen können und sie hatten sicher nicht die geringste
Chance, den Elben zu besiegen, wenn er unverletzt war!
Doch
Legolas' Blick, als er von seinem Vater gesprochen hatte, hielt sie
zurück. Sie hatte seine Verzweiflung gesehen und ein Stück
weit konnte sie seine Denkweise verstehen, wenn sie es auch immer
noch für Wahnsinn hielt, dass er so leichtfertig sein Leben aufs
Spiel setzte.
"Nein, nein! Es gibt keinen Grund sich Gedanken
zu machen. Er war wohl nur sauer auf sich selbst, dass die Hobbits es
geschafft haben, ihn zu überrumpeln...", versuchte sie
Aragorn zu beschwichtigen.
"Aber ich sehe dir doch an, dass
ihr euch gestritten habt. Du hast Tränen in deinen Augen!"
Er kam einen Schritt auf sie zu und er sah, wie sie wieder zögerte,
bevor sie ihm etwas erwiderte.
"Ich sagte doch schon, dass er
sauer auf sich selbst ist und es hat ihm wohl auch nicht gefallen,
dass ich ihm gesagt habe, er solle das nicht so ernst nehmen! Er war
wütend auf mich..."
"Das passt gar nicht zu
Legolas!", äußerte Aragorn, doch sie ging nicht
darauf ein, murmelte etwas davon, dass sie Legolas sein Schwert
bringen musste und entfernte sich eine Spur zu rasch von
ihm.
Aragorn blieb auf der Wiese zurück und wartete, bis
Tanhis die Feste erreicht hatte, dann ging er in die Hocke und suchte
den Boden ab, bis er fand, wonach er suchte.
An der Stelle, wo die
Hobbits Legolas zu Boden gerissen hatten, berührte er mit den
Fingerspitzen den dunklen Fleck und zerrieb nachdenklich das Blut
dazwischen. Also hatte er mit seiner Vermutung doch Recht gehabt.
Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung und es wurde höchste
Zeit, dass er mit Legolas sprach!
Er machte sich auf den Rückweg,
um den Elb zu suchen und ihn zur Rede zu stellen, doch er wurde von
einem der Hauptmänner abgefangen, der ihn seinerseits gesucht
hatte, weil er Aragorns Anweisungen benötigte, um seine Männer
zu postieren. Aragorn nahm sich fest vor, seine Suche gleich
anschließend zu beginnen, doch er wurde den ganzen Tag von den
Vorbereitungen der Schlacht in Anspruch genommen, sodass es schon
spät am Abend war, als er endlich in die Halle der Feste trat.
Gandalf saß mit Êomer, Faramir, Eowyn und Arwen zusammen,
doch weder von den Hobbits oder Gimli, noch von Legolas und Tanhis
war auch nur eine Spur zu sehen. So setzte er sich eine Weile zu den
Freunden, die ihn auch gleich wieder völlig in Beschlag nahmen
und mit ihm über die Möglichkeiten ihrer Verteidigung
sprachen, bis die Stunden der Nacht schon weit fortgeschritten waren
und sie alle müde zu Bett gingen.
Um die gleiche
Zeit näherte sich den äußeren Toren der Stadt ein
Pferdekarren, der von einem Mann langsam vorangetrieben wurde und
sich einen Weg durch das riesige Lager bahnte, dass von einigen
Feuern erhellt wurde, um die noch einige Krieger saßen. Der
Wagen rumpelte über die unebene Spurrille, die schon zahlreiche
Karren vor ihm hinterlassen hatten und hielt mit einem Ruck an, als
sich die Wachen des Tores dem Kutscher in den Weg stellten und dieser
die Zügel der Tiere anzog.
"Wer seid ihr und was habt
ihr geladen?", fragte einer der Wachen.
"Mein Name ist
Vanwathôl, Herr. Ich bringe Fässer mit Wein und andere
Nahrungsmittel aus meinen Landen, die für die Truppen des Königs
bestimmt sind."
Der Wachmann ging um den Karren herum und
durchsuchte ihn, so gut er es in der Dunkelheit vermochte, konnte
jedoch nichts auffälliges entdecken. Mit einem Nicken erteilte
er die Erlaubnis, das Tor zu passieren und bald verhallten die
Hufschläge und das Knirschen der Räder in den Strassen von
Minas Tirith und das Tor wurde wieder verschlossen.
Überall
auf dem Burggelände drängten sich die Krieger und Menschen
in eifriger Beschäftigung und machten es fast unmöglich,
einen Fuß vor den anderen zu setzen. Zwischen diesem Gedränge
fuhren mit Holz und Eisen beladene Karren, die das Material zu den
Toren brachten, um diese auszubessern und die Schmiede hatten alle
Hände voll zu tun, um die Schwerter und Waffen zu schärfen.
Es gab nur ein Gesprächsthema in der Stadt und alle äußerten
ihre Vermutungen, über den Zeitpunkt des Angriffs der
Feinde.
Legolas bahnte sich unauffällig und geschickt einen
Weg durch das Gedränge, ohne auch nur einer Person aufzufallen,
denn er hatte sich die Kapuze seines Umhang tief ins Gesicht gezogen
und hielt sich immer im Schatten der Häuser.
Die ganze Nacht
hatte er im Freien verbracht, um weder Tanhis, noch einem der Freunde
gegenüber treten zu müssen, denn er wusste nicht, ob Tanhis
mit Aragorn oder Gandalf gesprochen hatte und er war fest
entschlossen, sich an dieser Schlacht zu beteiligen und seinem Vater
nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen neuen Tadel zu
bieten.
Die Nacht war kalt gewesen und immer noch steckte die Kälte in seinen Gliedern und schüttelte seinen Körper, was ihn dazu veranlasste, den Mantel noch enger um seine Schultern zu ziehen, doch er stoppte in seiner Bewegung und wartete darauf, dass der Schmerz langsam nachließ der ihm durch den Rücken fuhr. Sonst hatte ihm weder Kälte noch Hitze das Geringste anhaben können und Schmerzen waren etwas, das er nur selten wahrnahm, denn seine Wunden verheilten sonst so schnell, dass auch die Schmerzen nie lange andauerten. Wieder kam ihm der Verdacht, dass die Ursache für seinen Zustand eine List von Rinyaviê und seinen Männern war und sicher auf ein Gift zurück zu führen war, dass sich langsam immer weiter in seinem Inneren ausbreitete und seine Kräfte raubte. Der Hass der Haradrim auf die Elben war groß genug, um vor so einer Tat nicht zurück zu schrecken und er war sicher ein willkommenes Ziel gewesen, als Sohn eines Königs und Freund vom Herrn Gondors.
Legolas zwang sich,
seinen Weg fortzusetzen und umrundete die letzte Häuserreihe,
die sich vor dem Tor zum Burghof erhob, durchschritt es, ohne von den
Wachen zur Kenntnis genommen zu werden und befand sich auf dem großen
Platz, der ausschließlich von Kriegern erfüllt war. Er
musste Tanhis finden, denn noch etwas hatte ihn die ganze Nacht über
nicht schlafen lassen – sein schlechtes Gewissen! Er hätte sie
nicht so anfahren dürfen, auch wenn sie ihn nicht verstand, denn
ihm war bewusst geworden, dass es einzig und allein die Sorgen
gewesen waren, die sie dazu verleitet hatte, ihm so schroff zu
begegnen.
Legolas suchte in dem Durcheinander der Menge nach ihrem
wirren Haarschopf, konnte sie jedoch nicht entdecken und schimpfte
sich selbst einen Idioten, dass er sie so einfach auf der Wiese hatte
stehen lassen.
Plötzlich begann die Umgebung vor seinen Augen
zu verschwimmen und dunkle Punkte tanzten vor seinen Augen, was ihn
veranlasste, die Lider zu senken. Er stützte sich an einer
kleinen Mauer ab und kämpfte gegen die Panik an, die von ihm
Besitz ergriff, zwang sich selber dazu, die Ruhe zu bewahren, atmete
tief durch und als er nach einigen Minuten die Augen wieder
aufschlug, waren die Schatten verschwunden.
Wenn er nur wüsste, was ihm diese Qualen bereitete! Er wäre sicher in der Lage, etwas dagegen zu tun, doch so war er gezwungen, sich so lange wie er nur vermochte gegen das Gift zur Wehr zu setzen. Legolas ging in Gedanken noch einmal die Bruchstücke seiner Erinnerung an die Gefangenschaft durch und suchte nach einem Hinweis, doch so sehr er sich auch anstrengte, ihm viel nichts ein, was seinen Zustand erklärt hätte. Die Waffe, die ihm die Stichwunde zugefügt hatte, konnte nicht die Ursache dafür sein, sonst hätte er gleich einen bren
nenden
Schmerz gefühlt, der auf ein Gift hingewiesen hätte. Doch
da die Wunde nicht heilen wollte, bestand kein Zweifel, dass sich das
Gift von dort ausbreitete und so blieb nur noch eine Möglichkeit:
Alcthon! Er hatte ihn und die Verletzung versorgt und er besaß
die Kenntnisse über alle möglichen Heilpflanzen und deren
Wirkung, da war es nicht verwunderlich, dass er sich auch mit
Giftpflanzen auskannte! Er musste ihn finden, das war seine einzige
Hoffnung! Sicher würde er mit Rinyaviê nach Minas Tirith
kommen, um die Verwundeten der eigenen Truppen zu versorgen!
Diese
Erkenntnis gab ihm neuen Mut, doch er musste trotz allem abwarten,
bis der Feind endlich angriff. Sich jetzt schutzlos in das Gebiet des
Feindes zu begeben, war ein aussichtsloses Unterfangen und würde
ihn nur wieder in dessen Hände treiben. Er war zum Warten
verdammt und musste darauf hoffen, Alcthon unter den Feinden
auszumachen, wenn sie die Stadt angriffen.
Legolas' Abwesenheit viel zunächst niemandem auf, denn alle Freunde waren mit den verschiedensten Aufgaben betreut worden, die es ihnen unmöglich machten, auch nur eine Minute zur Ruhe zu kommen. Frodo und Sam hatten mit Merrys und Pippins Unterstützung wieder die Botengänge übernommen, Gandalf stand Aragorn beratend zur Seite und Gimli hatte sich Êomer und Faramir angeschlossen, die das Kommando über ihre Truppen führten. Tanhis hatte auf den Wunsch von Arwen damit begonnen, sie und Eowyn einige ihrer Kampftechniken beizubringen und war in dem festen Glauben, dass Legolas ihr bewusst aus dem Weg ging und sicher mit Gimli gegangen war, um sich den Truppen anzuschließen. Gimli war seinerseits in dem Glauben, dass sich Legolas bei Tanhis befand, die er ebenfalls seid dem Zwischenfall auf dem Kampfplatz nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte.
Frodo und Sam liefen gerade durch das sechste
Tor der Stadt, um zur Feste zurück zu kehren. Es war schon spät
am Nachmittag, langsam zog die Dämmerung herauf, und sie hatten
damit zugebracht, einigen Hauptläuten neue Anweisungen zu
überbringen, die vor dem Einbruch der Dunkelheit ausgeführt
werden mussten. Den ganzen Tag schon hatte eine unheilsverkündende
Stimmung über der Stadt gelegen und Aragorn fürchtete, dass
in dieser Nacht die Haradrim angreifen würden.
Frodo wischte
sich den Schweiß von der Stirn, was dunkle, schmutzige Streifen
in seinem Gesicht hinterließ, denn es war so trocken und warm,
dass in der Luft der Staub der Strassen schwebte und alles bedeckte.
Weder Frodo noch Sam kümmerte dieser Umstand, doch sie waren
müde und hungrig und wollten so schnell es nur ging wieder in
die Burg zurück, um sich auszuruhen, damit sie, sollte die
Schlacht wirklich in dieser Nacht beginnen, vorher noch etwas zu
Kräften kamen.
Sie ließen einige Pferdewagen hinter
sich und quetschten sich an den Menschen vorbei, sodass sie dicht an
der Stadtmauer entlang kamen, die sich zu ihrer rechten erhob,
erspähten das letzte Tor und beschleunigten noch einmal ihre
Schritte, dass ersehnte Ziel vor Augen.
Im Burghof herrschte
das gleiche dichte Gedränge, doch es war wesentlich geordneter,
als in den Strassen der Stadt, sodass sie schnell die Stufen der
Feste erreichten und in die kühle Halle gelangten, wo schon
einige ihrer Freunde versammelt waren. Aragorn schaute lächelnd
auf, als er die Schritte der Hobbits vernahm und winkte sie zu sich
heran. Bei ihm stand einer der Boten, nicht weniger schmutzig und
erschöpft wie sie selbst und Frodo musterte ihn neugierig.
"Es
gibt gute Neuigkeiten, Freunde! Die Truppen der Elben nähern
sich über die Ebene und werden noch vor Sonnenuntergang hier
sein! Das steigert unsere Chancen um einiges. Mit ihrer Hilfe wird es
uns sicher gelingen, Rinyaviê zurück zu drängen!"
Diese
Nachricht erfüllte alle mit neuer Zuversicht und rasch erteilte
Aragorn Anweisungen, um alles für die Ankunft der Elben in die
Wege zu leiten.
Tanhis saß mit gemischten Gefühlen an
einem der Tische und fragte sich eben, wie Legolas die Nachricht vom
Eintreffen seines Vaters wohl aufnehmen würde, als Êomer
und Faramir, gefolgt von Gimli die Halle betraten. Sie starrte auf
die Eingangstüre und hielt nach Legolas Ausschau, doch die Türe
schloss sich hinter den Freunden und sofort wurde Tanhis von Unruhe
gepackt. Wo steckte er, wenn er nicht bei dem Zwerg war? Oder war er
doch bei ihnen gewesen und würde ihnen später folgen?
Sie
hielt die Ungewissheit nicht länger aus und strebte auf Gimli
zu, den sie dann außer Hörweite zog und ihn fragend
musterte.
"War Legolas nicht bei euch? Ich dachte, er hätte
sich euch angeschlossen!"
Gimli legte die Stirn in Falten und
stieß einen brummenden Laut aus, den Tanhis nicht zu deuten
vermochte.
"Ich habe ihn seid Gestern nicht mehr zu Gesicht
bekommen, als ich euch auf der Wiese zurückgelassen habe! Was
ist denn geschehen?", verlangte er dann zu wissen.
Tanhis
überlegte, ob sie Gimli von Legolas' Verletzung erzählen
sollte, entschied sich jedoch dagegen. Wenn Legolas es gewollt hätte,
dann hätte er es dem Zwerg sicher schon längst erzählt
und so wich sie der Frage aus.
"Nichts, ich dachte nur, er
wollte zu euch, als er heute Morgen erfuhr, dass ihr zu den Truppen
gegangen seid. Sicher ist er aufgehalten worden und wird gleich
kommen."
"Mach mir nichts weis, Mädchen! Ich sehe
doch, dass hier etwas ganz und gar nicht Ordnung ist! Ich kenne
Legolas lange genug, um zu wissen, dass er nicht so leicht von zwei
Hobbits zu überrumpeln ist. Es ist mir auch nicht entgangen,
dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, also – was ist
los?"
Jetzt zog Gimli sie noch ein Stück weiter von den
Freunden weg und sein Blick zeigte Tanhis, dass sie ihm nichts
vormachen konnte. Sie schluckte und berichtete dann schweren Herzens
von ihrem Streit. Als sie endete lag auch in Gimlis Augen die Sorge
um den Freund.
"Komm, wir suchen ihn. Es ist besser, wir
finden ihn, bevor sein Vater hier eintrifft."
Unbemerkt
entfernten sie sich aus der Halle und machten sich auf die
Suche.
Rinyaviê und eine Hand voll seiner
Männer hielten sich hinter einem kleinen Schuppen verborgen, vor
dem noch immer der Pferdekarren mit den Weinfässern stand und
ihnen zusätzliche Deckung bot. Noch immer lag ein zufriedenes
Grinsen auf seinem Gesicht, denn sein Plan, sich in den Fässern
zu verstecken und so in die Stadt zu gelangen, war aufgegangen.
Niemand der Wachen hatte Verdacht geschöpft und sie waren
unbehelligt bis in den sechsten Ring der Stadt gelangt, wo Vanwathôl
den alten, fast zerfallenen Schuppen entdeckt hatte. Die Türe
quietschte in den Angeln, überall pfiff der Wind durch die
Ritzen und auf dem Boden lag nasses, schimmelndes Stroh, doch in
näherer Umgebung war nicht ein bewohntes Haus und so hatten sie
ungesehen aus den engen, stinkenden Fässern klettern können,
ohne dabei entdeckt zu werden.
Nun brauchten sie nur noch auf den
Einbruch der Dunkelheit zu warten und das vereinbarte Signal senden,
dass die Truppen dazu veranlassen würde, endlich den Schutz des
Schattengebirges zu verlassen und den Angriff zu starten, während
er sich auf die Suche nach dem König und diesem Elben machen
konnte!
Immer noch nagte die Wut in seinem Inneren, wenn er an den
Elben dachte und er würde es genießen, ihm endlich die
Strafe zuteil werden zu lassen, die er verdient hatte. Niemand durfte
es wagen, ihn so bloß zu stellen und seine gefährlichste
Truppe zu überwältigen!
Rinyaviê wandte den
Kopf zur Seite und ergriff den Kragen des Mannes neben sich, um ihn
näher an sich heranzuziehen.
"Und du bist dir sicher,
dass die Giftpflanze seine Kraft geschwächt hat – Alcthon?",
zischte er.
Alcthon zog die Schultern zusammen, doch der eiserne
Griff seines Herrn verursachten ihm trotzdem Schmerzen.
"Ja,
Herr! Als er befreit wurde, hatte die Wunde sich noch nicht wieder
geschlossen. Das Gift hat zwar die Entzündung aufgehalten, doch
ohne das Gegengift wird sie sich nicht schließen und er wird
immer schwächer werden. Er müsste die Folgen inzwischen
selber bemerken!"
Rinyaviê grinste zufrieden und stieß
Alcthon grob zur Seite, der sich beeilte, aus der Reichweite seines
Herrn zu gelangen.
"Sehr gut! Dafür, dass es eigentlich
anders geplant war, hat sich das Schicksal doch noch zum Guten für
uns gewendet! Ich freue mich schon jetzt darauf, sie um Gnade betteln
zu sehen!"
Legolas hatte den ganzen Burghof vergeblich abgesucht und hatte dann damit begonnen, erst die Feste und dann die umliegenden Plätze und Ställe zu durchkämmen. Immer wieder wäre er dabei fast einem seiner Freunde in die Arme gelaufen, doch es war ihm ständig in letzter Minute gelungen, sich zu verbergen. Dabei hatte er zufällig erfahren, dass sein Vater und die Armeen der Elben noch an diesem Abend in Minas Tirith eintreffen würden, was ihn erneut in seinem Vorhaben bestärkte, sich auf keinen Fall von der Schlacht ausschließen zu lassen.
Als er den Stall betrat, vernahm er das leise und
friedliche Schnauben der Pferde und das rascheln des Heus, die
letzten Strahlen der Sonne tauchten alles in schummriges Licht und
der Geruch des frischen Strohs, vermischt mit dem Duft der Pferde,
stieg Legolas in die Nase.
Fast wie von selbst wurde er dazu
verleitet, zu Arod in die Box zu gehen und das Tier wandte sofort den
Kopf in seine Richtung und stieß ein kurzes, erfreutes Wiehern
aus, als es seinen Herrn erkannte.
Legolas griff im vorbeigehen in
den Trog mit Hafer und hielt Arod seine Hand ausgestreckt entgegen,
der umgehend seine weichen Nüstern blähte und schließlich
gierig die Leckerei auffraß. Legolas genoss es, die weiche
Berührung in seiner Handfläche zu spüren und begann
mit der anderen Hand, den Hals von Arod zu streicheln. Als der Hafer
vollständig im Maul des Tieres verschwunden war, begann es
überall an seinem Herrn zu schnuppern, in der Hoffnung, noch
mehr davon zu entdecken. Als seine Suche erfolglos blieb, stieß
es Legolas sanft gegen die Schulter und forderte damit Nachschub.
Legolas lachte.
"Du bist ganz schön undankbar, mellon
nin! Du wirst dich damit wohl zufrieden geben müssen!"
Arod
trat einen Schritt auf Legolas zu und wieder stieß er ihm
auffordernd gegen die Schulter, diesmal jedoch mit mehr Kraft, die
Legolas ungewollt gegen die Stallwand drückte und ihn
zusammenzucken ließ.
"Ah, du musst deswegen nicht
gleich Gewalt anwenden, du Vielfraß!", schimpfte Legolas,
doch er zog geräuschvoll die Luft ein und schob Arod entschieden
von sich. Müde und erschöpft ließ er sich auf einem
Strohballen nieder und dachte an Tanhis' Worte, die sie ihm auf der
Wiese gesagt hatte und er zweifelte das erste Mal an seiner
Entscheidung, Aragorn und Gandalf nichts von seinen Schmerzen zu
erzählen.
Vielleicht konnten sie ihm ja wirklich helfen!
Aragorn hatte schließlich auch vermocht, Faramir und Eowyn
damals zu helfen, als sie im Ringkrieg verletzt worden waren und
würde bestimmt auch ihm Linderung verschaffen! Wenigstens
soweit, dass er wieder Imstande war, sich ausreichend in den
bevorstehenden Kämpfen verteidigen zu können, um doch noch
seine Ehre gegenüber seinem Vater zu bewahren.
Tanhis Stimme
riss ihn plötzlich unvermutet aus seinen Gedanken und er hob so
abrupt den Kopf, dass sich einen Augenblick alles um ihn herum
drehte. Rasch ging der Schwindel vorbei und da stand sie, das Haar
wild zerzaust und ihr Atem ging in schnellen Zügen von der
Anstrengung des Laufs, kraftlos hingen ihre Arme an ihren Seiten
herunter und als sich ihre Blicke trafen, schimmerten Tränen der
Erleichterung in ihren Augen.
Eine Zeitlang vermochte keiner
der Beiden sich zu rühren, bis Legolas sich erhob, sein Gesicht
schmerzgepeinigt verzogen, und Tanhis wollte schon nach ihm greifen,
um ihn zu stützen, doch es gelang ihm, ohne ihre Hilfe wieder
auf die Füße zu kommen. Er zögerte einen Moment, doch
dann brach er schließlich das Schweigen.
"Tanhis. Es
tut mir leid was ich gesagt habe. Du hast Recht, ich sollte mir
helfen lassen!"
Seine Worte bewirkten, dass ihr die Tränen
jetzt ungehindert über die Wangen liefen, doch ein Lächeln
legte sich auf ihre Lippen, als sie endlich aus ihrer Starre erwachte
und zu ihm ging. Ohne ein Wort schloss sie Legolas in die Arme,
erleichtert darüber, ihn unversehrt gefunden zu haben. Sie und
Gimli hatten sich bei ihrer Suche getrennt, um mehr Zeit zu gewinnen
und der Stall war ihre letzte Hoffnung gewesen, nachdem alle anderen
Plätze sich als Erfolglos erwiesen hatten. Sie wusste, wie sehr
Legolas an Arod hing und sie selbst liebte die ruhige Atmosphäre
in den Ställen, die der geeignete Ort zum Nachdenken
waren.
Legolas löste sich vorsichtig aus ihrer Umarmung
und sah sie zärtlich an.
"Komm, lass uns zu Aragorn
gehen. Ich hoffe du hast Recht und er oder Gandalf können mir
helfen."
Tanhis nickte erleichtert, ergriff seine Hand und
gemeinsam verließen sie den Stall.
Draußen war
inzwischen die Nacht hereingebrochen und es war merklich abgekühlt,
doch der frische Wind blies Legolas angenehm ins Gesicht. Er drückte
Tanhis Hand ein wenig fester und sie schlugen den Weg zur Feste ein,
der sie von den Ställen aus über einige kleine Strassen und
Gassen führte. Sie hatten gerade eine kleine, verlassene Gasse
erreicht, als Tanhis von einem unguten Gefühl beschlichen wurde
und auch Legolas unvermittelt stehen blieb und angestrengt lauschte.
Er war sich nicht sicher, doch er meinte ganz deutlich etwas gehört
zu haben und sein Blick blieb an dem alten Pferdekarren hängen,
der nicht unweit von ihnen am Ende der Gasse stand und auf den
Schuppen dahinter.
Bevor sie richtig reagieren konnten, sprang
auch schon der erste der Haradrim hinter dem Wagen hervor und riss
Legolas von den Füßen, der es jedoch gerade noch schaffte,
sich herumzurollen, um nicht unter dem massigen Körper begraben
zu werden. Tanhis schrie kurz auf, warf sich auf den Mann und lenkte
ihn so von Legolas ab, der seinen Dolch zog und dann zu Tanhis
stürzte, um ihr zu helfen.
Doch er gelangte erst gar nicht in
ihre Nähe, denn jetzt kamen fünf weitere Männer aus
dem Schuppen und griffen sie an. Tanhis setzte ihren Gegner mit einem
gezielten Stoß ihrer Klinge außer Gefecht und fuhr zu
Legolas herum, der sich gegen zwei Haradrim zur Wehr setzte und eilte
an seine Seite. Sie musste ihm helfen, ihn vor den Feinden
beschützen, bevor er noch ernsthaft verletzt wurde. Ohne nach
links oder rechts zu sehen stürmte sie auf ihn zu, den Dolch
kampfbereit in der Hand, doch sie erreichte ihn nicht, denn ein
eiserner Griff umfing plötzlich ihre Schulter und sie wurde mit
einem Ruck herumgerissen. Die Hand mit dem Dolch wurde hart gegen die
Wand geschlagen und klappernd fiel er zu Boden, während sie
selbst den kalten Stahl einer Klinge an ihrer Kehle spürte. Ein
widerwärtiger Geruch von Schweiß, Dreck und Bier stieg ihr
in die Nase und sie eine riesige Hand verschloss ihren Mund, noch
bevor sie einen Schrei ausstoßen konnte.
"Das reicht!",
donnerte eine tiefe Stimme neben ihrem Ohr, die bewirkte, dass
Legolas in seiner Bewegung erstarrte und von Entsetzen gepackt wurde.
Diesen Augenblick nutzten seine Gegner und sie führten einen so
kräftigen Schlag aus, das Legolas in die Knie ging, dann wurde
er umgehend gepackt und bekam die Arme auf den Rücken gedreht,
damit er sich nicht mehr wehren konnte.
Tanhis wand sich in dem
festen Griff, als sie sah, wie Legolas zu Boden ging, doch es war ein
vergeblicher Versuch und sie wurde nur noch enger
umschlungen.
Legolas hob den Kopf und sah gequält zu
Rinyaviê auf, der Tanhis mit Gewalt festhielt und eine Freude
daran hatte, seine Macht gegen sie auszuspielen. Er sah die Angst in
ihren Augen, was ihn fast zur Verzweiflung brachte, denn er gab sich
alleine die Schuld daran, dass sie nun in dieser ausweglosen
Situation steckten!
Er hätte gleich auf sie hören
sollen, denn nur wegen ihm hatte sie sich auf die Suche gemacht; sie
hatte ihn beschützen wollen und war stattdessen selber in Gefahr
geraten. Es war seine Schuld, wenn ihr nun etwas zustieß, wenn
Rinyaviê sie verletzen würde und er stand hilflos daneben
und musste tatenlos dabei zusehen!
Legolas stand mühsam auf
und warf Rinyaviê einen finsteren, entschlossenen Blick
zu.
"Lass sie gehen! Sie hat nichts mit der Sache zu
tun!"
"So, ich soll sie frei lassen? Das könnte dir
so passen! Sie würde umgehend zu deinen Freunden rennen und
Hilfe holen! Nein, ich habe etwas Besseres mit ihr vor! Sie darf
zusehen, wie ich dich langsam dafür bezahlen lasse, dass du mir
meine Pläne verdorben hast und wenn ich mit dir fertig bin,
werde ich mich ihrer annehmen und ein bisschen Spaß mit ihr
haben!"
Rinyaviê lachte amüsiert auf, als er den
entsetzten Ausdruck in Legolas' Augen sah.
"Oh, scheint so,
als würde die Kleine dir einiges bedeuten! Na, das macht die
Sache ja noch interessanter! Vielleicht lasse ich dich noch ein wenig
zusehen, wie ich mich um sie kümmere, bevor du an der Reihe
bist!"
Mit einer Handbewegung rief er einen seiner Männer
an seine Seite.
"Gebt das Signal und dann machen wir, dass
wir zum Palast kommen."
Der Mann zog einen Pfeil aus dem Köcher, spannte ihn in den Bogen und hielt die Spitze in das Feuer einer Fackel, die einer der Anderen in den Händen hielt, zielte dann in die Luft und schoss den brennenden Pfeil ab. Er zog einen hellen Streifen über den schwarzen, sternenlosen Himmel, bevor er aus Legolas' Blickfeld verschwand und sich in die Ebene herabsenkte. Der Angriff hatte begonnen.
